BLKÖ:Havliček, Karl

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 8 (1862), ab Seite: 98. (Quelle)
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Havliček, Karl (čechischer Schriftsteller und Parteigänger, geb. zu Borov (Borau) bei Deutschbrod in Böhmen am 31. October 1821, gest. zu Prag am 29. Juli 1856). Der Sohn eines Kaufmannes, und nicht, wie es hie und da heißt, schlichter Landleute, erhielt er in seinem Geburtsorte den Unterricht von dem Dechant Bružek, der ihn zum geistlichen Stande vorbereitete. In Deutschbrod besuchte er das Gymnasium, wo er 1838 die philosophischen Studien beendete, und trat 1840, 18 Jahre alt, in das Prager erzbischöfliche Seminar. Während seiner Studien in Prag hatte er sich mit den deutschen Dichtern Alfred Meißner und Moriz Hartmann [siehe Letzteren S. 4 dies. Bds.] befreundet, und bei seiner Geistesrichtung sagte ihm das theologische Studium wenig zu; noch weniger, als er sich mit seinen geistlichen Oberen, namentlich mit dem Seminarsdirector P. Rost, wegen des Besitzes und Studiums altslavischer, vornehmlich hussitischer Kirchenbücher, entzweit hatte. Er gab nun das theologische Studium auf und beschloß sich jenem der Literatur zu widmen. Etwa ein Jahr lang beschäftigte er sich mit den neuen Wissenschaften, und, einer unwiderstehlichen Wanderlust folgend, durchzog er Böhmen, Mähren, die Slowakei und Galizien. Im Jahre 1842 nahm er eine Erzieherstelle in Rußland an, zunächst um seinem Verlangen, die Eigenthümlichkeiten dieses großen slavischen Landes kennen zu lernen, zu genügen. In seiner neuen Stellung brachte er einige Zeit in Moskau bei dem Fürsten Sevirev, später in Kiew zu, wo er mit hervorragenden slavischen Gelehrten jedweder Richtung bekannt geworden war. Nach zweijährigem Aufenthalte in Rußland trieb ihn (1845) die Sehnsucht in sein Heimatland zurück, und in Prag angekommen, warf er sich mit allem Eifer und einer fieberisch erregten und durch die lebendigen Eindrücke einer wechselvollen Vergangenheit aufgestachelten Natur auf das Gebiet der čechischen Journalistik, welche eben damals die ersten Keime jener gegen das Deutschthum ankämpfenden Richtung trieb, deren Blüthen heute in wenig fördernder und erquicklicher Weise aufschießen. Während seiner Wanderjahre hatte er in Rußland auf das eifrigste das Studium der slavischen Sprachen betrieben, war aber zugleich in jene verhängnißvollen Verbindungen getreten, welche der Panslavismus mit einer merkwürdigen Zähigkeit und Ausdauer anzuknüpfen und festzuhalten versteht. Von der Natur mit der Gabe der Satyre und dem Scharfsinne der Verneinung begabt, machte er sich durch seine geistvollen Journalartikel und beißenden Epigramme allenthalben bekannt. Die jungčechische Partei, die eben damals aus allen Kräften ihrer politischen und nationalen Concentration entgegenstrebte, schaarte sich um den jungen Schriftsteller, welcher der Löwe des Tages war und in den Journalen „Prazské noviny“, d. i. Prager Neuigkeiten, und „Česka Včela“, d. i. die Biene, sich und den Seinigen ein ausreichendes Gebiet der literarischen und publicistischen Thätigkeit eröffnet hatte. Die Redaction beider hatte H. im Jahre 1846 übernommen und in kurzer Zeit beide Blätter zu einer Beliebtheit erhoben, deren sich bis dahin [99] kein Blatt in Böhmen zu erfreuen gehabt. Exclusiv slavisch bis zur äußersten Consequenz führte H. eine Sprache, welche das deutsche Element, auf welchem doch alles čechische geistige und literarische Leben eigentlich fußt, auf das Entschiedenste bekämpfte und seinen Anhang mit jedem Tage mehrte. Die Wirren des Jahres 1848 trugen das Ihrige bei, diese bedenkliche Stimmung zu steigern. War er in den zwei genannten Journalen noch an manche Rücksicht gebunden, so benützte er die neuen ordnungslosen Verhältnisse, um die letzten Schranken, die ihn sich ganz gehen zu lassen hinderten, zu beseitigen, und er gründete, von Albert Grafen Deym unterstützt, ein neues Organ für sich und seine Partei, die „Narodni noviny“, d. i. Volksthümliche Neuigkeiten, welches vom 1. April 1848 bis 18. Jänner 1851 unmittelbar unter seiner Leitung oder doch in seinem Geiste und ganz von ihm beeinflußt erschien. Mit Hilfe dieses neuen Blattes, dem er die Färbung der aufgeregten Zeit trefflich zu geben verstand, und das nur der Ausdruck seines politischen Glaubens, Meinens und Hoffens war, spielte er eine einfluß- aber wenig segensreiche Rolle. Čechischer Volksmann, entschiedener Antigermane mit Wort, Schrift und That, hervorragender Theilnehmer des panslavistischen Congresses im Juni 1848 und Mitglied des Nationalausschusses, entfaltete H. eine rastlose Thätigkeit, in welcher er seinen vorwiegend föderalistischen Tendenzen mit allem Aufgebote seines Geistes Eingang zu verschaffen bemüht war. Stellten sich ihm noch irgendwo Hindernisse entgegen, so vernichtete er dieselben mit den schonungslosesten Ausfällen und verhöhnenden Spöttereien, welche er aus dem von ihm gegründeten Witzblatte „Šotek“, d. i. der Kobold, auf alle Gegner und Andersdenkenden unbarmherzig schleuderte. Unter solchen Verhältnissen erklärt sich seine Wahl in den constituirenden österreichischen Reichstag, in den ihn der Wahlbezirk Humpoleč wählte, von selbst. Im Reichstage war seine Thätigkeit sehr untergeordneter Art; in der 40. Sitzung (11. September 1848) stellte er ein Amendement in der Sprachenfrage und erklärte selbst, „so viel praktische Einsicht zu besitzen, um nicht zu verlangen, daß man im Parlamente in seiner (der čechischen) Sprache verhandeln solle“; ferner erscheint sein Name unter dem Aufrufe der čechischen Deputirten, datirt Prag vom 10. October 1848, worin diese (darunter Palacky, Rieger, Brauner, Hamernik u. A.) ihre Gesinnungsgenossen zu einer Besprechung auf den 20. October in Brünn einladen, um dort über die Maßregeln zur Sicherung der parlamentarischen Verhandlungsfreiheit und der ungefährdeten Existenz des constituirenden Reichstages im Interesse der Gesammtmonarchie zu berathen. Man erklärt die untergeordnete Rolle, welche H. in dieser Versammlung wider Aller Erwarten spielte, mit seiner mangelhaften Kenntniß der deutschen Sprache, die nicht geläugnet werden kann; obwohl wieder Andere die Ansicht aussprachen, daß sein oratorisches Talent, gewöhnt eben an den grotesken Styl der Massenagitation, sich mit der parlamentarischen Gemessenheit nicht zu befreunden vermochte. H. legte also Ende 1848 sein Mandat nieder, kehrte nach Prag zurück, und fuhr fort, durch sein čechisches Oppositionsjournal „Narodni noviny“ auf die Massen zu wirken. Nun entstanden die zu jener Zeit bekannten und in ganz Böhmen gesungenen Spottlieder auf Schuselka, das Frankfurter Parlament, das deutschfreundliche Ministerium Stadion u. A., als deren Verfasser [100] ausdrücklich H. bezeichnet wird. Seiner publicistischen Thätigkeit machte der über Prag verhängte Belagerungszustand ein Ende. Zu Anfang 1851 hörten seine Blätter zu erscheinen auf, H. selbst wurde während des Belagerungszustandes in Prag wegen mehrerer Preßvergehen von dem Kriegsgerichte zu wiederholten Malen mit 8- und 14tägigem Profoßenarreste bestraft, und einmal von dem Gerichte zu Kuttenberg mit einer Geldstrafe belegt. Er übersiedelte nun nach Kuttenberg und setzte dort die Herausgabe des Wochenblattes „Slovan“ fort, dessen erstes Heft am 8. Mai 1850 und das letzte am 14. August 1851 ausgegeben wurde. Politische Gründe veranlaßten aber auch die behördliche Unterdrückung des „Slovan“. Bald darauf wurde H. zweier im „Slovan“ erschienenen Artikel wegen, und zwar des Artikels: „Správa záležitostí obceních“, d. i. Die Verwaltung der Gemeindegüter, und „Proč jesem občanem“, d. i. Warum bin ich Staatsbürger? vor das Schwurgericht gestellt, aber von demselben am 12. November 18531 freigesprochen. Dieser Freisprechung jedoch folgte alsbald seine Ausweisung aus der Heimat und die Anweisung der Tirolerstadt Brixen zum künftigen Aufenthaltsorte. Dort schrieb er seine Brixner Elegien, radicale Dichtungen untergeordneten Werthes. In Brixen lebte H. zurückgezogen einige Jahre; im October 1854 reiste seine Gattin von Brixen nach Prag, um die Erlaubniß zur Rückkehr nach Böhmen für ihren Gatten zu erbitten, welche ihm auch Anfangs 1855 ertheilt wurde. In dieser Zeit verlor er seine Lebensgefährtin (16. April 1855). Aber auch er hatte bereits zu kränkeln begonnen; als sein Uebel zunahm, begab er sich von Deutschbrod, wo er lebte, nach Prag, um den Rath der Aerzte einzuholen, aber das Uebel hatte schon einen sehr bedenklichen Charakter angenommen und in kurzer Zeit erlag er demselben. Seinem mit einem Lorberkranze geschmückten, von Freunden getragenen Sarge folgte eine große Menschenmenge. Er ruht neben seiner Gattin, an die ihn die zärtlichste Neigung fesselte, auf dem Wolschaner Gottesacker. Von seinem Geburtsorte Borow hat H. seinen Schriftstellernamen Hawel Borowský angenommen.[BN 1] Mit ihm sank ein bedeutendes Talent, der erste Publicist der čechischen Literatur, in’s Grab. Energisch, scharf auffassend, die einmal gefaßte Ueberzeugung unbeugsam verfechtend, von der Zeit der Aufregung genährt und großgezogen, war er der rücksichtslose Führer einer Partei, die selbst gegen Alles, was sie nicht will, unduldsam, Alles, was sie thut, auch ihre gröbsten Unbilden, geduldet wissen will. In einer Zeit der Ruhe und geklärter politischer Verhältnisse würde er bei seiner nicht gewöhnlichen geistigen Begabung und seinem ehrlichen Festhalten an der einmal gewonnenen Ueberzeugung Ersprießliches gewirkt und die Rolle des Agitators mit jener eines wahren Volksfreundes vertauscht haben. Die Urheberschaft des Ausspruches: „Lieber die russische Knute, als die deutsche Freiheit“, wird ihm zugeschrieben, und er ist in Kürze das Programm jener Partei, die in bedauernswürdiger Verblendung am Bestande des Gesammtstaates rüttelt, ohne zu bedenken, daß, wenn es ihr gelänge, den Ruin desselben herbeizuführen, sie doch selbst zuerst unter dessen Ruinen zu Staube zermalmt würde. H. ließ aus der Ehe mit seiner etwa ein Jahr vor ihm verstorbenen Frau eine Tochter zurück, zu deren Vortheil erst in jüngster Zeit von der Regierung eine čechische National-Lotterie bewilligt wurde [Presse vom [101] 15. August 1861, Nr. 222, Correspondenz aus Prag].

Čas (ein 1860 in Prag entstandenes, vom J. U. Dr. Alois Krása redigirtes Parteiblatt; nicht zu verwechseln mit dem in Krakau seit mehreren Jahren erscheinenden „Czas“ [wie Čas die Zeit bedeutend], Jahrg. 1860, Nr. 73, 75,. 76; Jahrg. 1861, Nr. 3, 6. 20, 24, 26, 28, 30, 36 [enthält in XII Abschnitten H.’s ausführliche Biographie; im XI. (Nr. 30) werden seine „Brixener Elegien“, jene Gedichte, welche er während seiner Internirung in Brixen gedichtet, mitgetheilt]. – Obrazy Života, d. i. Bilder des Lebens (ein in Leitomischl herausgegebenes Unterhaltungsblatt), Redigirt von J. V. Jahn, 1861, S. 64, 117, 157, 187: „Karel Havliček, Obraz kriticky od Alfred Waldaua.“ – Rittersberg, Kapesní slovniček novinářský a konversační (Prag 1852, Pospišil, 12°.) S. 599–617. – Slovenské Noviny, d. i Slovenische Neuigkeiten (Wien, kl. Fol.) 1856, Nr. 94. – Lichard (Daniel), Časnik … Kalendař na 1857 (Wien, 8°.) S. 215. – Wanderer (Wiener pol. Blatt, Fol.) 1856, Nr. 354. – Bohemia (Prager Journal) 1856, S. 169, 175. – Die Neue Zeit (Olmützer Journal, Fol.) 1856, Nr. 181. – Ostdeutsche Post 1856, Nr. 178. – Presse (Wiener pol. Journal) 1856, Nr. 181 – Oesterreichische Zeitung (Wien, Fol.) 1856, Nr. 390: „Havliček’s letzte Augenblicke“. – Oesterreichischer Courier (vormalige Theater-Zeitung), herausgeg. von Ad. Bäuerle, 1849, Nr. 99: „Havliček’s Preßproceß“ [betrifft seine in den „Narodni noviny“ erschienene Auslegung der octroyirten Verfassung, weshalb er vor das Schwurgericht gestellt, von den Geschwornen aber freigesprochen wurde]. – Verhandlungen des österreichischen Reichstages nach den stenographischen Aufnahmen (Wien, Staatsdruckerei, 4°.) 1848, Bd. I, S. 345, 369; Bd. II, S. 159, 322, 332; Bd. III, S. 127; Bd. IV, S. 41.[BN 2]Porträt. Facsimile der Unterschrift: K. Hawliček Borowský (Tisk. F. Sira, 1848, Fol.). – Grabdenkmal. Havlíček liegt auf dem Wolschaner Friedhofe Prags begraben. Seine Ruhestätte bezeichnet ein einfacher, mit schlichter Ornamentik an den Rändern verzierter vierkantiger Marmorstein mit der Inschrift: „Karel Havlíček a jeho chot’ Julie“, d. i. Karl Havlíček und seine Gemalin Julie [eine Abbildung seines Grabmonumentes siehe in Jan Neruda’s, später J. V. Jahn’s „Obrazy života“ 1860, S. 11, – über seine Bestattung siehe: Bohemia 1856, S. 169]. –

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Havlíček, Karl [s. d. Bd. VIII, S. 98]. Am 19. August 1862 fand Havlíček zu Ehren in seinem Geburtsorte Borov eine Nationalfeier Statt, an der sich neben den Führern der čechischen Partei noch zahlreiche Verehrer des volksthümlichen Parteigängers und viel Landvolk aus der Umgebung betheiligten.
    Posel z Prahy, d. i. Der Bote aus Prag, III. Jahrg. (Prag, Kober, 4°.) Kalender auf 1864, S. 17: „Karel Havlíček“; – derselbe, S. 78 u. 79 [mit Nachrichten über Havlíček’s Eltern]. – Národ, d. i. das Volk (Prager čechisches Parteiblatt, Fol.) 1864, Nr. 16, 17 u. s. w.: „Dopisy Karla Havlička z Brixenu p. Frant. Palackému“, d. i. Briefe des Karl Havlíček aus Brixen an Franz Palacky. – Rodinná kronika. Obrázkové listy k zábavě a poučení, d. i. Die Volks-Chronik. Illustrirte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung (Prag, 4°.) 1862, Nr. 7, S. 84: „Na památku Karla Havlíčka“, d. i Zum Andenken Karl Havlíček’s [mit Ansicht des Geburtshauses Havlíček’s auf S. 83]. – Národní listy, d. i. Volkszeitung (Prager čechisches Parteiblatt, Fol.) 1862, Nr. 204, im Feuilleton: „K slavnosti Havlíčkové“, d. i. Ueber die Havlíček-Feier [ein Brief aus London, worin Havlíček sehr bezeichnend „der erste čechische Journalist“ genannt wird]. – Hlas, d. i. die Stimme (ein politisches čechisches Parteiblatt, Fol.) 1862, Nr. 230: „Slavnost na památku Havlíčkovu v Borové dne 19. srpna“, d. i. Feier zum Gedächtniß an Havlíček zu Borov am 19. August 1862. – Bohemia (Prager Blatt, 4°.) Jahrg. 1862, Nr. 58, S. 552: „Čas und Hawljček“. [Band 14, S. 469]
  2. E Havliček, Karl [Bd. VIII, S. 98].
    Javor (J. K.), Karel Havliček pred poroton Pražskou dne 13. dubna 1849, d. i. Karl Havliček vor dem Prager Gerichte am 13. April 1849 (Prag 1873, I. L. Kober, 8°.). [Band 26, S. 388]