BLKÖ:Nádasdy-Fogáras, Franz Seraphin Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 20 (1869), ab Seite: 21. (Quelle)
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Nádasdy-Fogáras, Franz Seraphin Graf (Staatsmann, Ritter des goldenen Vließes, geb. zu Wien 1. April 1801). Sohn des Grafen Michael [s. d. S. 18, Nr. 13], Staats- und Conferenzministers, aus dessen Ehe mit Antonia gebornen Gräfin Zichy de Vasonykeö. Trat, nachdem er die Studien beendet, in jungen Jahren in den Staatsdienst, und zwar zuerst bei der königlichen Curie, wurde alsdann bei der Septemviraltafel und in der Comitats-Administration und zuletzt in der kön. ungarischen Statthalterei verwendet. Nun wurde er Obergespan des Wieselburger Comitats, in kurzer Zeit darauf Hofrath bei der kön. ungarischen Hofkanzlei und im Jahre 1838 Präsident des siebenbürgischen Thesauriats. Diesen Posten bekleidete er bis zum Jahre 1847, in welchem er durch den Grafen Mikó ersetzt wurde. Im Jahre 1848 legte er auch seine Obergespanswürde nieder. In [22] der nun folgenden stürmischen Periode lebte er zurückgezogen, ohne einen öffentlichen Dienst zu bekleiden, bis er im Jahre 1851 aus seiner Unthätigkeit herausgerissen und mit der Einführung einer ordentlichen Gerichtspflege in Siebenbürgen betraut wurde. Auf diesem Posten wirkte der Graf mit einer für das große Ganze wohlthuenden, den Einzelnen, welche für die alten verrotteten Zustände zu schwärmen liebten, freilich mißliebigen Energie. In die Zeit seiner Amtswirksamkeit fallen die Verhandlungen über die Einführung der wichtigsten Gesetze, als z. B. das bürgerliche Gesetzbuch, die Aufhebung der Avicität u. s. w. Später wurde der Graf Oberlandesgerichts-Präsident in Ungarn, stand dann eine Zeit hindurch an der Spitze des obersten Urbarialgerichtshofes und übernahm am 18. Mai 1857 an Stelle des Freiherrn Karl von Krauß [Bd. XIII, S. 149] das Ministerium der Justiz. Nahezu vier Jahre verwaltete der Graf dieses Amt, während der ganzen Periode des mit den kais. Verordnungen vom 5. März 1860 verstärkten und einberufenen Reichsrathes, in welchem er mit der Stelle eines Vice-Präsidenten betraut wurde. Im verstärkten Reichsrathe selbst nahm er mehrmal das Wort, und zwar anläßlich der Grundbuchsordnung, des Voranschlages für das Justizministerium, mehrerer Reformen in der Justiz, als Einführung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit bei den Handels- und Seegerichten, Einsetzung von Ortsgerichten in Ungarn, Croatien, Slavonien, Wojwodschaft und Banat zur Beilegung von Bagatellstreitigkeiten, Entwurf eines Gesetzes für Verlassenschafts- und Curatelangelegenheiten; ferner über Anlegung von Waisencapitalien und in der Sprachenfrage. M. vertrat in den Debatten nicht den specifisch-ungarischen, sondern den österreichischen Standpunct, wofür ihm das Pamphlet: „Siebenbürgen in den letzten vier Jahren“ den „verhaßteten Ungar“ zu nennen beliebte, ein Titel, den der Graf als Dank für seine Bemühungen Ungarn und Siebenbürgen von dem lästigen Drucke der Rechtslosigkeit und mittelalterlichen Vexationen zu befreien, ansah und, staatsmännisch genug, als eine Auszeichnung entgegennahm. Nachdem der Graf am 20. October 1860 das Portefeuille der Justiz niedergelegt und gleichzeitig seine Wirksamkeit auf diesem Felde allerhöchst durch Verleihung des Großkreuzes des Leopold-Ordens anerkannt wurde, erfolgte am 4. Februar 1861 seine Ernennung zum Präsidenten des verstärkten Reichsrathes. In dieser Eigenschaft aber thätig zu sein, ward ihm keine Gelegenheit mehr geboten, da schon ein kaiserliches Patent vom 26. Februar d. J. einen aus zwei Häusern bestehenden Reichsrath an die Stelle des verstärkten Reichsrathes einsetzte. Graf Nádasdy wurde in Folge dessen für einige Zeit disponibel, trat jedoch schon am 7. November 1861 als siebenbürgischer Hofkanzler – mit Ministerrang – wieder in Verwendung. In dieser Stellung blieb er bis zum 26. Juni 1865, an welchem Tage er zugleich mit dem ungarischen Hofkanzler, Grafen Zichy, aus dem Ministerium schied. In der Zwischenzeit wurde er – am 4. October 1863 – als lebenslängliches Mitglied in das Herrenhaus des österreichischen Reichsrathes berufen, an dessen Berathungen er jedoch bei der Sonderstellung Ungarns gegenüber den anderen Kronländern des Kaiserstaates begreiflicher Weise nicht Theil nimmt. Ueberdieß ist der Graf Mitglied der ungarischen Magnatentafel, seit 1824 Kämmerer, seit [23] 1842 wirklicher geheimer Rath und seit 1865 Ritter des goldenen Vließes. Graf Nádasdy als Staatsmann war seinem engeren Vaterlande Ungarn gegenüber ein energischer Reformmann, dem das Wohl desselben sehr am Herzen lag, der die Uebel, an denen es seit Jahrhunderten litt, genau kannte und ernstlich bestrebt war, sie zu heilen; alles Umstände, die ihn der altconservativen Partei Ungarns ebenso verhaßt machten, wie der radicalen, welche beide – die Zukunft wird es lehren – ganz etwas Anderes erzielen werden, als ihnen selbst und dem ganzen Kaiserstaate förderlich ist.

Hahn (Sigmund), Reichsraths-Almanach für die Session 1867 (Prag, H. Carl J. Satow, 8°.) i. Jahrg. S. 66. – Presse (Wiener polit. Journal) 1861, Nr. 325 Abendblatt, in der „Kleinen Chronik“: „Graf Nádasdy und die Einführung des bürgerlichen Gesetzbuches in Siebenbürgen“. – Neue freie Presse (Wiener polit. Journal) 1865, Nr. 266, im Leitartikel. – Bohemia (Prager polit. und Unterhaltungsblatt, 4°.) 1865, Nr. 221, S. 667: „Parlamentarische Reminiscenzen“. – Iris (Gratzer Muster- und Modenblatt, 4°.) XV. Jahrg. 4. Band, 7. Liefrg. S. 171. – Verhandlungen des österreichischen verstärkten Reichsrathes 1860. Nach den stenographischen Berichten (Wien 1860, Friedrich Manz, 8°.) Bd. I, S. 49, 56, 90, 107, 111 u. 122 [über die Grundbuchsordnung]; S. 218 [über den Voranschlag für das Justizministeriums; S. 335, 339 u. 346 [über Justizreformen]; S. 460 u. 482 [über Anlegung von Waisencapitalien]; Bd. II, S. 23 u. 33 [über die Sprachenfrage]; S. 385.