BLKÖ:Haimerl, Franz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
fertig
Nächster>>>
Hain, Johann von
Band: 7 (1861), ab Seite: 216. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Franz Xaver Haimerl in Wikidata
GND-Eintrag: 116392584, SeeAlso
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Haimerl, Franz|7|216|}}

Haimerl, Franz (Professor der Rechte, geb. im Dorfe Gröna in Böhmen 15. Februar 1806). Seine Eltern besaßen eine kleine Bauernwirthschaft; seinen ersten dürftigen Elementarunterricht erhielt er in der Dorfschule zu Ottenreith, welchen jedoch der dortige Pfarrer, Wenzel Zitta, später in solcher Weise vervollständigte, daß er nach bestandener Prüfung in das Gymnasium zu Eger eintreten konnte. Nach beendetem Gymnasium begab sich H. nach Wien und setzte da die philosophischen und die juristischen Studien unter Dolliner, Egger, Kudler, Springer, Wagner, Winiwarter fort. Bereits, als H. in Wien die Logik hörte, war er so glücklich, von Professor Dr. Wagner zuerst zur Besorgung von Schreibereien und Correcturen, sodann für den Unterricht seiner Kinder aufgenommen zu werden. Dadurch war er nicht nur der dringenden Nahrungssorgen überhoben, sondern wurde durch die Art seiner Beschäftigung und den Umgang mit dem ausgezeichneten Rechtsgelehrten, welcher Wagner war, von seinem Vorhaben, Theologie zu studieren, abgezogen. Nach zurückgelegten juristischen Studien trat H. in der Absicht, sich dem Richterstande zu widmen, in die Civilpraxis ein; da er jedoch seines Unterhaltes wegen an Wien gefesselt war, daselbst aber nicht sogleich angestellt werden konnte, entschloß er sich auf Wagner’s Rath, die strengen Prüfungen zur Erlangung der Doctorwürde zu machen, und sich für eine Professur aus den Rechten oder die Advocatur vorzubereiten. Ende 1831 nahm ihn Wagner zu seinem Supplenten und als er im Jahre 1833 starb, wurde ihm die selbstständige Supplirung seiner Lehrkanzel übertragen. Inzwischen wurde er auch Privatdocent für die juridischen politischen Lehrfächer, Mitglied der juridischen Facultät und der damit verbundenen Societät und nahm Antheil an den commissionellen Berathungen, die bei der niederösterreichischen Regierung über den Entwurf zu einer Wechselordnung gepflogen wurden. Im Jahre 1836 [Allerh. Entschließung vom 8. März 1836] wurde H. zum ordentlichen öffentlichen Professor des Lehen-, Handels- und Wechselrechtes, dann des civilgerichtlichen Verfahrens in und außer Streitsachen an der k. k. Karl Ferdinand-Universität in Prag ernannt. Im Jahre 1848 begründete er in Prag einen juridischen Leseverein, dessen Vorstand er wurde. Als die Wirren des Jahres 1848 begannen, und die Regierung sich nach vertrauenswürdigen und gediegenen Männern zur Anbahnung der Reformen umsah, wurde H. von dem damaligen Gubernial-Präsidenten in Prag, Stadion, in jene Commission berufen, die er sich zur Berathung der drängenden Zeitfragen an die Seite stellte, und durch die dem Grafen von dem čechischen Agitator Faster und der Swornost aufgedrungenen Verschmelzung dieser Gubernialcommission mit dem von čechischer Seite gewählten St. Wenzelscomité wurde er Mitglied jenes Nationalcomité’s, welches den ersten böhmischen Landtag vorbereiten sollte, dessen Arbeiten aber, von den Zeitereignissen überholt, nicht zum Abschlusse kamen. Die in jener Zeit auf ihn gefallene Wahl zum Frankfurter Parlament schlug H. aus, weil sich seiner das allgemeine Beste bezweckenden Thätigkeit im Vaterlande genug Spielraum darbot, und auch nahm er die Wahl [217] zum Deputirten des constituirenden Reichstages in Wien für den deutschen Bezirk Elbogen in Böhmen an. Während des Reichstages fungirte er stets als Präses in verschiedenen Abtheilungen und zuletzt in Kremsier als Präses des Schulausschusses. Nach Auflösung des Reichstages kehrte er wieder zu seiner Lehrkanzel nach Prag zurück, wurde dort Mitglied des deutschen Vereines, 1850 Präses des Theiner Nächstenliebevereines, Mitglied des Wahlcomité’s, das nach einem festgesetzten Programme für Landtags- und Reichstagswahlen wirken sollte; Directionsmitglied oder Präses-Stellvertreter eines eigenen Vereines für ein Constitutionsdenkmal, der mit Aufhebung der Constitution sich von selbst auflöste und seine Barschaft dem Radetzky-Denkmale abtrat. Früher noch aber (Allerh. Entschließg. vom 25. Juni 1846) war er bei dem Prager Handels- und Wechselgerichte als Beisitzer und Votant eingetreten, um die Anwendung der neuen Wechselordnung selbst betrachten zu können, wurde Mitglied der judiciellen Staatsprüfungscommission, lehnte dagegen, der čechischen Sprache nicht mächtig, das Decanat bei dem juridischen Professorencollegium ab, wodurch er jedem Parteiconflicte von vornherein die Spitze abbrach. Im Jahre 1852 folgte H. dem Rufe als ordentlicher öffentlicher Professor des civilgerichtlichen Verfahrens und des Lehenrechtes nach Wien, berechtigt zugleich zu Vorträgen über Handels- und Wechselrecht; auch wurde er zum Mitgliede der judiciellen, sowie zum Präses der rechtshistorischen Staatsprüfungscommission ernannt, im Jahre 1855 und 1861 zum Director des rechts- und staatswissenschaftlichen Professorencollegiums und jüngst (1860) zu dem Comité gewählt, welches im k. k. Justizministerium den Entwurf einer auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit basirten Civilproceßordnung berathen soll, nachdem er bereits wiederholt in seinen rechtswissenschaftlichen Arbeiten für die Nothwendigkeit einer solchen Reform sich ausgesprochen hatte [vergleiche seinen Aufsatz darüber im „Magazin“ über die Aufgabe der Civilproceßgesetzgebung in Oesterreich im 15. Bde.].[BN 1] Was H.’s literarische Beschäftigung neben dem Lehramte betrifft, so versah er schon während seiner Studien und Vorbereitungen für die Rigorosen unter Wagner’s Leitung die Redactionsarbeiten bei dessen „Zeitschrift für österr. Rechtsgelehrsamkeit u. s. w.“, und schrieb selbst verschiedene kleinere literarische Anzeigen für dieselbe. Wagner’s Tod drohte auch seiner Zeitschrift den Untergang. H. führte sie nun durch drei Monate unter eigener Haftung fort, bis sich Dolliner und Kudler herbeiließen, den Namen dafür zu leihen, unter der genehmigten Bedingung, daß er die Redactionsarbeit nach wie vor versehe. Dieß geschah auch bis zu H.’s Uebersiedlung nach Prag im Frühjahre 1836, worauf die Redaction an Kudler’s damaligen Supplenten, Dr. Tomaschek überging. Außer einer Reihe von Abhandlungen und Kritiken, die sich in dieser Zeitschrift bis 1849 finden [sie sind alle aufgezählt in Stubenrauch’s „Bibliotheca juridica austriaca“, Nr. 1558–1583], arbeitete er auch mit an anderen periodischen Blättern des In- und Auslandes, namentlich an der „deutschen Zeitung für Böhmen“, an E. Kind’s in Leipzig erscheinenden „Summarium juridicum“, an Richter’s und Schneider’s in Leipzig ausgegebenen „kritischen Jahrbüchern für deutsche Rechtsgelehrsamkeit“, am „Archiv für civilist. Praxis“ in Heidelberg u. A. m. Im Jahre 1850 begründete H. in Prag das „Magazin für [218] Rechts- und Staatswissenschaft“, und setzte dasselbe nach seiner Uebersetzung nach Wien daselbst bei Manz bis inclus. zum 16. Bande fort[1]. Differenzen mit der Verlagshandlung veranlaßten ihn, die Zeitschrift in etwas veränderter Form bei Braumüller unter dem Titel: „Oesterreichische Vierteljahresschrift für Rechts- und Staatswissenschaft“, weiter fortzusetzen. Bisher sind davon wieder 6 Bände erschienen. Sie ist dem Fortschritte auf wissenschaftlicher Basis gewidmet, und H. betheiligt sich daran nicht bloß als Herausgeber, sondern auch als Mitarbeiter. Außer diesen rechtswissenschaftlichen Zeitschriften gab H. theils ganz selbstständig, theils in Bearbeitung älterer Werke heraus: „Beitrag zur Erläuterung des §. 338 der österr. allgem. Gerichtsordnung über die executive Relicitation“ (Wien 1832, Sollinger); – „Die Lehre von den Civilgerichtsstellen in den deutschen und italienischen Ländern des österreichischen Kaiserstaates nach des Herrn Prof. Dr. V. A. Wagner’s Systeme und mit Benützung seiner Materialien bearbeitet“. 2 Bde. (Wien 1834 u. 1835, Mösle’s Witwe); – „Das adelige Richteramt... von Joachim Füger, fünfte neuerdings revidirte und vermehrte Auflage von Dr. Franz Haimerl“. 3 Theile (Wien 1836 u. 1837); – „Vorträge über den Concurs der Gläubiger nach den in den österreichischen Staaten geltenden Gesetzen“ (Wien 1840, Braumüller); – „Quellen des böhmischen Lehenrechts. Zum Gebrauche bei den öffentlichen Vorträgen“ (Prag 1847, Credner); – „Die deutsche Lehenhauptmannschaft (Lehenschranne) in Böhmen. Ein Beitrag zur Geschichte des Lehenwesens in Böhmen mit urkundlichen Beilagen“ (Prag 1848), der Krombholz’schen Krankenbettstiftung für Studenten gewidmet; – „Versuch einer kurzen geordneten Darstellung der neuen Competenzvorschriften ( Jurisdictionsnormen) für das civilgerichtliche Verfahren in Oesterreich“ (Wien 1854, Manz; 2. vermehrte und verbesserte Auflage ebd. 1855, 3. Auflage siehe weiter unten); – „Anleitung zum Studium des Wechselrechtes mit besonderer Rücksicht auf die in Oesterreich derzeit bestehenden Gesetze“ (ebd. 1855); – „Die Verfassung der Civilgerichte in Oesterreich“. 2 Abtheilungen, 1. Abthlg.: Darstellung der neuesten gesetzlichen Bestimmungen über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Civilgerichte in Oesterreich; 2. Abthlg.: Darstellung der neuesten Competenzvorschriften u. s. w. (Wien 1856, Manz). Diese zweite Abtheilung ist nur die dritte vermehrte Auflage des oben genannten „Versuchs ...“; – „Darstellung der gesetzlichen Bestimmungen über die Parteien und deren Stellvertreter im civilgerichtlichen Verfahren in Oesterreich“ (Wien 1857, Braumüller). H. zählt noch zu den wenigen Epigonen der alten mit Recht gerühmten juridischen Schule Oesterreichs, mit deren gründlicher und gediegener Auffassung des Rechts er das Studium der neuen Fortschritte dieser Wissenschaft verbindet und in seinen Werken und Vorträgen zum Ausdrucke bringt. Seine politische Richtung bezeichnet er selbst mit den Worten: „Treu – aber frei“.

Rittersberg, Kapesni slowniček (Praze 1850). Bd. I, S. 556. – Wurzbach (Constant von), Bibliographisch-statistische Uebersicht der Literatur des österreichischen Kaiserstaates. Erster Bericht 1859 (Wien, Manz), S. 18, Marg. 387 u. f.; zweiter Bericht 1855 (Wien, Staatsdruckerei), S. 178, Marg. 5195, S. 194, Marg. 5794; dritter Bericht 1856 (ebd.), S. 474, Marg. 14.834, S. 506, Marg. 15.989 und S. 516. Marg. 16.365.

  1. Darüber erscheint nächstens von Dr. Degen ein umständliches Sach- und Personalregister bei Braumüller.

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Haimerl, Franz, Professor der Rechte [s. d. Bd. VII, S. 216]. Am 1. October 1863 fand seine feierliche Inauguration zum Rector magnificus der Wiener Hochschule Statt, bei welcher Gelegenheit, einem alten Brauche gemäß, der jeweilige Decan des Collegiums – dießmal Dr. Unger – aus dessen Mitte das neue Oberhaupt der Universität hervorgeht, eine biographische Darstellung desselben in oratorischer Form zu geben pflegt, wie es auch hier geschah.
    Oesterreichische Wochenschrift für Literatur u. s. w. (Beilage der Wiener Zeitung) 1863, Bd. II, S. 417: „Rede bei der feierlichen Inauguration des Rector magnificus F. X. Haimerl am 1. October 1863, gehalten von Prof. Joseph Unger“. [Band 11, S. 424]