BLKÖ:Artner, Marie Therese von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Arvay, Gregor
Band: 1 (1856), ab Seite: 73. (Quelle)
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Artner, Marie Therese von (Dichterin, geb. zu Sempte oder Schintau, einem Dorfe Neutraer Comitats in Ungarn 19. Apr. 1772, gest. zu Agram 25. Nov. 1829). Th. ist die Tochter Leopolds v. A., k. östr. Rittmeisters und seiner Gattin Magdalene v. Hubert, beide aus ung. adeligen evangelischen Familien stammend. Noch in die Zeit ihres kindlichen Alters fallen Aeußerungen ihres Dichtertalentes. Ihre Erziehung war sehr sorgfältig, im Zeichnen machte sie glückliche Fortschritte und malte Porträte in Pastell mit großer Aehnlichkeit. Die Bekanntschaft mit Mariane von Tiell (s. d.), einem verwandten Gemüthe, weckte den Funken der Poesie in beiden Seelen; die Lectüre von Klopstocks „Messiade“ fachte denselben mehr und mehr an und ihre Vorliebe für die epische Poesie befestigten die Werke Homers, Miltons, Tasso’s, welche sie vor allen [74] andern und immer wieder gerne las. Im J. 1792 zog sich Theresens Vater, der mittlerweile zum Generalmajor avancirt war, in den Ruhestand und nach Oedenburg zurück, wo Theresens Herz durch den Tod ihrer Mutter (1796) ein tiefer Kummer traf. 1799 verlor Therese auch ihren Vater, und Therese stand verwaist mit ihren Geschwistern da. Nun schloß sich ihr Herz an die durch Geist und Gemüth gleich ausgezeichnete Maria Freiin von Zay, geb. Freiin von Calisch (s. d.), mit welcher sie ein inniges Freundschaftsband unterhielt. Bald nach dem Tode ihres Vaters erschienen Theresens Erstlinge: „Feldblumen, auf Ungarns Fluren gesammelt von Minna und Theone“ (Jena 1800, 2 Bde.). Ein nach Jena reisender Studirender hatte das Manuscript der zwei Freundinnen, denn Minna ist Mariane von Tiell, mitgenommen. Im Auslande fand wieder – ein in Oestreich leider so häufiger Vorgang – die in der Heimat fast unbeachtet gebliebene Sammlung die beifälligste Aufnahme. Dieß förderte die Arbeitslust und nun erschienen: „Neuere Gedichte von Theone“ (Tübingen 1806). – Anregend wirkte die Bekanntschaft mit Freiherrn von Steigentesch und es entstand der Entwurf ihres Epos: „Die Schlacht von Aspern.“ Sie vollendete es, die Censur beurtheilte das Gedicht günstig und legte das Manuscript dem Staatskanzler vor. Das Resultat war: daß der Dichterin die Herausgabe eines Werkes, wodurch sie die Großthaten des Heldenprinzen der Habsburger und der Krieger ihres Vaterlandes feierte – ohne Angabe der Gründe – nicht gestattet wurde. Therese, durch dieses seltsame Druckverbot schmerzlich berührt, überreichte 1817 das Manuscript der Erzherzogin Henriette, der Gemahlin des im Epos gefeierten Helden. Ins J. 1814 fällt Theresens Bekanntschaft mit der geist- und gemüthvollen Karoline Pichler, der ersten Schriftstellerin Oesterreichs, mit der sie sich zu Zinkendorf im gräflich Széccheni’schen Hause traf. Die geistverwandten Seelen schlossen sich innig aneinander.In diese und die folgende Zeit fallen die Herausgabe ihres Trauerspiels „Die That“ (Pest 1817. 2. Aufl. 1820); der „Schuld“ von Müllner erster Theil. - „Gedichte, gewählt, gebessert, vermehrt“ (Leipzig 1818, 2 Bde.) – und zweier Schauspiele: „Stille Grösse,“ Schauspiel in 3 Acten; – „Regenda und Wladimir,“ Schauspiel in 2 Acten (beide Kaschau 1824). – Außerdem erschienen von ihr „Briefe über einen Theil von Croatien und Italien an Caroline Pichler“ (Pesth, Heckenast, 1830) und zahlreiche Poesien zerstreut in „Hormayrs Archiv,“ wo sich auch ein Fragment ihres Epos „die Schlacht von Aspern“ (Jahrg. 1812, Märzheft befindet, in den Taschenbüchern: „Minerva,“ „Aglaja,“ „Iris“ u. in a. Therese lebte, nachdem sie im J. 1811 in Folge des Finanzpatentes einen bedeutenden Theil ihres Vermögens verlor, bei ihrer Freundin Marie v. Zay abwechselnd in Wien und in Oedenburg. Im Herbste 1829 im Begriffe eine größere Reise zu unternehmen, kam sie nur bis Agram, wo sie von einer plötzlichen Krankheit befallen, derselben erlag. Therese von Artners Poesien tragen durchgängig das Gepräge tiefer Innerlichkeit, wahren und warmen Gefühls. Sie dichtete, weil sie in der Poesie einen Ersatz für manche ihr in der Einsamkeit nicht gewordene Lebensfreude und später für manche Verluste fand. Ohne daß sich ihre Arbeiten über den Werth höheren Dilettantismus zu erheben vermöchten, unterscheiden sie sich doch wesentlich durch die schlichte Form und die Innigkeit des ausgesprochenen Gedankens von den halt-, sinn- und geistlosen Faseleien jener Reimerinnen, die um die Hohlheit des Inhalts den Mantel der patriotischen Phrase hängen, um welches Kleid sich die Göttin [75] nur dann kümmert, wenn alles andere vorhanden.

Schindel (K. W. O. Aug. v.), Die deutschen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts (Leipzig, Brockhaus, 1823) I. Bd. S. 13. u. III. Bd. Nachträge S. 8. – Annalen der östr. Literatur u. Kunst. April 1811. – Allgem. Hall. Literatur-Zeitung 1811. Nr. 137; 1816 Nr. 231. – Meusel, Bd. XIII. 36. Bd. XVII. 51. – Karoline Pichler: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben (Wien 1844. 3 Bde.) III. Bd. S. 17 u. ff. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer u. Czikann) I. Bd. S. 130. – Neuer Nekrolog der Deutschen. VII. Jahrg. 1829 (Ilmenau 1831) II. Theil. Nr. 367. S. 772, von Dr. H. Döring. – Im (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Aufl.) S. 706 und in andern ist ihr Geburtsort fälschlich Schnitau; im Ujabb kori ismeretek tára (Pesth 1850) I. Bd. S. 190: gar als Schnirau, und auch ihr Todesjahr ist daselbst irrig 1830 und in andern Werken 1828 angegeben.