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Aufruf an die hochfürstliche Brandenburgische Landesregierung zu Anspach, von einem Menschenfreunde in der Gegend von Rothenburg, die Ausrottung eines kinderabtreibenden Mittels betreffend

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Textdaten
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Autor: Anonym
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Titel: Aufruf an die hochfürstliche Brandenburgische Landesregierung zu Anspach, von einem Menschenfreunde in der Gegend von Rothenburg, die Ausrottung eines kinderabtreibenden Mittels betreffend
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 2, S. 233–238
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
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I.
Aufruf an die hochfürstliche Brandenburgische Landesregierung zu Anspach, von einem Menschenfreunde in der Gegend von Rothenburg, die Ausrottung eines kinderabtreibenden Mittels betreffend.
Aufmerksame Beobachter der Landleute in den hiesigen Gegenden werden schon oft Gelegenheit gehabt haben, die traurige Bemerkung zu machen, daß das Kinderabtreiben unter dem weiblichen Geschlechte des Landvolks gar nicht selten sey. Bey den Ausschweifungen, die sich die meisten Jünglinge und Mädchen gleich von den ersten Zeiten der Mannbarkeit an erlauben, welche, neben dem sich frühzeitig regenden Naturtrieb, das Beyspiel und die Verführung anderer veranlasset, welche viele Mütter, ihrer eigenen vormahligen| Neigungen und Gewohnheiten sich bewußt, nicht zu hindern, manchmal wohl gar zu befördern pflegen, und von deren Nachtheil und Sündlichkeit sie zu überzeugen, Moralisten und Geistliche sich bey den meisten vergebens bemühen, siehet man doch immer nur sehr wenige Mädchen, Mütter unehelicher Kinder werden.

Es muß dieß jedem aufmerksamen Beobachter sehr auffallen. Man fragt daher billig: wie geht dieß zu? – Ich will sagen, was mich meine Nachforschungen hierüber gelehret haben.

Es gibt unter den Landleuten mehrere junge Pursche, welche zwar den Trieb der thierischen Geschlechtsliebe befriedigen, jedoch aber den Naturzweck derselben – die Erzeugung der Kinder, umgehen wollen, die daher bey der ausserehelichen Begattung auf eine eigne Weise[1] sich benehmen, und sich gegen das Mädchen, das sie an sich ziehen wollen, berühmen, daß sie die Kunst verständen, ihr beyzuwohnen, und sie doch nicht zu schwängern.[2] – Allein man begreift leicht,| daß diese unseelige Kunst bey dem Drang der Leidenschaft und in dem Augenblicke der Wollust nicht sehr anwendbar ist, und daß dadurch das obige politische Problem nur immer für wenige Fälle aufgelöset werden kann.
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Auch gibt es da und dort unverheyrathete Weibspersonen, von welchen die Sage gehet, daß sie gegen jede Schwängerung bewährt seyen; ungeachtet es ausgemacht ist, daß sie sich jeder Ausschweifung unbesorgt überlassen. So gar von manchen verheyratheten jungen Frauen gehet die Sage, daß sie, um nicht durch Kinder in ihrem häuslichen Fortkommen zurück gehalten und gehindert zu werden, ihre ehelichen Leibesfrüchte abtreiben. – Dieß sind freylich nur Sagen, nie ist es noch gerichtlich untersucht, von den Thäterinnen öffentlich einbekannt, von der Obrigkeit bestrafet und dadurch beurkundet worden; allein verschiedene Umstände, insbesondere | die Merkmahle und Folgen der dadurch zerstörten Gesundheit derjenigen, von welchen dieß Gerücht vorhin ging, machen es mir ziemlich wahrscheinlich, daß diese Sagen nicht ungegründet seyen, wenn auch gleich der Richter so wenig, als der geistliche Moralist sich dadurch berechtigt finden darf, dergleichen Personen geradezu darüber anzusprechen.

Nur das ist mir lange ein Räthsel und Gegenstand geheimer Nachforschungen gewesen, welcher menschenfeindliche Dämon wohl solchen Weibspersonen diese unseeligen Künste lehren, und ihnen die Arzeneymittel dazu darreichen möge, da dieß doch von einem gewissenhaften, nachdenkenden, und ehrliebenden Arzt, Apotheker oder Bader nicht zu vermuthen ist. Ich habe wohl bald erfahren, daß hier eine lasterhafte Weibsperson der andern Rath mittheile, und daß immer eine sich an die andere von gleicher Gesinnung und mehrerer Erfahrung wende. – Aber woher die Arzeneymittel nehmen?

Ganz von ungefähr ist mir etwas bekannt geworden, welches mir hievon einigen Aufschluß gibt. Es findet sich in Cadolzhofen, einem zum Pfarramt Binzwang gehörigen Filial-Kirchdorf, im Anspachischen| Oberamt Colmberg, in dem Garten des dasigen Schultheißen, ein sonst ausser botanischen Gärten in unsern Gegenden höchst seltener Seven-Baum, oder, wie die gemeinen Leute ihn nennen, Segel-Baum, welchen des jetzigen Besitzers Vater, der vor langen Zeiten Fahnenschmid gewesen, zum Behuf seiner Pferdcuren vormahls gepflanzet hat. Es ist bekannt, daß die Herba Sabinae das stärkste Pellens aus dem Gewächsreiche ist. Diese Notiz ist, wer mag wissen, durch wen? bis zu dem Landvolk gekommen, und hier finden lasterhafte Personen es sich ganz leicht gemacht, einen kinderabtreibenden Absud sich ganz insgeheim zu bereiten, ohne eine Apotheke nöthig zu haben, wo ihnen dergleichen so leicht nicht würde abgereichet werden.
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Ich wünschte sehr, daß die hochfürstliche Regierung zu Anspach dieß beherzigen und Befehl geben möchte, daß dieser Sevenbaum, der, wenn gleich etwa ohne des Besitzers Wissen und Willen, schon viel Übels gestiftet haben muß, weggehauen und ausgerottet werden möchte. – Gelegenheit macht Diebe, wie das Sprichwort sagt, und kann man auch nur eine Gelegenheit zu Lasterthaten abschneiden, so wird man sie erschweren| und seltener machen. Die Erhaltung einer einzigen menschlichen Leibesfrucht wird das etwanige Unrecht, das man dem sorglosen Besitzer dieses Sevensbaums durch dessen Vertilgung zufügte, weit überwiegen.

Ausserdem wäre auch sehr zu wünschen, daß einsichtsvolle Menschenfreunde ausführbare Mittel an die Hand geben möchten, wie der Pest des Kinderabtreibens, die im Finstern schleichet, von welcher sich aus Patriotismus hier öffentlich reden zu müssen geglaubt habe, angemessen, behutsam und nachdrücklich, begegnet werden könne. Vorschläge dieser Art werden von den Herausgebern dieses Journals dankbarlich angenommen und eingerücket werden.



  1. Retrahunt membrum virile ante emissionem seminis; peruetusta sane ars; quae proprie Onani illius facinus est, de quo Genes. 38,9. legimus.
  2. Ich erinnere mich, in gewissen Inquisitions-Acten [235] gelesen zu haben, daß ein Adulterant durch Eingeständniß dieses Umstands seine That zu einem bloßen Attentat herabwürdigen wollte, und habe mich sehr gewundert, daß das Justiz-Collegium in dem Strafurtheil über diesen Punct so schnell wegging und ihn bloß mit der gewöhnlichen Adulteranten-Strafe belegt. – Sollte nicht hierauf besonders inquiriret und diese Sache als unnatürliches Vergehen besonders bestrafet worden seyn?