BLKÖ:Tóth, Lorenz

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 46 (1882), ab Seite: 240. (Quelle)
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Tóth, Lorenz (ungarischer dramatischer Dichter und Schriftsteller, geb. zu Komorn am 17. December 1814). Seine Studien begann Tóth am reformirten Gymnasium zu Komorn und beendete sie an der Pesther Universität, an welcher er die Rechte hörte. Schon auf der Schule mit literarischen Arbeiten beschäftigt, übersetzte er mehrere Lustspiele Kotzebue’s ins Ungarische und 1830, sechzehn Jahre alt, schrieb er eine Humoristische Novelle, welche drei Jahre später in der belletristischen Zeitschrift „Koszoru“, d. i. Der Kranz, unter dem Titel: „Czéléréósem“, d. i. Erreichung meines Ziels, erschien. Nach dem Hinscheiden seines Vaters, Anfangs der Dreißiger-Jahre, übersiedelte er nach Pesth, wo seine auf den Tod des Universitätsprofessors Johann Imre [Bd. X, S. 201] veröffentlichte Ode zuerst die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf den achtzehnjährigen Poeten richtete. 1834 verfaßte er das Drama: „Átok“, d. i. Der Fluch, welches als Preisstück von der ungarischen Akademie herausgegeben wurde. Diesem Werke folgte schon 18353 die vieractige historische Tragödie: „Barbara Ekebontó“. Somit war vorderhand das dramatische Gebiet betreten und Tóth allmälig in den Schriftstellerkreis hereingezogen, in welchem er als Mitredacteur des „Jelenkor“, d. i. Die Gegenwart, sich mit den beiden Garay [Bd. V, S. 86 und 87], mit Andreas Kunoss [Bd. XIII, S. 381], David Baroti-Szabó [Bd. I, S. 162], Szigligeti [Bd. XLII, S. 154] und Anderen befreundete, aus welcher Vereinigung sich bald Pläne zu einer Förderung des ungarischen Dramas entwickelten, und Szabó zunächst wurde zu dem Gedanken begeistert, die ungarische Geschichte in einem Cyclus von Dramen darzustellen. Aber schon mit dem dritten Hefte ging dies Unternehmen ein. Indessen machte Tóth die belletristischen Blätter und Almanache Ungarns, wie „Aurora“, „Hajnal“, d. i. Die Morgenröthe, „Emlény“, d. i. Vergißmeinnicht, mit seinen Versen unsicher, übersetzte fleißig Theaterstücke, so aus dem Englischen Sheridan Knowle’s „Lästerschule“ unter dem Titel: „A rágulom iskolája“, und schrieb die Originalwerke: „Vata“ ein vieractiges Drama, „Agnes Ronow“ „Atyatlan“, d. i. Vaterlos, u. dgl. m. Neben diesen Dramen veröffentlichte er im „Regelő“, d. i. Der Erzähler, „Társalkodó“, d. i. Der Gesellschafter, in den „Rajzolatok“, d. i. Skizzen, und im „Athenaeum“ verschiedene schöngeistige Arbeiten. Mit dem historischen Drama: „Hunyadi László“ gewann er wieder einen von der ungarischen Akademie ausgesetzten Preis von hundert Ducaten und wurde in Folge dessen auch in den von derselben bestellten Theaterausschuß berufen, welchem er dann einige Jahre hindurch angehörte und für dessen Zwecke er mehrere französische Lustspiele ins Ungarische übersetzte. Nebenbei beschäftigte er sich aber auch mit ernsten Arbeiten, wie es seine unter dem Titel: „Verböczy hármas könyveinek…“, erschienene Uebersetzung [241] des „Tripartitum Juris Hungariae Consuetudinarii Verböczianum“ beweist. Als Mitte der Dreißiger-Jahre der ungarische Landtag in Preßburg zusammentrat, wurde er Berichterstatter der Verhandlungen desselben für das Blatt „Pesti hirlap“, für welches er zugleich politische Artikel schrieb. 1837 finden wir ihn als Secretär in Diensten des Grafen L. Károlyi, im folgenden Jahre in gleicher Eigenschaft bei dem Grafen Kasimir Batthyány, dem nachmaligen Minister des Aeußern während der Revolution 1848. Seine zu jener Zeit unter dem Titel: „Szivhangok“, d. i. Herzenstöne (Pesth 1838), veröffentlichten lyrischen Gedichte zeichnen sich durch Knappheit des Ausdruckes und Reinheit der Sprache aus, und in mehreren derselben hat er so glücklich den Volkston angeschlagen, daß sie in den Volksmund übergegangen sind. Nun aber warf er sich mit einem Eifer ohne Gleichen in das öffentliche Leben und wirkte bei allen nationalen und wohlthätigen Instituten, ihre Interessen mit ganzer Kraft fördernd, ohne doch dabei seinen poetischen und schöngeistigen Neigungen zu entsagen. So erschien damals seine Originaldichtung: „Olympia“ (Pesth 1839) und als Ergebniß einer längeren Reise das Werk: „Uti tárcza“, d. i. Reise-Feuilleton, in sechs Heften (Pesth 1844–1846). Die ungarische Akademie der Wissenschaften meinte nun, Tóth habe sich bereits den Anspruch auf die Mitgliedschaft in ihrem Körper erschrieben und erwählte ihn am 10. September 1836 – er zählte erst 22 Jahre – zum correspondirenden Mitgliede, die Kisfaludy-Gesellschaft aber nahm ihn zwei Jahre später unter ihre wirklichen Mitglieder auf. Durch erneuerte literarische Thätigkeit war Tóth bemüht, den ihm erwiesenen Ehren zu entsprechen. 1852 wurde er auch Cassier der ungarischen Akademie, welcher er gegenwärtig als wirkliches Mitglied der philosophisch-socialwissenschaftlich-historischen Classe angehört. 1847/48 saß er als Deputirter des Wahlbezirkes Breznóbánya im ungarischen Landtag, im Pesther Nationalconvent aber als Vertreter seiner Vaterstadt Komorn. Auch wirkte er in diesem Bewegungsjahre als Präsidialsecretär des Ministers der Justiz (Deák). Und in diese Zeit fallen seine beiden Flugschriften: über die Advocatenzustände Ungarns: „Ügyvédi állapotok“ und über Sprache und Wissenschaft in der Akademie: „A nyelv, tudományosság és akadémia körül“, sowie seine von der Akademie mit dem Preise von hundert Ducaten ausgezeichnete Abhandlung über die Advocatenreform: „Ügyvédi Reform“. Nach Erlöschen des Aufstandes 1849 wurde auch Tóth zur Verantwortung gezogen und, wie es heißt, zum Tode verurtheilt, aber dann begnadigt. Nun lebte er ausschließlich als schöngeistiger und juridischer Schriftsteller und veröffentlichte zunächst eine Sammlung seiner Novellen unter dem Titel: „Uti novellák“, d. i. Reisenovellen (Pesth 1851), dann verschiedene Commentare der neuen Gesetze, so „Uj törvénytár“, d. i. Neues Gesetzarchiv, „Polgári perrendtartás“, d. i. Civilproceßordnung, und „Példánytár“, d. i. Magazin der richterlichen Entscheidungen. Ueber das im Jahre 1852 erflossene Avicitätspatent schrieb er einen ausführlichen ungarischen Commentar, wovon eine deutsche Uebertragung unter dem Titel: „Die Avicität und sonstige Besitzverhältnisse, geordnet durch das allerhöchste Patent vom 29. November 1852. Uebersetzt von Stephan Görgei“ (Pesth 1853, Heckenast, gr. 8°., IX und 426 S.) erschien. Um die Mitte der Fünfziger-Jahre [242] begann er die Herausgabe einer Monatschrift aus dem Gebiete der Rechtswissenschaft unter dem Titel: „Törvénykezési s jogtudományi tár“, d. i. Archiv für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, welche er viele Jahre hindurch redigirte. In Ermanglung einer ungarischen Bibliographie bin ich außer Stande, ein vollständiges Verzeichniß der Schriften Tóth’s herzustellen. Für das Werk: „Ungarn und Siebenbürgen in Bildern“ (Magyarország és Erdély képekben“) bearbeitete er eine Biographie Franz Deák’s [Band III, 1854, Seite 88], für die Schriften der Kisfaludy-Gesellschaft („Kisfaludy-Társaság Évlapjai“) eine Biographie Andreas Fay’s [Bd. II, 1863–1865, S. 182], für die von der Akademie herausgegebenen Abhandlungen („Értekezések a társadalmi tudományok köréből“) eine solche Georg Zador’s [Bd. I, 1867 u. f., 9. Heft, S. 1] und für die „Rechtswissenschaftliche Revue“, „Jogtudomány Szemle“ eine Erinnerung an ebendenselben [Bd. I, 1869, S. 20]. Auch veröffentlichte er einen am 23. Juni 1865 in der Akademie gehaltenen Vortrag über das Duell in einer Separatausgabe: „A Parboj. Értekezés“ (Pesth 1865, Eggenberger, 8°., 74 S.), und seine in der Akademie gehaltene Denkrede auf Alexander Bertha (geb. 7. April 1796, gest. 4. Februar 1877) ist in den Schriften der Akademie vom Jahre 1877 abgedruckt. Joseph Szinnyei gibt in seiner unter dem Titel: „Hazai és külföldi folyóiratok magyar tudományos Repertóriuma“ (Budapesth 1874, gr. 8°.) herausgegebenen ungarischen historischen Bibliographie ausführliche Nachrichten über die akademischen und andere Arbeiten Tóth’s. Unser Schriftsteller gilt in seinem Vaterlande als ein ganz ausgezeichneter Mann, und selbst Aranyos Kákay, dessen humoristische Charakteristik Tóth’s wir unten als Gegensatz der Meinungen wortgetreu wiedergeben, muß ihm trotz aller Witze Humanität, Herzensgüte und großes Rechtsgefühl einräumen. Lorenz Tóth hat wie der verstorbene Joseph Freiherr Eötvös eine Vielseitigkeit besessen, die ihn sowohl in der strengen Wissenschaft, wie in der weniger rigorosen Literatur und Dichtung Vorzügliches leisten ließ. Manche stehen nicht an, ihm in der Gegenwart den Rang des ersten Juristen Ungarns einzuräumen. Zur Zeit bekleidet Tóth außer seiner bereits erwähnten Mitgliedschaft in der Akademie die Stelle eines gewählten Mitgliedes im Pesther hauptstädtischen Ausschuß aus den 1200 Höchstbesteuerten und eines Richters im obersten Disciplinargerichte über die Präsidenten und Vicepräsidenten der königlichen Tafeln, der Curie und der Kronanwälte.

Kertbeny (C. M.). Album hundert ungarischer Dichter. In eigenen und fremden Uebersetzungen (Dresden und Pesth 1854, Rob. Schäfer und Hermann Geibel, 12°.) S. 111 und 522. – Ungarns Männer der Zeit. Biographien und Charakteristiken hervorragendster Persönlichkeiten (Prag 1862, A. G. Steinhauser, 12°.) S. 294. – Kákay (Aranyos). Licht- und Schattenbilder zur Charakteristik des ungarischen Landtages. Aus dem Ungarischen (Pesth 1867, Wilh. Lauffer, gr. 8°.) S. 67. – Croquis aus Ungarn (Leipzig 1843, Otto Wigand, kl. 8°.) S. 166 [charakterisirt Tóth unter den Mitgliedern der königlich ungarischen Akademie der Wissenschaften ungemein lakonisch: „macht Verse, schreibt Novellen und ist Advocat“]. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntagsblätter (Pesth, 4°.) 1857, Nr. 12. – Az ország tükre, d. i. Der Reichsspiegel (Pesth, kl. Fol.) 1863, Nr. 7. – Országgyülési arczképcsarnok, d. i. Landtags-Bildnißhalle (Pesth) 1867.
Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: „Tóth Lőrincz“. Barabás M. 1845 (lith.). Nyomt. Walzel Pesten. Kniestück [243] (kl. Fol.). – 2) Marastoni Józs. (lith)). 1863 in „Az ország tükre“, 1865, Nr. 7. – 3) In „Vasárnapi ujság“, 22. März 1857, Nr. 12. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen. – 4) Auf dem ersten der zwei von Barabás 1856 lithographirten Gruppenbilder ungarischer Schriftsteller: „Magyar irók arczképcsarnoka“.
Aranyos Kákay entwirft folgende Charakteristik von Lorenz Tóth: „Lorenz Tóth ist bei etwa 25 wohlthätigen patriotischen oder auch nur Speculations-Anstalten Rechtsconsulent, bei 22 Notar, bei 12 Cassier. Malitiöser als seine Schrecker’sche Photographie ist daher, was ein großer Patriot (welcher, verrathe ich nicht) über ihn gesagt hat: „Wenn nur zwei Laib Brot im Lande wären, so würde das Eine sicherlich Lorenz Tóth erhalten“. Dieser eine große rechtswissenschaftliche Belesenheit besitzende und die Theorie in der Praxis so geschickt verwerthende Commentarschreiber und Advocat ließ übrigens einst die zarten Gefühle der Brust auf den Saiten der Leyer ertönen und hofirte auch dem jungen, doch armen Fräulein Thalia, bevor er der schon etwas gealterten, aber vermöglichen Matrone Themis sich in die Arme warf. Um sich jedoch nicht den Vorwurf machen zu müssen, irgend ein Feld vernachlässigt zu haben, auf dem die poetische Literatur Blumen pflücken kann, trat er auch, und zwar nicht als Veteran des Lebens, in das Unterhaus ein, wo man indeß seinen Beruf vor vielen Zeitgenossen anerkennen muß; denn wenn auch nicht Originalität, so besitzt er doch viele juridische Kenntnisse und ist wenn auch ein süßlich affectirter und im veralteten Novellenstyl sprechender, doch ein nicht unwirksamer Redner, von dem mein Nachbar auf der Galerie, der ein böses Maul hat, sagte: „Um recht süß zu sprechen, bestreicht sich Tóth Lenczi vorher die Lippen mit Syrup“. Seine neuliche Rede muß in der That aus einer sehr erotischen Stimmung hervorgegangen sein. Die nur principielle Anerkennung der Gesetze stellte er in Parallele mit dem angeblich nicht selten vorkommenden Fall, daß man sich eine Frau nur principiell ihrem Gatten treu denke, nicht aber zugleich in der Praxis. Dann aber erklärte er, daß er die Rechtscontinuität nicht castriren lasse. Solche sinnliche Redeblumen sind einem Jüngling semperflorens und immergrün wie Lorenz Tóth zu verzeihen, obwohl damals, als die Rede gehalten wurde, auf der Galerie auch wißbegierige Mädchen und Damen in schöner Anzahl im Saale der „Gesetzgebung“ anwesend waren. Es wäre endlich ungerecht, nicht zu erwähnen, daß Lorenz Tóth im Rufe eines humanen, gutmüthigen und herzlich zuvorkommenden Menschen steht“.