BLKÖ:Leber, Ferdinand Joseph Edler von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 14 (1865), ab Seite: 266. (Quelle)
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Leber, Ferdinand Joseph Edler von (k. k. Leibwundarzt, geb. zu Wien 31. December 1727, gest. ebenda 14. October 1808). L. war der Sohn eines ganz unbemittelten Perrückenmachers in Wien, und seine Mutter war Hebamme. Unter solchen Auspicien konnte er sich keiner glänzenden Erziehung erfreuen, umsomehr da er schon im 13. Jahre vaterlos wurde und sein ganzes Erbgut in einem bildungsfähigen Kopf und einem kräftigen Körper bestand. Er hörte die Grammaticalclassen in den Schulen der Gesellschaft Jesu, und ward dann zu einem bürgerlichen Wundarzt in die Lehre gegeben. Glücklicher Weise fiel ihm während seiner Lehrzeit eine kleine Erbschaft zu, welche ihn in den Stand setzte, den sehnlichen Wunsch nach gründlicher Erlernung der Wundarzeneikunde zu befriedigen, wenngleich dieses nur durch die bittersten Entbehrungen und nach unaufhörlichen Kämpfen mit Noth und Elend bewirkt werden konnte. Zu Leber’s großem Vortheil fügte es sich, daß gerade damals die Lehrkanzeln des chirurgischen Studiums mit ausgezeichneten Meistern besetzt waren, in deren Schule er sich den theoretischen Theil der Kunst auf das vollkommenste aneignete. Nach beendetem Curse kam L. als unentgeltlicher Praktikant an das Dreifaltigkeitshospital, wo er ungeachtet seiner traurigen Lage vier Jahre sich thätig und unverdrossen verwenden ließ. Von welchem Nutzen ihm dieser praktische Curs war, erwies sich bei der im Jahre 1771[WS 1] mit ihm vorgenommenen strengen Prüfung um das Magisterium der Chirurgie, welche von den Prüfenden als höchst gelungen anerkannt wurde. In Folge dessen erwirkte ihm der berühmte van Swieten kurz darnach eine Anstellung als Hospitalsarzt zu Breitenfurt in Niederösterreich, mit welcher freilich nur der Gehalt von 100 Thalern verbunden war. Indessen begann von hier aus Leber’s Ruf sich auszubreiten, und schon im nächsten Jahre ward er nach Wien als Wundarzt am Bürgerspitale berufen. Sein Wirkungskreis war hier durch den Umstand sehr ausgedehnt, daß mit dem Bürgerspitale auch die Oberaufsicht über zwei andere Hospitäler, ferner die syphilitische Klinik, die Irrenanstalt und das Gebärhaus in Verbindung stand. Außerdem war er beauftragt, Criminal-Inquisiten, denen die sogenannte peinliche Frage bevorstand, ärztlich zu untersuchen, ob ihre Constitution ohne Lebensgefahr die Qualen der Tortur überdauern könne. Auf diesem traurigen Standpuncte machte Leber die Bekanntschaft des menschlichen Elends in seinen gräßlichsten Gestalten, und sein Herz blutete, während sein Verstand unschätzbare Erfahrungen in dem praktischen Gebiete seiner Berufswissenschaft sammelte. Durch volle 19 Jahre blieb Leber bei diesem entsetzlichen Amte, bis endlich, und zwar im Jahre 1776, die Folter auf immer aus den Gerichtshöfen der Erbstaaten verwiesen wurde. Leber hatte bei der großen Maria Theresia nicht wenig dazu beigetragen, indem er schriftlich und mündlich gegen die Widersinnigkeit und Grausamkeit dieses peinlichen Verfahrens durch Vernunftgründe und Beispiele eiferte. Leber hatte seit dieser Zeit die [267] Obliegenheit, alle in den Kerkern der Residenz befindlichen Häftlinge zu superarbitriren, d. i. ein spruchreifes zweites Gutachten über ihren wie immer gearteten Geisteszustand abzugeben. Dieß that er durch 28 Jahre, und war nach seinen besten Kräften bemüht, Gutes zu thun auch an den Scheusalen der Menschheit, so wie er auch manche Unschuld an den Tag brachte, und Andere, bloß Verirrte, auf den rechten Pfad zurückleitete. Im Jahre 1761 ward Leber mit der Lehrkanzel der Anatomie und theoretischen Wundarzeneikunde betraut, welche mit einem ansehnlichen Gehalte und dem Titel eines k. k. Rathes verbunden war. 1786 vertauschte er damit den Vortrag über chirurgische Krankheits-, Operations-, Maschinen- und Bandagenlehre, welchen er bis zu seinem Tode ununterbrochen versah. Im Verlaufe seines Lehramtes erhielt er von der großen Maria Theresia den Auftrag, zum Behufe des neuen Criminalcodex eine Instruction zu verfassen, nach welcher bei der Beschau crimineller Verletzungen, gewaltsamen Todes, bei der Abfassung der Visa reperta, Ausstellung und Controlirung ärztlicher Zeugnisse u. dgl. m. vorgegangen werden solle. Am 1. Februar 1776 zeichnete die Kaiserin L. mit der Ernennung zu ihrem Leibwundarzt aus, und zwei Jahre später ward er in den erbländischen Adelstand mit dem Ehrenworte „Edler von“ erhoben. Von Kaiser Franz erhielt L. 1801 eine Personalzulage von 500 fl. Die letzte Auszeichnung aber ward ihm 1805, da er 44 Jahre als Professor diente und er dafür mit der großen goldenen Medaille mit der Kette belohnt wurde; sie wurde ihm im Saale der Universität in feierlicher Weise im Beisein der gesammten Arzte und Wundärzte umgehängt. Ungeachtet seines hohen Alters fuhr Leber dennoch in der Ausübung seiner Mühewaltung zum Heile der leidenden Menschheit bis zu seinem Tode fort, der ihn im Alter von 81 Jahren der leidenden Menschheit entriß. L. hat als Wundarzt, Operateur, und Schriftsteller seines Faches sehr Verdienstliches geleitet. Als öffentlicher Lehrer that er sich keineswegs durch einen blühenden Vortrag, oder blendenden Bombast gesuchter technischer Ausdrücke hervor, wohl aber wußte er seine Erklärungen so ganz der Individualität der Schüler und dem Gegenstande anzupassen, daß selbst dem beschränktesten Kopfe nichts unklar bleiben konnte. Seine Gegner tadelten daher seine Vorträge als geistlos und unwissenschaftlich. Dabei flocht er mittelst ungemein geschickter Wendungen auffallende Ergebnisse aus seiner reichen Praxis ein, und fesselte die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer unwiderstehlich an den Faden seiner Rede. Eine Menge der tüchtigsten Wundärzte ging aus seinem Unterrichte hervor, welche mit Stolz sich ihres geachteten Meisters rühmen. Von besonderem Nutzen für seine Vorträge war seine trefflich geordnete Sammlung anatomisch-pathologischer Präparate, womit er der Wiener Universität im Jahre 1786 ein werthvolles und willkommenes Geschenk machte. Auch als Schriftsteller war L. thätig und hat folgende Schriften herausgegeben: „Abhandlung von der Nutzbarkeit des Schierlings in der Wundarzeneikunst“ (Wien 1762, Trattner, 8°.); – „Vorlesungen über die Zergliederungskunst“ (Wien 1772, zweite Ausgabe 1778, Blumauer, gr. 8°.), später von J. Chr. Rosenmüller neu bearbeitet und unter dem Titel: „Umriß der Zergliederungskunst, umgearbeitet und vermehrt“ (Leipzig 1808, Winter, gr. 8°.) herausgegeben; die lateinische Bearbeitung [268] erschien unter d. Tit.: „Praelectiones anatomicae. Editio nova ex germanico traducta“ (Vindobonae 1777, Gräffer, 8°.). Was nun endlich Leber’s Benehmen als Mensch und Staatsbürger anbelangt, so besaß er wohl wenig die Kunst, seinen Manieren die höfliche Abgeschliffenheit des Weltmannes zu geben, und wurde gewöhnlich für derb und unzugänglich gehalten. Dafür aber fand der Aufmerksame einen so herrlichen Fond von schlichter Redlichkeit, aufrichtiger Freundschaft, warmem Gefühl und Dienstwilligkeit, daß er über der gediegenen Männlichkeit und strengen Moralität gerne obigen Mangel vergaß. Mit seiner Gattin erzeugte Leber in einer glücklichen 36jährigen Ehe 36 Kinder[BN 1], von denen ihn aber nur 8 überlebten.

Adelstands-Diplom vom 26. September 1778. – Oesterreichs Pantheon. Gallerie alles Guten und Nützlichen im Vaterlande (Wien 1831, M. Chr. Adolph, 8°.) Bd. I, S. 85. – Oesterreichische Biedermanns-Chronik. Ein Gegenstück zum Fantasten- und Prediger-Almanach (Freiheitsburg [Akademie in Linz] 1785, kl. 8°.) I. (und einziger) Theil, S. 131. – Hecker (J. F. C. Dr.), Geschichte der neueren Heilkunde (Berlin 1839, Enslin, 8°.) S. 444 u. 553. – (De Luca) Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1776, Ghelen, 8°.) I. Bandes 1. Stück, S. 292. – Oesterreichischer Bürger-Kalender (Wien, 8°.) Jahrgang 1846, S. 79. – Neue Annalen der Literatur des österreichischen Kaiserthumes (Wien, Doll, 4°.) II. Jahrg. (1808), Intelligenzbl. December, Sp. 248. – Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien, Anton Strauß, 4°.) Jahrgang 1809, S. 446. – Baur (Samuel), Allgemeines historisch-biographisch-literarisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die in dem ersten Jahrzehend des neunzehnten Jahrhunderts gestorben sind (Ulm 1816, Stettini, gr. 8°.) Bd. I, Sp. 812. – Prof. Ferdinand Bernh. Vietz hat auf L. eine Gedächtnißrede gehalten; ob aber diese gedruckt erschienen, ist mir nicht bekannt.[BN 2]Porträte. 1) Unterschrift: Ferdinand Edler von Leber, J. R. K. K. A. M. Rath, Leib Chieurgus (sic), Docktor (sic) und öffentlicher Lehrer der Wundarztneykunst auf der hohen Schule in Wien. J. Helbling pinx., J. Mansfeld sc. (Wien, 8°.); – 2) A. Lang sc. (Wien, 4°.), seltenes Blatt. – Wappen. Ein schrägrechts getheilter Schild. Im vorderen goldenen Felde auf grünem Grunde ein dreizinniger, mit Schußlöchern und einem geschlossenen Thore versehener Thurm; über demselben eine linksgekehrte natürliche Eule; in der Mitte gerade über dem Thore eine schwarze Steinplatte mit den Initialen M. T. im Golde. Im hinteren blauen Felde drei sechseckige untereinandergestellte goldene Sterne. Auf dem Schilde ruht ein rechtsgekehrter gekrönter Turnierhelm. Auf der Krone steht ein rechtssehender einfacher schwarzer Adler mit ausgeschlagener Zunge, ausgebreiteten Flügeln und von sich gestreckten Fängen. Die Helmdecken sind rechts schwarz, links blau, zu beiden Seiten mit Gold belegt.

Berichtigungen und Nachträge

  1. Ferdinand Leber [Bd. XIV, S. 266, wo diesen ein etwas allzu gütiger Druckfehler mit [42] einem Segen von 36 Kindern überschüttet, deren Zahl wir hiermit, der Wahrheit die Ehre gebend, auf 13 herabsetzen] [Band 41, S. 41 f.]
  2. E Leber, Ferdinand Joseph Edler [Bd. XIV, S. 266].
    Vietz (Ferd. Bernh.), Rede zur Gedächtnißfeier des am 14. October 1808 verstorbenen k. k. Rathes u. s. w. Herrn Ferdinand Edlen von Leber (Wien 1810, Gerold, 4°., 24 S.). [Band 28, S. 363]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Datum irrig Nach Leber, Ferdinand Joseph Edler von (ADB) ist 1751 korrekt.