BLKÖ:Vest, Lorenz Chrysanth Edler von (Vater)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Vesselényi
Band: 50 (1884), ab Seite: 212. (Quelle)
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Vest, Lorenz Chrysanth Edler von, Vater (Arzt und Protomedicus von Kärnthen, geb. zu Lienz in Tirol am 21. October 1720, gest. zu Klagenfurt am 16. Jänner 1789). Ein Sohn des Apothekers Johann Vest zu Lienz (Näheres über die Familie geben S. 222 die Quellen), erhielt er im Elternhause den ersten Unterricht und beendete auch die Vorbereitungsstudien im Vaterlande; dann widmete er sich der Rechtswissenschaft, später der Theologie und als ihm auch diese nicht zusagte, der Medicin. Zu seiner Zeit lagen die Verhältnisse bezüglich des letzteren Studiums ganz anders als heute. Obgleich er aus eigenem Antriebe neben der eigentlichen Medicin noch als deren Hilfsstudien Botanik, Anatomie, Chemie und Pharmakologie auf das eifrigste betrieb, bewältigte er doch schon im Alter von 21 Jahren das ganze Gebiet der medicinischen Wissenschaft und begab sich im November 1742 als junger Arzt auf dem Landwege nach Rom, um daselbst zu prakticiren. Die Studien der kranken Natur wurden ihm durch den Aufenthalt im Spital zum heiligen Geist in Rom gewährt, welche Stadt, wie denn überhaupt Italien, im vorigen Jahrhundert hinsichtlich der medicinischen Wissenschaft große Berühmtheit genoß. Wie lange er in der ewigen Stadt verweilte, darüber liegt keine bestimmte Nachricht vor, nur so viel ist aus seinen Aufzeichnungen bekannt, daß er auf dem Seewege heimkehrte. 1746, also in einem Alter von 26 Jahren, in welchem heutzutage kaum der medicinische [213] Curs beendet wird, finden wir ihn bereits als Landschaftsphysicus in Klagenfurt. Die Zeit seines ärztlichen Auftretens trifft eben mit den Reformen zusammen, welche van Swieten im Kaiserstaate in den Studien überhaupt, vornehmlich aber in den medicinischen, durchführte. Viele der wichtigsten Zweige des Culturlebens und der sanitären Zustände lagen zu jener Zeit ziemlich im Argen. Von Sanitätspolizei, von Sanitätsbeamten, von einer Vorsorge der Regierung für das allgemeine Gesundheitswohl, von einer Ueberwachung der die Arzeneikunst Ausübenden durch geeignete Behörden, von alledem hatte man bis dahin nur sehr dunkle und mangelhafte Vorstellungen; die ärztlichen Anstalten waren sehr spärlich vertheilt, in ihrer Zusammensetzung äußerst lückenhaft, in ihren Hilfsmitteln durchaus mangelhaft, kurz das ganze medicinale Wesen bedurfte dringend einer zeitgemäßen Umgestaltung. Da trat van Swieten nicht blos als Reformator, sondern als Schöpfer auf. Er erließ zunächst das Gesetz, daß jeder in Oesterreich die Praxis ausübende Arzt auf einer inländischen Universität sich die Befähigung erworben haben müsse. So ward dem Charlatanismus, der bis dahin zum Schaden der leidenden Menschheit nicht selten sich breit gemacht hatte, mit einem Male ein Riegel vorgeschoben. Auch Vest mußte sich nach Wien verfügen und der daselbst für Doctoren, welche auf einer auswärtigen Universität graduirt worden, vorgeschriebenen Prüfling sich unterziehen. Diese Prüfung, welche van Swieten’s Aufmerksamkeit auf den jungen vielversprechenden Arzt lenkte, dürfte in die letzten Jahre des vierten Decenniums des vorigen Jahrhunderts fallen; nachdem Vest sie bestanden hatte, wurde er Mitglied der Wiener medicinischen Facultät und Assessor der Sanitätscommission. Nun übte er in Klagenfurt seine ärztliche Praxis aus, sein Ruf wuchs mit jedem Jahre, und nicht nur im ganzen Lande, sondern auch außerhalb der Grenzen desselben ward in bedenklichen Fällen sein Rath eingeholt. 1773 zum Protomedicus von Kärnthen und zum Sanitätsreferenten bei der Landesstelle ernannt, wurde er, als nach dem Tode der Kaiserin Maria Theresia die Erzherzogin Marianne im April 1781 ihren bleibenden Wohnsitz in Klagenfurt nahm, zu ihrem Leibarzte berufen, in welcher Eigenschaft er bis zu seinem 1789 erfolgten Tode wirkte. Wir haben bereits oben angedeutet, daß unter der Kaiserin Maria Theresia die Verbesserungen und Neuerungen im Medicinalwesen stattfanden. Für Kärnthen hatte Vest an deren Ausführung wesentlichen Antheil. Namentlich was die sanitären Verhältnisse Klagenfurts betrifft, ist er so zu sagen der Schöpfer einer neuen Epoche. Zu jener Zeit besaß Klagenfurt eine sehr ungesunde Lage. Um die Stadt selbst, um ihre erst 1809 von den Franzosen niedergelegten Mauern rundherum zog sich ein breiter Graben voll stagnirenden von einer Menge parasitischer Pflanzen und von Sumpfthieren wimmelnden Wassers, während im Süden eine bedeutende, noch heute unter dem Namen „das Moos“ bekannte Versumpfung, welche von dem sich stauenden Ausflusse des Wörthersees gebildet wurde, sich erstreckte. In Folge dieser Uebelstände ward die Luft verpestet und war Klagenfurt in jenen Tagen wegen seiner bösartigen Wechselfieber übelberüchtigt. An dem Plane der Austrocknung des Stadtgrabens und der Trockenlegung des Sumpfes durch Abzugscanäle nahm nun Vest wesentlichen Antheil, und zwar [214] gemeinschaftlich mit dem Kreisingenieur Joseph von Clairfayt, einem Niederländer, seinem nachherigen Schwiegersohne. Da änderten sich mit einem Male die sanitären Verhältnisse Klagenfurts, welches seit dieser Zeit zu den gesundesten Provinzialstädten der Monarchie zählt. Auch die Verlegung des Friedhofes aus der Mitte der Stadt nach St. Rupprecht, wo derselbe noch gegenwärtig sich befindet, ist Vest’s Werk. Heute freilich ist eine solche Maßregel mit wenigen Zeilen niedergeschrieben, aber an ihre Ausführung knüpfen sich eine Menge von Schwierigkeiten, an denen Gewohnheit, Eigennutz, Vorurtheil und die nicht geringste und am schwersten zu bekämpfende, die Pietät, betheiligt sind, und welche den Vollzieher einer solchen Maßregel allen Angriffen, Verdächtigungen, Protesten und Einwendungen der dabei Interessirten preisgeben. Nichtsdestoweniger setzte Vest die Maßregel durch und gewährte dadurch der Stadt eine in sanitärer Hinsicht nicht zu unterschätzende Wohlthat. Ferner übernahm er aus eigenem Antrieb den Unterricht der Anatomie, wobei er in Anbetracht der Schwierigkeiten, die dazu nöthigen Leichen zu bekommen, was zu jener Zeit mit den größten Umständlichkeiten verbunden war, große Hindernisse zu bekämpfen hatte. Mit diesem Unterrichte in Verbindung führte er ein und begründete jenen der Chirurgie, für den das Bedürfniß um so dringender wurde, als es bei dem Mangel an unterrichteten und gebildeten Wundärzten von Curpfuschern namentlich auf dem Lande wimmelte, welche durch ihre mißglückten Curen und die gewissenlose Behandlung ihrer Patienten viel Unheil und Elend unter der Bevölkerung verursachten. Bei Epidemien, welche insbesondere zur Zeit des Krieges mit den Türken und aus anderen Ursachen oft verheerend auftraten, und denen die zur Bekämpfung derselben von fernher geschickten Aerzte nicht selten zum Opfer fielen, leistete Vest Staunenswerthes; nicht nur daß er durch umsichtiges Verhalten die Seuche von seinem eigenen Leibe fernhielt, auch durch Anwendung entsprechender Mittel, womit er ein seltenes Pflichtgefühl und eine bewunderungswürdige Unerschrockenheit verband, half er das Uebel erst zum Stillstand bringen und dann ganz bannen. Im Jahre 1768 kamen Hirneis und Ingenhouß nach Kärnthen, um die Impfung daselbst einzuführen, und da war es vornehmlich Vest, der bei dem Vertrauen, welches die Bevölkerung auf ihn setzte, dem damals immerhin gewagten Vorgange durch Beispiel und Ueberredung Eingang verschaffte. Die Muße seines Berufes widmete er ununterbrochen wissenschaftlichen Arbeiten und Studien, vornehmlich aus der Mineralogie, Botanik und der Physik des Himmels. Dabei stand er im regen, auch brieflichen Verkehre mit den berühmtesten Aerzten seiner Zeit, so vor Allem mit van Swieten, dann Boerhave, von welchen Beiden sich Briefe in seinem Nachlasse vorfanden, dann mit Scopoli, Wulfen, Wernischek und Anderen. Als Schriftsteller scheint er nicht öffentlich aufgetreten zu sein, wenngleich er mehrere, darunter auch gedruckte Abhandlungen hinterließ, so eine theologische Streitschrift mit dem Titel: „De matrimonii vinculo authore L. C. V.“ (1785), in welcher er aus den Kirchenvätern und nach medicinischen Gründen die Trennbarkeit der Ehe zu beweisen suchte. Das Büchlein kam in Augsburg ohne Angabe des Druckortes und Verlegers heraus. Da sich Vest nur mit den Anfangsbuchstaben bezeichnete, so mag er [215] bei den damals herrschenden Ansichten sich nicht ganz sicher gefühlt haben und zu dieser Maskirung bewogen worden sein. Außerdem fanden sich einige Druckschriften aus dem Gebiete der Veterinärkunde, z. B. Belehrungen über das Verhalten bei ausgebrochenen Viehseuchen u. d. m. und endlich Arbeiten pharmakologischen Inhalts vor, bei welchen die zahlreichen Zusätze, Einschaltungen und Beilagen einen Beleg dafür geben, mit welcher Aufmerksamkeit er den Fortschritt seiner Wissenschaft verfolgte. Auch enthielt sein Nachlaß eine größere botanische Arbeit, und zwar einen Versuch, das botanische System des Dr. Wernischek mit dem von Gleditsch, von Linné und mit den natürlichen Ordnungen in Verbindung zu bringen. Er schrieb darüber an Wernischek: „Schediasma in quo conatus sum, systematum botanicum cum systemate Linneano ac Gleditschiano cum ordinibus naturalibus Lin. combinare, ut omnia haec in usum meum sub meo conspectu haberem simul posita“. In Würdigung seiner Verdienste um Staat und Menschheit wurde Vest nach 41jähriger Dienstleistung am 24. April 1787 von Kaiser Joseph II. in den österreichischen Adelstand erhoben. Ueber Lorenz Chrysanths Familienstand aus seinen drei Ehen siehe S. 222 die Darstellung über die Familie der Edlen und Ritter von Vest.

Carinthia (Klagenfurter Unterhaltungsblatt, 4°.) 29. August 1818, Nr. 35. – Erneuerte vaterländische Blätter (Wien, 4°.) 1817, Intelligenzblatt Nr. 90; 1818, Nr. 57; 1819, Intelligenzblatt Nr. 1. – Hermann (Heinrich). Handbuch der Geschichte des Herzogthums Kärnthen in Vereinigung mit den österreichischen Fürstenthümern (Klagenfurt, Leon, 8°.) Bd. III, 3. Heft: „Culturgeschichte Kärnthens von 1790 bis 1857 oder der neuesten Zeit“, S. 114, 210, 218, 219 und 220.
Porträt. Ein Oelbildniß befindet sich im Besitze des k. k. Statthaltereirathes Dr. Julius Ritter von Vest in Gratz.