BLKÖ:Wengraf, Moriz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 54 (1886), ab Seite: 290. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Moriz Wengraf in Wikidata
GND-Eintrag: [1], SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wengraf, Moriz|54|290|}}

Wengraf, Moriz (Journalist, geb. zu Nikolsburg in Mähren 26. November 1830). Nachdem er die philosophischen Studien beendet hatte, wendete er sich dem in den Fünfziger-Jahren durch die grundlegenden Arbeiten von Moriz Carriere, Gervinus, Rosenkranz und Vischer völlig umgestalteten Zweige der historisch-ästhetischen Forschungen zu. Mehrere Arbeiten in deutschen Zeitschriften brachten ihn in Verbindung mit der Publicistik. Beim Erscheinen des Februar-Patentes (26. Februar 1861) gehörte er zu jener damals noch kleinen Gruppe deutscher Politiker und Schriftsteller, die gegen die Octroyirung der Februar-Verfassung für die Länder der ungarischen Krone auftraten und das von der centralistischen Schule – welche freilich die Erhaltung des Gesammtstaates als des einzigen bei Verwickelungen, die ihn von außen bedrohten, widerstandsfähigen ins Auge gefaßt hatte – aufgestellte Princip der Rechtsverwirkung der ungarischen Verfassung auf das lebhafteste bekämpften. Im „Frankfurter Journal“, damals das gelesenste ausländische Blatt in Oesterreich, vertrat er diesen politischen Gedanken mit ebensolcher Lebhaftigkeit als Consequenz. Von 1860–1861 führte er die Chefredaction des „Mährischen Correspondenten“, wurde aber bald darauf von seinen politischen Freunden – den deutschen Autonomisten – nach Gratz berufen, um dort die Leitung des politischen Blattes „Der Telegraph“ zu übernehmen. Daselbst blieb er als Herausgeber und Redacteur genannten Journals nahezu sechs Jahre thätig. Während dieser Zeit gewann die anfangs kleine Fraction der deutschen Autonomisten immer mehr und mehr an politischem Ansehen und an Zahl, bis sie nach dem Sturze Schmerling’s (27. Juli 1865) und der energischen Bekämpfung des Belcredi’schen Sistirungspatentes zur maßgebendsten Partei des deutschliberalen Bürgerthums in Oesterreich [291] wurde. Wengraf war nicht blos der publicistisch berufene Dolmetsch der Partei, sondern nahm an den hervorragendsten und wichtigsten Phasen der Entwickelung der heimischen Verfassungszustände einen bestimmenden Antheil. Nicht nur die Lineamente, welche die Selbständigkeit der Landesverwaltungen der einzelnen Gebiete West-Oesterreichs begrenzten, sowie die Kräftigung einer starken Centralgewalt sichern sollten, wurden in dem politischen Programme der deutschen Autonomisten fixirt, sondern durch eingehende Verhandlungen mit den Wortführern Ungarns die Grundzüge des Dualismus – allerdings in vielen Stücken wesentlich abweichend von den später durch den Grafen Beust überhasteten Vereinbarungen – festgesetzt. In dieser Phase der Entwicklungsgeschichte Oesterreichs griff Wengraf sowohl durch sein Journal „Telegraph“, das damals für die Kreise der österreichisch-deutschen Politiker richtunggebend war, sowie durch seine persönliche Bekanntschaft und seine Verhandlungen mit den maßgebenden politischen Wortführern der beiden Reichshälften bedeutsam in die Entwicklung unserer constitutionellen Verhältnisse ein. Mit der Herstellung des Dualismus – diesem ersten Axtschlage auf den durch die Jahrhunderte festgestandenen österreichischen Gesammtstaat – mußte die Partei der deutschen Autonomisten aus ihrer Besonderheit heraustreten. Gratz hörte auf, das politische Mekka zu sein, das es eine Zeit lang gewesen, und der „Telegraph“ hatte keine Berechtigung mehr, eine höhere politische Mission zu beanspruchen. Wengraf übersiedelte nun 1871 nach Wien, wo er die Redaction der „Constitutionellen Vorstadt-Zeitung“ übernahm. Diese führte er bis zum Herbst 1886; als um diese Zeit die Zerwürfnisse in der Redaction des „Neuen Wiener Tagblatt“ den Austritt des bisherigen Chefredacteurs Moriz Szeps [Bd. XLII, S. 117] zur Folge hatten und dieser ein neues Blatt unter gleichem Titel gründete, wurde als Chefredacteur, des alten Moriz Wengraf berufen, in welcher Stellung derselbe zur Zeit sich befindet.

Deutscher Literatur-Kalender für das Jahr 1884. Herausgegeben von Joseph Kürschner (Berlin und Stuttgart, W. Spemann, 32°.) VI. Jahrg., S. 286. – Wiener Rothbuch. Kalender für 1872. Herausgegeben von Karl Linder und F. Groß (Wien, 8°.) S. 235. Sein Artikel: „Parlamentarismus und Volkswirthschaft“ ist ein Stück seines politischen Glaubensbekenntnisses[WS 1].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Glaubensbbekenntnisses.