BLKÖ:Simonitsch, Johann Stephan Graf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Simonffy, Koloman
Band: 34 (1877), ab Seite: 317. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Iwan Ossipowitsch Simonowitsch in Wikidata
GND-Eintrag: [1], SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Simonitsch, Johann Stephan Graf|34|317|}}

Simonitsch, Johann Stephan Graf (russischer General, geb. zu Sebenico in Dalmatien am 5. September 1792). Sein Vater war ein geachteter Advocat in Sebenico, nach Zara dem nächstgrößten Städtchen im Zaratiner Kreise. Da Johann Stephan Geistlicher werden sollte, erhielt er eine sorgfältige wissenschaftliche Ausbildung. Aber die Standeswahl des Vaters stimmte mit den Neigungen des Sohnes wenig zusammen, und die kriegerischen Ereignisse jener Tage, in welchen eben der Sohn sich für den Beruf entscheiden sollte, halfen demselben aus der Verlegenheit. Dalmatien war dem französischen Reiche einverleibt worden, die Ereignisse ringsumher hatten eine kriegerische Gestalt angenommen, und nun erklärte der Sohn seinem Vater, vom geistlichen Stande ferner nichts wissen und Soldat werden zu wollen. Als der Vater diese Entschiedenheit von Seite seines Sohnes gewahrte, und zudem damals der Soldatenstand den Weg zu den höchsten Ehrenstellen bahnte, willigte er ein, und Johann Stephan trat 1807 als Cadet in ein Panduren-Corps ein, und wurde schon am 11. Juni d. J. zum Adjutanten zweiter Classe bei dem General-Gouverneur von Dalmatien Grafen Dandolo ernannt. In dieser Eigenschaft, dem General Delzous zu besonderer Dienstleistung zugetheilt, machte er im dalmatinischen, von Marschal [318] Marmont befehligten Armeecorps den Feldzug 1809 mit, und nahm an allen Gefechten, die im Laufe dieses Feldzugs in Croatien geliefert wurden, und an der Schlacht bei Wagram Theil. Nach Beendigung des Feldzugs ernannte ihn Napoleon zum Lieutenant im Regiment royal dalmate; später, am 1. Mai 1810, nachdem Marmont als General-Gouverneur der illyrischen Provinzen[WS 1] die croatischen Regimenter organisirt hatte, wurde er zum Capitän-Adjutant-Major im 3. illyrischen Jäger-Regiment befördert, welche rasche Beförderung er namentlich seinem Gönner, dem General Delzous, welcher den strebsamen und energischen jungen Mann bald liebgewonnen, zu verdanken hatte. Im Jahre 1811 trat S. als Capitän in ein leichtes Infanterie-Regiment über, das sich in Görz formirt hatte, und mit welchem er den Feldzug 1812 gegen Rußland mitmachte. In demselben gerieth S. bei dem Rückzuge der Franzosen in russische Gefangenschaft, und wurde nach Orel, später nach Kasan geführt. Nach der Absetzung Bonaparte’s trat S. aus französischen in russische Kriegsdienste über, und wurde im September 1816 als Capitän in das Regiment Krementschuk eingetheilt. Im April 1818 wurde er Major im 42. Jäger-Regiment, welches im folgenden Jahre nach Georgien beordert wurde, um an dem Kriege gegen die dortigen Gebirgsvölker theilzunehmen. In diesem Kriege zeichnete sich S. durch seine Umsicht und Tapferkeit zu öfteren Malen aus. In einem Gefechte gegen die Tscherkessen, am 10. October 1819, that er sich so hervor, daß er sogleich nach der Schlacht mit dem St. Wladimir-Orden ausgezeichnet wurde. Neue Proben seiner Tapferkeit gab er in einem Kampfe gegen die Gebirgsvölker von Akucha am 31. December 1819. Bald darauf wurde er zum Oberstlieutenant befördert. Zu Ende des Jahres 1820 in das Georgische Grenadier-Regiment übersetzt, nahm er am 15. März 1822 an der Spitze seines Regiments nach einer verzweifelten Gegenwehr des Feindes die Verschanzungen von Kapidora im Gebiete der Djari-Belakari. Zwei Ehrenzeichen schmückten ihn für seine Bravour: eine schwere Wunde am Arme, und der St. Annen-Orden 2. Classe. Am 26. October 1823 wurde S. zum Commandanten des Georgischen Grenadier-Regiments ernannt, welches er während der Jahre 1824, 1825 bis zu Anfang 1826 oft und immer siegreich gegen die Gebirgsvölker führte, die in Cachelien, wo er in Garnison stand, unausgesetzte Einfälle machten. Als im Anfang Juli 1826 das persische Heer unter Abbas Mirza die russische Grenze überschritt, und die benachbarten Provinzen zu verheeren anfing, erhielt S. Befehl nach Elisabethpol abzurücken; dann durch mehrere Abtheilungen verstärkt, kam er unter den Befehl den Generals Fürsten Madatoff. Im ersten Gefechte, bei Shamkhor, am 15. September, befehligte S. die Avantgarde, und trug mit seinen Grenadieren, die er durch seine persönliche Tapferkeit zur höchsten Ausdauer im Kampfe begeistert hatte, wesentlich zu dem glänzenden Siege bei, der hier über die Perser erfochten worden. Als dann am 22. September Paskewitsch zur Armee stieß, und den bis dahin von Yermoloff geführten Oberbefehl übernahm, kam es am 25., sieben Werst vor Elisabethpol, zur großen Schlacht, in welcher 7500 Russen ein persisches Heer von 40.000 Mann, darunter 18 Bataillone vorzüglich organisirter regulärer Truppen mit [319] 21 nach englischer Art ausgerüsteten Geschützen, völlig geschlagen hatten. Auch hier focht S. mit großer Bravour an der Spitze seines Regiments, und trug aus diesem Kampfe neuerdings zwei Ehrenzeichen davon: eine gefährliche Schußwunde in die Hüfte, in deren Folge das unverletzte Bein länger blieb, als das andere, und den St. Georgs-Orden 4. Classe. Nach der Schlacht wurde er nach Tiflis zur Heilung seiner Wunden gebracht. Aber noch ging er auf Krücken als er im Juli 1827 zur Armee zurückkehrte, die damals in Kurababa versammelt war, worauf er sich bei der Belagerung und Einnahme von Sardar Abad, Erivan und Tauris, der Hauptstadt von Aderbedjan, auszeichnen konnte. Nach dem Abschlusse des Friedens mit Persien brach sofort der türkische Krieg aus, den S. gleichfalls mitmachte. Sein Regiment gehörte zum Heere des Grafen Paskewitsch. Anfangs Juni 1828 führte er es über den Fluß Arpatschai, und überschritt bald darauf mit demselben die türkische Grenze in Kleinasien. Bei der Erstürmung der fast für unüberwindlich gehaltenen Bergfeste Kars, am 5. Juli 1828, schlang er sich neue Lorbeeren in seinen Ruhmeskränz. Dann machte er mit der Armee den Zug über das Gebirge Tscheldir und die Eroberung von Akalkhalaki mit, focht, als die russische Armee über den Kur setzte, bei Akhalsik, wo ihm ein Pferd unter dem Leibe getödtet wurde. Daselbst hatte er den linken Flügel des Belagerungsheeres befehligt. Im Feldzuge des folgenden Jahres (1829) bewährte er seine Umsicht und Tapferkeit in den Kämpfen zwischen Kars und Erzerum, am 1., 2. und 3. Juli, gegen eine weit überlegene gegnerische Streitmacht, insbesondere aber bei der Einnahme von Erzerum (9. Juli), der Hauptstadt der asiatischen Türkei. Nach der Einnahme Erzerum’s rückte S. mit der Armee Paskewitsch’s nach Beiburt vor, verjagte ein größeres Corps Lasier, das sich bei Khart verschanzt hatte, vollführte den ihm vom Obergeneral gegebenen Auftrag, die Stadt Gumisch-Khani zu erobern, unter den größten Schwierigkeiten und Drangsalen, wobei die ungangbaren Wege nicht die geringsten waren. Als sich die Stadt Beiburt neuerdings empört, zog Oberst S. am 9. October nochmals gegen dieselbe, und erstürmte sie mit seinem Regimente in erster Linie. Nach geschlossenem Frieden kehrte er in seine Garnison nach Georgien zurück; aber während des Feldzuges noch war S. zum General-Major befördert, und mit dem St. Wladimir-Orden 3. Classe und dem St. Annen-Orden 2. Classe ausgezeichnet worden. Noch einmal, 1830, betrat er die kriegerische Laufbahn, indem er im Gebiete der Djari Belakari mehrere Expeditionen gegen die Lasier unternahm, welche sich empört hatten. Nach wiederholten Siegen hatte er die Empörer zu Ruhe gebracht. Neue und nicht minder glorreiche Erfolge sollte er erzielen, als er im Jahre 1831, nach St. Petersburg berufen, am 14. December auf das Huldvollste von Kaiser Nikolaus empfangen und ihm bald daraus eine diplomatische Mission übertragen wurde: denn am 17. Jänner 1832 erfolgte seine Ernennung zum kais. russischen bevollmächtigten Minister am Hofe von Teheran. Erst im October g. J. traf der mittlerweile gegrafte S. in Tauris ein, wo bis zum damaligen Augenblicke alle fremden Gesandtschaften, mit Ausnahme der englischen, die in Teheran selbst sich aufhielt, residirten. Während diese letztere mit dem Schah unmittelbar unterhandelte, standen die übrigen Abgesandten mit dem [320] Thronfolger Abbas Mirza in Verhandlung. Seit dreißig Jahren hatte das Cabinet von St. James seinen unmaßgeblichen Einfluß am Hofe des Schah von Persien behauptet, und auf alle Entschlüsse und Handlungen des persischen Ministeriums entscheidend eingewirkt. Eine innigere Verbindung, welche Rußland mit Persien anstrebte, und die bei der unmittelbaren Nachbarschaft beider Staaten für beide, insbesondere für Rußland von großer Wichtigkeit war. konnte trotz aller Bemühungen Rußlands bisher nicht erzielt werden. Es hatte, dieses wichtige Unternehmen durchzuführen, bisher immer an einer, durch Geist und Charakter gleich bevorzugten Persönlichkeit gefehlt. Da wurde Kaiser Nikolaus auf den Grafen Simonitsch aufmerksam gemacht, der einerseits durch den langjährigen Aufenthalt in Asien die erforderlichen Localkenntnisse, aber auch sonst alle jene Eigenschaften: Muth, Umsicht, Scharfsinn und Tact besaß, um es mit der schwierigen Aufgabe, die oben bezeichnet worden, zu versuchen. Unter solchen Umständen war die oben erwähnte Sendung an den persischen Hof erfolgt. Es würde zu weit führen, die diplomatischen Verwicklungen, alle Unternehmungen, um Englands weitaussichtige Pläne zu durchkreuzen, seinen, so zu sagen, verjährten Einfluß beim persischen Schah und seinen Rathgebern allmälig zu lockern, kurz, die Schachzüge des politischen Spiels, das Simonitsch in seine Hand bekommen sollte, darzustellen. Der in Persien bevorstehende Thronwechsel bot dem Grafen die beste Gelegenheit, seinem Einflusse endlich das Uebergewicht zu verschaffen. Eine kurze Andeutung des Wie wird zeigen, wie scharfsinnig S. dabei vorgehen mußte, und mit welchen Factoren er zu rechnen hatte. Der Schah Feth Ali[WS 2] konnte jeden Augenblick sterben, sonach war es die Hauptaufgabe des russischen Gesandten, noch bei Lebzeiten des Schahs einen Nachfolger zu finden, um jede Gelegenheit zu inneren Unruhen, die bei einem Erbfolgekriege unausbleiblich schienen, aus dem Wege zu räumen. Nun hatte Feth Ali hundert Söhne, die theils als Statthalter die Provinzen verwalteten, theils als Generäle fungirten, aber alle in Einem, in dem Bestreben, sich unabhängig zu machen, übereinstimmten. Irgend Einen aus diesem Haufen für die Thronfolge vorzuschlagen, war gewagt, weil alle Anderen eine solche unberechtigte Bevorzugung mit mißgünstigen Augen betrachtet, und sich dann wohl Alle gegen den Einen gestellt hätten. Während nun die englische Gesandtschaft den Kunstgriff brauchte, alle diese verschiedenen Prinzen, deren jeder mit Sehnsucht auf den Thron blickte, der bald erledigt werden sollte, in ihren unerfüllbarer Hoffnungen zu bestärken, und jedem einzelnen als künftigem Schah zu schmeicheln, hielt Graf Simonitsch in dieser verwickelten Sachlage als den einzig sicheren Ausweg, den alten Schah zu bewegen, daß er seinen ältesten Sohn[WS 3] zur Thronfolge bestimmte, was sich die übrigen Söhne noch am ehesten gefallen lassen würden, und ihm auch gelang, indem der Schah seinen Sohn[WS 4] Mohamed Mirza[WS 5], zu Englands größtem Verdruße, als seinen Thron-Nachfolger erklärte und bestätigte. Hatte Graf Simonitsch schon dadurch den Einfluß Rußlands in Persien zu einem gewichtigen gemacht, so wurde er vollends zu einem überwiegenden, als Mohamed Mirza, der seine Schahwürde Rußland verdankte, nach Feth Ali’s Tode thatsächlich den Thron seiner Väter bestieg. Dabei verstand es der [321] Graf, durch sein tactvolles Benehmen nicht nur die Gunst des Schah selbst zu bewahren, sondern allmälig auch jene der Bevölkerung, die bis dahin einen fast fanatischen Haß gegen Rußland gezeigt, zu gewinnen, die Vorurtheile, welche sich gegen Rußland gebildet, und die von England systematisch genährt worden, zu beseitigen, namentlich die persische Geistlichkeit, die sich bisher als Rußlands entschiedensten Gegner geberdet, umzustimmen, und so Rußland den vollständigsten diplomatischen Sieg gegen das bisherige englische Uebergewicht zu verschaffen. Die Erbitterung Englands gegen den Grafen, der jenem alle Früchte vorweg genommen, die dieses nach verausgabten Millionen einzuheimsen gehofft, kannte keine Grenzen, und kein Mittel war schlecht genug, um einen solchen Gegner aus dem Wege zu räumen. Ganze Spalten waren mit Anklagen und Verleumdungen angefüllt, welche das Gebaren des Grafen angriffen, aber nachdem Rußlands Einfluß in Persien befestigt war, konnte Rußland auch scheinbar dem englischen Drängen nachgeben, und endlich den Grafen aus dem Lande abberufen. Aber auch dieses geschah erst, nachdem dem Grafen selbst Englands Intriguen so widrig geworden, daß er um Abberufung bat, wodurch natürlich auch die zwischen den Cabinetten von St. James und St. Petersburg eingetretene und immer fühlbarer gewordene Spannung nachzulassen und einer ruhigen Anschauung der Dinge zu weichen begann. Wenn es, als Rußland den Grafen von seinen Posten abrief, den Anschein hatte, das St. Petersburger Cabinet desavouire den Grafen, so konnte der scharfsichtige Beobachter doch eine andere Anschauung von den Dingen gewinnen, wenn er gewahrte, daß Graf Simonitsch innerhalb fünf Monaten von Seinem Monarchen den St. Stanislaus- und St. Annen-Orden 1. Classe, von Schah Mohamed den Sonnen- und Löwen-Orden 1. Classe in Diamanten mit der großen goldenen Kette, mehrere mit kostbaren Edelsteinen besetzte Ehrensäbel, und sogar das Porträt des Schah in Diamanten, um den Hals zu tragen, erhielt, ja, daß der russische Abgesandte sogar von persischen Dichtern in der schwungvollen bilderreichen Sprache des Orients als der Segen des persischen Volkes besungen wurde. Graf Simonitsch wurde im Jahre 1838 durch den Obersten Duhamel ersetzt, erhielt nach seiner Rückkehr nach Rußland das Commando der Festung Iwangorod, und wurde im Jahre 1843 zum General-Lieutenant ernannt. Schon im Jahre 1822, am 16. October hatte sich der Graf mit der Fürstin Anna Amilakworoff, Witwe des Obersten Fürsten Orbelianoff, einer durch ihre cirkassische Schönheit berühmten Dame, vermält. Die ferneren Schicksale des Grafen, der damals (1844) 54 Jahre alt war, und, wenn er noch lebt, jetzt 84 Jahre alt sein müßte, sind nicht bekannt.

Gliubich di Città vecchia (Simeone Abbate), Dizionario biografico degli uomini illustri della Dalmazia (Vienna et Zara, Lechner ed Abelich, 8°.) p. 276. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) III. Band (1844), Nr. 63, S. 165. „Graf Simonitsch und der russische Einfluß in Persien“. – Porträt. Holzschnitt von E. K. Zimmermann nach einer Zeichnung von in der obenangeführten Illustr. Zeitung.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Pronvinzen.
  2. Fath Ali Schah (Wikipedia).
  3. Abbas Mohamed, der nachfolgeberechtigte Sohn (vergleiche Abbas Mirza (Wikipedia)). Dieser starb schon 1833, danach wurde dessen Sohn Kronprinz und Nachfolger.
  4. bzw. nach dessen Tod seinen Enkel Mohamed Mirza.
  5. Mohammed Schah (Wikipedia).