BLKÖ:Polt, Johann Joseph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Polya, Joseph
Band: 23 (1872), ab Seite: 90. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Johann Joseph Polt in Wikidata
GND-Eintrag: 137706405, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Polt, Johann Joseph|23|90|}}

Polt, Johann Joseph (Schriftsteller, geb. zu Prag im Jahre 1775, gest. ebenda 3. Juni 1861). Widmete sich, nachdem er die philosophischen Studien beendet hatte, dem Buchhandel und führte 1798–1811 eine eigene Buch- und Musikalienhandlung zu Prag, übergab sie aber hierauf seinem Vetter A. W. Grießel, da er mehrere Jahre an einem Augenübel litt und sonst auch häufigen Krankheiten ausgesetzt war. Von nun an lebte er als Privatgelehrter in Prag. Von Jugend auf ein Freund von Lectüre, zogen ihn besonders Märchen an. Ariost’s und Bojardo’s „Roland“, Musäu’s Volksmärchen, „Tausend und eine Nacht“ und ähnliche Werke waren seine Lieblingsbücher gewesen und regten ihn an, selbst etwas zu schreiben, noch mehr aber wurde er in diesem Vorhaben bestärkt, als er selber die Buchhandlung übernommen hatte, denn ebenso wie ihm als Kaufmann die Ersparung eines Honorars für Schriften erwünscht sein mochte, war es ihm auch als Schriftsteller ein erfreuliches Ereigniß, seine Geistesproducte gedruckt und verbreitet zu sehen. Nach dem Aufgeben seiner Handlung lebte er nun ganz seinen schriftstellerischen Arbeiten. Er huldigte hiebei vollkommen dem Geiste der Zeit und dem herrschenden Geschmacke. Sein erstes Werk war eine komische Ritter- und Geistergeschichte, der neckende Geist, worin er sich über die Geistergeschichten lustig machte. Die günstige Aufnahme, die dieses Buch fand, bewog ihn, bald weiteres folgen zu lassen, was theils unter seinem eigenen, theils unter entlehntem Namen erschien. So wurde eine bedeutend Zahl von Erzählungen veröffentlicht, wie die Schwänke, „Karolo Karolini“, „Noradine“ und ähnliches, ferner eine Sammlung von Erzählungen unter dem Titel „Der Veilchenstrauß“ u. d. m. Der Werth dieser Schriften ist verschieden, sie sind theils mittelmäßig, theils gelungen, je nachdem bei der Bearbeitung dem Verfasser Zeit und Laune zu Gebote standen. Aber sein schriftstellerisches Wirken beschränkte sich nicht auf das poetische Gebiet, er schrieb auch 1813 ein Handbuch der Geographie von Böhmen u. a. Zudem begegnet man in den Jahren 1810–1850 seinem Namen unter einer Menge von Aufsätzen und Notizen in vielen österreichischen Zeitschriften, ja bis in die Zwanziger Jahre hatte er sogar eine Art von Geltung in der Prager deutschen Literatur. Am fruchtbarsten war er auf dem Gebiete der Jugendschriften. P. war auch musikalisch gebildet und ist als Tonsetzer aufgetreten. So schrieb er mehrere Tänze und Lieder, die freilich jetzt längst veraltet und vergessen sind. Ihm gebührt ferner das Verdienst, der erste gewesen zu sein, der den Notenstich in Blei und Zinn zu Prag, 1803, [91] zu Stande brachte und so vielen Tonsetzern Gelegenheit verschaffte, ihre Compositionen verlegen zu können. Sein letztes Werk ist ein Operntext „Numa Pompilius“, den er für den Musiker Soukup geschrieben. So lange es die Gesundheitszustände des im hohen Greisenalter stehenden Mannes gestatteten, konnte man ihn täglich die Runde um die Buch- und Musikalienhandlungen Prag’s machen sehen und er gehörte dadurch zu den populären Personen der Moldaustadt. Er starb im Alter von 86 Jahren in seinem Hause „zu den drei Karpfen“. Die bibliographischen Titel seiner Schriften sind: „Handbuch der Geographie von Böhmen“ (Prag 1813, gr. 8°.); – „Der Veilchenstrauss. Eine Sammlung schöner Geschichten, Mährchen und Erzählungen“ (ebd. 1814, Enders, 8°.); – „Neue Fabellese, ein Prämienbuch für die fleissige Jugend, illum. nebst Kupfer“ (ebd. 1815, Enders, 12°.); – „Kriegslisten der Krieger aller Zeiten, ein Spiegel zur Nachahmung“, (Prag 1815, Calve, 8°.); – „Sätze der Weisheit und Klugheit in Denksprüchen aus dem Gebiete der Moral, Welt- und Menschenkenntniss für Kinder“ (ebd. 1815, Buchler, 18°.); – „Ferdinand Sota oder die Entdeckung von Florida“ (ebd. 1815); – „Die Perlenschnur, eine Reihe der ausgewähltesten moralischen Erzählungen, der Jugend bestimmt, mit 1 Kupfer“ (Brünn 1816, Gastl, 8°.); – „Die Biene, Merkwürdigkeiten aus der Länder- und Völkerkunde. Ein sehr unterhaltendes und belehrendes Lesebuch für alle Classen von Lesern, welches wegen seines mannigfaltigen und pikanten Inhalts, den angenehmsten Zeitvertreib gewährt u. s. w.“ (Prag 1824, Enders, 8°.); – „Der fröhliche Sänger, eine Sammlung ergötzlicher Lieder mit Melodien“, 1. und 2. Heft (Wien 1826, Kaulfuß und Krammer, gr. 8°.); – „Märchen und Erzählungen für Jung und Alt“ (Leitmeritz 1836). Außerdem gab er noch theils ohne oder aber unter fremden Namen eine Menge Bücher heraus, deren genauen Titel aufzufinden ich nicht im Stande war, da die meisten in den Bücherkatalogen fehlen, als: „Fantasiegemälde“; – „Schwänke“; – „St. Alme und Hyle“; – „Das Felsenschloss von Sommerau“; – „William Gordon“; – „Peter Michels Launen“; – „Die Seeräuberin von Tunis“; – „Graf Heinrich von Riesenstein“; – „Martin Engelbrecht“; – Das Schauspiel „Rudolf von Weodenberg“; – „Herbert und Aline“; – „„Taschenbuch des Scherzes“; – die Uebersetzungen: „Die Abtei von Grabville“; – „Polydor und Charite“; – „Albertine Mandalinsky“ – „Das vermauerte Haus“; – „Schloss Blandfort“; – „Glocke um Mitternacht“. Zahlreiche Aufsätze aber, mannigfaltigen Inhalts, von P. finden sich im „Hesperus“ von André, im „Wanderer“, in den „Erinnerungen“, im „patriotischen Journal“, in der Prager Monatschrift „Literatur und Theater“, in der Pesther „Damenzeitung“ in dem Brünner „patriotischen Tagblatte“ und in der „Bibliothek für Liebende“. Von seinen Compositionen brachte schon 1815 einige die Zeitschrift „Moravia“, so im 5. Heft Schiller’s „Freundschaft“ in Musik gesetzt für Singstimme und Pianoforte; – im 4. Heft das „Abendlied“ von Schmidt von Lübeck, und im 3. Heft ein „Minnelied“. Auch Nik. Becker’s „Der deutsche Rhein“, an dem sich so viele Componisten versucht, ohne daß Einer den richtigen Ton des Volksliedes getroffen hätte, wurde von ihm in Musik gesetzt und erschien in den „Erinnerungen“ 1840 oder 1841; außerdem gab er „Tanzmusiken“ und einen „Triumphmarsch des russischen Heeres in Italien“; – „Sieben leichte und angenehme Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte“ (Prag 1815) u. dgl. m. heraus. In [92] dem Nachlasse des fleißigen Greises mochten sich neben ganzen Ballen unterschiedlicher Compilationen manche brauchbare Aufzeichnungen aus seinem Leben und über verschiedene interessante Persönlichkeiten Prags aus dem Ende des vorigen und dem Anfange des jetzigen Jahrhunderts finden. So z. B. ist bekannt, daß P. über Kaiser Joseph II. und seinen Aufenthalt in Prag Vieles aufgezeichnet, was er nun zwar nicht selbst erlebt, doch aber von des Kaisers Zeitgenossen in treuer, noch nicht durch Ueberlieferung entstellter Weise hatte erzählen hören. Davon, so wie von manchen andern Ereignissen, die er selbst erlebt, und über Personen, mit denen er verkehrt, hat P. nur sehr Weniges zum Druck befördert.

Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. VI, S. 279. – Annalen der Literatur und Kunst des In- und Auslandes (Wien, Doll, 8°.) Jahrg. 1811, Bd. IV, S. 346. – Wiener Zeitung 1861, Nr. 133. – Prager Zeitung 1861, Nr. 131. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, Kober,, Lex. 8°.) Bd. VI, S. 640. – Moravia 1815, 3., 4., 5. Heft.