BLKÖ:Sigl, Georg

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Siegel, Heinrich
Band: 34 (1877), ab Seite: 244. (Quelle)
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Sigl, Georg (Industrieller, geb. zu Breitenfurth nächst Kalksburg bei Wien im Jahre 1811). In einer reizenden, aber auch ziemlich armen Gegend an den Ausläufen des Wiener-Waldes, in dem von den Wienern auf Sonntagsausflügen häufig besuchten Breitenfurth geboren, verbrachte S. in den allerbescheidensten Verhältnissen seine Jugend. Seine Eltern hatte er frühzeitig verloren und kam dann in eine Schlosserwerkstätte, wurde Geselle und ging darnach, wie es im alten Handwerk eine schlichte, aber gute Sitte war, auf Wanderung. Siebenzehn Jahre alt, verließ er seine Heimat und durchwanderte die Schweiz, Bayern, Würtemberg, überall Erfahrungen für das Handwerk, das er übte, sammelnd. Im Jahre 1832 kehrte er nach Oesterreich zurück, ließ in Wien sich nieder und trug das Seinige dazu bei, die Buchdruck-Schnellpressen in Schwung zu bringen. Seine Bedeutung machte sich in Kürze geltend und bald erhielt er Anträge von auswärts, Schnellpressen einzuführen. So kam er 1840 nach Berlin, wo er dann sofort eine Fabrik von Schnellpressen einrichtete, den Markt in diesem Industriezweige beherrschte, und mit seinen Erzeugnissen nach allen Richtungen der Windrose Eingang fand. Mit erfolgreichen Ergebnissen seiner Thätigkeit kehrte S. im Jahre 1846 in seine Heimat zurück und ließ sich nun bleibend in Wien nieder. Daselbst legte er zuerst im Baron Puthon’schen Hause am Alserbach eine Fabrik an, welche nebst Schnellpressen auch Perrotinen und Rouleaux erzeugte. Das Geschäft kam in immer höheren Aufschwung, bis Ende 1860 hatte es nicht weniger denn 721 Schnellpressen geliefert, darunter 39 von Sigl construirte lithographische Schnellpressen, von welch’ letzteren sechs Stück ihren Absatz nach England fanden. Von der oben genannten Zahl waren 528 in Oesterreich, Preußen und den deutschen Bundesstaaten in Thätigkeit, 193 vertheilten sich nach Rußland, Italien, Dänemark, Schweden, Norwegen, England, Holland, Belgien, nach der Türkei, [245] nach Frankreich, der Schweiz, nach Nord-Amerika (1) und nach Abyssinien (1); nebenbei wurden von beiden Fabriken an 2000 Handpressen, Glättpackpressen und Glättwalzwerke geliefert. Im Jahre 1851 übersiedelte die Wiener Fabrik in das von einer Actiengesellschaft als Maschinenfabrik erbaute und eingerichtete Gebäude nahe der Währingerlinie und da wurde der Bau von stabilen Dampfmaschinen begonnen, der bald einen großartigen Aufschwung nahm. Die Erzeugung der zahlreichen Maschinen von geringer Kraftäußerung (2 bis 20 Pferdekraft) abgerechnet, sei hier als besonders bedeutender Erzeugnisse gedacht, jener für die Kaiser Ferdinands-Wasserleitung in Wien, und für die Wasserleitung zu Nabresina, welch’ letztere noch deßhalb besonders bemerkenswerth erscheint, weil kaum irgendwo eine solche Hubhöhe (600 Wiener Fuß) und solch’ ein Druck auf die Ventile (20 Atmosphären) vorkommen dürfte. Im Jahre 1857 begann S. den Bau von Lokomotiven. Im genannten Jahre wurde die erste „Gutenberg“ vollendet. Zwei Jahre hindurch, es wollte eben Niemand es mit dem Erstlingswerke versuchen, harrte sie des Käufers. Nun aber war das Eis gebrochen. Eine neue, nur zum Baue von Locomotiven bestimmte Fabrik wurde in Wiener-Neustadt errichtet, und in drei Jahren vom Baue der ersten Locomotive bis 1. Jänner 1861 waren in Wiener-Neustadt nahezu 100 Personen- und Lastenzugs-Locomotive hergestellt worden. Nebenbei lieferte die Wiener Fabrik innerhalb der Jahre 1860 und 1861 noch den Bau von fünf Schiffsmaschinen zu je 230 Pferdekraft für die k. k. Kriegsmarine. Wir lassen uns nicht ein in eine Darstellung der mit diesen Fabriken zur Herstellung so großartiger Leistungen nothwendigen, vorhandenen Werksvorrichtungen, so z. B. der Gießerei, welche Gußstücke von 3–400 Centner Schwere liefert, der Schmiede mit den großartigen Dampfhämmern, der verschiedenartigsten, durch eine Dampfmaschine von 60 Pferdekraft in Thätigkeit gesetzten Arbeitsmaschinen, der Modell-Tischlerei mit Circular- und endloser Säge u. s. w., nur die merkwürdige Modellen-Sammlung sei noch erwähnt, welche nach nur oberflächlicher Schätzung mindestens 20.000 Stück Gußformen aller Art enthält. So gediehen denn unter der Leitung des werkthätigen Meisters die Fabriken zu immer größerer und wichtigerer Thätigkeit und am 1. März 1870 fand zu Wien ein großartiges Fest Statt. Die Vollendung der tausendsten Locomotive sollte festlich begangen werden. Diese festlich geschmückte Maschine, welche den Namen unserer Kaiserin in ungarischer Sprache trägt: Erzsebet“, war im Hofraume der Wiener Fabrik aufgestellt. Den Tag vorher wurde Sigl und seiner Familie von seinen Arbeitern ein Fakelzug mit Serenade dargebracht; im Zeichnensaale fand die feierliche Enthüllung der Büste Sigl’s Statt und ihm selbst wurde von seinen Arbeitern ein silberner Pokal überreicht. Auf einer im Hofraume errichteten Rednertribüne hielten der Gemeinderath Schrank, der Landtags-Abgeordnete Dr. Hoffer, der Ingenieur Manhardt und der Arbeiter Manganast Reden, welche die Bedeutung des Festes und die vielfachen Verdienste des Festgebers schilderten, und Bürgermeister Felder überreichte S. das kunstvoll ausgestattete Ehrenbürger-Diplom. Sigl aber beantwortete diese wohlverdiente Auszeichnung damit, daß er dem Bürgermeister 10.000 Gulden übergab zur Errichtung von Kindergarten, u. z. [246] die Hälfte der Summe für den bereits bestehenden im Bezirke Neubau und die andere Hälfte für den zu errichtenden Kindergarten im Bezirke Alsergrund, in welchem eben Sigl’s Fabrik steht. Ueberdieß spendete S. den Arbeiter 25.000 Gulden, welche der Grundstock eines Pensionsfondes sein sollen. Noch einmal sollte Sigl’s Name hell aufleuchten als glänzender Stern der österreichischen Industrie. Es war im Jahre 1873 anläßlich der in Wien veranstalteten Weltausstellung. Schon in der Pariser Weltausstellung 1867, in welcher S. nur Locomotive ausgestellt hatte, hatte er die große goldene und die silberne Medaille erhalten. Innerhalb der nächsten sechs Jahre hatte der Aufschwung des Geschäftes zugenommen. Im Jahre 1873 wurde die Wiener Fabrik mit fünf Dampfmaschinen von 180 Pferdekraft, die Wiener-Neustädter mit fünf Dampfmaschinen von 190 Pferdekraft betrieben. Die Gesammtzahl der Arbeiter betrug überdieß 3700, u. z. in Wien 1700, in Wiener-Neustadt 2000 Arbeiter. Die jährliche Erzeugung in beiden Fabriken umfaßt, etwa 250 Locomotive, in der Wiener Fabrik circa 80 Buchdruckpressen, 40 Dampfmaschinen, 60 Locomobile und Dampfdreschmaschinen, sowie eine größere Anzahl anderer landwirtschaftlicher Maschinen. In der Wiener Weltausstellung 1873 war Sigl in der XIII. Gruppe (Motoren, Kraftübertragungsmaschinen, Maschinenbestandtheile) glänzend vertreten, und sah man in seinem Ausstellungsraume: Eine Betriebsmaschine von 80 Pferdekraft, horizontale Dampfmaschinen von 16, 30 und 100 Pferdekraft, ein (patentirtes) Root’sches Gebläse, einen (gleichfalls patentirten) Mitrailleur, eine lithographische Schnellpresse, zwei Locomotive, ein completes Transmissions- und Krahngerüst, drei Dampfkessel (Gegenstromprincip) à 700 Quadratfuß Heizfläche, zwei Dampfpumpen, eine vollständige Stereotypie, bestehend aus: Ofen zum Schmelzen der Schriftmasse, mit Platte zum Trocknen der Matrizen, Matrizenpresse, drei Clichè-Gießflaschen, drei Clichè-Adjustirmaschinen, Clichè-Ausdrehmaschine und Bandsäge, eine große Druckmaschine für sogenanntes endloses Papier, womit per Stunde 8000 bis 10.000 Zeitungsexemplare vom Formate der „Neuen freien Presse“ gefeuchtet, geschnitten, gedruckt und gefalzt wurden. Die Betriebsdruckerei und Stereotypie-Einrichtung im Pavillon der „Neuen freien Presse“ auf der Wiener Weltausstellung, welche das Staunen und die Bewunderung aller Besucher erregt hatte, war Sigl’sches Werk. Das war eine glänzende Vertretung, die nicht ahnen ließ, welche Folgen der im genannten Jahre eingetretene sprichwörtlich gewordene „Wiener Krach“ auch für Sigl’s Fabriken haben sollte. Die Eisen- und Maschinen-Industrie lag mit einem Male darnieder und auch an S., der die längste Zeit gegen die Unbilden einer täglich verzweifelter sich gestaltenden Sachlage mit einem Heroismus ohne Gleichen Stand gehalten und seine nach Tausenden zählenden, fast unbeschäftigten Arbeiter noch immer nicht entlassen hatte, trat die Nothwendigkeit, die Arbeiten einzustellen, heran. Der Gemeinderath von Wiener-Neustadt hatte unter solchen Umständen in seiner Sitzung am 20. April 1875 einstimmig beschlossen, sich mit einer Petition an die Regierung zu wenden, um der Arbeitseinstellung, wodurch gleich mehrere Tausende Maschinenarbeiter mit ihren Angehörigen arbeits- und brodlos würden, mit allen Mitteln zu begegnen. Wie schlimm dem [247] so humanen Leiter menschliche Ehrsucht, dieser mächtige Factor, in dieser verhängnißvollen Zeit mitspielte, dafür die folgenden Thatsachen. In der That hieß es in dieser für die Sigl’schen Fabriken bedrängnißvollsten Zeit, daß dieselben eine Bestellung an Locomotiven im Betrage von sieben Millionen Gulden erhalten haben. Doch war’s dem nicht so. Thatsächlich stand eine große Bestellung vor längerer Zeit in Aussicht, allein da eine von dem Besteller gemachte Bedingung – die Erwirkung einer hohen Auszeichnung – nicht erreicht werden konnte, wurde die Bestellung bei Keßler in Eßlingen und Borsig in Berlin gemacht. Der Besteller wurde mit preußischen und Oldenburg’schen Orden decorirt! Nun wurden bald darnach von Seite desselben Bestellers andere Bestellungen in Aussicht gestellt. Da um diese Zeit der Kaiser sich eben in Dalmatien befand, wurde ein besonderer Courier nach Dalmatien entsendet, um für den Besteller die Gewährung einer Auszeichnung zu erlangen. Während diese Verhandlungen schwebten, war Sigl gezwungen, seine bereits begonnenen Arbeiterentlassungen fortdauern zu lassen. Ueberdieß soll S., wie es hieß, für die an den russischen Generaldirector zu verleihende Auszeichnung einen Betrag von 50.000 Gulden zu wohlthätigen Zwecken hinterlegt haben. Dieß ein Beitrag, welchen Einflüssen und Zufällen eine strebsame Industrie ausgesetzt sein kann. Zum Schlusse sei noch bemerkt, daß Sigl schon nachdem Schlusse der Pariser Ausstellung in Anerkennung seiner industriellen Thätigkeit österreichischerseits mit dem Comthurkreuze des Franz Joseph-Ordens ausgezeichnet wurde.

Das Vaterland (Wiener polit. Blatt) 1870, Nr. 70. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1870, Nr. 60; 1871, Nr. 11. – Neue freie Presse 21. April 1873. – Wiener Zeitung 1861, Nr. 299, S. 4778: „Sigl’s Maschinenfabrik“. – Oesterreichisches Handels-Journal. Herausgegeben von Pappenheim (Wien) 1870, Nr. 10, im Feuilleton: „Ein industrielles Jubelfest“.
Porträte. 1) Unterschrift: Sigl György. Marastoni Jos. 1868 (lith.) – 2) Holzschnitt von im „Kaktus“ 1874, Nr. 16 [mit folgender textlicher Beigabe: „Räthselhaft – nun folgt das Bildniß – darunter: C. (?) Sigl | Ein Hungertuch für 4000 Menschen wird gesucht. | 50000 Rubel Honorar sind im Ganzen oder theilweise zu vergeben für Denjenigen, der einem russischen Bauunternehmer eine österreichische Baronie verschafft. | Nähere Auskunft | nächste Nummer“.|