BLKÖ:Schlier, Johann Evangelist

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schlick, die Grafen
Band: 30 (1875), ab Seite: 99. (Quelle)
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Schlier, Johann Evangelist (Tonsetzer, geb. zu Salzburg 22. October, n. A. 22. September 1792, gest. ebenda 27. Mai 1873). Sein Vater war Stadtmusiker in Salzburg, und da der Sohn Talent und Liebe zur Musik zeigte, erhielt er frühzeitig Unterricht in derselben. Im Alter von acht Jahren kam er in das sogenannte „Capellhaus“, ein landesfürstliches Institut für Sängerknaben, welche für ihre Dienstleistung auf dem Domchor und früher bei den Hofconcerten freie Verpflegung erhalten. Im Jahre 1805 wurde er wirklicher Hofknabe, 1807 Capelldiener und Altist. Im September 1808, er hatte damals die dritte Grammatikalclasse beendet, trat er aus; bis dahin hatte er den Unterricht Michael Haydn’s [Bd. VIII, S. 141] im Generalbasse und in der Harmonielehre, und des Concertmeisters Otter, eines tüchtigen Musicus, im Violinspiele genossen. Nun setzte er die Schulstudien an der Salzburger Universität fort. Nachdem er im Jahre 1813 die philosophischen Studien beendet, wollte er in München Medicin studiren, als von dem damaligen Landesherrn Salzburgs, dem Könige Maximilian von Bayern, an die Studirenden der Aufruf erging, sich in die Reihen der Vaterlandsvertheidiger zu stellen. Auch Schlier folgte diesem Rufe, trat in die Reihen der sogenannten „mobilen Legion“ und wurde in kurzer Zeit zum Officier befördert. Er zog nun mit seiner Truppe in den Kampf, focht bei Hanau, wo er schwer verwundet wurde, und wohnte in Frankreich noch mehreren anderen Affairen des damaligen Krieges bei. Auch nach beendetem Kriege blieb S. beim Waffendienste und trat, als im Jahre 1816 Salzburg an Oesterreich zurückfiel, dem Beispiele vieler Kameraden folgend, in österreichische Dienste über. Er wurde nun dem Infanterie-Regimente Kaiser Franz zugetheilt, das damals in Brünn, Olmütz und Kremsier in Garnison stand. Man wies ihm daselbst als tüchtigem Musikkenner die Direction der Regimentsbande zu. Das Friedensleben wurde durch die in Neapel im Jahre 1820 ausgebrochenen Unruhen für einige Zeit gestört. Das Regiment wurde zum Marsche nach Italien beordert. Nach längerem Aufenthalte in Palermo und Trappani befiel ihn ein heftiges Nervenfieber, das ihn an den Rand des Grabes brachte. Wohl wurde die Todesgefahr beseitigt, und in den Bädern zu Neuhaus in Untersteiermark, wohin er zur Nachcur geschickt worden war, hatte er sich auch einigermaßen erholt; aber ganz genesen konnte er zeitlebens nicht. Der schwere Militärdienst strengte ihn in ungewohnter Weise an und zuletzt sah sich S. genöthigt, um seine Pensionirung zu bitten, da er den Dienst ferner zu verrichten sich unfähig fühlte. Nachdem seiner Bitte willfahrt worden, kehrte S. 1826 nach Salzburg zurück, widmete sich nun ausschließlich seinem Lieblingsfache, der Musik, und war vorzugsweise als Componist thätig, wozu sich ihm als Capellmeister der „Salzburger Museums-Gesellschaft“ und des „Musik-Uebungs-Vereins“, in welcher Stellung er bis zum Jahre 1841 verblieb, genug Gelegenheit darbot. Im letztgenannten Jahre, [100] nach Gründung des Mozarteums, trat S. von seinem Posten ab und zog sich ganz in’s Privatleben zurück. Unbeachtet, ja vergessen lebte er, der mit seinen Tönen die Salzburger so oft erfreut hatte, in einsamer Ruhe in Ischl, wo er sich nach seiner Heirath im Jahre 1842 niederließ, später in Salzburg, und wäre wohl seine nie gedacht worden, wenn nicht sein im Alter von 81 Jahren erfolgtes Ableben ihn in das Gedächtniß der Zeitgenossen zurückgerufen hätte, denn eine wohlgemeinte Erinnerung im Feuilleton der „Salzburger Zeitung“ an Schlier’s 80. Geburtstag ging – wie das schon Menschensitte – kaum bemerkt vorüber. Schlier war, als er starb, der letzte namhafte Salzburger Schüler Michael Haydn’s. Er ruht auf dem Friedhofe zu St. Sebastian, wo er als k. k. Officier mit Officiersehren bestattet und von der Salzburger Liedertafel sein Sarg mit einem Ehrenkranze geschmückt wurde. Schlier war ein ungemein fleißiger und vielseitiger Componist, er componirte Lieder, Chöre, Instrumentalsachen, Kirchenstücke, Fest- und Gelegenheitsstücke und für das Theater. Die Zahl seiner Compositionen – eine Uebersicht derselben folgt auf nächster Spalte – erhebt sich auf nahezu hundert theils größere, theils kleinere Nummern. Im Stiche sind davon nur sehr wenige, kaum mehr als deren zehn bis zwölf – sie sind in der Uebersicht mit * bezeichnet – erschienen. Das Mozarteum in Salzburg, die philharmonische Gesellschaft in Laibach und der Musikverein in Innsbruck haben S. unter ihre Ehrenmitglieder aufgenommen. Das Urtheil über Schlier als Compositeur fassen Kenner dahin zusammen, daß seine Arbeiten zwar nicht immer originell sind, aber von tiefem Studium und feinem Geschmacke zeugen und immer den Stempel eines frischen, gesunden Talentes an sich tragen. Als besonders gelungen werden seine Cantaten und sein großes Requiem vom Jahre 1840 bezeichnet. Auch in seinen Liedern war er mitunter sehr glücklich.

I. Uebersicht der Compositionen Johann Evang. Schlier’s. (Die mit einem * bezeichneten sind im Stiche erschienen.)
1. Fest-Compositionen, Cantaten, Stücke mit Orchesterbegleitung. *Jubel-Ouverture in Es zur Feier der Wiedergenesung des Erzh. Rudolph. – Große Cantate zur Jubelfeier des 40. Regierungsjahres des Kaisers Franz. – Cantate, Salzburgs Dankgefühle anläßlich der Anwesenheit II. MM. Franz und Karolina – Hymne von Klopstok: „Groß ist der Herr“. – Declamation mit Musik: „Herzog Leopold vor Solothurn“. Von Collin. – Trauermarsch auf den Tod Franz’ I. – Orchesterbegleitung zur neuen österreichischen Volkshymne. – „Würde der Frauen“, von Schiller, Cantate. – Cantate bei Gelegenheit der Installation des Fürsten Schwarzenberg zum Erzbischof von Salzburg. – Tirolerlied mit Variationen und Orchesterbegleitung. – Spanische National-Symphonie. – Cantate zu einer 25jährigen Hochzeitsfeier. – „Hero und Leander“. Gedicht von Schiller, Cantate.
2. Compositionen für die Bühne. Die Ueberschwemmung von Wien, Melodrama von Gleich. – Zweiter Theil von „Julerl, die Putzmacherin“. – Ouverture zur Tragödie „Die Grafen Oginsky“ von Hölzl, für das Theater in Regensburg.
3. Compositionen für Gesang, mit und ohne Begleitung. Lied und dreistimmiger Canon mit Orchesterbegleitung. – Lied und Chor mit Flöten-, Guitarre- und Pianofortebegleitung. – Lied und dreistimmiger Chor mit Pianoforte. – *Schiller’s „Ode an die Freude“ zu 4 Singstimmen und für Chor, 4 Hörner, Pianoforte oder Guitarre. – Der Kosak von Kotzebue, für Gesang und Pianoforte. – Italienische Cantate a 4 voci con Pianoforte. – Dreistimmiges Lied zur Namensfeier mit Guitarre und Pianoforte. – Trinklied mit 4 Hörnern und Guitarre. – *Körner’s „Schlachtgebet“ für 4 Männerstimmen, 3 Hörner, 1 Trompete, 1 Trommel. – Das österreichische Volkslied a 4 voci, 4 corni, Pianoforte und Guitarre. – *Postillonlied [101] a 4 voci und Posthorn. – *Der Bergmannschor für 4 Männerstimmen und 4 Hörner oder Pianoforte. – Abschiedslied für 4 Männerstimmen und Harmoniebegleitung. – Kleine Cantate für 2 Soprane mit Pianofortebegleitung. – *Des Sängers Abschied. – *„Childe Harolds Nachtgesang“. – „Waldhornlied“ von Seidl für Baßsolo, 4 Männerstimmen, Horn und Pianoforte. – Abschiedslied für 3 Männerstimmen und Guitarre. – Zwei Grablieder für 4 Männerstimmen und Harmonie. – Potpourri für 4 Stimmen und Pianoforte. – *„Die Nimmerkehr“. – *„König Otto’s Abschied“. – Primizfeierlied mit Harmoniebegleitung. – *„Der Rosmarin“. – *„Der deutsche Rhein“, von Becker, für 4 Männerstimmen und Harmonie oder Pianoforte. – 13 vierstimmige Gesänge. – Lied für 4 Männerstimmen. – *„Erinnerung an Gastein.“ – *Fünf Lieder für eine Singstimme und Pianoforte. – 15 verschiedene Lieder mit Guitarrebegleitung. – 18 Lieder mit Pianofortebegleitung.
4. Instrumentalsachen. Serenade für englisches Horn (oder Flöte), Viola, Violoncell und Guitarre. – Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncell. – Marsch aus „Alfred“. – Trauermarsch, drei Redout-Deutsche und 1 Polonaise. Die letzten vier Compositionen für türkische Musik. – Thema mit Variationen für 2 Guitarren. – Variations concertants für Guitarre und Pianoforte. – Phantasie für Guitarre. – „Notturno“ für Flöte und Guitarre. – Neun zwei- und vierhändige Stücke für das Pianoforte.
5. Für die Kirche. Deutsches Libera. – Deutsche Messe für 4 Singstimmen und Orgel. – Deutsches Requiem. – Tantum ergo a 4 voci, 2 violini, 2 corni ed organo. – Libera a 4 voci, 2 clarinetti, 2 corni, 2 trombi, 2 fagotti, 2 tromboni e contrafagotto, componirt zur Todtenfeier Sr. Majestät des Kaisers Franz und aufgeführt am 2. April 1835 in der Salzburger Lycealkirche nach dem Mozart’schen Requiem. – Großes Requiem, componirt im J. 1840.
II. Zur Biographie. Biographien salzburgischer Tonkünstler (Salzburg 1845, Oberer, 8°.) S. 42. – Salzburger Zeitung 1872, Nr. 240, im Feuilleton: „Zum 80. Geburtsfeste des Compositeurs Joh. Ev. Schlier“. – Engl (Johann Ev.). Gedenkbuch der Salzburger Liedertafel zum 25jährigen Stiftungsfeste am 22. November 1872 (Salzburg, 8°.) S. 272. – Allgemeine Wiener Musik-Zeitung, herausg. von Dr. Aug. Schmidt (4°.) II. Jahrg. (1842), S. 472, in den „Geschichtlichen Rückblicken“ [nach dieser wäre Schlier am 22. September 1792 geboren, nach allen anderen Quellen und Angaben am 22. October gen. Jahres]. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Frz. Köhler, Lex. 8°.) S. 753. – Schilling (G. Dr.), Das musikalische Europa (Speyer 1842, F. C. Neidhard, gr. 8°.) S. 296. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorf (Dresden, Robert Schäfer, gr. 8°.) Bd. III, S. 473.
III. Porträt. Ein solches in Lithographie ist vorhanden und hätte nach Engl’s „Gedenkbuch“ dasselbe das Museum lithographiren lassen; Herausgeber meint besser unterrichtet zu sein, wenn er bemerkt, daß es der „Musikübungsverein zum Regenbogen“ machen ließ, dessen Capellmeister S. seit dem Entstehen des Vereins war.