Bürgeln

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Textdaten
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Autor: Johann Jakob Schneider
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Titel: Bürgeln
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aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 246–248
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[246]
Bürgeln.

„Z’Bürglen uf der Höh,
Nei, was cha me seh!
O wie wechsle Berg un Thal,
Land un Wasser überal,
Z’Bürglen uf der Höh!“

(Hebel.)

Auf einer waldumkränzten Abdachung des mächtigen Blauen, nicht weit von Obereggenen, erhebt sich das stattliche Gebäude, eine ehemalige Probstei des Stiftes St. Blasien und blickt mit wehmüthigem Ernst in die reglebendige Gegenwart hinaus. Das schöne Schloß mit seinen bildergeschmückten Sälen und Zimmerreihen, das eine der entzückendsten Fernsichten gewährt, ist je zur Hälfte Eigenthum des Großherzogs und eines wohlhabenden Bauersmanns, bei welchem man gastliche Aufnahme und Bewirthung findet.

Ueber die frühere Geschichte Bürglens erzählte mir ein Freund Folgendes:

[247] „Versetzen Sie sich an den Schluß des eilften und in den Anfang des zwölften Jahrhunderts. Damals wohnte in einer nun längst zerfallenen Burg, von welcher sich jede Spur verloren hat, der Edle Werner von Kaltenbach, der bedeutende Besitzthümer im Breisgau hatte, auf diesem Berge, wo nun Bürglen an der Stelle eines Kirchleins steht, das von einem Weltgeistlichen versehen wurde. Werner’s Gemahlin, Itha, hatte ihm drei Söhne und zwei Töchter geboren: der Stolz seines Herzens, die Lust seiner Augen. Die Söhne wuchsen heran in väterlicher Kraft und die Töchter blühten auf in allem Liebreiz jungfräulicher Schönheit und Sittsamkeit.

Doch alles Erdenglück hat seine Grenzen; der Edle Werner erblindete; unfähig, an den Wettkämpfen, Spielen und anderen Freuden des ritterlichen Lebens ferner Antheil zu nehmen, überzeugt durch eigene Erfahrung von der Wahrheit: Dieser Zeiten Eitelkeiten gewähren keine Zufriedenheit und Seelenruhe – neigte sich sein Gemüth ernsteren Betrachtungen zu.

„Laßt mich“, – sprach er eines Abends, als der Glanz der untergehenden Sonne die Fenster seines Schlosses mit rosigen Flammen umspielte und ein schwacher Wiederschein des herrlichen Lichtes in sein verfinstertes Auge drang, zu seiner treuen Lebensgefährtin Itha – „laßt mich von dannen ziehen: ich will nach dem Gotteshause St. Blasien und dort in stillen Religionsübungen meine Tage beschließen.“ – Und Itha versetzte: „Mein Ehegemahl thue nach seinem Willen, wie es dem Heile seiner Seele frommt; mein Gebet und meine Liebe begleiten ihn überall hin.“ – Da verabschiedete sich Herr Werner von Weib und Kind und zog im Geleite seiner Dienstmannen nach St. Blasien, wo ihn der dortige Abt Berthold willfährig aufnahm. Einen Theil seiner Güter, nämlich Enkenheim, Kaltenbach, Emmenthal und Sitzenkirch, übergab er dem Kloster oder Stifte. Abt Berthold besetzte nun die Kirche zu Bürglen, worin sich die Begräbnißstätte der Edlen von Kaltenbach befand, mit Mönchen und bestellte einen der Söhne Werners zum Probste dortselbst, welcher auch vom Papste Innocenz II. und dem Herzog Konrad von Zähringen (St. Blasiens Kirchenvogt) in dieser Würde bestätigt ward.

Dem Beispiele des Vaters folgten die noch übrigen Söhne [248] Werner und Wipert von Kaltenbach und wurden Klosterbrüder zu St. Blasien; namentlich zeichnete sich Wipert als einer der größten Wohlthäter des Stiftes aus.

Itha zog sich in das Kloster Berau zurück und nahm daselbst den Schleier; späterhin ward sie mit mehreren anderen Nonnen von dem St. Blasischen Abte nach Sulzburg versetzt. Werner besuchte sie noch in ihrem Kloster – rührendes, heiliges, allem irdischen Trachten fremdes Wiedersehen zweier nur noch Gott lebenden Gatten! – starb aber bald darauf im Jahr 1131. Itha folgte ihm fünf Monate später nach, in Hoffnung seliger Urständ und gewisser Wiedervereinigung im besseren Leben.

Unter ihrem Sohne Wipert ward die Klosterkirche Bürglen erbaut, im Jahr 1136 vollendet und der päpstliche Legat Karl Theodovin weihte dieselbe auf Ansuchen des Abtes Berthold zu Ehren des heil. Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten ein.

J. J. Schneider.
(Siehe dessen Werckchen: „das Badische Oberland.“ Lörrach, 1841. Gutsch.)