Auerswald und Lichnowsky/Die Vorfälle des 18. Sept. 1848

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von: Christian Reinhold Köstlin
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[18]

Die Vorfälle des 18. September 1848.

Fragt man zunächst nach den entfernteren Veranlassungen der in Rede stehenden Ereignisse, so ist sogleich als charakteristisch hervorzuheben, daß wir es hier zwar keineswegs mit einem sogenannten politischen Verbrechen im eigentlichen Sinne zu thun haben, daß aber gleichwohl die verbrecherischen Vorgänge, von denen es sich handelt, ohne Anknüpfung an die damaligen politischen Ereignisse in Deutschland und in Frankfurt insbesondere nicht erklärlich sind.

Schon am Abend des 16. Sept. 1848 hatten in Folge der Genehmigung des Waffenstillstands von Malmö durch die National-Versammlung Tumulte in Frankfurt begonnen, denen eine feindselige Tendenz gegen die rechte Seite jener Versammlung zu Grunde lag.

Die bekannte Volksversammlung auf der Pfingstwaide, welche Sonntag den 17. Sept. darauf folgte, steigerte die Erhitzung der Gemüther bei der Masse in dem Grade, daß das Reichsministerium sich veranlaßt sah, noch in der Nacht östreichische und preußische Truppen von Mainz heranzuziehen.

Auf der Pfingstwaide war beschlossen worden, daß die Majorität der National-Versammlung für Verräther [19] des deutschen Volks, der deutschen Freiheit und Ehre erklärt werde und daß eine Deputation diesen Beschluß Montags den 18. Sept. der National-Versammlung mittheilen solle.

Von den herbeigerufenen Truppen wurde am 18. Sept. die Umgegend der Paulskirche besetzt. Gleichwohl gelang es einem Theile der Volksmenge, welche vor derselben stand, während der Sitzung der National-Versammlung in das Gebäude einzudringen. Da nun preußisches Militär mit gefälltem Bajonette gegen die nachdrängenden Massen vorrückte, so kam es infolge der Verwundung eines Manns aus dem Volke durch einen Bajonettstich zum thätlichen Ausbruch der Erbitterung gegen das Militär, namentlich das preußische. Man fing an Barrikaden zu bauen, und der Straßenkampf begann.

Am Abend vorher hatte im Gräber’schen Lokale in Frankfurt auch noch eine Versammlung von Deputirten verschiedener demokratischer und Turnvereine stattgefunden, worin (unter wüthenden Reden gegen die Rechte) beschlossen wurde, daß am 18. große bewaffnete Volksversammlung auf dem Roßmarkte sein sollte.

Hiemit in nächstem Zusammenhange stand ein unter Leitung des Schusters Daniel Georg unternommener bewaffneter Auszug aus dem benachbarten Orte Ginnheim.

Ein Zug von etwa 20 Mann, mit Piken und Schießgewehren versehen, marschirte nach Bockenheim, um vereinigt mit den dortigen Einwohnern nach Frankfurt zu ziehen. Um 1 Uhr Mittags wurde denn auch in Bockenheim Allarm geblasen, überdieß aber das Rathhaus erstürmt und der daselbst verwahrte Vorrath von Waffen geplündert.

[20] Den Ginnheimern schloßen sich sofort Bockenheimer Einwohner, theils mit Schießgewehren, theils mit Sensen bewaffnet, an, und etwa um 2 Uhr marschirte der ganze Zug, 80–100 Mann stark, mit einer Fahne versehen, gegen Frankfurt zu. Da die zur Rekognition Vorausgeschickten die Nachricht brachten, daß es unmöglich sei in die Stadt zu kommen, so beschloß man auf die Pfingstwaide zu marschiren, wo man sich mit Zuzüglern aus Hanau zu vereinigen hoffte.

Der Zug nahm deßhalb seinen Weg durch die Gärten vor der Stadt und war eben in der sog. eisernen Hand *) gegen die Friedberger Chaussee zu vorgerückt, als sich der Ruf erhob: die Preußen kommen, worauf der Zug auseinanderstob und die Einzelnen flohen oder sich in den naheliegenden Häusern und Gärten versteckten. Jener Ruf war indessen ein blinder Lärm gewesen, daher ein Theil des Zugs sich bald wieder sammelte und an der Einmündung der eisernen Hand in die Friedberger Chaussee in verschiedenen Trupps aufstellte. Allen Anzeichen nach geschah dieß gerade in demselben Momente, als die beiden Abgeordneten, deren Verfolgung bereits begonnen hatte, von der Bornheimer Haide her gegen die Friedberger Chaussee zugesprengt kamen.

Was nun den Ausritt der beiden Abgeordneten betrifft, so hatte er nach Allem, was darüber erhoben wurde, keine politische Bedeutung, erhielt vielmehr nur den Schein einer solchen durch ein unglückliches Zusammentreffen von Verhältnissen verschiedener Art.

Der Fürst Lichnowsky hatte am Vormittag der Sitzung der National-Versammlung angewohnt und war [21] bei seinem Heraustreten aus der Paulskirche von dem dort versammelten Volke mit Zischen empfangen und begleitet worden, so daß er (in Begleitung des Zeugen dieses Vorfalls, des Fürsten Felix v. Hohenlohe) es für gerathen fand, eine Droschke zu nehmen, um den Wirkungen der Demonstration zu entkommen.

Nach der Aussage desselben Zeugen hatte der Fürst in Erfahrung gebracht, daß gegen ihn, Gagern und Hekscher (?) ein Handstreich im Werk sei, deßhalb auch am Morgen des 18. Sept. von Frankfurt abzureisen beschlossen, diesen Beschluß jedoch aus dem Grunde wieder aufgegeben, weil es nicht ehrenhaft erscheine, im Augenblicke der Gefahr das Weite zu suchen.

Zwischen 3/4 Uhr Nachmittags begegnete der Fürst vom englischen Hofe kommend, in der Gegend der Hauptwache dem General v. Auerswald und forderte ihn auf, mit ihm einen Spazierritt zu machen, welchen Vorschlag jedoch der Letztere nicht sofort günstig aufgenommen zu haben scheint.

Wenigstens erschien um diese Zeit der Fürst allein bei dem Obersten v. Meyern auf der Hauptwache und bat ihn um ein Pferd, damit er den an der Bockenheimer Chaussee wohnenden Reichsverweser von einer durch die Linke der National-Versammlung beabsichtigten Sturmpetition benachrichtigen könne. Er erhielt auch ein Pferd und ritt darauf dem Eschenheimer Thore zu, wohin ihm gleich darauf General Auerswald, der sich schnell eines Andern besonnen zu haben scheint, nachfolgte.

Jedenfalls wurden beide bald hernach zu Pferd auf der Promenade in der Richtung vom Eschenheimer zum Friedberger Thore hin gesehen.

[22] Am Friedberger Thore hatte sich eine ansehnliche Zahl von Menschen versammelt, worunter einige Bewaffnete waren. Der Fürst ritt nach dem Thore und erkundigte sich nach dem Wege, den eine kurz zuvor vorbeimarschirte Abtheilung preußischer Truppen eingeschlagen habe, worauf er nach dem Allerheiligenthore hin gewiesen wurde. Während er nun eben sich anschickte, mit seinem Gefährten dieser Richtung zu folgen, erschollen aus der am Thore versammelten Menge Drohungen und Schimpfreden: „Das ist der Lichnowsky, – die Spitzbuben – der Lichnowsky, der Schuft! – nieder mit ihm, – das sind auch Preußen: auf sie! das sind Spione etc. etc.“ Es wurde mit Steinen auf sie geworfen und eine Pistole nach ihnen abgeschossen. Auf dieses hin sprengten die Reiter übrigens unverfolgt, dem Allerheiligenthore zu fort, ritten, abbiegend, in raschem Trabe an dem Hermesbrünnchen vorbei nach der Bornheimer Haide zu, wandten sich an der Wohnung des Gärtners Reinstein links dem Graben entlang und lenkten, um den Schmittischen Garten wendend, auf den Bornheimer Fußpfad ein, von wo aus sie sich durch das Gäßchen III. nach der Friedberger Chaussee hinaus wandten.

Die Ursache dieser Richtung ihres Wegs ist unaufgeklärt geblieben. Daß damals schon Bewaffnete oder sonst ungewöhnliche Erscheinungen auf der Bornheimer Haide bemerkbar gewesen wären, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Eine Zeugin hörte übrigens auf diesem Wege den jüngeren Reiter zu dem älteren sagen: „Wir sind in einer frappanten Lage,“ worauf der letztere nichts erwiederte; – beide schienen ihr sehr bestürzt zu sein. Eine andere Zeugin sah beide als Verfolgte an und, da sie [23] den Aelteren für den Reichsverweser hielt, winkte und rief sie ihnen, in ihr Haus einzutreten, wiewohl vergebens.

Als die beiden Reiter aus dem Gäßchen III. auf die Friedberger Chaussee herauskamen, fragte Fürst Lichnowsky um den Weg nach Bockenheim, worauf sich beide Reiter dem Friedberger Thore zuwandten. Von einem an der Mündung des Gäßchens II. stehenden Trupp wurden ihnen Steine nachgeworfen, woran sie sich nicht kehrten. Sobald sie jedoch dem noch immer am Friedberger Thore stehenden Menschenhaufen sichtbar wurden, erhob sich Geschrei: „Da sind sie wieder! Die Spione! Lichnowsky! Auf sie!“ etc. etc. und die Menge strömte ihnen vom Thor her entgegen. Verfolgt von dieser, wandten die Reiter die Pferde um und ritten auf derselben Straße wieder zurück. An der Mündung des Gäßchens II. wurden abermals Steine nach ihnen geworfen. Sie kamen jedoch unaufgehalten bis zum Gäßchen III. Lichnowsky war voran und rief seinem Gefährten zu: „Courage! Courage! Vorwärts!“ Auerswald aber folgte nicht, sondern lenkte sofort wieder in das Gäßchen III. ein.

Lichnowsky sprengte nun auf der Friedberger Landstraße weiter. Schon am Finger’schen Hause wurde auf ihn, übrigens ohne Erfolg, geschossen. Der Fürst schwang seinen Stockdegen über sich, als wenn er damit pariren wolle. Als er nun dahin gelangte, wo die eiserne Hand in die Friedberger Chaussee einmündet, traf er auf verschiedene Haufen von Bewaffneten, die an beiden Seiten der Straße aufgestellt waren. Dieselben bestanden zum größten Theile aus den Mitgliedern der oben geschilderten Ginnheim-Bockenheimer Freischaar, welche kurz zuvor sich zerstreut, aber eben jetzt in der fraglichen Gegend sich nachgerade [24] theilweise wieder gesammelt hatten. Von diesen Haufen aus fielen abermals mehrere Schüsse auf ihn, jedoch ohne ihn zu treffen. (Die Schüsse scheinen auch theilweise nicht ernstlich gemeint gewesen zu sein.) Der Reiter blieb fest im Sattel sitzen, galoppirte an den Bewaffneten vorbei noch eine Strecke weiter, wandte aber nach kürzester Zeit wieder um und lenkte in das sog. stumpfe Gäßchen, einen schmalen mit Gras bewachsenen Feldweg ein, der auf Grabland und Wiese ausmündet.

Auerswald war indessen durch das Gäßchen III. auf dem Bornheimer Fußpfad wieder bis zum Schmidt’schen Garten zurückgeritten. Obwohl nicht unmittelbar verfolgt, scheint er doch sehr außer Fassung gewesen zu sein. „Er saß auf dem Pferd blaß wie eine Leiche,“ fragte unterwegs mehrere Personen nach dem Wege nach Bockenheim, ritt aber, ohne die Antwort abzuwarten, weiter. Der Zufall führte beide Gefährten[WS 1] wieder zusammen, da Lichnowsky von der Wiese her an das (dem Schmidt’schen Garten gegenüberliegende) Dohmer’sche Besitzthum kam, durch welches hindurch ihm daselbst beschäftigte Arbeiter den Zugang zu Auerswald verschafften. Die Flüchtigen eilten dem hinteren (auf der Bornheimer Haide befindlichen) Eingang des Schmidt’schen Grundstücks zu, um daselbst ein sicheres Versteck zu suchen.

Sie riefen dem im Schmidt’schen Garten befindlichen Mitbewohner des Schmidt’schen Hauses, Lehrer Schnepf, zu, er möge sie retten. Letzterer ließ sie auch sofort durch die nach der Haide führende Hinterthüre ein, bedeutete ihnen indessen in Uebereinstimmung mit dem herbeigekommenen Hausherrn, daß das Haus zu einem Verstecke nicht geeignet sei. Sie bestanden gleichwohl auf ihrem Vorhaben, [25] hier ein Unterkommen zu suchen, und eilten in das Haus, während der Hausherr und einer seiner Gärtnerburschen sich bemühten, das Pferd Auerwalds, sowie das aus dem Dohmer’schen Garten durch einen Maurergesellen nachgebrachte Pferd Lichnowsky’s unterzubringen (ersteres wurde in den Stall gebracht, letzteres am Treibhause angebunden).

Im Schmidt’schen Hause erschien zuerst Auerswald und bat die Frau Schmidt um ein Versteck. Dieselbe machte ihm den Vorschlag, in’s Daniel’sche Haus mit der eben anwesenden Magd desselben hinüberzugehen, weil er dort sicherer sein würde, half ihm auch, da er über Lähmung seines Arms klagte, den Rock ausziehen und bekleidete ihn mit einem Schlafrock und einer Mütze ihres Manns. Er war schon im Begriff behufs der Befolgung dieses Vorschlags sich mit einer durch die Jungfer Pfalz herbeigeholten Scheere den Bart abzuschneiden, um sich unkenntlich zu machen, als er sich doch wieder eines Andern besann. „Es ist zu spät!“ rief er, die Scheere weglegend, aus, „ich gehe nicht mehr aus dem Hause; lassen Sie mich auf den Boden!“ Seinem Wunsche wurde durch die Jungfer Pfalz willfahrt, welche ihm die Thüre zur Bodentreppe aufschloß und seinem Verlangen gemäß hinter ihm nicht nur abschloß, sondern auch den Schlüssel hinter das Sopha im Schmidt’schen Wohnzimmer warf.

Unterdessen war die Hülfe der Frau Schmidt durch den Fürsten Lichnowsky gleichfalls in Anspruch genommen worden. Er verlangte in den Keller geleitet zu werden. Vergebens schlug man ihm vor, die Kleider eines Gärtnerburschen anzuziehen und mit einer Gießkanne aus dem Garten wegzugehen. Frau Schmidt wollte ihn durch das [26] Treibhaus in den benachbarten Wilhelm’schen Garten führen. Allein der Fürst, der vom Treibhause aus ohne Zweifel seine Verfolger bereits herannahen sah, eilte in’s Haus zurück und bestand nun mit erhöhtem Nachdrucke auf seinem Verlangen, das ihm sofort auch erfüllt wurde. Frau Schmidt geleitete ihn in den Keller, öffnete ihm ihren Lattenverschlag und schloß ihn auf sein Begehren hinter ihm wieder ab, indem sie den Schlüssel zu sich steckte.

Gewiß ist nun, daß die Verfolgten kaum das Schmidt’sche Haus betreten hatten, als bereits der Vortrab ihrer Verfolger, 15–30 Mann, theils mit Gewehren, theils mit Spießen, theils mit Säbeln bewaffnet, im Schmidt’schen Garten erschien. Dagegen finden sich sehr erklärliche Differenzen in den Akten theils in Beziehung auf die Richtungen, in denen die Verfolgung stattfand, theils in Beziehung auf die jedenfalls einander nahe liegenden Zeitmomente, in welchen einzelne Trupps ankamen. Als entschieden ist Folgendes anzunehmen:

1) Als die Reiter von der Friedberger Landstraße aus dem Friedberger Thore zusprengten, begann sofort von dem Thore aus eine Verfolgung der Friedberger Landstraße entlang, die immer lebhafter und massenhafter wurde, namentlich auch viele bloß Neugierige mit sich riß.

2) Selbst von hier aus wuchs indessen die Verfolgung nur allmählig an; ein großer Theil und ohne Zweifel die überwiegende Mehrzahl der Nachströmenden folgte erst der Anweisung eines kurz nach dem Verschwinden Lichnowsky’s der Stadt zu in einer Droschke fahrenden Fremden.

3) Daher fand das Nachströmen von der Friedberger Landstraße aus in sehr verschiedenen Richtungen statt, nämlich: durch das Gäßchen III., durch das Stumpfgäßchen [27] gegenüber der Einmündung der eisernen Hand, endlich auf der Friedberg-Bornheimer Landstraße, wobei es in der Natur der Dinge liegt, daß die, welche den letztgenannten Weg einschlugen, im Durchschnitt später an Ort und Stelle anlangen mußten, als die übrigen.

4) Von vorzüglichem Gewicht für die Auffindung der Verfolgten war nach den Aussagen mehrerer unbetheiligten Zeugen die frische Spur von Huftritten, welche Fürst Lichnowsky’s Pferd in der Richtung nach dem Dohmer’schen Anwesen hin zurückgelassen hatte, die von Straßenjungen weiter getragenen Nachrichten und dergl.

5) Endlich schließt die erklärliche Hauptrichtung der Verfolgung von der Friedberger Chaussee nicht aus, daß nicht auch von anderen Seiten, namentlich von dem Weg am Hermesbrunnen zur Bornheimer Haide hin mindestens einzelne Verfolger an Ort und Stelle gekommen sein können.

Aus Allem erhellt, daß die Verfolgung keine planmäßig angelegte, von einem oder einigen Anstiftern geleitete war, daß sie vielmehr den epidemisch-demokratischen Haß gegen den Fürsten Lichnowsky zum Ursprung, und den ausfallenden, als Spionage erscheinenden, in Verbindung mit den so eben in der Stadt im Gang befindlichen Barrikadenkämpfen doppelt herausfordernden Ausritt der beiden Abgeordneten zur Nahrung hatte. Sie erscheint als eine erst dumpf gährende, dann durch Zufall auf Zufall steigende, einen nach dem andern fortreißende, aus sich selbst mit elementarischer Gewalt wachsende Massenbewegung, die um so fieberhafter wurde, je enger die dämonische Gewalt der Umstände die Opfer des Hasses umgarnte, bis sie zuletzt in äußerster Bestürzung sich selbst den Verfolgern fast unmittelbar als leichte Beute vor die Füße warfen.

[28] Die Zahl der Bewaffneten um und im Schmidt’schen Garten vermehrte sich sehr schnell. Der Garten ward umstellt und innen entstand ein wildes Durcheinanderlaufen. Man suchte die Reiter, deren Pferde alsbald entdeckt worden waren.

„Wo sind die Schufte? Heraus mit den Hunden!“ fuhr man den Gärtner Schmidt an, der betheuerte, daß er nichts von denen wisse, die man suche. „Wo sind die Verräther,“ wurde geschrieen, „die Volksverräther, die Schuld sind an dem Blut, das jetzt in Frankfurt vergossen wird? Der Lichnowsky ist im Hause, der Spitzbub, der Landesverräther! Wenn wir den Hund kriegen, wird Standrecht gehalten. Rache, Rache wollen wir haben.“ Der Garten, das Gesträuch, die Bohnenpflanzung, alle Räumlichkeiten des Hauses und der Nebengebäude wurden sofort auf’s Genaueste untersucht, Stall, Treibhaus, Heuboden, das Regenfaß, die Schornsteine, selbst der Heizungskanal des Treibhauses, in welchen mit Spießen und Säbeln gestochen wurde. Sowohl die Schnepfische, als die Schmidt’sche Wohnung wurde eifrigst durchmustert, und die Hausbewohner unter Drohungen Alles aufzuschließen gezwungen.

Gegen die Frauenzimmer benahmen sich einige wild und roh, während Andere sie beruhigten, und versicherten, daß ihnen nichts geschehen solle, daß man nur die Spione, die Volksverräther heraus haben wolle. Entwendet wurde nur eine dem Lehrer Schnepf gehörige Pistole, was jedoch gerade solche, die sich als Anführer benahmen, sehr in Wuth brachte.



[20] *) S. den beigefügten Plan [WS: Der Plan ist leider unbrauchbar]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gefärthen