BLKÖ:Solms-Braunfels, Bernhard Prinz

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Soltész, Johann
Band: 35 (1877), ab Seite: 253. (Quelle)
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Bernhard zu Solms-Braunfels (Offizier, 1839) in der Wikipedia
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Solms-Braunfels, Bernhard Prinz (k. k. Hauptmann im 11. Artillerie-Regimente, geb. zu Liechtenstein bei Wien 26. Juli 1839, gest. an einer im Duell empfangenen Wunde am 17. Februar 1867). Bernhards Vater, Prinz Wilhelm, war ein Sohn Friederikens, vormaligen Königin von Hannover, einer geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz und Gemalin König Ernst’s von Hannover, und somit ein Stiefbruder des von dem deutschen Kaiser 1866 depossedirten Königs von Hannover Georg V. Er stand als General in königlich preußischen Diensten und lebte zu Düsseldorf. Bernhards Mutter, Maria Anna, war eine Tochter des Grafen Franz de Paula Joseph Kinsky und eine Schwester der Gemalin des damals regierenden Fürsten Alois Liechtenstein. Und so geschah es, daß Bernhard, als seine Eltern im Sommer 1839 ihre österreichischen Verwandten besuchten, auf dem Schlosse Liechtenstein nächst Mödling bei Wien das Licht der Welt erblickte. Prinz Bernhard erhielt eine sorgfältige Erziehung und der Glanz wie die Reichthümer seines Hauses hielten ihn nicht ab, sich ernstlichen Beschäftigungen zuzuwenden. Dabei eine künstlerisch angelegte Natur, war er auch nach dieser Seite nicht unthätig, und im Verkehr mit der Düsseldorfer Malerschule, welche damals auf so hoher Stufe stand, verband er mit wissenschaftlichen Neigungen die Herz und Sinn läuternden Uebungen der Kunst. Bis zum fünfzehnten Jahre genoß der Prinz häuslichen Unterricht, dann bezog er das Gymnasium in Düsseldorf. So wenig seine äußerlich mehr zarte, fast schwächliche Erscheinung es erwarten ließ, ergriff doch der Prinz aus Neigung die militärische Laufbahn, und als im Jahre 1859 der italienische Krieg auszubrechen drohte, duldete es ihn nicht länger bei den Studien. Der älteste seiner Brüder gehörte bereits der preußischen Armee an, zwei andere standen im hannoverschen Militärdienste, ihn selbst zog es nach Oesterreich und jetzt umsomehr, als sich ihm die Aussicht darbot, in der Praxis des großen Krieges das am besten und raschesten zu erlernen, wofür er sich berufsmäßig bestimmt hatte. So trat er denn, 19 Jahre alt, kurz vor Ausbruch des Krieges, als Unterlieutenant in das Regiment Kaiserjäger ein, um nach kurzen praktischen Uebungen in Innsbruck nach Italien abgehen zu können. Wie rasch der Feldzug beendet war, ist bekannt. Der Prinz traf noch rechtzeitig auf dem Kampfplatze ein, um auf dem Schlachtfelde von Magenta zu erscheinen, ohne jedoch selbst in’s Gefecht zu [254] kommen. Hingegen sollte er bei Solferino die Schrecken des Krieges in ihrer ganzen Grauenhaftigkeit kennen lernen. Auf dem Schlachtfelde schlug er sich so tapfer, daß er mit dem Militär-Verdienstkreuze ausgezeichnet wurde, aber eine feindliche Kugel durchbohrte seine Brust unter der Schulter gerade in dem Augenblicke, als er seinen Zug zum Sturme auf ein Haus sammelte. Zu Tode verwundet, fast bewußtlos, gerieth er auf dem Verbandplatze in französische Gefangenschaft und wurde unter unsäglichen Schmerzen nach Brescia gebracht. Der Prinz litt insbesondere bei der im Juni 1859 herrschenden Hitze schwer, aber unter der sorgfältigen Behandlung des Leibarztes des Königs von Hannover wurde es möglich, daß er nach mehreren Wochen in ein frischeres, stärkendes Klima nordwärts geschafft werden konnte. Aber die Wunde wollte sich noch immer nicht schließen und zehrte an seiner Gesundheit. Beinahe ein Jahr war nach dem Schlachttage von Solferino vorübergegangen und es wurde bereits der fünfunddreißigste Knochensplitter aus seiner Wunde gezogen. Er suchte nun Heilung in Wildbad im Schwarzwald, im Herbste im südlichen Frankreich. Daselbst lernte er in Toulon, Marseille und anderen Städten unter Führung französischer Officiere die Einrichtungen der französischen Armee kennen. Ein längerer Aufenthalt in Hyères am Mittelmeer wirkte besonders kräftigend auf seinen Körper. Anfang 1861 begab er sich nach Algier, wo er bei General Jussuf und Marschall Pelissier freundlichste Aufnahme fand, neue Verhältnisse, neue eigenthümliche Länder und Menschen kennen lernte, über welche Eindrücke sich seine Briefe in die Heimat ausführlich ausließen. Nach mehrmonatlichem Aufenthalte daselbst kehrte er, wesentlich gekräftigt, wenngleich mit noch immer offener Wunde, nach Oesterreich zu seinem Dienste zurück, aber nicht mehr in das Kaiserjäger-Regiment, da er mittlerweile zum Oberlieutenant im Kürassier-Regimente König Max von Bayern Nr. 2 befördert worden war. Ihn traf die Bestimmung nach Kecskemet, einer im Herzen Ungarns gelegenen Station, mitten in der zwölf Meilen fassenden Heide, in welcher sich die ganze Eigenthümlichkeit des Ungarlandes in der sattesten Färbung kundgibt. So anstrengend der Dienst war, S. schritt in der Genesung entschieden vorwärts und auch ließ ihm der Dienst noch immer Zeit zu ernsten Studien. Unter diesen nahm Kriegswissenschaft in ihren verschiedenen Richtungen den ersten Platz ein, dann las er die besten Geschichtswerke der Deutschen und Franzosen, wobei er auch bedeutendere Erscheinungen der Tagesliteratur nicht unbeachtet ließ. Mit Vorliebe aber beschäftigte sich der 23jährige Krieger mit Schriften religiös-philosophischer Betrachtung. Seine schwere Verwundung und die derselben gefolgte langwierige Krankheit, die eine völlige Genesung immer noch zweifelhaft sein ließ, mochten zunächst diese ernstere Lebensrichtung wachgerufen haben. Aber nicht blos geistig genießen wollte der junge Prinz, auch selbst zu schaffen, drängte es seinen gebildeten, vielseitig unterrichteten Geist, und so entstanden bereits damals einzelne schriftstellerische Versuche, die jedoch erst später den Weg in die Oeffentlichkeit fanden. Im Jahre 1864 wurde der Prinz zum Rittmeister im Kürassier-Regimente Kaiser Franz Joseph Nr. 1 befördert, und kam als solcher in die Stationen nach Güns, Szathmár und in andere kleinere Ortschaften Ungarns. Um seine militärische Ausbildung möglichst zu fördern, wozu sich [255] ihm als Reiterofficier wenig Aussicht bot, stellte er im Sommer 1865 die Bitte, sich einem Artillerie-Regimente anschließen zu dürfen, da es ihm zunächst um artilleristische Studien zu thun war. Nun diesem Wunsche wurde zwar nicht willfahrt, jedoch erhielt er die Erlaubniß, ausnahmsweise die Artillerieschule in Wien zu besuchen. So kam er im Herbst 1865 nach Wien, und es war das erste Mal, daß der Prinz daselbst einen ganzen Winter zubrachte. Wenn ihn nun auch die Freuden des gesellschaftlichen Lebens, wozu sich ihm bei seiner bevorzugten Stellung mehr als Anderen Gelegenheit darbot, lockten und fesselten, dem Ernst des Lebens war er nie untreu geworden und hatte er nichtsdestoweniger mit solchem Eifer studirt, daß er im Frühling 1866 das artilleristische Examen bestehen konnte. Nun brach der mörderische Bruderkrieg aus und S. erwirkte seine Versetzung von der Reitertruppe zur Artillerie. Kurz vor Ausbruch des Kampfes wurde er zum Hauptmann im 12. Artillerie-Regimente ernannt und erhielt den Auftrag, schleunigst eine Batterie von Komorn auf den nördlichen Kriegsschauplatz zu führen, mit welcher er zur Cavallerie-Division des Feldmarschall-Lieutenant Zaitsek zu stoßen hatte. In dieser Stellung erlebte er die Schlacht bei Königgrätz. Erst Nachmittag kam er mit seiner Batterie in’s Feuer, hielt bis Abends 7 Uhr Stand und führte dann seine Batterie in Ordnung zurück. Nach dem nun mit Preußen abgeschlossenen Waffenstillstande erlangte er seine Versetzung auf den Kampfplatz im Süden. Aber dort waren auch die Ereignisse durch einen plötzlichen Frieden zum Abschluß gebracht. So wurde S. nach Wien zurückversetzt, wo aber die Vergnügungen und Reize der Residenz die traurigen Erlebnisse der jüngsten Kriegsepoche den vorherrschend ernsten Sinn des jungen Kriegers nicht zu zerstreuen und zu erheitern vermochten. Dazu gesellte sich noch, daß in der letzten Zeit seines Aufenthaltes in Ungarn sich die Neigung zu einem braven Mädchen, das aber dem Bürgerstande angehörte, seines Herzens bemächtigt hatte. Lange hoffte er auf das Glück der Vereinigung, aber die sich ihm entgegenstellenden Hindernisse vermochte er nicht zu besiegen und während er mit blutendem Herzen entsagen mußte, mochte auch der Werth des Lebens, in welchem das Liebste sein zu nennen, ihm versagt war, ihm gering genug dünken. Er lebte nun seinen wissenschaftlichen Studien, die sich bis zu selbstständigen Arbeiten ausdehnten und bot jedenfalls das Musterbild eines Cavaliers, wie sie alle sein sollten. Mit einem Male erfüllte die Nachricht: Prinz Bernhard sei am 16. Februar 1867 im Prater im Zweikampfe mit einem Grafen Wedell gefallen, die Garnison und die höheren Gesellschaftskreise Wiens mit theilnahmsvoller Trauer. Graf Wedell nahm in der Umgebung und nicht minder im Vertrauen des Königs von Hannover eine einflußreiche Stellung ein. Nun hatte der Graf bei einer Gelegenheit eine herbe Aeußerung über die Haltung eines Verwandten des Prinzen in der Schlacht bei Königgrätz gethan, welche zu einer ernsten Discussion zwischen dem Grafen und dem Prinzen führte und mit der Forderung endete. Der König von Hannover, dem der vorgefallene Streit zwischen beiden Officieren nicht unbekannt geblieben war,. war wiederholt bemüht, den Zweikampf entweder ganz zu verhindern oder doch in ein Säbelduell umzuwandeln. Aber Graf Wedell, ein trefflicher Pistolenschütze, der sich oft das Vergnügen machte, an einem Kartenblatte die Ecke weg- oder [256] das Aß herauszuschießen, bestand auf der Pistole. Es ist dieser ganze Vorgang, da der Graf der ursprüngliche Beleidiger war, ein so eigenartiger, daß er zu tiefem Nachdenken und sonderbaren Schlüssen auffordert. Ueber den Vorgang des Duells lauteten die Berichte verschieden, und die über den Ausgang desselben bestürzten Secundanten stimmten selbst nicht in den Angaben überein. Der Prinz wußte, was ihm bevorstand, ging aber mit Ruhe seinem Tode entgegen. Er selbst wollte kein Blut an seiner Hand haben – das Bewußtsein davon tröstete ihn noch auf dem Sterbebette – und er erklärte seinem Secundanten, daß er (obwohl gleichzeitiges Schießen ausgemacht war) den Schuß des Gegners erwarten werde, und solle es sich ereignen, daß derselbe ihn fehle, so werde er in die Luft schießen. Rasch ging er nach dem Commando die fünf Schritte zur Barrière vor und stellte sich ruhig auf, den Arm und den Lauf der Pistole nach oben gerichtet. Die tödtliche Kugel ließ nicht auf sich warten; sie zerschmetterte ihm den Brustknochen und blieb im rechten Lungenflügel sitzen. Er brach zusammen. Uebereinstimmend mit diesem Berichte erzählt ein zweites Blatt: Wenige Minuten vor dem Anstellen zum Zweikampf versicherte er – edelmüthig wie immer – einem der ihn begleitenden Aerzte, daß er seinem Gegner den ersten Schuß überlasse, und im Falle dieser einen Fehlschuß machen sollte, er die eigene Waffe in die Luft feuern werde. „Doch ich zweifle, daß Ersteres geschehen werde“, fügte der Prinz schnell bei, „Denn mein Gegner ist ein sehr guter Schütze und rücksichtslos“. Nach anderer Version über den Vorgang beim Duell wäre der Prinz, nachdem das Zeichen gegeben war, fünf Schritte vorgegangen, hatte dann salutirt und wäre im nämlichen Augenblicke von der tödlichen Kugel des Gegners getroffen worden. Ob die Salutirung gegenüber dem älteren Officier eine Courtoisie vor dem Schusse sein sollte, oder ob Prinz Solms sich nur dem Gegner zum Schusse präsentirte und vielleicht überhaupt nicht die Absicht hatte, zu schießen, dürfte wohl für immer ein Räthsel bleiben. Auffallend bleibt es immerhin, daß er sich nach der Lage des empfangenen Schusses in voller Front aufstellte, was ein erfahrener Schütze im Duell nie thut, vielmehr nur die rechte Seite dem Gegner zukehrt und die Kopf- und Herzlinie mit Arm und Pistole zu decken sucht. Prinz Solms hatte, als er sich tödtlich verwundet fühlte, noch so viel Kraft, daß er, sich umwendend, zu seinen Begleitern sagen konnte: „Ich danke Ihnen, meine Herren!“ Darauf stürzte er zusammen. Interessant ist das Verhalten des Prinz kurz vorher, ehe er sich zum Duell begab. Er fuhr nämlich von seiner Wohnung im Arsenal, in eigener Equipage und selbst kutschirend, nur von einem Diener begleitet, nach dem Kampfplatz. Bevor er seine Wohnung im Arsenal verlassen hatte, beschenkte er den manipulirenden Feuerwerker seiner Compagnie mit 4000 Gulden in Banknoten und bemerkte hiebei, daß dies vielleicht das letzte Geschenk sein werde, das er gebe. In seinem Schreibzimmer hinterließ der Prinz ein von ihm eigenhändig abgefaßtes Testament. Von seinen Besitzungen bezog der Prinz eine jährliche Rente von 84.000 Gulden. Die Kugel durchbohrte den Brustkorb fast in der Mitte und blieb in der Leber stecken, von wo sie am Tage des Duells um 2 Uhr Nachmittags unter großen Schwierigkeiten herausgenommen wurde. Während der Operation lebte der Verwundete noch, [257] und es waren ihm von Zeit zu Zeit schmerzlindernde Mittel gereicht worden. Nach 1 Uhr Nachts trat der Tod ein. Nach dem Duelle war der Prinz in seiner eigenen Equipage nach seiner Wohnung im k. k. Arsenale überführt worden. Das Leichenbegängniß hatte unter außerordentlicher Theilnahme und mit vollen militärischen Ehren Statt gefunden. Von der kaiserlichen Familie folgten Erzherzog Wilhelm und Prinz Philipp von Württemberg dem Sarge, an beide Fürsten schloß sich eine zahlreich vertretene Generalität und eine glänzende Suite von über einem halben Tausend Officieren. Der Zug bewegte sich durch das Arsenal nach dem evangelischen Friedhofe, wo die Leiche beigesetzt wurde. Im Laufe der vorstehenden Lebensskizze wurde erwähnt, daß der Prinz seine wissenschaftliche Richtung auch durch einige im Druck erschienene Arbeiten bethätigt habe. In der That waren auch in Streffleur’s „Militär-Zeitschrift“ von ihm erschienen, ein Aufsatz: „Ueber die Aufgaben der Reiterei“, und eine längere Arbeit, betitelt: „Unsere Aufgabe“ (October- und November-Heft 1866). Diese Arbeiten des noch jungen Mannes verrathen tiefe, gründliche Kenntnisse und ließen einen bedeutenden Militär-Schriftsteller erwarten. Ungleich mehr fand sich in seinem handschriftlichen Nachlasse vor, und es hieß, bald nachdem das traurige Geschick den Prinzen ereilt, daß sein literarischer Nachlaß von seinen Freunden zur Herausgabe geordnet werde. Zur Herausgabe selbst scheint es bis zur Stunde nicht gekommen zu sein.

Streffleur, Oesterreichische militärische Zeitschrift (Wien, gr. 8°.) VIII. Jahrg. (1867) Bd. I, S. 257. – Wiener Zeitung 1867, Nr. 58, S. 734: „Bernhard Prinz zu Solms-Braunfels“ [auch abgedruckt in der Militär-Zeitung 1867, Nr. 21]. – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1867, Nr. 68. – Neue freie Presse 1867, Nr. 888, Morgen- und Abendblatt, und 907: „Das Duell im Prater“. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1867, Nr. 50 und 67: „Nachrichten über das Duell des Prinzen und dessen Bestattung“. – Hoffinger (J. Ritter v.), Lorbeeren und Cypressen von 1866 [Nordarmee]) (Wien 1868, August Prandel, kl. 8°.), S. 156. – Derselbe. Oesterreichische Ehrenhalle (Wien 1866, Schwaiger u. Co., gr. 8°.) [Separat-Abdruck aus dem Volks- und Wirthschafts-Kalender für 1869] Bd. V (1867), S. 48.