BLKÖ:Schmidt auf Altenstadt, Karl August von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 30 (1875), ab Seite: 285. (Quelle)
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81. Schmidt auf Altenstadt, Karl August von (Schriftsteller, geb. zu Herrenwies, im Großherzogthume Baden im Jahre 1816). Bekannt auch unter dem Pseudonym Stugau. Sein Vater August von Schmidt auf Altenstadt war Hauptmann in kön. württembergischen Diensten. Seine erste Ausbildung erhielt der Sohn in Bamberg, wo er bei einer Tante die größte Zeit seines Knabenalters zubrachte, dann kam er nach Stuttgart, wo er die Mittelschulen besuchte, worauf er die Universität in Tübingen bezog und dem Studium der Rechtswissenschaften oblag. Familienverhältnisse zwangen ihn, seine Absicht, der diplomatischen Laufbahn sich zuzuwenden, aufzugeben und jene des Soldaten zu ergreifen. Er trat nun in ein württembergisches Infanterie-Regiment, in welchem er bis zum Oberlieutenant vorrückte und in seiner Eigenschaft als Officier mehrere Jahre lang als Lehrer der Officiers-Aspiranten in der Mathematik und in verschiedenen militärwissenschaftlichen Disciplinen verwendet wurde. Da ihm, um zu heirathen, die erforderliche Heiraths-Kaution fehlte, so verließ er im Jahre 1844 seine militärische Stellung und wandte sich, nachdem er sich vermält, zunächst in die Schweiz, wo ihm eine Stelle als Lehrer an dem Fellenberg’schen Pädagogium zu Hofwyl bei Bern in Aussicht gestellt war. Da der Lehrer aber, den S. hätte ersetzen sollen, auf seinem Posten verblieb, so zerschlug sich diese Anstellung, und auf den Rath einer in Preßburg lebenden Tante wandte sich S. nach Oesterreich und ließ sich als Lehrer der französischen und englischen Sprache, der Mathematik u. s. w. zu Oedenburg in Ungarn nieder. Mehrere Jahre verlebte S. daselbst und versah auch die Stelle eines Professors an der dortigen Handelsschule. Aus seiner Soldatenzeit an körperliche Uebungen gewohnt und von dem mächtigen Einflusse derselben auf die Entwickelung und Kräftigung des Körpers überzeugt, hatte er, der schon während seiner militärischen Laufbahn als Leiter des Turn- und Fechtunterrichtes in den Regimentern, in welchen er diente, verwendet worden war, nun auch in Oedenburg eine Turnschule, die erste dort, in’s Leben gerufen. Daselbst trat er auch, im Jahre 1848 in Correspondenz-Verbindung mit der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“; begab sich auf den Wunsch der Verleger dieses Blattes im Jahre 1849 bei Wiedereröffnung der Offensive gegen die ungarischen Insurgenten in das Hauptquartier des Feldzeugmeisters Baron Haynau, in dessen [286] Suite er als Berichterstatter für die „Allgemeine Zeitung“ den ganzen Feldzug bis zur Katastrophe von Világos mitmachte. Seine Berichte gingen damals in Auszügen und Uebersetzungen in viele europäische Blätter über. Nach Beendigung des Feldzuges kehrte S. nach Oedenburg zurück und begründete daselbst den „Oedenburger Stadt- und Landboten“; ein dreimal wöchentlich erscheinendes Blatt, das von den Comitats- und Localbehörden auch als Amtsblatt benützt wurde. Da aber die materiellen Ergebnisse dieses Blattes, dessen Eigenthümer und Redacteur S. war, der daran gewendeten Mühe keineswegs entsprachen, gab er es nach zweijährigem Bestande wieder auf und übersiedelte nun nach Wien, wo er seine Correspondenzverbindung mit der „Allgemeinen Zeitung“ wieder aufnahm und sich auch noch mit anderen auswärtigen Blättern, von denen der, Schwäbische Mercur“, der „Nürnberger Correspondent“, der „Courier du Bas-Rhin“, die „New-Yorker Criminal-Zeitung“ u. s. w. genannt seien, in Verbindung setzte. Eine Zeit lang gab er auch eine anfangs authographirte, später aber lithographirte französische Correspondenz heraus, welche, zunächst für französische Journale bestimmt, in Frankreich, Belgien und Holland ihre Abnehmer hatte. Auch war er in den Fünfziger- und Sechziger-Jahren als interner Arbeiter an dem von Warrens herausgegebenen „Oesterreichischen Lloyd“ und der (alten) „Presse“ beschäftigt. Um diese Zeit trat er in Verbindung mit dem Director der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, dem Hofrathe Auer, und redigirte durch einige Jahre die unter dessen Auspicien herausgegebenen illustrirten Zeitschriften „Faust“ und „Gutenberg“. Neben der bisher erwähnten journalistischen Thätigkeit, welche doch zunächst auf eigentlichen Erwerb gerichtet und darum nicht eben erquicklich war, entfaltete S. noch eine weitere als Schriftsteller in verschiedenen selbstständigen Schriften und in mannigfaltigen ästhetischen Arbeiten wechselnden Inhalts, als Novellen und Aufsätze ernsten Charakters, welche er theils anonym, theils pseudonym, und zwar unter den Namen Bergmann, Fabricius – welches der ursprüngliche Name seiner Familie ist und erst seit dem dreißigjährigen Kriege mit dem deutschen Schmidt vertauscht wurde – Stugau, dem Anagramm seines Taufnamens August, u. A. in verschiedenen Zeitungen und Wochenblättern Oesterreichs und Deutschlands, und zwar im Cotta’schen „Morgenblatt“, „Journal des österreichischen Lloyd“, „Wanderer“, in dem von Zamarski und Dittmarsch verlegten „Familien-Journal“, in der „Neuen Frankfurter Zeitung“, Leipziger „Illustrirten Zeitung“, „Bohemia“, „Gartenlaube“, „Neuen freien Presse“, im Abendblatt der „Wiener Zeitung“, in den „Mußestunden“, in „Ueber Land und Meer“ u. a. veröffentlichte. Andere Aufsätze wieder, die er mit Vorliebe den Gebieten der Psychologie oder Moral-Philosophie entlehnte, zeichnete er gewöhnlich mit der Chiffre dt, oder S, oder st. Die Titel seiner selbstständig erschienenen Schriften sind: „Des Freimanns Töchterlein. Roman aus den Zeiten der ersten Belagerung Wiens durch die Türken“ (Wien 1862, typ.-lit.-art. Anstalt, 8°.); – „Unbegreifliche Geschichten“ (ebd. 1862 und 1864), unter der Maske des Ernstes sucht S. darin den Wunder- und Aberglauben lächerlich zu machen und ad absurdum zu führen; – „Die Kunst, des Lebens froh zu werden. Ein Beitrag zur Diätetik [287] der Seele. Allen Nichtglücklichen gewidmet“ (Wien 1862, Tendler u. Comp., 8°.; 2. Ausg. 1864, 8°.); – „Das Buch vom Lebensglück“ (ebd. 1864, Schönewerk, 8°.; 2. Aufl. 1865, Klemm), wurde in’s Holländische übersetzt; – „Die Religion des Zweiflers“ (Leipzig 1865, H. Häffel, 8°.), erschien anonym und wurde gleichfalls in’s Holländische übersetzt; – „Pius IX. und seine Zeit. Historischer Roman“, 2 Bde. (Troppau 1868–1870, Kolck, 8°.) Wenn man S.’s didaktische Schriften: „Die Kunst, des Lebens froh zu werden“, „Das Buch vom Lebensglück“ und insbesondere seine „Religion des Zweiflers“ in’s Auge faßt, so wird man bald inne, daß man in dem Verfasser es mit einer Persönlichkeit zu thun hat, die eine von Haus aus zu idealen Bestrebungen angelegte Natur ist, welcher aber, wie dieß bei Tausenden von Menschen seiner Art der Fall ist, die Disharmonie zwischen dem, was er wollte, und dem, was die praktischen Anforderungen des Lebens gestalten, viel zu leiden gab. Er beruhigt sich aber über diesen eigenthümlichen ungelösten Zwiespalt zwischen Sehnen und Erlangen, zwischen Hoffen und Erreichen, und hält diesen Proceß der Accomodirung des idealen Sinnes an die nüchterne Wirklichkeit für sehr heilsam und diesen zwischen beiden, wenngleich theuer erkauften modus vivendi doch für mehr werth, als jenen praktischen, weltklugen Sinn, den Mutter Natur manchem Menschen ganz fertig zur Wiegengabe beschert. Denn nur, was wir im Schweiße unseres Angesichtes erworben, gleichviel, ob es materielle oder immaterielle Güter sind, gehört recht eigentlich unser. Das Schlimme dabei besteht nur darin, daß wir uns des mühsam erkämpften Friedens nicht lange erfreuen können, weil während des langen Lernens allmälig das Alter hervorkommt und wir daran denken müssen, unser Bündel zu schnüren, wenn wir dem Leben seine freundlichen Seiten abzugewinnen erst angefangen haben. Es ist, wie wir sehen, dieß eine eigene, aber immer liebenswürdige Ascese, welche in der Leidenschaftslosigkeit, in dem stillen Ertragen dessen, was uns das Leben aufbürdet, sein Ziel zu finden glaubt. „Arbeiten im Schweiße seines Angesichtes“, diese Devise, die von dem Tage datirt, an welchem das erste Menschenpaar sein Paradies verlor, ist seine Devise. Schmidt besitzt von dem Könige von Württemberg die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, von Seite des freien deutschen Hochstiftes zu Frankfurt a. M. die Meisterwürde.

Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) 1864, S. 551; 1866, S. 188.