Anton Seidl †
[352] Anton Seidl †. (Zu dem Bildnis S. 354.) Am 28. März ist in New York unerwartet früh ein Musiker vom Tode hingerafft worden, der sich um die Pflege der deutschen Musik im Ausland, besonders in Amerika außerordentliche Verdienste erworben hat. In Anton Seidl hat die Opernbühne der Gegenwart einen ihrer besten Dirigenten, die Wagnerische Musik einen ihrer begeistertsten und erfolgreichsten Apostel verloren. Zu Budapest am 7. Mai 1850 geboren, studierte Seidl 1870 bis 1872 am Leipziger Konservatorium; er hatte dann das Glück, von Richard Wagner nach Bayreuth gezogen zu werden, um diesem bei den Vorarbeiten für die erste „Nibelungen“–Aufführung daselbst zu helfen. So wurde er einer der wenigen Operndirigenten, die von Wagner selbst in all seine künstlerischen Absichten eingeweiht wurden, ehe sie daran gingen, nach Bayreuther Muster auf anderen Bühnen die großen Musikdramen Wagners ins Leben zu rufen und deren Aufführungen mit vollem Einsatz ihrer besten Kraft zu leiten. Auf Wagners Empfehlung wurde Seidl 1875 von Angelo Neumann als Kapellmeister nach Leipzig an das Stadttheater berufen, auf dessen Bühne damals die „Nibelungen“–Tetralogie zur ersten Aufführung gelangen sollte. Den in ihn gesetzten Erwartungen wußte er hier in glänzender Weise zu entsprechen. Er trat auch an die Spitze der Operngesellschaft, welche Neumann gründete, um mit ihr in allen Hauptstädten Europas Proben aus den „Nibelungen“ zur Aufführung zu bringen. Dann fand er eine feste Stellnng als Dirigent des Theaterorchesters in Bremen. 1885 folgte er einem Rufe nach New York, um nach Damroschs Tod die Leitung der verwaisten jungen dentschen Oper dort zu übernehmen. Als Kapellmeister des New Yorker Metropolitan–Opernhauses, als Direktor der dortigen Philharmonischen Gesellschaft und der Seidl-Society hat er in Amerika die Musik Wagners zum allgemeinen Verständnis und zu jener Beliebtheit gebracht, deren sie sich dort gegenwärtig erfreut. Wiederholt hat Seidl in Bayreuth als Mitdirigent der Musteraufführungen gewirkt, zuletzt noch im vorigen Jahre; bei dieser Gelegenheit feierte er seinen letzten Triumph in Deutschland durch die geradezu klassische Durchgeistigung, mit welcher unter seiner Direktion der „Parsifal“ in Scene ging.
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