BLKÖ:Neumann, Luise

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 20 (1869), ab Seite: 276. (Quelle)
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Neumann, Luise (k. k. Hofschauspielerin, geb. zu Breslau um das Jahr 1820). Sie ist die Tochter des in Breslau gebornen Schauspielers Neumann, eines Mannes, dem seltene Schönheit nachgerühmt wurde. Als er noch ein unbedeutender Schauspieler war, heirathete er im J. 1816 die geniale Schauspielerin Amalie Morstadt, die ihm in einer durch sein wüstes, unordentliches Leben verbitterten Ehe einen Sohn, der jetzt in Amerika lebt, und zwei Töchter, Adolphine und Luise, gebar. Adolphine starb in der Blüthe ihres Lebens im Jahre 1844 zu Berlin, wo sie durch Schönheit und Talent zu den Zierden des dortigen Hoftheaters zählte. Die Geschicke im Elternhause Luisens kann man geradezu tragisch nennen. Ihre Mutter trennte sich von dem Gatten, dessen Lebenswandel ein Zusammenleben unmöglich gemacht hatte. Da sah Neumann nach Jahren seine Amalie wieder. Sie war schöner als je. Er, der sie in der Ehe vernachlässigt, man sagt sogar: unwürdig behandelt, entbrannte von Neuem in rasender Liebe zu seiner Frau. Er bestürmte sie mit Liebesbriefen. Sie hatte ihn aber zu genau kennen gelernt, zu traurige Tage durch ihn und mit ihm verlebt, um sich neuerdings unglücklich zu machen. Da stürzte er eines Tages in ihr Zimmer, flehte um Liebe. Sie weist ihn sanft von sich. Er wird rasend – schießt sich Angesichts seiner Gattin eine Kugel durch den Kopf und stürzt todt zu ihren Füßen nieder. Dieß das düstere Ende von Luisens Vater. – Die Witwe Neumann lernte in der Folge den wackeren Tenoristen Haizinger kennen und wurde in einiger Zeit seine Gattin, dann unter diesem Namen die Zierde des Wiener Hofburg-Theaters. Aus dieser zweiten Ehe scheinen keine Kinder vorhanden zu sein. Aus der ersten blieb Luise am Leben, die von ihrer [277] Mutter für die Kunst ausgebildet wurde und in der That in derselben eine so hohe Stufe erreichte, daß Einem bei dem Anblick von Mutter und Tochter unwillkürlich Schiller’s Worte in der „Braut von Messina“ einfallen: „Aber das Schönste erlebt mein Auge: denn ich sehe die Blume der Tochter, ehe die Blume der Mutter verblüht“. Am 25. April 1837, damals etwa ein siebzehnjähriges Mädchen, betrat Luise Neumann zum ersten Male die Bühne, und zwar in Breslau. Sie gastirte in den Rollen der Walpurgis in „Goldschmids Töchterlein“ und der Julie in „Die deutsche Hausfrau“. Ein Jahr nach ihrem ersten theatralischen Versuche wurde sie an der Hofbühne in Karlsruhe engagirt, und bald verbreitete sich ihr Ruf als Künstlerin auf allen größeren Bühnen. Die Direction des Wiener Burgtheaters erkannte bald diesen Edelstein und erwarb denselben, seit dem 23. Mai 1839 bis zu ihrem letzten Auftreten am 19. December 1856, also durch 17 Jahre, blieb sie ununterbrochen Mitglied des Hofburg-Theaters. Sie ist während dieser Zeit in 203 Rollen und 1939 Mal aufgetreten. Am öftesten spielte sie die Lorle in „Dorf und Stadt“, nämlich 51 Mal; die Abigail im „Glas Wasser“ 47 Mal; die Karoline in „Ich bleibe ledig“ 43 Mal; die Marie in „Leichtsinn aus Liebe“ 41 Mal; die Laura in den „Karlsschülern“ 39 Mal; die Baronesse Ostburg in der „Lästerschule“ 38 Mal; die Auguste in „Großjährig“ und Aline in „Fesseln“ 36 Mal; die Rosamunde in „Rosenmüller und Finke“ und die Amalie in „Treue Liebe“ 33 Mal; die Pauline in „Er muß auf’s Land“ und Rosaura in „König und Bauer“ 29 Mal; die Priska in den „Krisen“ 28 Mal; die Bertha in „Majoratserben“ 24 Mal; die Hermine in „Gefängniß“ und Marie in „Viola“ 23 Mal; Mamsell Jenner in „Verirrungen“ 22 Mal; die Marie in „Unbewußter Liebe“, Mathilde in „Zurücksetzung“, Ernestine in „Von Sieben die Häßlichste“ und die Adelheid in „Die Journalisten“ 21 Mal; die Floretta in „Donna Diana“, Margarethe in „Königin von Navarra“, Baronesse Steinbach in „Magnetische Curen“ und die Bertha in „Am Clavier“ 20 Mal. Die übrigen Rollen rangiren sich unter dieser Zahl. Viele derselben, namentlich in Bauernfeld’s Stücken, hat sie sozusagen geschaffen. Aber Alle, die nach ihr in ihren Rollen spielten, blieben weit hinter ihr zurück. Den Abend, als sie das letzte Mal, am 19. December 1856, als Lorle in „Dorf und Stadt“ auf der Bühne von dem Publicum Abschied nahm, wird Jeder, der an demselben in den Räumen des Burgtheaters anwesend zu sein so glücklich war, als ein Erlebniß wie kaum ein zweites in Erinnerung behalten. Wochenlang vor und nach diesem Tage bildete dieses Ereigniß das Gespräch des Tages, Sperrsitze und Logen wurden zu ungeheuren Preisen, erstere mit 20 bis 50 fl. bezahlt. Hochgestellte Damen – denen Sperrsitzkarten zum Geschenke gemacht wurden, hielten diese Aufmerksamkeit höher, als jede andere. Im Theater brachte das Publicum der scheidenden Künstlerin eine Reihe von Ovationen dar, in allen Räumen äußerte sich die bewegteste Theilnahme. Unter den zahllosen Huldigungen, die ihr in den letzten Tagen dargebracht wurden, sind zwei besonders bemerkenswerth. Ihr langjähriger Kunstcollege Karl Fichtner schickte ihr eine sinnige Zeichnung von eigener Hand. Diese stellt einen Stammbaum mit Lorbeerblättern vor, auf [278] welchen die sämmtlichen von ihr im Hofburg-Theater gespielten 203 Rollen mit goldenen Buchstaben verzeichnet sind. Am Fuße des Baumes ist eine Abbildung des Burgtheaters mit der Fronte gegen den Michaelerplatz angebracht. Ein ebenso sinniges Schreiben Fichtner’s begleitete diese schöne Gabe. Die zweite ist ein prachtvolles Album, welches ihr der Fürst Czartoryski überreichte. In dem Album ist die Künstlerin in ihren herrlichsten Rollen costumeartig dargestellt. Das Album, im Atelier Girardet’s prachtvoll ausgestattet, ist von großem künstlerischem Werth. Was die Künstlerin Luise Neumann betrifft, so sind die Worte Rötscher’s, dieses competenten Dramaturgen, der sie „die Perle des Hofburg-Theaters“ nennt, die kürzeste und treffendste Charakteristik dieser Künstlerin ohne Gleichen. Gutzkow in seinen vor Jahren erschienenen und damals viel verpönten „Wiener Eindrücken“ schrieb über sie: „Sie zeichnet sich besonders durch die Sauberkeit ihrer Ausführungen, durch die zierliche Naivität ihrer Darstellungen aus. Ihr Ton dringt zum Herzen. Sie ist in ihrer kleinen erlaubten Gefallsucht von einer Grazie, die umstrickt und fesselt. Ohne auf die Empfänglichkeit der Zuschauer loszusteuern, erobert sie allmälig und um so siegreicher. Ohne nach grellen Nuancen zu haschen, entwickelt sie stets ein geistreiches Spiel, eine Fülle klarer Gedanken über ihre Rolle, die sie uns als wahre Künstlerin erscheinen lassen.“ Mit diesen wenigen Worten hat Gutzkow das überlegteste und kälteste, aber auch das wahrste Urtheil über sie gegeben, welches freilich an Wärme gewonnen haben würde, wenn er die Künstlerin in so vielen Rollen gesehen haben würde, wie die Wiener. Die „Monatschrift für Theater und Musik“ schreiben aber von ihr – und wir glauben darin die Worte des Fürsten Constantin Czartoryski zu erkennen: „Luise Neumann gehörte zu jenen Naturen, von welchen die Verächter des Theaters gewöhnlich sagen: sie ist zu gut für diesen Stand, zu gut, um sich je darin heimisch zu fühlen; die auf den Brettern und in den Coulissen herrschende Gemeinheit nagt beständig an jedem edleren Keime, und Befreiung ist’s zu nennen, wenn man diesem Treiben den Rücken kehrt. Wir aber wollen lieber sagen: solche Erscheinungen sind jedem Stande eine seltene Zierde, bedürfen überall der Pflege. Ehre dem Wirkungskreise, wo diese Pflege einer solchen Natur zu Theil werden, Ehre einem Stande, bei welchem eine solche Natur so schön gedeihen konnte.“ Wie auf der Bühne, so auch im Privatleben ist die N. einfach, wahr, geistreich und bezaubernd. Ihre vielseitige Bildung und Erfahrung, ihr feiner geläuterter Geschmack in Sachen der Kunst und Literatur, die milde Herzensgüte, die fast aus allen ihren Worten, aus ihrem ganzen Wesen spricht, vor Allem aber ihre fesselnde ungezwungene Grazie, machen den Umgang mit dieser trefflichen Künstlerin, bei welcher die Liebenswürdigkeit der Naivität wie zu einer zweiten Natur geworden ist, zu einem wahrhaft beneidenswerthen ästhetischen Genusse. Bald nach ihrem Ausscheiden von der Bühne, am 14. Jänner 1857, reichte sie dem Grafen Karl Schönfeld die Hand und zog sich mit ihrem Gatten in die Hauptstadt der Steiermark, Gratz, zurück, wo sie von Allen, die sie je auf der Bühne gesehen, unvergessen, ganz ihrem Gatten in einer glückseligen Häuslichkeit lebt.

Wiener Theater-Zeitung, herausg. von [279] Ad. Bäuerle (gr. 4°.) 50. Jahrg, Nr. 289, S. 586: „Saphir’s musikalisch-deklamatorische Akademie“ [aus Anlaß des bevorstehenden Scheidens des Fräuleins Louise Neumann von der k. k. Hofbühne); – dieselbe, Nummer vom 24. December 1856: „Des k. k. Hofschauspielers Fichtner Brief an Louise Neumann bei ihrem Scheiden vom Hoftheater“; – dieselbe, Nr. 294, S. 606: „Die Abschiedsvorstellung des Fräuleins Louise Neumann“ [mit den ausführlichsten biographischen Daten über die Künstlerin]. – Laube (Heinrich), Geschichte des Wiener Hofburg-Theaters (Leipzig 1868, J. J. Weber, 8°.) S. 308. – Monatschrift für Theater und Musik. Herausgeber Joseph Klemm (Wien, 4°.) III. Jahrgang (1857), S. 1: „Louise Neumann“. – Iris. Original-Pariser Moden-, Muster- u. s. w. Magazin für Damen (Gratz, schm. 4°.) II. Jahrg. (1850), 2. Band, 8., 9. u. 10. Lieferung: „Lichtbilder aus der Frauenwelt. Studien von C. Cerri. 3. Fräulein Louise Neumann“ [das auf S. 81 befindliche Holzschnittbildniß der Künstlerin ist ein wahrer Insult gegen die unbeschreibliche Anmuth des Originals]; – dieselbe, 1856, IV. Band, 12. Lieferung: „Statuetten und Büsten“, von C. Cerri. – Allgemeine Theater-Chronik. Herausgegeben von Victor Kölbel (Leipzig, 4°.) 1856, Nr. 1–3: „Wiener Lieblinge. Louise Neumann. Biographisch-kritische Mittheilungen von Bayard“. – Wanderer (Wiener Blatt gr. 4°.) 1849, Nr. 54 u. 55: „Schriftsteller und Künstler in Wien. Louise Neumann“. Von Cajetan Cerri. – Weil (Philipp), Wiener Jahrbuch für Zeitgeschichte, Kunst und Industrie, und österreichische Walhalla (Wien 1851, Ant. Schweiger), S. 87. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, Fol.) XXV. Bd. (1855), S. 250, im Aufsatze: Die Künstler des Münchener Gesammt-Gastspiels [auf S. 219 befindet sich unter den Medaillonbildnissen von T. Doering, H. Hendrichs, T. Liedtke, K. La Roche, J. Rettich, H. Anschütz, A. Haizinger, M. Seebach, E. Devrient, W. Kaiser und H. Schneider auch jenes von Louise Neumann, mit großer Treue das anmuthige Antlitz wiedergebend). – Die Jahreszeiten (Hamburger Modeblatt, schm. 4°.) 1857, Nr. 12, S. 184: Ein Albumgedicht von Karl Holtei [betrifft Louise Neumann]. – Gratzer Tagespost 1856, Nr. 338: „Abschieds-Vorstellung des Fräuleins Louise Neumann“. – Die Zahl der poetischen Huldigungen, welche dieser Künstlerin an allen Orten, wo sie auftrat, von bekannten und unbekannten Poeten dargebracht wurden, ist Legion. Sie selbst soll ein Album besitzen, in welchem die besten Namen eingeschrieben sind. – Porträte. 1) Kriehuber lith. (Wien, Spina, Halb-Fol.); – 2) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges. Kriehuber 1855 (lith.) (Wien, Neumann, Halb-Fol.); – 3) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges. Prinzhofer 1846 (lith.) (Wien, Müllers Witwe, Halb-Fol.); – 4) Unterschrift: Facsimile des Namens „Lorle“, daneben mit gewöhnlicher Schrift: Louise Neumann in dem Schauspiele „Dorf und Stadt“. Kriehuber 1853 (lith.) (Wien, Paterno, Halb-Fol.); – die beiden Holzschnitte, der mißlungene in der Gratzer „Iris“ und der sehr ähnliche in der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ sind schon in den Quellen angeführt worden.