BLKÖ:Madaráß, Ladislaus

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 16 (1867), ab Seite: 235. (Quelle)
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Madaráß, Ladislaus (ungarischer Deputirter im Jahre 1848). Zeitgenoß. Gehört einer ungarischen Adelsfamilie an, deren Name erst bekannt wurde, nachdem Ladislaus M. als Mitglied des ungarischen Landtages im Jahre 1848 mit einem Jakobinismus groß that, der Jenen der blutdürstigen Häupter in der französischen Revolution weit überflügelte. Zu den exaltirtesten Köpfen der ultrademokratischen Partei zählend, entwickelte er bis zum Ende des ungarischen Dramas, das mit der Katastrophe bei Villagos abspielte, eine traurige, leider nur zu einflußreiche Thätigkeit. Stets ein Freund von Allem, was mit der Regierung im Widerspruch war, hatte er nur ein Sinnen und Trachten, und dieses hieß Opposition; er ging in diesem blinden Wahne so weit, daß es nicht selten geschah, daß er gegen seine eigenen Anträge die lächerlichste Opposition machte. Einer seiner Biographen schildert ihn folgendermaßen: „Klein, unansehnlich von Statur, spielte er sich mit großer Vorliebe in die Charakteristik der französischen Revolutionäre von den neunziger Jahren. Anfangs schien ihm mehr der Charakter Robespiere’s zu gefallen, später mehr der eines Danton. Madaráß war ein geborner Fanatiker der terroristischen Gewalt.“ Der Landesvertheidigungsausschuß war vom October 1848 bis zum April 1849 aus folgenden Mitgliedern zusammengesetzt: Präsident: Ludwig Kossuth. Mitglieder: Szemere , Meszaros, Baron Sigmund Perényi, Paul Nyary, Baron Nikolaus Josika, Graf Michael Eszterházy, Johann Palffy, Franz Duschek, Dionys Pazmandy, Franz Pulszky, Ladislaus Madaráß, Patay und Zsembery. Madaráß erhielt die Angelegenheiten der Polizeiverwaltung, Hainik war Chef der Bureau’s, Madaráß der Portefeuille-Inhaber. Im Landesvertheidigungs-Ausschusse hatten die Verwaltungsbeamten nicht den Titel Minister, welche Benennung erst später [236] von Kossuth wieder eingeführt wurde. In seiner Polizeiverwaltung entwickelte Madaráß eine Härte und Ruchlosigkeit ohne Gleichen. Hätte er können, so hätte er alle Verdächtigen ohne weiters hinrichten lassen. Sein Verfahren war so gravirt, daß selbst die Männer der Revolution keinen Anstand nahmen, seinen Namen an den Schandpfahl zu schlagen und Schimpf und Spott auf ihn zu schleudern. Der Verdacht des Diebstahls, der am Eigenthum des gemordeten Grafen Eugen Zichy begangen worden, lastet noch immer auf ihm. Nachdem der Graf standrechtlich war hingerichtet worden. hatte Görgey dessen Prätiosen, Geld und Werthsachen verpackt und an die Regierung nach Pesth geschickt. Diese hatte den Schatz in Pesth inventarisiren, in Kisten packen und versiegeln lassen. Bei der Uebersiedelung nach Debreczin hatte Madaráß die Kisten unter seine Obhut genommen. Bei dieser Gelegenheit wurden die Siegel verletzt, die Kisten erbrochen und die Prätiosen gestohlen. Daß Madaráß der Dieb war, steht fest. In einer Parlamentssitzung erschien er auffallend glänzend: die Knöpfe am Kleide Diamanten, die Nadeln an der Cravate, die Ringe an den Fingern durchwegs Brillanten und außerdem noch Ketten und sonstiges Geschmeide. Ein Murren ging durch den ganzen Saal. Der Verdacht war bald geschöpft. Nyary begann den Angriff und Josipovich [Bd. X, S. 279], ein Mann, der keine Umstände machte und der oft Personen und Dinge mit dem wahren Namen zu bezeichnen pflegte, nannte ihn in offener Parlamentssitzung einen gemeinen Dieb. Es wurde nun die Revision der Kisten angeordnet und man fand dieselben erbrochen. An dem kostbaren Schmucke von Rudolfi und Wagner in Paris, der an 50.000 fl. gekostet, fehlten ganze Theile, ebenso der kostbare Reiher (Forgó) mit Smaragden, Rubinen und Perlen. Aus den übrigen Theilen waren die theuern Edelsteine herausgerissen, das Email zerstört, die Glieder zerrissen. Ein gleiches Los hatte der Turquoisenschmuck, der seinem unglücklichen Besitzer in England bei der Krönung der Königin Victoria den Namen le prince Turquoise erworben hatte. Ein Chrysolithenschmuck war ebenso übel zugerichtet. Dosen von Labrador, Amethyst, Achat waren zerschlagen, um das Goldfutter oder die Fassung zu erhalten. Kaffeelöffel, Bernsteinmundstücke, silberne und goldene Dosen waren spurlos verschwunden. Einige der entwendeten Prätiosen waren durch Messing und anderen Flitter ersetzt, um die Lücke weniger auffallend zu machen. So fand man in einer Kassette von 50 Ringen 30 falsch, ein Dutzend Nadeln in einem mit dem Staatswappen versehenen Päckchen war zwar vollzählig, doch wunderbarer Weise von Tomback mit böhmischen Steinen. Diese gerichtliche Revision geschah durch eine eigene Inventurscommission und in dem diesfälligen Berichte heißt es, „daß wohl zu den Nachlässigkeits- und Ordnungsfehlern sich auch ein schimpfliches Attentat gesellte, daß nämlich einige von den in Rede stehenden Fahrnissen entwendet wurden.“ Bemerkenswerth ist dabei ein Umstand, dessen Levitschnigg gedenkt. Graf Eugen Zichy hatte vor Jahren dem Madaráß in’s Gesicht gesagt, er sei ein Dieb und gehöre daher an den Galgen. Der Graf ward von den Revolutionären gehenkt und Madaráß wurde an dem Gemordeten wirklich zum Dieb. Und nach derselben Sitzung, in welcher Madaráß öffentlich als gemeiner Dieb gebrandmarkt worden, begleiteten Kossuth’s [237] Frau und seine Schwester Meßlenyi, den ungarischen Cartouche, Arm in Arm nach Hause. Das Haus decretirte eine Untersuchung. Einige Tage darnach bat M. um einen sechswochentlichen Urlaub, der ihm jedoch vom Hause nicht gestattet wurde. Einige Tage darnach legte er sein Mandat nieder, welche Resignation angenommen, worauf für den betreffenden Bezirk eine neue Wahl ausgeschrieben wurde. Damit aber war auch die Untersuchung gegen Madaráß zu Ende. Irinyi [Bd. X, S. 292] und Chassin in ihrer „Histoire politique de la revolution de Hongrie“ erzählen (p. 339) diesen scandalösen Vorfall ausführlich. Madaráß begab sich nach Niederlegung seines Mandats nach dem Weißenburger Comitate, wo er die rothe Republik predigte und seine Wahl zum neuen Landtage, der jedoch nicht mehr zu Stande kam, energisch betrieb. In die Komorner Capitulation eingeschlossen, entkam er ungefährdet aus Ungarn, ging nach Hamburg und später nach Amerika, wo er, wie Kertbeny berichtet, als Farmer in Iowa leben soll. – Als ein Seitenstück zu ihm bezeichnen die angegebenen Quellen seinen Bruder Joseph, der auch im Landtage saß, und wenn er hätte können, an allen Köpfen hätte die Guillotine spielen lassen. Dabei war er selbst feige wie sein Bruder und steckte in der Sitzung vom 8. August einen ihm von einem anderen Deputirten zugefügten entwürdigenden Schimpf ganz gelassen ein, ohne etwas anderes zu thun, als vom Präsidenten zu verlangen, daß er den Beleidiger zur Ordnung rufe, was ihm jedoch nicht gewährt wurde. Vier Tage später wurde M. in einem Pesther Blatte für seine Feigheit öffentlich gebrandmarkt und als bald darauf ein Witzbold eine Ministerliste zusammenstellte, auf der jeder Candidat die entgegengesetzten Eigenschaften besaß, als für den Posten, den ihm der Spötter zugedacht, nöthig war, erschien Madaráß auf dieser Liste als Minister des Krieges.

Ungarns politische Charaktere. Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 193. – Springer (Anton), Geschichte Oesterreichs seit dem Wiener Frieden 1809 (Leipzig 1864 und 1865, S. Hirzel gr. 8°.) Theil II, S. 220 u. 715. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 18650, Gust. Heckenast, 8°.) Bd. II, 19 u. 173. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die ungarischen Familien mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1860, Moriz Ráth, gr. 8°.) Bd. VII, S. 230.