BLKÖ:Locatelli, Luigi (I.)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Locatelli, Jacob
Band: 15 (1866), ab Seite: 351. (Quelle)
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Locatelli, Luigi (I.) (Mechaniker, geb. zu Venedig im Jahre 1778, gest. ebenda 1. September 1855). Verlor frühzeitig Mutter und Vater und lebte bei seinem Stiefbruder und seiner Stiefschwester, welche um vieles älter als er und ihm zur Vormundschaft bestellt waren. Bei den Jesuiten in Venedig besuchte er die Schulen und in der Mathematik bildete er sich unter dem Abbé Zugno aus, der in den genannten Fächern sich eines besonderen Rufes erfreute. Schon in seiner Jugend zeigte L. ein besonderes Geschick in mechanischen Arbeiten, und im stiefmütterlichen Hause wenig gehätschelt, machte er sich aus Scheere und einem stumpfen Messer das Spielzeug zurecht, das seinen jugendlichen Spielgenossen von Anderen geschenkt wurde. Mit 18 Jahren trat er aus der Schule und als Kanzellist bei einem Friedensrichter in Dienst. In dieser Zeit fällt eine Begebenheit in L.’s Leben vor, welche Zeugniß gibt von dem sittlichen Gehalte des Jünglings, der auch dem Manne und Greise unverkümmert blieb. L. diente damals – es war nach der ersten Occupation Venedigs von Seite Oesterreichs – bei einer kais. Gerichtsbehörde, die man zu jener Zeit Sommario nannte. Da starb um diese Zeit ein Mann, der für sehr reich und als Besitzer einer großen Menge von Juwelen galt. Nach seinem Tode fand sich jedoch nichts vor. Das Gericht durchsuchte alles und fand nichts. Locatelli, der mit bei der Commission war, faßte einen alten unbeachtet gebliebenen Schrank scharf ins Auge und während die Commission überall und vergebens umher suchte, entdeckte er in diesem Schranke ein geheimes Behältniß, das er sofort öffnete und wo sich der bedeutende Schatz des Verstorbenen fand. L. holte nun die Commission, zeigte ihr den Versteck und übergab ihr den kostbaren Fund. In den Mußestunden beschäftigte er sich immer mit seinen mechanischen Arbeiten und so verfertigte er zu jener Zeit äußerst niedliche und auch vortreffliche Guitarren, welche selbst das Staunen der Venetianer Instrumentenmacher erweckten, und keiner von ihnen konnte unter seinen Instrumenten eines nachweisen, welches die Eleganz und sonstige technische Vollendung derjenigen [352] besaß, die L. zu seinem Vergnügen construirte. In späteren Jahren noch kehrte L. zu diesen ihm besonderes Vergnügen bereitenden Arbeiten zurück und erfand aus Seide eine Art Saiten, für welche ihm das Institut der Künste und Wissenschaften in Venedig die Medaille zuerkannte. Zur Zeit des Königreichs Italien wurde in Mailand ein öffentlicher Concurs für ein neues System der Plombirung auf den Zolllegstätten ausgeschrieben. L. erbat sich von seiner Behörde den Urlaub, begab sich nach Mailand und trug mit seiner Erfindung unter dreihundert französischen und italienischen Mitbewerbern den Preis davon. Das höchst sinnreiche Instrument erregte allgemeine Bewunderung, es wurde mit einer goldenen Medaille im Gewicht von 100 Ducaten und außerdem mit einer Ehrengabe von 1000 Ducaten belohnt. Ueberdieß hatte L. durch seine Erfindung und durch sein ganzes.Wesen so sehr den Beifall des Finanzministers des Königreichs Italien gewonnen, daß dieser, um diese schöpferische geistige Kraft auch fernerhin in seinem Dienste zu behalten, für ihn eigens eine neue Stelle schuf, die des „Verificatore scientifico dei Pesi e Misure“, ein Amt, das ihm keine Mühe machte und ihm vollends Muße gab, sich seinen Lieblingsstudien hinzugeben. Nach dem Falle des Königreichs Italien wurde L., dessen oberwähnte Stempelmaschine von der österreichischen Regierung zu eigenem Gebrauche zurückgehalten wurde, in seiner obigen, eigens für ihn geschaffenen Stelle, auch für das lombardisch-venetianische Königreich bestätigt. Indessen beschäftigte er sich immerfort mit neuen Erfindungen, deren er viele höchst sinnreiche und wichtige zu Stande brachte. In eine nähere Beschreibung derselben sich hier einzulassen, ist nicht leicht thunlich, doch im Allgemeinen sollen die wichtigeren doch angedeutet werden. So löste er ein fünfjähriges Privilegium auf die Erfindung einer neuen Schnellwage, welche wegen ihrer Vollkommenheit als Normalwage angesehen werden kann und von allen Mängeln der gewöhnlichen Schnellwagen, ja selbst der gleicharmigen Wagen, frei ist. – Dann erfand er eine Art pythagoreische Tafel zur Beifügung der Stempeltaxe auf Schriften und Urkunden. Diese ebenfalls höchst sinnreiche Erfindung wurde von der kais. Regierung erworben und in den betreffenden Aemtern in Anwendung gebracht. – Großes Aufsehen erregte sein ganz neu erfundenes Schiff, welches nicht untergehen und mit dem man ohne Segel, ohne Ruder und ohne Dampfmaschine auf den Flüssen hin und her, aufwärts und abwärts fahren konnte. Die Probe wurde öffentlich zu Pavia auf dem Flusse Ticino vor einer großen Menge Volkes angestellt und fiel vortrefflich, zur allgemeinen Bewunderung der versammelten Zuschauer aus. Sechs Menschen in der Barke setzten den Mechanismus in Bewegung. Das Fahrzeug konnte eine Ladung, doppelt so schwer als es selbst war, einnehmen. Es machte alle Wendungen mit großer Geschwindigkeit, und obgleich nur für Flüsse und Canäle berechnet, so konnte es doch auch zu Fahrten auf Seen und Meeren mit allem Vortheil angewendet werden. – Ferner erfand er eine Wasserhebungsmaschine, deren Princip auf der bekannten archimedischen Wasserschnecke (Wasserschraube) beruht, welche sich aber von der gewöhnlichen dadurch unterscheidet, daß hier die Schraubengänge, statt über einen schiefliegenden Cylinder, über einen Kegel gewunden sind. – Für seine Chinamühle (sie hieß Mulino per etterizzare), um [353] die China-China in unfühlbaren Staub zu zermahlen[WS 1], wurde er neuerdings mit der goldenen Medaille ausgezeichnet. Diese höchst sinnreiche Erfindung gerieth allmälig in Vergessenheit, weil die Medicin sich später, statt der natürlichen China-China, des Chinin-Sulfates, welches die Mühle überflüssig macht, bediente. Analoge Erfindungen machte er auch zum Zerreiben des Tabaks, und wurden dieselben in der ärarischen Fabrication des Tabaks in Anwendung genommen. Die Beleuchtung einer schönen Mondnacht brachte ihn auf die Idee einer neuen Beleuchtungsart im Theater Fenice in Venedig. Mittels parabolischer Spiegel wird das Licht von vielen Lampen über eine mitten in der Decke des Theaters befindliche Oeffnung concentrirt und abwärts auf ein System von plan-concaven Gläsern, einen Fuß im Durchmesser, geworfen, welche die Oeffnung einnehmen. Die Strahlen gehen parallel auf die Gläser und werden durch dieselben in divergirenden Richtungen über den Schauplatz vertheilt. Zu Anfang der Zwanziger-Jahre begab sich L. nach Frankreich, wo er sich dann mit kurzen Unterbrechungen, wenn er seine Heimat besuchte, durch eine lange Reihe von Jahren aufhielt. Die französische Regierung interessirte sich um mehrere der von L. gemachten Erfindungen und ließ ihn auf Staatskosten von einigen derselben die nöthigen Versuche machen. Insbesondere fanden die von ihm erfundene Astrallampe, dann die Maschinen zur Herstellung der Feilenfurchen und endlich sein neues System, die Seide zu spinnen, allgemeinen Beifall. Zur Herstellung der durch ihn in bisher unerreichter Vollendung ausgeführten Feilen baute er mit noch Einigen in Gemeinschaft eine Fabrik, die bald ihren ausgezeichneten Ruf bewährte und weit und breit ihre Fabricate versendete. Sein neues Spinnsystem brach sich ungeachtet gehässiger Verfolgungen, die ihm anfänglich auch Nachtheil brachten, endlich doch Bahn, wurde im Jahre 1845 von der kön. Gesellschaft zur Aufmunterung der nationalen Industrie in Paris mit der goldenen Preismedaille gekrönt und in Frankreich, in Italien, vornehmlich in der Lombardie, wo es noch zur Stunde in Anwendung ist, angenommen. Seine Astrallampe aber – die mit starker Beleuchtung eine Ersparung des Brennmaterials verbindet – wurde auf den Kriegsschiffen der königlichen und auch auf den Fahrzeugen der Handelsmarine allgemein in Anwendung gebracht. Sechsundzwanzig Jahre, von 1826 bis 1852, war L. fast beständig in Frankreich geblieben im Juli des letztgenannten Jahres kehrte er nach Venedig zurück und verlebte daselbst den kurzen Rest seines Lebens, in welchem er sich durch seinen schöpferischen Geist der Menschheit in so mannigfacher und zweckentsprechender Weise nützlich gemacht hatte. Uebrigens, wenn er auch nicht das harte Loos der meisten Erfinder erfuhr, die, das bekannte non mihi sed vobis erhärtend, in Armuth und Elend sterben, so hatte er doch, wie sein Biograph schreibt, selbst arglos, sanften Sinnes und uneigennützig, das Unglück, meist mit solchen Leuten in Geschäftsverbindung zu gerathen, die ihn, wie und wo sie nur konnten, übervortheilten, von seinem erfinderischen Genius den größtmöglichsten Nutzen zogen, während sie ihn, wenn sie ihr Ziel erreicht, sich selbst überließen.

Magrini (Pietro), Sulla vita e sulle opere di Luigi Locatelli ingegnere meccanico Veneziano. Memoria (Venezia 1856, gr. 8°.). – Pappe (J. J. C. Dr.), Lesefrüchte (Hamburg, 8°.) Jahrg. 1819, Bd. II, S. 13. – Keeß (Stephan Ritter von), Systematische [354] Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen und des gegenwärtigen Zustandes derselben. Als Fortsetzung und Ergänzung des im Jahre 1823 beendigten Werkes: Darstellung des Fabriks- und Gewerbewesen u. s. w. Mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat (Wien, 1819, Gerold, 8°.) Bd. I, S. 758; Bd. II, S. 492, 518 u. 605.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zermalen.