BLKÖ:Rzewuski, Severin Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rzewuski, Leon Graf
Band: 27 (1874), ab Seite: 349. (Quelle)
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Rzewuski, Severin Graf (Staatsmann, geb. zu Krakau im Jahre 1725, gest. zu Wien im Jahre 1811, n. A. schon 1805). Ein Sohn des Grafen Wenzeslaus (I.) (geb. 1706, gest. 1779). Schon der Vater war ein ausgezeichneter Staatsmann, der sich durch seine Schriften in der polnischen Literatur ein rühmliches Denkmal gesetzt. Seine erste Erziehung erhielt Graf Severin[WS 1] bei den Theatinern in Warschau, dann ließ ihn sein Vater mit seinen übrigen Brüdern auf Reisen gehen, auf welchen er in Begleitung des Italieners Caraccioli, der die Biographie seines Vaters Wenzeslaus (I.) herausgegeben, Deutschland, Italien, Frankreich und Holland besuchte. In seine Heimat zurückgekehrt, trat er in die Armee und wurde im Jahre 1760 – damals 35 Jahre alt – General-Major, dann Landtagsbote auf dem Landtage 1767, worauf er mit seinem Vater zugleich eine fünfjährige Gefangenschaft zu Kaluga in Rußland überstand. Nach seiner Rückkehr wurde er im Jahre 1774 Feldhetman der Krone und sprach sich auf dem Reichstage 1788 bis 1792 zu Gunsten der Oligarchie und des Wahlkönigthums aus. Als nämlich im Frühjahre 1790 jene Verfassung in Polen proclamirt worden, welche unter dem Namen der Constitution vom 3. Mai so berühmt geworden, worin bei Gewährung großer Zugeständnisse das liberum veto abgeschafft und die Revision der Verfassung alle 25 Jahre angeordnet wurde, zeigte sich Rußland feindselig gegen diese, die Unabhängigkeit des polnischen Volkes wahrenden und sichernden Beschlüsse, während sich Sachsen und Preußen zu Gunsten derselben aussprachen. In Folge dessen unterstützte Rußland die der neuen Verfassung abholden polnischen Aristokraten, welche, von Rußland ermuthigt, am 14. Mai 1792 die berüchtigte Targowitzer Conföderation schlossen, die den Umsturz der Verfassung vom 3. Mai und die Erhaltung und Unabhängigkeit der alten polnischen Republik zum Zwecke harre. An der Spitze der mißvergnügten Altrepublikaner stand Felix Potocki und Xaver Branicki, der, mit einer Nichte Potemkin’s vermält, von der Nation geradezu als Verräther gebrandmarkt wurde. Rzewuski schloß sich an die Targowitzer Conföderation an, verweigerte den Eid auf die Verfassung und wurde eines der Häupter dieser Partei, welche den nachfolgenden Ruin Polens herbeiführte. In Folge dessen entzog ihm die polnische Nation alle Aemter und Würden, welche er inne hatte, und erklärte ihn für einen Verräther des Vaterlandes. R. ging nun, wie noch viele Andere seiner Partei, nach St. Petersburg, wo mit dem Manifeste vom 18. Mai 1792 eine russische Armee nach Polen beordert wurde, um dort die republikanische Freiheit zu beschützen und den angeblich eingeführten Despotismus zu unterdrücken. Mit dieser russischen Armee rückte R. in sein Vaterland ein. Aber bald sollte R. für seine Person die Frucht seines unseligen Beginnens ernten. Im November 1792 [350] entsendeten ihn die Conföderirten von Targowitz an den russischen Hof. aber dort fand der Graf nichts weniger als den Empfang, den er für seine Rußland geleisteten Dienste erwartet hatte. Ein französischer Biograph R.’s bemerkt aus diesem Anlasse, „daß Fürsten, wenn sie sich der Verräther bedienen, sich derselben sofort entäußern, wenn sie ihrer Dienste nicht mehr bedürfen“. Auch in seinem Vaterlande erging es ihm nicht am besten. Er wurde von dem Reichstage 1794 für ehrlos erklärt und in effigie aufgehängt. Als sich R. einer Verfügung des russischen Ministers, der einen eigenen Rath gebildet hatte, widersetzte, ließ Rußland die Güter des Grafen sequestriren und entzog ihm die Einkünfte derselben bis zur vollständigen Unterwerfung des Landes. Nun zog sich der Graf nach Oesterreich zurück, wo er fast zwei Decennien theils auf seinen Gütern in Galizien, theils in Wien lebte und an letzterem Orte auch im hohen Alter starb. Außer zahlreichen Reden erschienen von ihm auch mehrere Flugschriften, vornehmlich in der Periode während des Reichstages 1788–1792, ohne seinen Namen im Drucke. Von diesen sind anzuführen: „O tronie polskim zawsze obieralnym z dziejów i prawa dowody“, d. i. Von dem polnischen, immer durch Wahl zu besetzenden Throne. Beweisstücke aus der Geschichte und dem Rechte (Warschau 1789, 8°.); – „O Sukcessyi tronu rzecz krótka“, d. i. Eine kurze Darstellung von der Thronnachfolge (ebd. 1789); – „Uwagi nad prawem któreby szlachcie bez possessii activitatem na sejmikach odbieralo“, d. i. Betrachtungen über das Recht, mit welchem man dem besitzlosen Adel auf den Landtagen die Activität entzog (ebd. 1790, 8°.); – „Protestacya przeciw sukcessyi tronu w Polsce“, d. i. Protest gegen die Thronfolge in Polen (ebd. 1790, 8°.). Daß Graf R., bevor er sich zum Partisan der Tragowitzer Conföderation machte, ein guter, um sein Vaterland hochverdienter Patriot gewesen, erhellet aus einer großen, im Jahre 1776 zu seinem Andenken geprägten und in den Sammlungen des Graf Ossoliński’schen National-Institutes zu Lemberg aufbewahrten Denkmünze, welche folgende ehrenvolle Inschrift enthält: Severino Rzewuski duci exercitus regni et reipublicae Polonorum, post quinquennium pro religione et libertate captivitate, patriae civibusque redito, viro trigenario filio simili patri sacrum D. D. 1776. Zur Erklärung dieser Medaille diene die in der Biographie seines Vaters Wenzeslaus (I.) [s. d. Folg.], enthaltene ausführliche Darstellung der nach der Radomer Conföderation stattgehabten Vorgänge. Daß Graf Severin dann seine Gesinnungen gegen Rußland geändert und sich unter dessen Schutz begeben, erhellet aus seinem oben erzählten ferneren Verhalten. Des Grafen einziger Sohn ist der als Reisender und Orientalist berühmt gewordene Wenzeslaus (II.) R., dessen Biographie auf S. 353 mitgetheilt ist.

Encyklopedyja powszechna, d. i. Allgemeine Encyklopädie (Warschau 1865, S. Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XXII, S. 637. – Biographie nouvelle des Contemporains ou dictionnaire historique et raisonné de tous les hommes qui, depuis la révolution française, ont acquis de la célébrité ... Par MM. A. V. Arnault, A. Jay, E. Jouy, J. Norvins etc. (Paris 1820 et s., à la librairie historique, 8°.) Tome XVIII, p. 314.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wenzel.