BLKÖ:Tóth, Eduard

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Tóth, Coloman
Band: 46 (1882), ab Seite: 234. (Quelle)
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Tóth, Eduard (ungarischer Volksdramatiker, geb. zu Putnok im Gömörer Comitate im Jahre 1844, gest. zu Pesth am 26. Februar 1876). Von seinem Vater, einem Schneidermeister, für den Handelsstand bestimmt, mußte er, nachdem er in Jolsva und Igló die Schulen besucht und in ersterer Stadt die slovakische, in letzterer die deutsche Sprache erlernt hatte, zu einem Kaufmanne in die Lehre gehen. Nach überstandener Lehrzeit kam er als Commis in ein renommirtes Pesther Haus, in welchem er aber nur zwei Jahre blieb. Wißbegierde und Neigung zur Poesie, durch den Umstand geweckt und genährt, daß er schon als kleiner Knabe seiner Mutter viele magyarische Bücher hatte vorlesen müssen, trieben ihn, den ihm aufgezwungenen Beruf zu verlassen. Nun nahm er wieder seine Studien auf. Da ihm aber die [235] Mittel zur Fortsetzung derselben und so zur Begründung einer höheren Laufbahn fehlten, entschloß er sich, Schauspieler zu werden. Er trat bei einer untergeordneten Bühne ein, spielte das Fach der Väter und komischen Alten, wurde nach einiger Zeit bei größeren Bühnen Secretär und Regisseur und schrieb auch für jene Bühnen, bei denen er sich einigermaßen Geltung zu verschaffen wußte, mitunter Possen und Gelegenheitsstücke. Bei einem um das Jahr 1872 oder 1873 vom Pesther Nationaltheater ausgeschriebenen Concurse für ein Volksstück betheiligte sich auch Eduard Tóth. Unter den eingelaufenen Stücken gewann eines, das den Titel: „A falu rossza“, d. i. Der Dorflump, führte, den Preis. Das Stück kam zur Aufführung, und dieses Mal waren Publicum und Preisrichter einer Meinung: denn das Stück gefiel ganz außerordentlich, und mit jeder neuen Aufführung steigerten sich Besuch und Beifall. Und der Verfasser dieser Dichtung war – Eduard Tóth, der zu jener Zeit auf einer kleinen Provinzbühne als armer Schauspieler dahinsiechte. Man berief ihn nun nach Pesth und gab ihm, dem schwächlichen, von Elend und dauernder Krankheit niedergedrückten Manne, eine kleine Sinecure, indem man ihn zum Garderobeaufseher des Nationaltheaters machte, von welchem Posten ihn jedoch ein baldiger Tod abberief. Tóth zählte, als er starb, erst 31 Jahre. In dem obengenannten Stücke „Der Dorflump“ spielt ein Bursche die Hauptrolle, der von seiner früheren Geliebten verschmäht, von dem Pflegevater derselben, einem reichen Bauern, mißachtet, ja mißhandelt, nun in seiner Verbitterung zum „Dorflump“ herabkommt, als solcher aber durch die Liebe eines anderen Mädchens, der leiblichen Tochter desselben reichen Bauern, aus seiner Versunkenheit gezogen und gerettet wird. Neben dieser Hauptgestalt bewegen sich nicht minder gelungene und durchwegs lebenswahre Typen, welche alle durch wenige Striche volles individuelles Leben gewinnen. Die günstige Aufnahme des „Falu rossza“ ermuthigte den Poeten, und er ließ ein zweites Stück folgen: „Die Familie des Drehorgelmannes“. In diesem Schauspiele wandert ein alter verarmter Orgelbauer mit seiner verführten Tochter als Drehorgelmann auf dem Lande von Ort zu Ort, bis er dem Verführer begegnet. Allein Letzterer, ein wohlhabender junger Müller, hat sich eben mit einer Anderen ehelich verbunden; indessen heiratet sein Stiefbruder, ein verwitweter Eisenbahnwächter die Verführte und nimmt deren Kind und Vater zu sich. Ein Dorfadvocat und ein gutmüthiger[WS 1] Müllerjunge sind die zwei lustigen Figuren in dem sonst so ernsten Stücke. Als es im Jänner 1879 zur Aufführung gelangte, lag der Dichter bereits an einem unheilbaren Lungenleiden auf dem Sterbelager. Sein drittes Stück: „Die Abgeschobene“ gewann bei einem Concurse, welchen die Direction des Volkstheaters ausgeschrieben hatte, den Preis, in dessen Genuß der Autor noch kurz vor seinem Tode gelangte, aber als es zum ersten Male, im Mai 1876, zur Aufführung kam, ruhte der Dichter schon seit Wochen im Grabe. Die Heldin des Stückes ist eine junge Dienstmagd, die wegen eines im Hause ihrer Dienstgeber vorgekommenen Diebstahls verdächtigt und von diesen überhaupt verfolgt wird, weil der Sohn des Hauses mit ihr ein Liebesverhältniß angeknüpft hat. Sie wird aus dem Orte ihres Dienstes nach ihrer Heimat abgeschoben, d. i. gerichtlich und unter Escorte abgeführt, nach erschütternden Erlebnissen aber als schuldlos erkannt und schließlich [236] von ihrem Geliebten zum Altar geführt. Dieser auf der Bühne noch nicht behandelte, aber dem täglichen Leben entnommene Stoff läßt einen tiefen Blick thun in die Abgründe des Volkslebens und ist von Tóth mit voller Wirksamkeit bearbeitet und durchgeführt. Treffend bemerkt ein Kritiker: „Die Gestalten und Charaktere in Tóth’s Stücken erinnern an jene in den Gemälden Munkácsy’s“. Die Betheiligung des Publicums an Tóth’s Beerdigung war eine große. Im Trauerhause sprach im Namen des Künstler- und Schriftstellervereins Hatala tiefgefühlte Worte. Zündend aber war die Rede, welche Ed. Szigligeti, als der Sarg vor dem Nationaltheater Halt machte, an die Umgebung richtete. Dann wurden die sterblichen Reste des zweimal preisgekrönten Poeten der Erde des Kerepeser Friedhofes übergeben.

Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1. März 1876, Nr. 60, in der Rubrik: „Theater, Kunst u. s. w.“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: guthmüthiger.