BLKÖ:Toscana, Maria Ferdinanda Großherzogin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 46 (1882), ab Seite: 214. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Maria von Sachsen in Wikidata
GND-Eintrag: 1015192432, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Toscana, Maria Ferdinanda Großherzogin|46|214|}}

Toscana, Maria Ferdinanda Großherzogin (geb. am 27. April 1796, gest. zu Brandeis bei Prag am 3. Jänner 1865). Maria Ferdinanda hing als Tochter des Prinzen Maximilian von Sachsen mit Italien zusammen, in welchem Lande sie den längeren Theil ihres Lebens zubringen sollte. Ihre Mutter war die Tochter des Herzogs Ferdinand von Parma, des zweiten Fürsten aus der bourbonischen Tertiogenitur, an welche durch den Aachener Frieden (18. October 1748) das Erbe Elisabeth Farneses kam. Ihr Oheim war der König von Etrurien, auch ein Bourbon, der, wie Herr von Reumont bemerkt, das timeo Danaos vergessend, ein napoleonisches Geschenk annahm und die traurige Erfahrung machte, was es mit einem solchen auf sich habe. Maria Ferdinanda, welche früh ihre Mutter durch den Tod verlor, wurde, fünfundzwanzig Jahre alt, am 6. Mai 1821 die Gemalin des in erster Ehe verwitweten Großherzogs Ferdinand III. von Toscana [Seite 172]. Ihre jüngere Schwester Maria Anna Carolina hatte sich etwa vier Jahre früher (16. November 1817) mit dem Erbprinzen Leopold, späteren Großherzog Leopold II. [S. 193] vermält. Es war, schreibt unser Gewährsmann Herr von Reumont, eine glückliche Zeit Toscanas, als die zweite sächsische Prinzessin nach Florenz kam. Wenige Wochen über drei Jahre war Maria Ferdinanda Gemalin des Großherzogs gewesen, als sie am 18. Juni 1824 Witwe wurde. Durch ihres Gatten Tod erlitt das ganze Land einen schweren Verlust. Maria Ferdinanda liebte es nicht, sich in Regierungsgeschäfte zu mischen, nicht unter ihrem Gemal, nicht unter ihrem Stiefsohn, der zugleich ihr Schwager war, sie wählte sich ein rein weibliches Theil, indem sie, so lange ihre Schwester Maria Anna lebte, anderen humanitärem Wirken theilnahm, besonders an der Gründung und Leitung des Töchterinstitutes der Santissima Annunciata, welches, wie Herr von Reumont bemerkt, eine der besten Anstalten, vielleicht die beste dieser Art in Italien ward und unter ausländischen Oberinen auch geblieben ist, wenigstens bis auf die Jahre, wo man die Erweckung des Patriotismus als das Haupterforderniß weiblicher Erziehung aufstellte. Sie streute, gleich dieser Schwester, in den gesellschaftlichen Verhältnissen, in welchen noch manche gute und löbliche Traditionen der Vergangenheit zu erkennen waren, durch ihre Haltung einen Samen aus, der nicht erstickt worden ist. Und als sie nach dem 1832 erfolgten Tode ihrer Schwester alleinstand, setzte sie deren Wirken in noch erhöhtem Maße fort, während sie den Töchtern derselben eine zweite Mutter ward. Da sich die regierende Familie keinem Bedürfnisse entzog, keiner Noth sich verschloß, keine Gelegenheit zu gutem [215] Werke versäumte, so bot sich in Florenz und ganz Toscana der Großherzogin ein weites Feld zu wohlthätiger Wirksamkeit. Selten, so schreibt unser mehrerwähnter, in der Geschichte Toscanas so wohl unterrichteter, unbefangener und somit höchst zuverlässiger Gewährsmann, ist unter gleichen Umständen und bei gleichen Mitteln so viel, so theilnehmend, so verständig, so rücksichtsvoll gewirkt worden, nicht blos in einzelnen außerordentlichen Fällen, an denen es nicht gefehlt hat, sondern täglich, regelmäßig, wie in Toscana unter Ferdinand und Leopold, ohne daß man die Zeitungen zu Hilfe nahm, um jedes Gnadengeschenk dem Publicum einzuläuten. Maria Ferdinanda täuschte sich über die Wendung, welche, da die Zeichen sich täglich mehrten, die Dinge zu nehmen drohten, auch nicht einen Augenblick. Der Popularitätsschwindel des Sommers und Herbstes 1847 flößte ihr von allem Anfang Besorgniß ein. Aber sie konnte es nicht ahnen, daß der Mann, der bei dem Monstre-Fahnenzug des 12. September d. J. hinter dem Großherzog Leopold auf dem Balcon des Palastes Pitti stand, und welchem dieser Großherzog, obgleich er sich einst über ihn zu beklagen gehabt, erst die Erziehung seines ältesten Sohnes, dann die Verwaltung des Innern anvertraut hatte, zwölf Jahre später, einer der Haupturheber des Sturzes der Dynastie werden sollte (Marchese Ridolfi). Aber sie sah, daß man sich auf einem Wege befand, der zum vollständigen Wechsel des Bestehenden führen mußte, ohne daß irgend einer sich klar machte, was an die Stelle desjenigen zu setzen sei, dessen Zerstörung man stückweise ohne Regel, ohne Plan, ohne Vorsicht, ohne des Zieles zu achten, betrieb. Es ging dann, wie es gehen mußte: die Alten waren bei Seite geschoben, die Neuen, so ehrlich und wohlmeinend manche derselben sein mochten, waren unerfahren, unschlüssig und somit bald ohnmächtig gegenüber dem Andrange der eigentlichen Revolution, die, wie gewöhnlich, allein sich ihres Zieles bewußt war. Erst Siena, dann Porto Santo Stefano, endlich Gaëta und Neapel, dies waren die Etapen der großherzoglichen Familie zu Anfang 1849. In einem kleinen Hause der endlos langen Straße Molo di Gaëta, welche zugleich die Heerstraße ist, wohnte der Großherzog bis zum Frühling. Es war eine Zeit, in welcher man sich nicht darüber wunderte, von Souveränen in einem Schlafzimmer empfangen zu werden. Ruhigere Jahre folgten, aber das alte Verhältniß hat sich in Toscana nie wieder recht hergestellt, das Bewußtsein des innigen Zusammengehens ist nie mehr recht zurückgekehrt. Die Großherzogin führte während dieser Jahre das still thätige Leben, an welches sie gewöhnt war. Werke der Wohlthätigkeit, fromme Uebungen, geistige Beschäftigung, Handarbeit nahmen die Zeit in Anspruch, welche das Familienleben für die Pflichten ihrer Stellung frei ließ. Mit ihrer fast in gleichem Alter stehenden Stieftochter, der Erzherzogin Maria Luise, deren schwächlicher Körper einen männlich kräftigen Geist barg – die andere Stieftochter war die Witwe Carlo Albertos und Mutter des Königs Victor Emanuel – brachte sie meist die Abende zu, wenn nicht die ganze Familie sich zusammenfand. Die Unterhaltung der Großherzogin war immer lebendig, anregend und anziehend. Was die geistigen Gaben der edlen Fürstin betrifft, so besaß dieselbe scharfen Verstand, mannigfaltiges Wissen, reiche Erfahrung und wußte [216] von allem diesem Gebrauch zu machen. Sie war, schreibt Herr von Reumont, ein ganzer Charakter: glaubte sie an ein Princip, so nahm sie auch dessen Consequenzen an und war nicht zum Abfinden geneigt. Dies würde ihr etwas Starres gegeben haben, wäre es nicht durch Herzensgüte und Leutseligkeit gemäßigt, durch tiefe und ernste Religiosität beeinflußt und getragen worden. Mit einem solchen Charakter, dem die Wahrheit obenan stand, war es begreiflich, daß sie sich nach manchen Seiten hin warme Zuneigung, nach allen Seiten hin Achtung erwarb. Ja selbst als das Unglück über die großherzogliche Familie hereinbrach und eine über allen Begriff gemeine und niederträchtige Presse, heute noch eine Schmach für die vielgerühmte toscanische Bildung, ihr Unwesen zu treiben und ihren Schmutz umherzuschleudern begann, vernahm man kein Wort der Anklage gegen die verwitwete Großherzogin Maria Ferdinanda. Von Tausenden aber wird heute ihr Namen und ihr Andenken gesegnet. Was sie den Lebenden war, hat sich im Tode gezeigt. Als sie zum zweiten Male den Palast Pitti und das Land verließ, mochte sie wohl die Ahnung haben, daß sie es nicht mehr wiedersehen werde. Was sie, die voll Resignation und Ruhe war und in ihrer Einfachheit am wenigsten um geschwundenen Glanz trauerte, so schwer auch das an ihrem Hause begangene Unrecht auf ihr lasten mochte, mehr als alles Andere kümmerte und bewegte, war die Sorge um die Lage der Anstalten und Stiftungen, die sie einst mit so vieler Liebe gepflegt hatte. Sie starb am 3. Jänner 1865, im Alter von 69 Jahren zu Brandeis bei Prag auf der Besitzung ihres Stiefsohnes und Schwagers, des Großherzogs Leopold II., zu welchem sie, das nahe Ende nicht ahnend, das Weihnachts- und Neujahrsfest zuzubringen gegangen war. Im hohen Grade bemerkenswerth gestaltete sich die Trauerfeier für die Verewigte zu Florenz. Der Pfarrer der Kirche Santa Felicità daselbst hatte in einem Rundschreiben dazu eingeladen, und nicht nur der in Florenz eben anwesende Adel, welcher in innigen Beziehungen zur Familie des Großherzogs stand, sondern auch der auf dem Lande wohnende eilte herbei, um dem Gottesdienste zur Erinnerung an die geliebte Fürstin beizuwohnen. Die Straße, in welcher der Palast Pitti steht, bedeckte sich im wahren Sinne des Wortes mit glänzenden Equipagen. Alle adeligen Familien, welche da erschienen, können wir nicht nennen, wir müßten das Adelsbuch Toscanas abschreiben, aber doch einige jener, deren Namen so zu sagen ein politisches Programm ist, seien genannt: Degli Antinori, Bargagli, Baldasseroni, Cervini, Corsini, Capponi, Dufour-Berti, Guicciardini, Gherardesca, Lami, Landi, Landucci, Martelli, Ridolfi, Serristori. Alle hatten Trauer angelegt und trugen die Zeichen ihres fürstlichen oder gräflichen Ranges. Außerdem fanden sich viele Beamte, nicht nur verabschiedete, sondern auch im activen Dienste stehende, ein. Das in der glänzend ausgeschmückten Kirche vertheilte Epitaph bezeichnete die Großherzogin als Sovrana piissima, principessa invitta, che la sconoscenza dei tristi, le sventure dì non meritato esiglio con pazienza longanime sofferse (frömmste Souveränen, unüberwindliche Fürstin, welche den Undank der Ruchlosen, das Unglück nicht verdienten Exils mit langmüthiger Geduld ertrug). Diese wenigen Worte sagen Alles. Die Leiche der Großherzogin wurde von Brandeis [217] nach Wien überführt, kam am 8. Jänner 1865 daselbst am Nordbahnhofe an und wurde am folgenden Tage in festlicher Weise in der kaiserlichen Familiengruft bei den Capucinern auf dem Mehlmarkte beigesetzt.

Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1865, in einer der Nummern vom 15. bis 25. Jänner. Nekrolog. [Aus der Feder des Herrn Alfred von Reumont, dieses ausgezeichneten Diplomaten und Schriftstellers, den seine vieljährige Stellung am Florentiner Hofe, seine Vertrautheit mit Land und Leuten in Italien ebenso wie seine gediegene Bildung, sein edler, entschiedener und unantastbarer Charakter vor Allen befähigten, der erlauchten dahingeschiedenen Fürstin in einem Nekrologe ein würdiges Denkmal zu setzen: Herausgeber dieses Lexikons konnte nichts Besseres thun, als obiger Darstellung folgen.] – Wiener Zeitung, 10. Jänner 1865, Nr. 7: „Darstellung der feierlichen Bestattung der Großherzogin“. [Sonderbarer Weise sind in der Hofansage der Trauer, wie in der Beschreibung, welche die „Wiener Zeitung“ über die feierliche Bestattung bringt, der Großherzogin die Taufnamen Maria Anna beigelegt, während dieselbe doch im Gothaischen „Genealogischen Taschenbuch“ und auch sonst überall consequent unter dem Beinamen Maria Ferdinanda angeführt wird.]
Porträt. V. Gozzini del. R. Morghen sc. 1822 (Fol.).