BLKÖ:Este, das Fürstenhaus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Eßlair, Ferdinand
Band: 4 (1858), ab Seite: 81. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Este (Adelsgeschlecht) in der Wikipedia
Este Adelsgeschlecht in Wikidata
GND-Eintrag: 118685473, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Este, das Fürstenhaus|4|81|}}

Este, das Fürstenhaus. Muratori, welcher den Forschungen über dieses Fürstengeschlecht sich mit besonderer Vorliebe zugewendet, führt den Stammbaum desselben auf Adalbert, dessen in den Urkunden schon in den J. 880, 900 u. 915 gedacht wird, zurück. Adalbert war ein Anhänger Berengars II. Im Laufe der Zeiten erhielt dieses Geschlecht von den deutschen Kaisern großen Besitz und den Titel Markgrafen. Albert Azzo [82] war 1045 Graf von Mailand, er hatte drei Gattinnen: Cuniza oder Kunigunde. eine Tochter Welfs II., mit welcher der Haß der Welfen gegen die Ghibellinen in diese Familie gekommen sein soll; ferner Garsenda. Tochter Hugo’s II. Grafen von Maine und Witwe Theobalds Grafen von Champagne, und Mathilde, gemeiniglich die Gräfin genannt, in erster Ehe mit dem Markgrafen Guido vermält. Dieser war Azzo’s Blutverwandter und Mathilde selbst mit Azzo im vierten Grade verwandt, daher diese Ehe von päpstlicher Seite angefochten wurde. Ein Sohn der ersten Gattin Kunigunde, Welf IV. wurde 1071 von Kaiser Heinrich IV. mit Baiern belehnt und stiftete das Haus Braunschweig, welches lange das Estensisch Guelfische hieß, die jüngere Linie der Welfen bildend. In den denkwürdigen Kriegen zwischen den Guelfen und Ghibellinen erwarben die Grafen von Este, das Haupt der Ersteren, die Herzogthümer Ferrara und Modena, ersteres jedoch nur als päpstliches Lehen. Eine Reihe großer kunstsinniger Fürsten folgte im Laufe der Jahrhunderte (siehe weiter unten: I. Fürsten des Hauses Este). Erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbanden sich wieder die seit 1071 getrennten Linien des Hauses Este. Es vermälte sich nämlich Reginald (geb. 25. April 1655, † 25. Oct. 1727), Sohn Franz I. und seiner dritten Gemalin Lucrezia Barberini mit Charlotte Felicitas, älteren Tochter Johann Friedrichs von Braunschweig-Hannover, einem Sprossen Welfs von Este (s. oben). In der Periode 1750 bis zur Gegenwart regierten: Franz III. (geb. 2. Juli 1698, gest. 23. Febr. 1780), ein Sohn Reginalds und der Charlotte Felicitas. Er vermälte sich 21. Juni 1720 mit Charlotte Aglae, Tochter Philipps von Orleans, der die Regentschaft Frankreichs führte. Maria Theresia verlieh ihm den Titel eines General-Gouverneurs der Lombardie. – Hercules Reginald (geb. 22. Nov. 1727, gest. 14. Oct. 1803), Sohn des Vorigen; vermälte sich 1741 mit Maria Theresia Cibo, wodurch er die Fürstenthümer Massa und Carrara erwarb; als 1796 die französische Armee vorrückte, floh er nach Venedig; Modena u. Reggio wurden 1797 der cisalpinischen Republik einverleibt. Das Haus Este, welches durch den Frieden von Campo Formio die Souveränitätsrechte über diese Länder verloren hatte, erhielt dieselben erst 1814 wieder zurück; Hercules Reginald wurde durch den Breisgau und die Ortenau entschädigt. – Seine einzige Tochter Maria Beatrix (geb. 7. April 1750, gest. 14. Nov. 1829) (s. den bes. Artikels. 85) vermälte sich mit dem Erzherzog Ferdinand von Oesterreich, drittem Sohn des Kaisers Franz I. und Maria Theresias und Bruder des Kaisers Leopold II. Aus dieser Ehe stammen die Söhne: Franz IV. (geb. 6. Oct. 1779, gest. 1846), Ferdinand (geb. 25. April 1781, gest. 5. Nov. 1860) (s. d. bes. Artikel S. 86) Maximilian (geb. 14. Juli 1782) (s. den bes. Artikel S. 88), Karl Ambros (s. d. bes. Artikel S. 88) und eine Tochter Maria Ludovica (geb. 14. Dec. 1787, gest. 7. April 1816), dritte Gemalin des Kaisers 'Franz I. (II.)Franz IV. war seit 1812 mit Maria Beatrix königl. Prinzessin von Sardinien vermält. Aus dieser Ehe stammen: Maria Theresia (geb. 14. Juli 1817); – Franz V., regierender Herzog von Modena (geb. 1. Juni 1819), vermält (seit 30. März 1842) mit Adelgunde kön. Prinzessin von Baiern und folgte seinem Vater in der Regierung 21. Jänner 1846; – Ferdinand (geb. 19., nach Andern 20. Juli 1821) (s. den besond. Artikel S. 87) und Maria Beatrix (geb. 13. Febr. 1824).

I. Fürsten des Hauses Este. Wenige Fürstenfamilien weisen so viele Sprossen auf, welche [83] in[WS 1] den verschiedenen Gebieten der menschlichen Thätigkeit, als Regenten, Feldherrn und Staatsmänner, als Freunde und Beförderer der Künste und Wissenschaften, des Handels und der Gewerbe, oder durch Liebenswürdigkeit des Charakters und Feinheit der Sitten so geglänzt hätten, wie ein großer Theil der Fürsten aus dem Hause Este. Dadurch behauptete dieses glorreiche Geschlecht in den politischen Veränderungen Oberitaliens Jahrhunderte hindurch eine einflußreiche, oft entscheidende Stellung. Hier chronologisch die Hervorragendsten: Obizzo (geb. zu Anfang des 12. Jahrhunderts, gest. 25. Dec. 1193), trat der Lombardischen Liga gegen Friedrich Barbarossa bei; – Azzo V., sein Sohn, mit welchem die Macht des Hauses Este und die Fehde der Guelfen und Ghibellinen beginnt. Ferrara war nämlich in zwei Parteien gespalten, die der Guelfen und jene der Ghibellinen; Wilhelm Adelardi stand an der Spitze der Ersteren, Torello II. an jener der Zweiten. Um diese Feindschaft zu beendigen, war Adelardi geneigt, seine Tochter Marchesella mit Torello’s Sohn, Arriverio, zu vermälen. Azzo von Este aber und sein Bruder Bonifaz raubten Marchesella und vermälten sie mit Obizzo von Este, nach Einigen mit dem Vater, nach Andern mit dem Sohne; – Azzo VI., Sohn des Vorigen (geb. um 1170, gest. 18. Nov. 1212), dessen ganzes Leben in Kämpfen mit Salinguerra II., Sohn Torello’s, dahinging; – Aldovrandino (gest. 1215), schloß mit Salinguerra einen Vertrag, dem zu Folge sich beide Häuser in die Regierung Ferrara’s theilten; – Azzo VII., genannt Novello (geb. um 1205, gest. 17. Februar 1264), kämpfte die denkwürdige Fehde mit Ezzelin von Romano und zwang diesen am 16. September 1259 zur Schlacht von Cassano. Ezzelin wurde geschlagen, gefangen und starb zwei Tage später. Der Ruhm des Hauses Este wuchs; – Obizzo II., Enkel des Vorigen (geb. um 1240, gest. 13. Febr. 1293), Herr von Ferrara, Modena, bis dahin Republik, trug ihm 15. Dec. 1288 die Herrschaft an, welche er annahm, 1290 that Reggio ein Gleiches; – Azzo VIII., sein Sohn (gest. 31. Jänner 1308), unter welchem Modena u. Reggio erblich an das Haus Este kam; – Aldovrandino III. (geb. 1335, gest. 2. Nov. 1361), dem Kaiser Karl IV. bei seinem Besuche Italiens besondere Huld erwies; – Nikolaus II. (gest. 26. März 1388); ihn und seine Brüder Hugo und Albert belehnte Kaiser Karl IV. mit Rovigo, Adria u. Comachio; – Nikolaus III. (geb. 1384, gest. 26. Dec. 1441), der seine zweite Gemalin Parisina-Malalesta und seinen natürlichen Sohn Hugo, wegen des zwischen ihnen bestandenen Verhältnisses enthaupten ließ; er ist auch Stifter der Universität zu Parma und Wiederhersteller jener von Ferrara; – Lionel (gest. 1. Oct. 1450), ausgezeichnet durch seine Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Liebe zu den Wissenschaften; – Borso (gest. 20. Aug. 1471) führte die Druckerei in seinen Staaten ein; nach Maittaire war Andr. Gallus der erste, welcher in Ferrara diese Kunst ausübte; – Herkules I. (geb. 1433, gest. 25. Jänner 1505), der Freund seines Ministers Bojardo de Scandiano, des Dichters des „Orlando amoroso“, und der Mäcen Ariosto’s, der damals noch sehr jung war; – Hyppolit (geb. 1479, gest. 1520), Sohn Herkules I., wurde mit 15 Jahren von Papst Alexander VI. zum Cardinal ernannt, besaß ausgezeichnete mathematische Kenntnisse; der Astronom Celio Calcagnini spricht nur mit Bewunderung von ihm. Als er 1518 Ungarn bereiste, lernte er den Astronomen Ziegler kennen und lud ihn an seinen Hof ein; Ziegler folgte dem Rufe, kam aber eben an, als Hyppolit (41 Jahre alt) starb. An seinem Hofe weilte Ariosto, der ihn im „Orlando furioso“ feierte. Als ihm Ariosto sein Werk überreichte, fragte er ihn: „Messer Lodovico dove mai avete pigliato tante c….“, worüber Ariosto beleidigt war; später verwandelte sich Hyppolits Gunst für Ariosto in Haß; – Alphons I. (gest. 31. Oct. 1534), vereinigte die Talente der Staatskunst mit jenen des Waffenruhms. Die Empörungsversuche seiner Brüder Ferdinand und Julius ließ er sie mit ihrem Leben büßen; große Dichter, darunter Ariosto, sangen von seinem Ruhme; – Herkules II. (geb. 4. April 1508, gest. 3. Oct. 1559), Sohn Alphons I. und der Lucrezia Borgia. Papst Paul IV. ernannte ihn zum General der Kirche; der König von Frankreich zum General-Lieutenant Italiens; seine Gemalin war Renée von Frankreich, zweite Tochter Ludwigs XII. und Anna’s von Bretagne, und seine Kinder: Alphons II., Anna, Gemalin des Franz v. Guise u. Eleonore, welcher Tasso seine Huldigungen zu Füßen legte; – Cäsar (geb. 1562, gest. 11. Dec. 1628), natürlicher Sohn Alphons I., fand im deutschen Kaiser seinen Beschützer, während Papst Clemens VIII. seine Legitimität u. Rechte bestritt; – Alphons II. (gest. 27. Oct. 1597), Sohn Alphons I., versammelte die berühmtesten Männer Italiens an seinem Hofe, und ließ Tasso, der für seine Schwester, nach Andern [84] für dessen gleichnamige Gemalin Eleonore glühte, und wieder nach Andern wegen viel nichtigerer Gründe 7 Jahre im Irrenhause schmachten; – Franz I. (geb. 5. Sept. 1610, gest. 14. Oct. 1658) vermälte sich dreimal, u. z. mit Marie Farnese, Tochter Ranuccio’s Herzogs von Farnese, dann mit seiner Schwägerin Victoria und zuletzt mit Lucrezia Barberini, Enkelin des Papstes Urban VIII.; – Alphons IV. (gest. 16. Juli 1662), Sohn des Vorigen, vermälte sich mit Laura Martinuzzi, Nichte des Cardinals Mazarin, welche Verbindung seine Anhänglichkeit an Frankreich, die er sein Leben lang bewahrte, zur Folge hatte; – Franz II. (geb. 6. März 1660, gest. 6. Sept. 1694), Sohn des Vorigen und Laura’s Martinuzzi, stiftete die reiche Estensische Bibliothek, die Accadente dei Dissonanti, die Universität von Modena. – Maria BeatrixFerdinand Karl Joseph – MaximilianKarl Ambros – und Ferdinand Karl Victor (über die fünf Letzteren siehe die besond. Artikel).
II. a) Ueber die Familie. Berni (Franc.), Memoria degli eroi della casa d’Este che ebbero il dominio in Ferrara (Ferrara 1640, Fol.). – [Crawfurd] History of the house of Este from the time of Forrestus to the death of Alphonsus the last duke of Ferrara (London 1681, 8°.). – Falletti (Girol.), Genealogia degli principi Estensi (Frankf. 1581, Fol.). – Giraldi (Giovanni Battista), De Ferrara et Alestinis principibus com mentariolus (Ferrara 1556, 4°.) [dasselbe in’s Italienische übersetzt von Ludovico Domenichi (Venedig 1597, 8°.)]. – Hübner (Johann), Genealogische Tabellen (Leipzig 1725) I. Thl. Tab. 302 u. 303 [enthält den Stammbaum der Familie nach älteren Genealogen]. – Muratori (Lud. Ant.), Delle antichità Estensi ed Italiane, 2 Bde. (Modena 1717) [auch in seinen anderen Werken, namentlich in seinen: Annali d’Italia dal principio dell’ era volgare sino all’ anno 1500 ecc. (Mailand 1744) V. B. S. 394 u. f. und in vielen Noten seiner Rerum italic. scriptores behandelt Muratori diese Familie sehr ausführlich]. – Pigna (Giovanni Battista), Istoria de’ principi d’ Este (Ferrara 1570, Fol., Venedig 1572, 4°.) [dasselbe deutsch von Tiburtius Dreyfelder (Mainz 1580, Fol.) und lateinisch von Joh. Barone (Ferrara 1585, Fol. und ebenda 1596, Fol.]. – Litta (Pompeo), Famiglie celebri italiane (Mailand 1832 u. f.) Parte I. Fasc. XXVI–XXIX. Taf. 1–17 [nach Muratori und andern italienischen Geschichtschreibern entworfene Tabelle aller Zweige dieser berühmten Familie bis auf die Gegenwart]. – Tiraboschi (Girol.), Memorie storiche Modenesi (Modena 1793 u. 1794) IV. Bd. [handelt vielfältig von dieser Familie]. – Ersch (J. S.) u. Gruber (J. G.), Allg. Encyklopädie der Wissensch. u. Künste (Leipzig 1822 u. f., Gleditsch, 4°.) I. Sect. 38. Bd. S. 238–289. [Diese vortreffliche und erste deutsche umfassende Monographie der berühmten Familie, aus Quellen gearbeitet und überall mit den betreffenden Beweisstellen belegt, ist von G. F. Schreiner verfaßt. Sie behandelt die Ereignisse bis zum Jahre 1289, in welchem Obizzo von Modena, wie später (1290) von Reggio zu Hilfe gerufen wurde, mit welchen beiden Gebieten er seine Macht vermehrte. Schreiner verweist nun wegen Fortsetzung dieses Artikels auf die Artikel „Modena“ und „Reggio“, welche noch nicht erschienen sind.] – Nuvolato (Gaetano), Storia di Este e del suo territorio (Este 1851 u. f., Longo, gr. 8°.). [Diesem Werke geht voran: „Prefazione che serve di programma alla storia di Este (Ebend. 1850, 8°.), welche öfter zu fehlen pflegt.]
II. b) Ueber einzelne Glieder des Hauses Este. Vita del Cardinale J. da Este scritta da un anonimo (Mailand 1843, 8°.). – Bellini (Giuseppe), Memoria sul sigillo di Giulio d’Este (Mantua 1833, Negretti, 8°.) dazu als Ergänzung: Il Collettore dell’ Adige (ein Veroneser Journal, 4°.) 1855 (anno V) Nr. 41, S, 322: „Scoperta di un antico autografo intorno ad una Memoria stampata sopra il Sigillo di Giulio d’Este“ [wodurch die von Bellini in seiner Abhandlung ausgesprochene Ansicht eine Bestätigung erhält]. – Maffei (Gius.), Storia della letteratura italiana. Seconda Edizione (Mailand 1834) I. Bd. S. 204 über Leonello, 229 über Herkules I., 238 über Bianka; II. Bd. S. 17 über Alphons I., 18 über Herkules II. und Cardinal Hyppolit, 19 über Alphons II., 42 über Obizzo, 62 über Cardinal Ludwig, 73 über Philipp; III. Bd. S. 116 über Franz II., 127 über Franz III., 211 über Rinaldo I., 143 über Maria Beatrice u. IV. Bd. S. 229 über Franz III. [wie aus obiger Uebersicht zu entnehmen, zeigt Maffei, welchen Einfluß dieses Fürstenhaus auf Italiens geistige Entwickelung geübt]. – Der Herausgeber dieses Werkes hat im Jahre 1846 eine größere Arbeit „Die Medaillen des Hauses Este“ vollendet. Die große Menge von Original-Medaillen des Hauses Este, welche die Münzen- und Medaillensammlung der Lemberger Universitäts-Bibliothek besaß und vielleicht (wenn sie bei [85] dem Brande der Universität im Jahre 1848 gerettet worden) noch besitzt, war die nächste Veranlassung, daß er diese Arbeit unternahm. Auch hat er mehrere dieser Medaillen, 16 Stück (32 mit der Kopf- und Reversseite) für die Sammlung Sr. kaiserl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Maximilian in Höchstdessen Auftrage im galvanoplastischen Wege erzeugt, da dieselben in den Sammlungen Sr. kais. Hoheit fehlten, oder doch nicht in so gut erhaltenen Exemplaren vorhanden waren.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: n.