BLKÖ:Treml, Cajetan

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Treml, Friedrich
Band: 47 (1883), ab Seite: 114. (Quelle)
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Treml, Cajetan (Abenteurer, geb. zu Mattighofen im Innviertel Oberösterreichs 1783, gest. zu München 1860). Seine Eltern lebten als Gärtnerleute in Mattighofen, einem im Mattigthale gelegenen, durch römische Ausgrabungen bekannten Marktflecken Oberösterreichs. Ohne wohlhabend zu sein, hatten sie doch ein anständiges Auskommen und konnten ihren Sohn studiren lassen. Von einem Beneficiaten erhielt Cajetan den ersten Unterricht im Latein, kam dann nach Passau, wo er die Grammatical- und Humanitätsclassen – Poetik und Rhetorik, wie dieselben zu jener Zeit hießen – beendete, und 1803 nach Salzburg, um sich für den Besuch der philosophischen Studien immatriculiren zu lassen. Die Passauer Schule hatte dem Jungen wohl sein stilles und tadelloses Verhalten bestätigt, aber über seine Fähigkeiten und seine Verwendung sich nicht so günstig ausgesprochen, daß er mit diesem Zeugnisse höhere Studien hätte beginnen können; so machte denn Cajetan hier die erste Probe jenes Talentes, worin er dann Unerhörtes leistete, er fertigte sich selbst ein ausgezeichnetes Studienzeugniß [115] und trat mit dieser That seine prinzliche Laufbahn in Salzburg an. Daselbst logirte sich Cajetan beim Sternbrauer ein, in welchem noch heute in der Getreidegasse befindlichen alten gemüthlichen Hause zur Zeit des Bestandes der Salzburger Hochschule ein ziemlich fideles Studentenleben geherrscht haben mag. Er wohnte, um uns eines Alles sagenden Studentenausdruckes zu bedienen, mit lauter bemoosten Häuptern zusammen, es waren Joseph Schmid mit zwanzig Semestern Theologie, Leopold Elbl mit vierundzwanzig Semestern Juristerei und Theologie, Anton Raming mit einer ganz unbestimmten Anzahl Semester aller möglichen Facultäten und mehrere Andere, die wir jedoch nicht namentlich anführen, weil sie nicht, wie die Genannten, in dem späteren Auftreten Treml’s mit eine Rolle spielen. Hier beim Sternbrauer wurde nun während eines Kneipabends Cajetan einmal von seinen Zechcumpanen um seine Herkunft befragt und von ihm die Vermuthung aufgestellt, daß er höchst wahrscheinlich von sehr hohen Eltern abstamme. Er habe nämlich im väterlichen Gärtnerhause eine alte Truhe gefunden, und man wisse ja, daß alte Truhen gern schwere Geheimnisse bewahren, und überdieß sei er durch ein Muttermaal an der rechten Hüfte gezeichnet, und alte Romane erzählen es heute noch, daß heimliche Prinzen an solchen Muttermälern erkannt zu werden pflegen. Kurz, Cajetan hatte so erzählt und gedeutelt, als wäre er ein Fürstenkind, dem nur das Fürstenthum fehle. Für das aber wußten seine Zechcumpane Rath, und vor Allen der schlaue Elbl, ein Bursche mit abenteuerlicher Vergangenheit, der schon im bayrischen Heere gedient, dann nach Italien desertirt war und in Rom Gott weiß was Alles studirt hatte. Elbl sagte nun – wohl anfänglich im Scherze, um den nicht eben geistesstarken Treml zu foppen – Cajetan müsse ein Sohn des Fürsten Tunora von Strivali sein, mit dem er selbst sehr gut bekannt gewesen, und welchem Treml ganz erstaunlich, ja so ähnlich sehe, daß er sich jetzt wundere, ihn an dieser Aehnlichkeit nicht schon früher erkannt zu haben. Die Strivali-Inseln wären einige kleine Eilande an der Westküste Griechenlands. Diese Gruppe von vier Inseln im ionischen Meere kannte wohl außer dem schlauen Studiosus kein Mensch, und weiß Gott, wie er zur Kenntniß derselben gekommen, aber der Name hatte Klang, hörte sich romantisch an, und so wurde denn Cajetan Treml, der Gärtnerssohn aus Mattighofen, in einer lustigen Kneipnacht zum Prinzen Tunora aus Strivali am mittelländischen Meere erhoben. Es war, wie man sieht, anfänglich nichts als ein unschuldiger Studentenscherz, an den kein Mensch weiter glaubte, außer Einem – und dies war Cajetan. Ihm war es Ernst mit der Sache. Wir halten uns im Folgenden an die aus Acten, die unten genau bezeichnet werden, gewonnenen und von dem Erzähler zusammengedrängten Erhebungen. Kurz, Cajetan glaubte an sein Prinzenthum und ging alsbald zum Rector der Universität, den er um zweierlei bat: um Anerkennung seiner Würde und um eine Summe Geldes, die er ihm auf seinen neuen Titel borgen möge. Der Rector, Joh. Evang. Hofer [Bd. IX, S. 152], Benedictiner und Professor der orientalischen Sprachen, ein seelenguter Mann, nahm die Eröffnung Cajetans entgegen, wünschte aber etwas Schriftliches, irgend ein Document, etwa einen Stammbaum, zu sehen, gab ihm indeß das erbetene Geld. Cajetan[116] kam mit dem Gelde des Rectors zu seinen Kameraden. Also ein Stammbaum war nöthig, daran hatte er nicht gedacht. Nun, wußte er sich schon ein Studienzeugniß zurechtzurichten, so wird sich ein Stammbaum auch zuwege bringen lassen. Dabei sahen seine Zechbrüder, zunächst der geriebene Elbl, als er vom entlehnten Gelde hörte, daß sich dem Wahnwitze des Gärtnerssohnes, dem harmlosen Studentenscherze eine sehr praktische Seite abgewinnen lasse. Raming, im Zeichnen erfahren, malte über Nacht auf Pergament einen prächtigen, zwei Schuh langen Stammbaum, stattete ihn mit Kapseln und Wachssiegeln, die er am Pergamente anbrachte, aus, und die Familienwappen strahlten in allen möglichen heraldischen und unheraldischen Farben. Dieses merkwürdige Document wird noch bei den Proceßacten aufbewahrt. Das Diplom war in einem Italienisch, wie es gewiß in der Crusca nicht steht, abgefaßt und zuletzt in deutscher Sprache! die Versicherung beigefügt, daß es als durchaus echt zu betrachten sei! An diesem naiven Zusatze ist zu erkennen, daß Cajetans Collegen die Sache eben als einen Faschingsscherz ansahen. Die Eltern des Gaetano Amilcare Tunora principe di Strivali nato anno 1784 26. Juglio (statt Luglio) waren nach dem Stammbaume: Alessandro Tunora ec. ec. nato anno 1736 und Francesca Miranda di Portostruba nata 1754; die väterlichen Großeltern aber Sigismondo Tunora, geboren 1633, und Anna Maria Sintagna contessa di Marno, geboren 1640, wonach also Letztere, als sie Cajetanos Vater Alessandro gebar, 96 Jahre zählte und einen 103 Jahre alten Gemal hatte! Gleiche Altersverhältnisse ergaben sich bei den Großeltern von mütterlicher Seite, und waren überhaupt in dem Stammbaume der Familie Strivali alle physiologischen Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Besagtes Document nun hatte Cajetan die Verwegenheit seinem Rector zu überreichen. Dieser nahm es entgegen, ohne es weiter zu prüfen, wohl aber gab er es zu diesem Zwecke einem Fachmanne und Stiftscollegen, dem P. Corbinian Gärtner [Bd. V, S. 50], einem noch heute mit Recht geschätzten Historiker. Wie es geschah, daß Pater Corbinian an dem Stammbaume nichts Auffallendes vorfand und erklärte: daß es mit demselben seine Richtigkeit habe, läßt sich heute schwer sagen. Gewiß ist es, daß Pater Corbinian ein verdienstvoller Gelehrter, ein Mann umfassender Kenntnisse war, und daß sein Ausspruch für den Augenblick entscheidend in dieser Tragikomödie wirkte. Es lassen sich nur die Zeitwirren – der Vorgang spielte in den Tagen der Säcularisation Salzburgs und der neuen Regierung unter Großherzog Ferdinand 1801 und 1802 – einigermaßen als Entschuldigungsgrund anführen. Alles Bestehende wankte, Königreiche entstanden auf Napoleons Machtgebot, und Königreiche verschwanden, kurz, es war, als sei Alles aus den Fugen gegangen, und so konnte auch das plötzliche Auftauchen eines Prinzen gar nicht so sehr auffallen. So wurde denn der Bauernjunge aus Mattighofen über Nacht ein Prinz Tunora aus Strivali, der vorderhand nur von den Studenten Respect vor seiner Fürstenwürde und den Titel „Durchlaucht“ verlangte. Und ihm Beides zu gewähren, machte den Studenten Spaß. Auffallender ist es, daß der Prinz ohne Geld, so oft er den Rector um ein Darlehen anging, ein solches von demselben auch immer erhielt. Indessen machte Cajetan in seiner prinzlichen [117] Würde wieder einige Schritte vorwärts: er bezog ein besseres Quartier, im Milchgäßchen nahe dem Marktplatze, ernannte seinen Collegen Elbl zum Geheimsecretär, den zweiten, Joseph Schmid, zum Leibkammerdiener und legte zuletzt auch noch beim Schneider einen großartigen Pump an, denn er ließ sich einen weißen Uniformrock mit apfelgrünen Aufschlägen, weiße Beinkleider und einen hechtgrauen Ueberrock anfertigen; dann verschaffte er sich ein großes Ordensband[WS 1] mit einem Stern und ein fürstliches Petschaft. Und damit nichts zur prinzlichen Vollkommenheit fehle, sorgte er auch für eine Geliebte, die er übrigens sich schon früher erkoren, es war die Tochter des aus Frankreich eingewanderten Ingenieurhauptmanns Grenier, Josephine, welche, wenn sie früher von dem armen Bruder Studio wenig Notiz genommen, jetzt die Huldigungen des Prinzen sich um so lieber gefallen ließ. Ueber das Verhalten der akademischen Behörden zu diesem Prinzenspiel liegt wenig Bestimmtes vor; die Professoren bezeugten dem Prinzen Tunora alle Ehren, im Colleg war sein Platz mit rothem Sammt gepolstert! Wenn er sich in seiner Phantasieuniform öffentlich zeigte, trat die Wache ins Gewehr, kurz, obwohl Niemand Bestimmtes über den Prinzen Tunora wußte, so wurde er doch allgemein als Prinz angesehen. Endlich aber fing sich der Argwohn zu regen an. Der Rector und Grenier, der Schwiegervater in spe, waren die Ersten, die sich rührten. Der Rector verlangte den Taufschein Cajetans; Hauptmann Grenier bestand auf dem Eheconsens von dem fürstlichen Vater, denn der Prinz hatte der Hauptmannstochter die Ehe versprochen. Der Consens war sofort zur Stelle, aber nicht so der Taufschein, der immer nicht kommen wollte. Indessen ging es in der fürstlichen Studentenwirthschaft im Milchgäßchen flott her, man zechte und tafelte in Saus und Braus, fuhr vierspännig aus und verschwendete alles Geld, das man irgendwo zusammengerafft hatte. Schüttelte auch der Eine oder der Andere mißliebig oder bedenklich den Kopf, sich Aufklärung zu verschaffen, that kein Mensch einen energischen Schritt, und so dauerte der Mummenschanz eine geraume Weile fort. Aus den Proceßacten ergeben sich wohl einige Andeutungen, wie es möglich gewesen, daß die Täuschung so lange vorhielt. Cajetans Eltern, schüchterne und eingeschüchterte Bauersleute, wurden von Elbl, der überhaupt die Seele des ganzen Unternehmens war, gehörig bearbeitet. Als man so weit gekommen, die Mutter zu vernehmen, ließ diese durchblicken: Cajetan könnte sehr wohl fürstlicher Abstammung sein, und der Vater ging sogar so weit, zu sagen, er habe zwar früher einmal einen Fürsten oder Grafen bei seinem Weibe betroffen, im Allgemeinen aber nichts Unanständiges bemerkt. Später sagte er gerade heraus: Cajetan sei von hoher Abkunft und ihm blos zur Erziehung übergeben worden. Und so kam es denn, daß, wie der Söhn halb Fälscher, halb Phantast war und an sein Fürstenthum Strivali am mittelländischen Meere nachgerade wirklich glaubte, so auch die Eltern, von dem romantischen Dunste eingenommen, ihren Sohn mit der Zeit für eine echte Durchlaucht hielten. Der Rector magnificus hatte immer wieder, zuletzt freilich schon mit Widerstreben geborgt, aber andere Gläubiger, und deren gab es genug, wollten nun nicht länger warten. Ein Wechsel aus Strivali, auf den Cajetan immer wieder vertröstete, wollte [118] nicht ankommen, und sein Ausbleiben war um so unangenehmer, als Prinz Cajetan gerade wegen des Ankaufes eines Gutes im Werthe von 100.000 fl. unterhandelte. Die Geschichte gestaltete sich immer bedenklicher, immer drohender. Josephine Grenier, welche den Stern für das Ordensband Cajetans gestickt hatte, mußte ihre Sparpfennige hergeben, und einem anderen armen Mädchen wurden etliche Gulden abgeschwätzt, wofür man ihr eine Kammerjungferstelle bei der zukünftigen Prinzessin versprach. Endlich versiegten alle Quellen, die Mahner um ihr Geld rührten sich immer mehr, und so blieb denn nichts Anderes übrig als die – Flucht. Dieses wilde Leben hatte angesichts einer Bevölkerung von mehreren Tausend Seelen, angesichts aller Behörden, angesichts der Hochschule, der die flotten Vögel zunächst unterstanden, fast ein ganzes Jahr gedauert. Die Schulden beliefen sich auf 2257 fl., wovon der Rector allein 1300 fl. geliehen. Nun waren die jungen Strolche fort. Die Behörde erließ einen Steckbrief, aber vergebens, denn Cajetan hatte sich zu seinen inzwischen nach Bayern übersiedelten Eltern geflüchtet, und diese von dem ganzen Lügengewebe eingenommenen alten Leute trauerten nun mit dem Sohne zusammen, daß ihm sein Prinzenthum vorenthalten werde u. dgl. m. Aber Cajetan spielte sein Spiel weiter. Er schrieb an Josephine Grenier einen Brief, dessen Orthographie mit einem Studiosus der philosophischen Facultät nicht vereinbar ist, und klagte ihr, daß sein Fürstenthum sehr wankelmüthig, und nannte sich jetzt „dermalen in Dunkelheit versetzter Prinz Tunora“. Auch bat er die Geliebte, ihm durch Bestechung eine Lieutenantsstelle in der kurfürstlichen Leibgarde zu. verschaffen. Zweitausend Gulden bot er dafür. Dieser Brief wurde von der Behörde aufgefangen und blieb somit unbeantwortet. Nun ging unser Prinz Tunora auf Wanderschaft und wendete sich, mit einem Sparpfennig seiner Eltern versehen, nach der Universität Innsbruck. Da er einmal schon Prinz gewesen, wollte er ein gewöhnlicher Student nicht mehr sein, und so hielt er denn als ein Graf Taufkirch seinen Einzug in die Stadt. Den Weg dahin hatte er theils zu Fuß, theils im Stellwagen zurückgelegt, aber von der letzten Station ab drei Pferde gemiethet. Indeß dem Grafen Taufkirch fehlte sein Factotum Elbl, die Prellereien gelangen ihm nicht so leicht, auch in weit geringerem Umfange, und schon nach wenigen Wochen mußte er das Weite suchen. Nachdem er eine Weile umhergeirrt, gerieth er doch den österreichischen Gerichten in die Hände, er wurde nach Salzburg abgeliefert und nach abgeschlossener Untersuchung zu dreijähriger Festungshaft verurtheilt. Sein College Elbl erhielt einen dreiwöchentlichen Arrest, aber während Cajetan der Prinz ohne körperliche Züchtigung davon kam, wurde dessen einstiger Geheimsecretär zum Willkomm und zum Abschied mit je zwölf Karbatschhieben bedacht. Die Acten über das Vorerzählte, welche sich noch, zwei Rieß stark, im Landesgerichte zu Salzburg befinden, hat der salzburgische Geschichtsforscher Hauptmann A. von Schallhammer [Bd. XXIX, S. 108] ausgezogen, und dieser Auszug liegt im Salzburger Museum aufbewahrt; ein M. v. H. nahm Einsicht in denselben und bearbeitete ihn für ein Feuilleton der Wiener „Neuen Freien Presse“, welches dann „Der Sammler“ nachdruckte. Auch in den Archivalien des Salzburger [119] St. Peterstiftes finden sich in einer handschriftlichen Chronik einige Pfefferkörner zu dieser tragikomischen Geschichte. Der ganze Vorgang ist als ein Beitrag zur Culturgeschichte zu Beginn des laufenden Jahrhunderts immerhin erheblich genug, und wenn man die Schicksale dieses Abenteurers kennen gelernt hat, so weiß man nicht, worüber man mehr staunen soll: ob über die Verwegenheit und den Uebermuth etlicher Studenten, welche ein ganzes Jahr lang die Bevölkerung einer Universitätsstadt geradezu am Narrenseile führten, oder über die Dummheit und Indolenz dieser letzteren, die den augenscheinlichen Betrug so mir nichts dir nichts sich vorspielen ließ. Nachdem der Prinz von Tunora seinen Prinzentitel abgelegt und als gewöhnlicher Mensch ins bürgerliche Leben sich zurückgezogen hatte, fand er später in München eine Anstellung bei der Finanzbehörde und starb hochbetagt im Jahre 1860. Zur Zeit, als er in Haft genommen wurde, befand er sich im Besitz einer unbedeutenden Barschaft, welche das Gericht so gewissenhaft an die Gläubiger vertheilte, daß jeder pr. Gulden 2304800/541680 Pfennige Entschädigung erhielt. Am schlimmsten erging es der Geliebten des Prinzen von Tunora. Josephine Grenier genas bald nach dessen Flucht eines Mägdleins, das sich in der Folge zu einer schönen Jungfrau entwickelte, aber in die Hände eines Wüstlings gerieth und zuletzt im Spital für Unheilbare auf dem Gasteige zu München eines elendiglichen Todes starb. Die Mutter Josephine Grenier hatte sich zu Salzburg Jahre lang als Putzmacherin das Leben gefristet, starb aber auch im Spital, „verhöhnt und verspottet“, wie es in der erwähnten Handschrift des Peterstiftes stehen soll. Was konnte die Arme dafür, daß sie, von dem frechen, verlogenen Burschen schamlos hinters Licht geführt, das Opfer einer Verblendung wurde, von der sich Stärkere als das unerfahrene Mädchen hatten berücken lassen? – Alles Vorstehende fußt auf Angaben, welche der Feuilletonist H. Wun für die „Neue Freie Presse“ nach Actenauszügen bearbeitete, die Hauptmann von Schallhammer, ein höchst gewissenhafter, ja fast kleinlicher Forscher gemacht und im Salzburger Museum niedergelegt hat. Die Geschichte liest sich mit großer Spannung und ist ja auch einzig in ihrer Art; aber ich konnte mich nicht mit der Angabe des Feuilletonisten, daß Treml später in Bayern eine Anstellung bei der Finanzbehörde gefunden habe und in München 1860 hochbetagt gestorben sei, mir nichts dir nichts zufrieden geben und stellte weitere Nachforschungen an, in welchen mich Herr Bibliothekar Gutenäcker an der königlichen Staatsbibliothek auf das wirksamste unterstützte, und deren Ergebnisse ich im Folgenden mittheile. Ein Cajetan Trembl (nach Taufschein), geb. zu Zengberg, Pfarre Lohkirchen im bayrischen Landgerichte Neumarkt an der Rott. wurde im Jänner 1821 zum Kanzlisten bei dem Generalfiscalate in München ernannt und dann 1826 bei Aufhebung dieser Stelle quiescirt. Interimistisch bei der Ministerialbausection verwendet, sah er sich am 23. Jänner 1839 als Officiant bei dem königlichen Hauptstempelamte angestellt und am 24. Jänner 1847 (vom 1. Februar an gerechnet) zum Central-Staatscasse-Officianten befördert. Am 17. November 1853 von einem Gehirnblutschlage betroffen, erholte er sich nicht wieder völlig und wurde am 16. April 1856 quiescirt. Er starb in München am 7. April 1860. Verheiratet war er zweimal, seine erste [120] Frau starb im Winter 1849/50; seine zweite Frau Katharina geborene Feistl, welche er 1851 ehelichte, starb 1882 in München. Diese aus Acten erhobenen Angaben stimmen nur theilweise mit jenen des Artikels in der „Neuen Freien Presse“ überein. Dieser Artikel nennt unseren Mann Treml, der in Baiern Angestellte hieß Trembl; nach jenen Angaben wäre er in Mattighofen 1783 geboren; der bayrische Beamte kam 1785 in Zengberg zur Welt. Die Angabe, daß er bei der Finanzbehörde angestellt gewesen, stimmt, ebenso daß er hochbetagt (75 Jahre alt) gestorben. Die Ansicht, daß dieser Cajetan Trembl und unser Cajetan Treml eine und dieselbe Person seien, ist nicht ausgeschlossen, da merkwürdiger Weise bei Beiden einzelne Momente zusammenfallen. Beide Cajetan waren um die Zeit, als die Geschichte spielt, im Jahre 1803, der Eine 17, der Andere 19 Jahre alt gewesen, und eine Anstellung des Einen und des Anderen 18 Jahre später ist auch ganz gut denkbar; ob aber der in bayrischen Diensten gestandene Trembl mit dem Treml der Schallhammer’schen Forschungen wirklich identisch, bleibt doch noch zu untersuchen.

Der Sammler. Belletristische Beilage zur „Augsburger Abendzeitung“. Redacteur Karl Stolz. 5. November 1881, Nr. 132, S. 4; „Prinz von Tunora“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ordesband.