BLKÖ:Tóth, Joseph

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Tóth, Johann
Band: 46 (1882), ab Seite: 236. (Quelle)
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Tóth, Joseph (ungarischer Schauspieler, geb. zu Szentes in Ungarn am 5. Juli 1823, gest. zu Pesth am 1. März 1870). Seine Studien machte er zum größeren Theile in Pesth, und zwar in vorzüglicher Weise. Nach einer mit Auszeichnung bestandenen Prüfung aus der Prosodie erhielt er zum Preise Voltaire’s „Tancred“. Und damit war seine Lebenslaufbahn entschieden. Denn diese dramatische Dichtung entflammte in ihm das heilige Feuer der Muse, sein einziger Wunsch war und blieb seitdem das Theater. Als er Medicin studiren sollte, verjagte Tancred den Aesculap, und der siebzehnjährige Tóth wurde Schauspieler. Mit einer Monatsgage von 15 fl. ließ er sich in Miskolcz bei der Truppe, welche die Schauspieler Telepi, Balla, Ujfalusi und Stephan Tóth dirigirten, aufnehmen. Letztgenannter ward ihm nicht nur ein treuer Lehrer, sondern auch ein zweiter Vater. 1844 trat Joseph Tóth in Franz Komlóssy’s Gesellschaft ein. Nach mehreren Jahren ernsten Strebens und angestrengten Fleißes brachte er es dahin, daß er 1845, also in einem Alter von 22 Jahren, im Pesther Nationaltheater auftreten konnte, und zwar in der Rolle des Wurm in Schiller’s „Cabale und Liebe“. Im folgenden Jahre spielte er den Shylok in Shakespeare’s „Kaufmann von Venedig“ und 1847 den Franz Moor in den „Räubern“, mit so entschiedenem Beifalle, daß er 1850 als ständiges Mitglied an der ersten Bühne des Landes engagirt wurde. In den Fünfziger-Jahren unternahm er zur Ausbildung in seiner Kunst eine längere Reise, auf welcher er die größeren Bühnen Deutschlands und Frankreichs besuchte und sich längere Zeit auch in London aufhielt, um daselbst an der Wiege des großen Tragöden jene dramatischen Studien zu machen, die er auf der Bühne seiner Heimat verwerthen wollte. Nach dem Tode Gab. Egressy’s [Bd. IV, S. 4] zum Professor an der Pesther Theaterschule ernannt, verwendete er seine ganze Kraft darauf, dieses Institut zur Blüte zu bringen, welche Bemühungen ihm von seinen Zöglingen beiderlei Geschlechts oft [237] schwer genug gemacht wurden und seine Geduld mitunter stark auf die Probe stellten. So besaß eine seiner Schülerinen ein wahrhaft imposantes Aeußeres und war eine prächtige Bühnenerscheinung, sie hatte auch ein schönes Organ und eine fehlerlose Aussprache, vermochte aber die Stellen, welche einen leidenschaftlichen Ton heischten, nicht in demselben zu declamiren. „Mit mehr Feuer“, rief ihr Tóth zu, „denken Sie sich in die Lage dieses unglücklichen Mädchens hinein, das von ihrem Geliebten verlassen ist. Würden nicht auch Sie in einem ähnlichen Falle weinen und wehklagen?“ Die Schülerin, ein echtes Fräulein der Gegenwart, entgegnete entschieden: „Nein, ich würde mir einen Andern nehmen“. Der Lehrer, entwaffnet, schwieg, und sehr war er erfreut, als nach einiger Zeit diese Dame das Institut verließ. Mehrere Jahre hatte Tóth als einer der Ersten am Pesther Nationaltheater gewirkt, als ihn mit einem Male eine Heiserkeit befiel, die nicht weichen wollte und ihn hinderte, seine Kunst auszuüben; er mußte für längere Zeit seinen Beruf, für den er begeistert war, unterbrechen. Als dann im ungarischen Ministerium die Theaterfrage auf die Tagesordnung gesetzt und mit Anderen auch Tóth, obgleich leidend, zur Enquête berufen wurde, rief er einem Freunde, der sich zu gleichem Zwecke ins Ministerium begab und ihm auf dem Wege dahin begegnete, freudig zu: „Das ist der schönste Tag der ungarischen Schauspielkunst, denn es ist dies die erste Gelegenheit, die man den Schauspielern gibt, in Angelegenheit ihres Schicksals und ihrer Zukunft ein Wort mitreden zu dürfen. Ich freue mich, daß ich’s erlebt habe“. Neben den großen Bühnendichtern war Seydelmann sein Lieblingsschriftsteller, und in seinen letzten Lebenstagen betrachtete er immer wieder mit besonderer Vorliebe dessen Bildniß, das in einem schönen Exemplare an der Wand hing. In einem seiner gedruckten Briefe hatte er die Worte: „Ja, die Collegen sind nur Collegen“ mit Bleistift unterstrichen, und als von seinen Collegen nur ein Einziger zu seinem Krankenbette kam, sagte er schmerzlich jene Worte und wischte mit zitternder Hand die Thräne aus dem Auge. Seine Krankheit dauerte lange und zehrte alle Ersparnisse des früher wohlhabenden Künstlers auf, so daß er seine Witwe und vier Kinder, eine Tochter und drei Söhne, mittellos zurückließ. Bis zu seinem letzten Augenblicke blieb er bei Besinnung. Seine Gattin und sein ältester Sohn wachten Beide bei ihm. Um eilf Uhr Nachts faßte er den kräftigen Arm seines Sohnes und seufzte: „Wie. viel hätte ich mit solchen Armen noch spielen können!“ Als er schon nicht mehr sprechen konnte und sein Sohn ihm nochmals die Hand küßte, schrieb er auf ein Papier den sonderbaren Wunsch: „Küßet Niemandem auf der Welt die Hand!“ Mit Meisterschaft spielte Tóth Intriguants, überhaupt war er groß als Charakterdarsteller. Auch als Schriftsteller thätig, schrieb er das Originaldrama „Orgazda“, d. i. Der Hehler, und übertrug Hebbel’s „Judith“, Shakespeare’s „Die zwei Edelleute von Verona“ und „Heinrich VI.“, letzteres Werk unter dem Titel: „Fehér és piros rózsa“, d. i. Die weiße und rothe Rose, ins Ungarische. Mit ihm stieg die letzte Größe des ungarischen Nationaltheaters ins Grab. Die Leichenfeier war eine große. Alles, was auf Bildung Anspruch machte, nahm Theil daran. Superintendent Török hielt eine ergreifende Leichenrede. Und vor dem Nationaltheater, vor welches man den Sarg geführt, schilderte [238] der Schauspieler Feleky in einer ergreifenden Abschiedsrede das dramatische Talent des Verblichenen und welchen Verlust die dramatische Kunst und namentlich das ungarische Nationalinstitut durch Tóth’s Hinscheiden erlitten habe.

Zellner’s Blätter für Theater, Musik u. s. w. (Wien, kl. Fol.) 1870, S. 70. – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1870, Nr. 63, in den „Theater-Nachrichten“. – Hass! Alkoss! Gyarapits! Irodalmi s müvészeti Daguerreotypek. Magyar irók s müvészek ismertetése. Irta Válkai Imre (Bécs 1858, Sommer, 8°.) S. 127.
Porträt. Facsimile des Namenszuges: „Tóth Józseph“. Barabás (lith.) 1856. Gedr. bei Reiffenstein und Rösch in Wien (4°.).