BLKÖ:Günzburg, Johann Franz

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 6 (1860), ab Seite: 17. (Quelle)
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Günzburg, Johann Franz (Dichter, geb. zu Brody in Galizien 10. December 1803, gest. zu Wien 27. Juli 1838). Sohn israelitischer Eltern; als Knabe von 7 Jahren verlor er den Vater, die Mutter setzte seine Erziehung fort. Seiner entschiedenen Neigung für die Malerkunst folgend, ging er, trotz völliger Mittellosigkeit, nach Wien, wo er 1823 – 17 Jahre alt – im Herbst ankam und als Schüler auf der Akademie in die Landschaftsschule aufgenommen wurde. Von Unterrichtertheilen fristete er, unter Kämpfen und Entbehrung, sein Dasein. So vergingen Jahre in Arbeit, Mühe und Entsagung. Schon winkte ihm das Ziel, das er lange ersehnt, da überkam ihn plötzlich ein beunruhigender Zustand. Beim Malen verwechselte er die Farben. Dunkle Puncte flirrten vor seinen Augen. Die Aerzte erklärten diese Erscheinungen für einen bereits so gefährlichen Zustand des Sehorgans, daß er, um völliger Blindheit zu entgehen, der Kunst entsagen mußte. Wofür er Jahre gerungen, das vernichtete ein Moment; ein neuer Lebensplan mußte entworfen werden. Nicht mehr jung genug, um ein sogenanntes Brotstudium beginnen zu können, benützte er die erworbenen Kenntnisse der italienischen, französischen und englischen Sprache, half durch fleißige Lectüre seiner ästhetischen und historischen Bildung nach und begann von Neuem Unterricht zu ertheilen. Sein poetisches Gemüth fand im Kampfe solcher Verhältnisse genug Nahrung; in arbeitsfreien Stunden dichtete er oder schrieb Erzählungen. Seine Gedichte, über hundert an der Zahl, erschienen in Wiener Blättern jener Tage, vornehmlich in der Witthauer’schen „Wiener Zeitschuft“. Eine Sammlung derselben ist bisher nicht vorhanden. Außer einer Oper, kleineren Aufsätzen in Prosa, wie „Lebewohl“, „die Thräne“, „Liebe“, reflectirenden Inhaltes und in der genannten „Wiener Zeitschrift“ abgedruckt, und einer deutschen Uebersetzung der „Veglie“ von Tasso, schrieb er 13 Novellen: „Die Blatternarben“ (auch in’s Polnische übersetzt), „Der Arzt“, eine „Scene am Hydrosee“, alle drei im schon genannten Blatte abgedruckt; „Die schwarze Einquartirung“ (in der Theater-Zeitung); „Minna’s letzte Lebensjahre“, „Eine erste Liebe“, „Drei Maler“, „Die Kunstreiterin“, „Die Erscheinung“, „Die Gräber der Liebe“, „Die Preisnovelle“, und „Der Baron Astorga“, die letzten acht noch ungedruckt. G.’s von Kindheit an schwächliche Gesundheit mußte unter der anstrengenden Lebensweise, die er führte, nothwendig leiden. Aber bis wenige Tage vor seinem Tode kam er seinen Verbindlichkeiten gewissenhaft nach. In den Armen eines seiner Freunde hauchte er seine Seele aus. Auf seinem Schreibtische lag das letzte Gedicht, das er – in der Vorahnung seines Todes – geschrieben; es führt die Ueberschrift: „Der Lebensmüde“, und ist in dem von L. A. Frankl geschriebenen Nekrologe [18] mitgetheilt. G. ist unter den Poeten kein Stern erster Größe, aber seine Gedichte, meist nur Selbsterlebtes schildernd und reflectirend, tragen das Gepräge der Wahrheit an sich, die in einschmeichelnder Form ausgesprochen ist. An Stoff ließ es das Schicksal, das ihn schwer heimgesucht, nicht fehlen. Balladen und Romanzen hat er keine gedichtet, daher er auch – einer der besten österreichischen Poeten – im „Oesterreichischen Balladenbuch“ von L. Bowitsch und A. Gigl nicht aufgeführt erscheint. Seine novellistischen Aufsätze beurkunden einen durch Lectüre vielfach gebildeten Geschmack und sind in anziehender Form abgefaßt. Ueber seine Leistungen als Maler ist wenig bekannt. Eine Porträt-Zeichnung von ihm befand sich in der Wiener Kunstausstellung des J. 1828; eine große Zeichnung – einen Kopf über Lebensgröße in Crayon-Manier – besitzt sein Freund L. A. Frankl. G. war 35 Jahre alt, als er starb.

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, herausg. von Witthauer, 1838, Nr. 112 (18. Nov.): „Nekrolog“ von L. A. Frankl. [Die Buchstaben seines Vornamens J. F., welche auch vor seinen Nekrologen stehen, sind im Katalog der Wiener Ausstellung ergänzt und bedeuten Johann Franz.] – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, Fr. Voigt, 8°.) Jahrg. XVI, Theil 2, S. 711, Nr. 248.