BLKÖ:Wallis, Joseph Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 52 (1885), ab Seite: 265. (Quelle)
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Wallis, Joseph Graf (Staatsmann und Ritter des goldenen Vließes, geb. zu Prag 31. August 1767, gest. in Wien 18. November 1818), vom 1. Zweig der jüngeren Linie. Der älteste Sohn des Appellations-Vicepräsidenten Franz Ernst Grafen Wallis aus dessen Ehe mit Maria Maximiliana Gräfin Schaffgotsche, erhielt er unter der Leitung des Pädagogen August Zippe eine sorgfältige Erziehung. Nach beendeten Studien trat er in den Staatsdienst und begann bei den niederösterreichischen Landrechten seine öffentliche Laufbahn, ward nach neun Monaten Landrath, 1795 Appellationsrath und Prüfungshofcommissär bei der Arcierengarde galizischer Abtheilung, trat 1797, damals schon Gatte und Vater, auf den Ruf des Vaterlandes in die Reihen freiwilliger Krieger und empfing auch die Ehrenmünze, die zum Andenken an die vaterländischen Gefühle des treuen österreichischen Volkes geprägt wurde. 1798 zum Hofrath bei der vereinigten Hofkanzlei ernannt, behielt er den Vortrag über Böhmen bis 1802, wo er die Oberstlandrichterstelle, sammt der geheimen Rathswürde, und einige Jahre später wegen seiner Bemühungen um die Verbesserung der Gerichtspflege die Appellations-Präsidentenstelle erhielt. Seiner Thätigkeit erschloß sich ein größerer Wirkungskreis, als am 1. Jänner 1805 seine Ernennung zum Gouverneur von Mähren und Schlesien erfolgte, doch schon den 17. Juni wurde er durch ein kaiserliches Handschreiben nach Wien berufen, um dort den Eid als Oberstburggraf von Böhmen in die Hände seines Kaisers abzulegen. Wenige Monate darauf trat der verhängnißvolle Zeitpunkt ein, wo der österreichische Staat von feindlichen Heeren überschwemmt ward. Die unermüdete Thätigkeit, welche Graf Wallis in allen Angelegenheiten des Heeres entwickelte, erwarben ihm die volle Zufriedenheit des Landesfürsten, der ihn schon wenige Tage nach geschlossenem Frieden, am 12. Jänner 1806, mit dem Commandeurkreuz des St. Stephansordens, dann zwei Jahre darauf mit dem Großkreuze belohnte. Die Errichtung [266] der Landwehr, folgenreich für das Schicksal von Europa, und die übrigen Rüstungen beim Ausbruch des neuen Krieges 1809 nahmen die volle Thätigkeit des Oberstburggrafen in Anspruch. Zugleich weihte er eine vorzügliche Sorgfalt der Pflege verwundeter Krieger und der schnellen Ergänzung der böhmischen Regimenter, die alle in der mörderischen Schlacht von Aspern mitgefochten hatten, aber, schon wenige Wochen darauf in den hartnäckigen Schlachten bei Wagram und Znaim sich aufs neue als tapfere Krieger bewährten. Auch der inneren Verwaltung seines engeren Vaterlandes widmete er sich, so weit es ihm die Stürme des Krieges erlaubten. Der Verein zu Unterstützung der Armen und ein anderer vom Jahre 1809 zur Versorgung bedürftiger Familien mit Brennstoff und Decken fanden in ihm den eifrigsten Beförderer; die Anstalt zur Heilung und Bildung der Blinden, die Einführung der Sitte, die Geburts- und Namensfeste des Landesfürsten auch durch Vertheilung ansehnlicher Summen unter Hausarme ohne Unterschied des Glaubens zu feiern, verdanken dem Grafen Wallis ihre Entstehung. Am 15. Juli 1810 wurde derselbe zum Präsidenten der Hofkammer ernannt, und an seinen Namen knüpft sich die unheilvolle und noch heute nicht vergessene Katastrophe im österreichischen Finanzwesen. Vom 15. Juli 1810 bis zum 16. April 1813, au welchem er von letzterem Amte enthoben und zum Staats- und Conferenzminister im Staatsrath ernannt wurde, versah er das Portefeuille der österreichischen Finanzen, und in dieser Zeit brach der österreichische Staatsbankerott aus. Die Staatsschuld hatte sich verdoppelt, das Papiergeld (die sogenannten Bancozettel) war auf 150 Millionen Gulden angewachsen und galt kaum noch ein Zwölftel seines Nennwerthes. Am 26. März 1811 wurden die Bancozettel durch die ominösen Einlösungsscheine ersetzt, welche nur den fünften Theil ihres Nennwerthes galten. Ueber die Stimmung in der Oeffentlichkeit nach oberwähnter Finanzkatastrophe vergleiche S. 267 die zwanzig W des Finanzministers Grafen Wallis. Am 23. December 1817 ward er zum Präsidenten der obersten Justizstelle und der Gesetzgebungshofcommission ernannt, doch war es ihm nicht lange gegönnt, auf diesem Posten zu wirken. Denn nach nicht voller Jahresfrist starb er im Alter von erst 51 Jahren am Nervenschlag. Obwohl sich nun jenes traurige Ereigniß, welches einen großen Staat, und zwar in bedenklichster Zeitperiode traf, nicht verwischen läßt, so müssen wir doch dem Grafen Gerechtigkeit widerfahren lassen, räumt ihm doch Freiherr von Hormayr, der ihn nicht mit Glacéhandschuhen anfaßt, ausgezeichnete Eigenschaften ein, und wurde in unserer Lebensskizze seines trefflichen Wirkens auch gedacht. Noch sei an seine Verdienste erinnert, die er sich durch Emporbringung einer veredelten Obstzucht auf seinen mährischen Herrschaften Budischkowitz, Budwitsch und Butsch erwarb. Seine Obstanlagen standen in Vollkommenheit da, wie nirgends in Mähren. Sein Obstkatalog enthält 415 Aepfel-, 380 Birnen-, 116 Pflaumen-, 233 Kirschen- und Weichselsorten, darunter alle jene, welche im Katalog der berühmten Karthause zu Paris beschrieben sind. Der Schloßgarten in Budischkowitz war nicht nur eine ergiebige Pflanzschule für alle diese Anlagen, sondern auch eine Probeschule für die Acclimatisirung fremder Bäume, Sträucher und Pflanzen. Meilenweite Obstpflanzungen an den Straßen [267] verschönerten, wie sonst wohl nirgends von dieser Ausdehnung in Mähren, die Gegenden. Graf Joseph hatte sich am 11. September 1788 mit Maria Luise Gräfin Waldstein-Dux vermält, und stammen aus dieser Ehe die beiden Söhne Maximilian und Ludwig, welche Beide ihr Geschlecht fortpflanzten. (Vergleiche die Stammtafel.)

Abhandlungen der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, III. Folge, Bd. VI, S. 11. – Erneuerte vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien 4°.) 1819, Intelligenzblatt, Nr. 18 u. 19. – d’Elvert (Christian Ritter). Geschichte der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde mit Rücksicht auf die bezüglichen Culturverhältnisse Mährens und Oesterreichisch-Schlesiens (Brünn 1870, Rohrer, gr. 8°.) S. 163. – Hormayr. Lebensbilder aus dem Befreiungskriege. I. Ernst Friedrich Herbert Graf Münster (Jena 1845, Fromman, 8°.) zweite vermehrte Auflage. I. Abtheilung, S. 304. – Der österreichische Staatsrath 1760–1848. Eine geschichtliche Studie, vorbereitet und begonnen von Dr. Karl Freiherrn von Hock, aus dessen literarischem Nachlasse fortgesetzt und vollendet von Dr. Hermann Ign. Biedermann (Wien 1879, Braumüller, gr. 8°.) S. 664, 665–668 und 674. – Maasburg (M. Friedrich von). Geschichte der obersten Justizstelle in Wien (1749–1848). Größtentheils nach amtlichen Quellen bearbeitet (Prag 1879, J. B. Reinitzer und Comp., 8°.) S. 74. – Neues Fremden-Blatt (Wien 4°.) 1867, Nr. 14: „Unsere Finanzen vor zwei Menschenaltern. Aus den Aufzeichnungen eines alten Wieners“. – Oesterreichs Pantheon. Galerie alles Guten und Nützlichen im Vaterlande. (Wien 1831, M. Chr. Adolph, 8°.) Bd. III, S. 205. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien, 8°.) Bd. VI, S. 29. – Pratobevera Freiherr von Wiesborn (Karl Joseph). Materialien für Gesetzkunde und Rechtspflege in den österreichischen Staaten (Wien 8°.) Bd. IV, S. 415. – Springer (Anton Heinrich). Geschichte Oesterreichs seit dem Wiener Frieden 1809, Bd. I, S. 166 u. f. 188. – Vehse (Eduard). Oesterreichs Hof und Adel (Hamburg, Hoffmann und Campe, 8°.) Bd. IX, S. 239.
Die zwanzig W des Finanzministers Grafen Wallis. Bald nach dem Erscheinen des unheilvollen Finanzpatentes von 1811, welches den Credit Oesterreichs auf Jahre hinaus erschütterte und den Ruin von tausend und aber tausend Familien aller Stände im Gefolge hatte, fand man eines Tages an der Hauptpforte des Stephansdomes ein großes Placat angeschlagen, aus welchem in zwei Linien zwanzig durch Punkte getrennte W – wie folgt: W . w . w . W. w . W . W . W . W. w. W. w . w . W . w . W . W . W . W . w . im größten Maßstabe verzeichnet waren. Dieses räthselhafte Placat erregte allgemeines Aufsehen, man zerbrach sich den Kopf über den Sinn der Buchstaben. Aber schon nach einigen Tagen erschien an derselben Kirchenthür ein neues Placat mit der Lösung: Wie wohl war Wien wie Wallis Worte Wiener Währung waren. Wie weh ward Wien wie Wallis Worte Wiener Währung wurden. Diese Lösung ging wie ein Lauffeuer durch die Bevölkerung der Stadt und gelangte auch zu den Ohren des nächstbetheiligten, des Grafen Wallis, der, im höchsten Grade ergrimmt darüber, einen Preis von einhundert Ducaten auf die Entdeckung des Pamphletisten aussetzte. Da erschien an der nämlichen Kirchenthür nach wenigen Tagen wieder ein großes Placat, auf welchem mit weit sichtbaren Buchstaben die Verse zu lesen waren: „Wir sind unser vier: | Ich, Feder, Tinte und Papier. | Die letzten drei werden mich nicht verrathen, | Ich aber pfeif’ auf die hundert Ducaten.“ [Aus handschriftlichen Denkwürdigkeiten der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts.]