BLKÖ:Neumann, Moses Samuel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Neumann, Pantaleon
Band: 20 (1869), ab Seite: 283. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Moses Samuel Neumann in Wikidata
GND-Eintrag: 142468045, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Neumann, Moses Samuel|20|283|}}

Neumann, Moses Samuel (israelitischer Jugendschriftsteller, geb. zu Bán im Unter-Neutraer Comitate Ungarns im Jahre 1769, gest. im Jahre 1831). Der Sohn armer Juden, der frühzeitig seine Mutter verlor, und als er erst zehn Jahre alt war, auch seinen Vater. Nun kam der verwaiste Moses Samuel zu einem Schneider in die Lehre. Nur ein Jahr blieb er bei demselben, als er, einem Traumgesichte folgend, in welchem er seinen todten Vater gesehen, der ihm befohlen, zu „lernen“, das Handwerk aufgab und so arm er war, zu Fuß nach Boskowitz in Mähren wanderte, wo der ob seiner Rabbinengelehrsamkeit berühmte Rabbi Samuel Kollin lebte und Schule hielt. Der Rabbi nahm den armen, völlig unwissenden Knaben mitleidig unter seine Schüler auf und schon nach einem Jahre strengen Fleißes war der zwölfjährige Moses Samuel ein gut vorbereiteter Talmudjünger. Betreffs des Unterhalts auf das Mitleid seiner Glaubensgenossen angewiesen, nicht selten hungernd und das Nöthigste entbehrend, ließ sich Moses Samuel dadurch nicht anfechten, den betretenen Pfad rüstig vorwärts zu schreiten und wurde bald einer der besten Schüler seines Lehrers. Als in einigen Jahren des Rabbi Sohn nach Altofen heirathete, gab er ihm seinen Schüler Moses Samuel als Freund und Begleiter in die Fremde mit. Von dort aber drängte es den eifrigen Talmudschüler nach Prag, um sich daselbst in den für einen Rabbi erforderlichen Kenntnissen vollends auszubilden. Dort wurde der berühmte Orientalist Juda Jeitteles [Bd. X, S. 127], ein Sohn des Jonas Jeitteles [ebd., S. 124], Neumann’s Lehrer, der ihn in das Studium der Bibel und des Talmud im Sinne des Forschers und Denkers einführte. Mehrere Arbeiten, welche N. während dieser Zeit vollendete und seinem Lehrer vorwies, knüpften das Band zwischen diesem und seinem Schüler noch enger. Jeitteles stellte dem jungen und strebsamen Zöglinge seinen reichen Bücherschatz zur Verfügung, dieser aber machte die tüchtigsten sprachlichen Studien. So war Neumann 30 Jahre alt geworden, als er im Jahre 1799 bei Simon Freistadt in Preßburg unter vortheilhaften Bedingungen eine Lehrer- und Erzieherstelle übernahm. Drei Jahre versah er dieselbe, nun aber, um sich eine selbstständige Stellung zu schaffen, heirathete er und übernahm einen ihm von seinem Schwiegervater zu Kittsee unweit Preßburg eingerichteten Kleinhandel. Aber das paßte [284] gar nicht zu seinen gelehrten Neigungen, das ohnehin kleine Geschäft ernährte weder ihn noch seine Familie und so war er genöthigt, es aufzugeben und, um für die Seinigen Brot zu schaffen, in Wien die Stelle eines Hauslehrers anzunehmen. Seine Frau und seine Kinder ließ er in Kittsee zurück. In Wien lebte N. seinen Pflichten als Lehrer, zugleich aber setzte er seine hebräischen Studien auf das Eifrigste fort, betrieb auch moderne Sprachen, und von dem hebräischen Grammatiker Wolfsohn aufgemuntert, betrat er das Gebiet der Schriftstellerei, indem er einige seiner noch während seiner Studien in Prag vollendeten Arbeiten [die bibliographischen Titel seiner Schriften folgen weiter unten] durch den Druck veröffentlichte. Nun aber kam neues Bedrängniß über ihn, durch den Tod des Principals verlor er seine Hauslehrerstelle, und als sich keine andere finden wollte, kehrte er so arm, wie er ausgezogen, zu Frau und Kindern nach Kittsee zurück, wo er sich von schriftstellerischen Arbeiten dürftig fortbrachte. In dieser Zeit gab er eine Sammlung moralischer Lieder, dann ein grammatikalisches Werk heraus, in welchem er bereits die Grammatiker fremder Idiome praktisch benützte und welcher Versuch so gut ausfiel, daß das Buch in der israelitischen Hauptschule Prags als Lehrbuch eingeführt wurde; auch schrieb er über Zureden seiner Freunde als Ergänzung zu dem vorigen den ersten hebräischen Briefsteller, dann biblische Kernsprüche mit eingeschalteten Midraschstellen, ein Rechenbüchern und mehrere andere hebräische Jugendschriften und Unterrichtsbücher. Ferner veröffentlichte er in dieser Zeit das Werk: „Erster Fundamentalunterricht“, in dessen Einleitung er die bisherigen Unterrichtsmethoden einer kritischen Prüfung unterzieht und einen von den gereifteren Ideen der neueren Pädagogik durchdrungenen Lehrplan entwirft. Als Neumann aber im Jahre 1820 seine Gattin durch den Tod verlor, hielt es ihn nicht länger mehr in Kittsee und er übersiedelte im nächsten Jahre schon mit seinen kleinen Kindern nach Preßburg, wo er, um denselben eine Mutter zu geben, zum zweiten Male heirathete. Aber er hatte ihnen keine Mutter, sondern eine Stiefmutter gegeben, und als durch Lieblosigkeit der letzteren eines der Kinder in Folge eines Sturzes vom Gange den Tod fand, verließ N. Preßburg und die zweite Frau und wanderte nach Pesth, wo er von 1822 bis an seinen im Jahre 1831 erfolgten Tod lebte. In Pesth ertheilte N. Unterricht und setzte seine schriftstellerischen Arbeiten fort, so erschien von ihm eine mathematische Geographie in hebräischer Sprache nebst der politischen des Kaiserthums Oesterreich, eine Religionslehre u. m. a. Die bibliographischen Titel der von Neumann herausgegebenen Schriften sind: „שׁוּרי מוּסָּר‎“ (Gedichte ethischen Inhalts, hebräisch und deutsch, dabei auch andere Dichtungen (Wien 1814, 8°.); – „אגֶרֶת תּרוּפָה‎“ (Ueber Onanie oder Selbstbefleckung, als Mahnung für die Jugend) (Wien 1814, 8°.); – „הִנּוּךְ לָשׁוֹן עַבְרִית‎“ (Theoretische und praktische hebräische Sprachlehre, um das Hebräische gründlich zu erlernen; in hebräischer und deutscher Sprache) (Wien 1815, 8°.); – „ס’ הַיָּשָׁר וְהַבְּרַית‎“ (Biblische Geschichte für die Jugend) (Wien 1821, 8°.); – „ בִּיאוּר מִלּוֹת הַהִגָיוֹן לְהָרַמבַּ ס‎“ (Die logischen Termen [מלּוֹת הַחִנָּיוֹן‎] des Moses Maimûni, nach der hebräischen Uebersetzung von Mos. Ibu Tabôn mit einem hebräischen Commentar, genannt הַבִּיאוּת רִחֶר‎ und mit deutscher [285] Uebersetzung, wobei auch noch Einleitung und Commentar Mos. Mendelssohn’s nach der bereicherten Ausgabe von Is. Satanow) (Wien 1822, 8°., auch Preßburg 1833 und Warschau 18.., 8°.); – „בַּת יִפְתָּח‎“(Die Tochter Jiftach’s, ein Drama in hebräischen Versen) (Wien 1825, 8°.); – „מַעֲנָל יָּשָׁר‎“ (Hebräische Sprachlehre, eingetheilt nach logischen Regeln) (Wien 1831, 8°.); – „מִכְתָּבֵי עִבְרִית‎“ (Hebräischer Briefsteller mit deutscher Uebersetzung) (Wien 1834, 8°.); – „מְלֶאכֶת הַחֶשְׁבּוֹן‎“ (Rechenbüchlein für Anfänger) (Wien 1837, 8°.); – „לוּחַ הַפָעְלִים‎“ (Conjugations- und Nominalbeugungs-Tabellen der hebräischen Sprache) (Wien 1837, 8°.). Bezeichnend für den Charakter und die schlichte Weise dieses armen hebräischen Schulmanns erscheint die Beschäftigung seiner Erholungsstunden. Sie bestand darin, wie sein Biograph erzählt, daß er in denselben für seine Kinder Röckchen und Beinkleider nähte, Tücher einsäumte u. s. w., eine Fertigkeit, die ihm als Frucht seiner Lehrlingsjahre in der Schneiderwerkstätte geblieben. Ein Jahr vor seinem Tode erkrankte N. und sein Leiden nahm so zu, daß er seine bisherige Beschäftigung aufgeben mußte und auf die Wohlthätigkeit des Pesther israelitischen Gemeindevorstandes und seine Glaubensgenossen, die es ihm auch an nichts fehlen ließen, angewiesen war. Manches hat sich in seinem Nachlasse vorgefunden, als eine Exegetik über die fünf Bücher Mosis, eine hebräische Uebertragung des Buches Baruch, Gedichte u. dgl. m. N. hinterließ das Andenken, eines verdienstvollen Jugendlehrers, der im hebräischen Unterrichte den Uebergang aus den alten verrotteten geistertödtenden Formen zu einer gesunden, den Erziehungsgrundsätzen der Neuzeit angepaßten Methode in stiller und deßhalb um so wirksamerer Weise vermittelte.

Reich (Ignaz), Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten (Pesth 1860, Al. Bucsánsky, 4°.) III. Heft, S. 71.