BLKÖ:Ficquelmont, Karl Ludwig Graf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Fidler, Andreas
Band: 4 (1858), ab Seite: 221. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Karl Ludwig von Ficquelmont in der Wikipedia
Karl Ludwig von Ficquelmont in Wikidata
GND-Eintrag: 119022672, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Ficquelmont, Karl Ludwig Graf|4|221|}}

Ficquelmont, Karl Ludwig Graf (General der Cavallerie, Staats- und Conferenz-Minister, geb. zu Dieuze in Lothringen 23. März 1777, gest. zu Venedig 7. April 1857). Sohn des Grafen |Joseph (s. d. Vorigen). Vater und Sohn, nachdem Ersterer von der Revolutions-Partei in Frankreich verfolgt wurde, emigrirten und traten in österr. Kriegsdienste. Karl Ludwig war vorher in einem franz. Militär-Institute erzogen worden. Am 1. Jänner 1793 nahm ihn Feldzeugmeister Graf Baillet von Latour, Schwager seines Vaters (s. d. I. Bd. S. 124) in sein Dragoner-Regiment als Cadeten auf. In den Feldzügen dieser Epoche rückte F. bis 25. Nov. 1805 zum Major bei Nassau-Kürassieren und Flügel-Adjutanten Sr. Majestät des Kaisers vor. Am 19. Juli 1808 wurde er Oberstlieutenant, nachdem er früher bereits Sr. kaiserl. Hoheit dem Erzh. Ferdinand zugetheilt worden. Am 20. Juni 1809 wurde er zum Obersten ernannt, geleitete 1810 den Herzog von Modena auf seiner Reise nach dem Orient, wurde dann nach Spanien beordert, wo er in den Jahren 1811 und 12 die mit der englischen Armee vereinigte Cavallerie des Grafen Castaňo’s commandirte. Nach seiner Rückkehr aus Spanien fungirte er als General-Adjutant des Grafen Bellegarde und wurde am 27. Febr. 1814 Generalmajor. Nunmehr beginnt seine diplomatische Laufbahn. Am 24. April 1815 wurde der Graf als außerordentlicher Gesandter an den schwedischen Hof, 1820 in gleicher Eigenschaft an die Höfe von Toscana und Lucca, im März 1821 aber nach Neapel gesandt. Im Jänner 1829 erhielt er eine außerordentliche Sendung an den russischen Hof, wo er mit vielem Erfolg wirkte und als Diplomat großes Ansehen erwarb. Nachdem er 18. Jänn. 1830 zum Feldmarschall-Lieutenant, 17. Sept. 1831 zum Inhaber des Dragoner-Regiments Nr. 6 ernannt worden, erfolgte 1839 [222] seine Rückberufung nach Wien, um die auswärtigen Geschäfte während der Reise des Fürsten Metternich nach dem Johannisberg, namentlich in Bezug auf die orientalischen Angelegenheiten zu führen. Im J. 1840 wurde F. Staats- und Conferenzminister und Chef der Kriegssection im Departement des Auswärtigen und am 3. März 1843 General der Cavallerie. In dieser Stellung fielen ihm mehrere wichtige Missionen zu, z. B. im Frühjahr 1846 die Sendung nach Berlin wegen der polnischen Angelegenheiten. Nach der Märzrevolution von 1848 trat er in das verantwortliche Ministerium ein (21. März 1848) und übernahm das Departement der auswärtigen Angelegenheiten. Das Bedeutendste, was in diesen stürmischen Tagen unter F.’s Verwaltung in der auswärtigen Politik geschah, war die Kriegserklärung gegen Sardinien. Inzwischen verließ nach wenig Wochen auch Kolowrat, bisher Präsident des Ministeriums vom 21. März, seine Stelle und Graf Ficquelmont trat provisorisch an die Spitze des Kabinets. Eine feindselige Demonstration (4. Mai) bewog ihn, das Ministerium aufzugeben. Seit der Zeit lebte er ohne öffentliche Stellung. Dagegen zog er durch mehrere und größere publizistische Schriften – worin die politischen Verhältnisse Europa’s erörtert wurden – die Aufmerksamkeit der Diplomaten und Aller derjenigen auf sich, welche die verwickelten Verhältnisse der Gegenwart prüfenden Blickes verfolgten. Diese Schriften, sämmtlich der letzten Lebensperiode des Grafen gehörig, sind: „Ueber das Gesetz der Souveränität. Von einem österr. Staatsmanne“ (Wien 1819, Braumüller), erschien anonym; – „Aufklärungen über die Zeit vom 20. März bis 4. Mai 1848“ (Leipzig 1850, Barth, 2. Aufl. 1850, gr. 8°.); – „Deutschland, Oesterreich u. Preussen“ (Ebenda 1850, gr. 8°.); – „Lord Palmerston, England und der Continent“, 2 Bde. (Wien 1852. Manz, gr. 8°.); – „Russlands Politik und die Donaufürstenthümer“ (Ebd. 1854, gr. 8°.); – „Die religiöse Seite der italienischen Frage“ (zweite Auflage Wien 1854); mehrere derselben erschienen zugleich in französischer Sprache. – Ueber der Abfassung eines größeren philosophischen Werkes, worin er nach eigenem Ausspruche „sein letztes Wort“ sprechen wollte, so wie über der Beendung seiner Memoiren überraschte ihn der Tod. Auch war er in der letzten Zeit, während seines Aufenthaltes in Venedig, mit mehreren. publizistischen Schriften, welche zeitgemäße Fragen behandelten, beschäftigt. Weniger als seine publizistischen Werke sind seine ästhetischen bekannt. Zwei derselben als Manuscripte gedruckt, sind nur in Freundeskreisen bekannt geworden, u. z.: „Mariage. Comédie-Charade en un acte“ – und „L’Amour médiateur entre le Passé et l’Avenir. Comédie en trois actes“, beide Stücke wurden in des Grafen häuslichem Kreise aufgeführt und die weiblichen Rollen von des Grafen Tochter, der nunmehrigen Fürstin Clary, mit eminenter Feinheit und Anmuth dargestellt. Im Juni des Jahres 1821 hatte sich der Graf in Neapel mit Dorothea Gräfin Tiesenhausen, der Tochter des Grafen und Flügeladjutanten des Kaisers Alexander von Rußland, welcher am 2. Dec. 1805 in der Schlacht von Austerlitz geblieben, vermält. Der Graf war mit den Großkreuzen mehrerer österreichischen, russischen und anderer Orden geschmückt und am 5. Dec. 1852 in Anerkennung seiner wesentlichen Verdienste um den Thron und den Staat zum Ritter des Ordens vom goldenen Vließe ernannt worden. Der Graf gehörte zu jenen kräftigen Gestalten, welche mitten in der wechselvollen Geschichte unseres Jahrhunderts, die sie miterlebt und zum Theile mitvollbracht haben, die volle Rüstigkeit ihres Wesens und die ungetrübte [223] Geistesfrische bis an den Rand des Grabes bewahrt haben. In den höhern gesellschaftlichen Cirkeln, welchen der Graf durch Geburt und Stellung angehörte, wußte derselbe durch seine lebendige Unterhaltungsgabe, seine treffenden Aperçus und durch den reichen Schatz von persönlichen Erinnerungen, welcher ihm aus seinem bewegten Leben zu Gebote stand, stets die allgemeine Theilnahme zu fesseln. Ebenso machte sich sein Scharfblick und seine innige Vertrautheit mit den Verhältnissen der europäischen Politik bei allen Gelegenheiten geltend, wo er in officieller Mission eine diplomatische Thätigkeit zu entwickeln hatte. Der Graf erfreute sich im hohen Alter einer rüstigen Gesundheit, wofür seine lebensfrischen zahlreichen Arbeiten einen Beleg geben und starb nach kurzer Krankheit im Kreise seiner Familie und Enkel, in welchem er kurz zuvor das 80. Geburtsfest gefeiert.

Aufklärungen über die Zeit vom 28. März bis zum 4. Mai 1848. Von ihm selbst (Leipzig 1850, 8°., 2. Aufl.). – Journal des Débats (Paris, gr. Fol.) 20. Mai 1857: „Le comte de Ficquelmont“ [nach diesem gest. 6. April 1857. Barante sagt in dieser ausführlichen Lebensskizze von F.: „Il a été peu connu en France mais ceux qui ont vécu avec lui dans les rapports habituels sentent le besoin d’honorer sa mémoire“]. – Strack (J.), Geschichte des sechsten Dragoner-Regiments Carl Ludwig Graf Ficquelmont (Wien 1856, Staatsdruckerei, gr. 8°.) [auf Seite 196 u. f. die Lebensskizze des Grafen. Sein Geburtsort heißt daselbst irrig Dienze in Lothringen statt Dieuze. In dieses Regiment, ein deutsch-lothringisches, welches vormal Royal Allemand-Dragoner hieß, war der Graf zugleich mit seinem Vater – als ersterer erst 15 J. zählte – eingetreten. Das Regiment selbst ist eines der glorreichsten in der französischen Revolutionsgeschichte und dasjenige, welches in den Jahren 1791 u. 92 durch seine Ergebenheit für den König Ludwig XVI. sich hervorthat und bei einem Angriffe auf die Tuillerien, vom Prinzen Lambasc angeführt, das stürmende Volk auseinandertrieb. Im Jahre 1856 beging der Graf die Feier der 25jährigen Inhaberswürde des Regiments, mit welchem er seit 1793 die Schicksale getheilt hatte.] – Steger (Fr. Dr.)[WS 1], Ergänzungs-Conversations-Lexikon (Leipzig u. Meißen 1850, Lex. 8°.) XII. Bd. S. 382. – Oestr. Militär-Konversations-Lexikon. Herausgeg. von J. Hirtenfeld u. Dr. Meynert (Wien 1851) II. Bd. S. 405 [nach diesem geb. 1776]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon (Hildburghausen 1853, Bibl. Inst., Lex. 8°.) X. Bd. S. 193 u. III. Suppl. Bd. S. 539. – Wigands Conversations-Lexikon (Leipzig 1847, gr. 8°.) XV. Bd. S. 610. – Militär-Zeitung, redig. von Hirtenfeld 1867, Nr. 31, S. 247: „Nekrolog“ [nach dieser gest. 6. April 1857]. – Unsere Zeit. Jahrbuch zum Conversations-Lexikon (Leipzig 1857, Brockhaus, gr. 8°.) I. Bd. S. 282 [nach dieser gest. 7. Apr. 1857]. – Humorist, herausg. von M. G. Saphir 1857, Nr. 100. – Presse (Wiener Blatt, Fol.) 1857, Nr. 81 [schließt mit den Worten: „Es ist in den exclusiven Wiener Kreisen bekannt, daß der verstorbene Graf F. durch seine lange Anwesenheit in Rußland eine besondere Vorliebe für dieses nordische Land und eine große Anhänglichkeit für die Person des Kaisers Nikolaus hegte, bei welchem er namentlich sehr in Gunst stand. Vor Allem aber österreichischer Patriot im vollsten Sinne des Wortes, mußte er sich durch die in dem letzten Stadium seines Lebens eingetretenen, von seinem Gesichtspuncte aus allerdings doppelt unerwarteten Ereignisse äußerst schmerzlich berührt finden“]. – Didaskalia (Frankfurter Unterhaltungsblatt, 4°.) 1857, Nr. 88. – Friedenszeitung (Wien, Fol.) 1850, Nr. 50 u. 56: „Retrospective Politik der Conservativen.“ – Allgemeine (Augsburger) Zeitung 1852, Beilage zu Nr. 50 (19. Febr.): „Graf von Ficquelmont, Lord Palmerston, l’Angleterre et le Continent.“ – Porträt. Stahlstich (Gotha, J. Perthes, gr. 8°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Steger (Franz Dr.).