BLKÖ:Nostitz-Rieneck, Johann Nepomuk

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 20 (1869), ab Seite: 401. (Quelle)
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Nostitz-Rieneck, Johann Nepomuk (k. k. Feldmarschall-Lieutenant und Commandeur des Maria Theresien-Ordens, geb. 24. März 1768, gest. 22. October 1840). Der jüngste Sohn des Grafen Franz Anton [s. d. S. 397] aus dessen Ehe mit Elisabeth Gräfin Kolowrat-Krakowsky. Nach einer sorgfältigen, im Elternhause erhaltenen Erziehung, an der sich Männer wie Dobrowsky, Pelzel, Schaller betheiligt hatten, trat der Graf, um sich militärisch auszubilden, als Frequentant in die Wiener-Neustädter Militär-Akademie, welche er nach Jahresfrist wieder verließ, worauf er im Jahre 1785 als Cadet bei dem damaligen Dragoner-Regimente Leopold Toscana eintrat. Schon im folgenden Jahre wurde er zum Unterlieutenant, im Jahre 1787 zum Oberlieutenant und im darauffolgenden Türkenkriege wegen ausgezeichneten Verhaltens vor dem Feinde zum Rittmeister ernannt. In letzterem gab er bei Belgrad eine Probe echt ritterlicher Unerschrockenheit. Er war dem Helden Loudon als Gallopin zugetheilt. Der alte Feldmarschall befahl ihm, einer entfernten Batterie einen Auftrag zu überbringen und setzte hinzu: „Den kürzesten Weg haben Sie freilich zwischen unseren Tranchéen und den türkischen Schanzen, allein er ist gefährlich, denn die Türken sind verdammt aufmerksam und schießen gut, darum machen Sie lieber den Umweg hinter den Tranchéen herum, aber reiten Sie um so schärfer.“ Salutirend wendet Graf Nostitz sein Pferd und reitet zu freudigem Erstaunen des alten Helden und seiner Suite in einem ruhigen Galopp, unbekümmert um das Pfeifen der türkischen Kugeln, den kürzesten Weg. Bei Gelegenheit des Rückzuges unserer Armee von Lugos nach Karansebes, welcher, durch einen falschen Allarm veranlaßt, nächtlicher Welle stattfand und die Truppen theilweise in eine solche Unordnung brachte, daß sie sich gegenseitig attaquirten, führte Graf N. als ältester Officier – alle anderen waren verwundet oder lagen krank darnieder – die Escadron mit solcher Umsicht, daß mitten in der vorerwähnten Unordnung die Ordnung seiner Abtheilung nicht im mindesten gestört wurde. Er wurde nun zum Major befördert und zog als solcher in den Krieg gegen Frankreich, wo er sich wieder bei mehreren Gelegenheiten rühmlichst hervorthat, so im Gefechte bei Lincelles (18. Mai 1794), in welchem er verwundet wurde, bei Hooghlede (13. Juni), vor Lüttich (27. Juli), bei Pichegru’s Angriff unserer Stellung bei Heidelberg und Wiesloch (24. September 1795), worauf er zum Oberstlieutenant und im April folgenden Jahres zum Oberst im Regimente vorrückte. Als solcher pflückte er neue Lorbeern bei Eglingen (11. August 1796), wo er, wiederholt verwundet, den Kampfplatz nicht verließ, dann in den darauffolgenden Gefechten der Monate September und October, in deren einem ihm eine an der Brust getragene, in mehrere Blätter zusammengefaltete Landkarte das Leben rettete, denn die Flintenkugel schlug nicht ganz durch und brachte ihm somit nur eine starke Contusion bei. Als um diese Zeit sein Oheim Friedrich [402] Moriz [s. d. S. 398] starb, zog sich N. Ende December 1796 zur Ordnung der Familiengeschäfte in’s Privatleben zurück, erschien aber im Jahre 1800, als die böhmische Legion errichtet werden sollte, wieder auf dem Kriegsschauplatze. Er wurde nun zum General-Major und Brigadier dieser Legion ernannt, nach dem Friedensschlusse von Luneville erhielt er aber eine Cavallerie-Brigade in Prag. Im Feldzuge des Jahres 1805 bildete General N. mit 4 Bataillonen und 6 Schwadronen die Arrièregarde der russischen Armee. An der Niederlage, welche die französischen Generale Mortier und Dupont bei Dürnstein (11. November) erlitten, hatte Graf N. mit seiner Brigade rühmlichen Antheil; in ausgezeichneter Weise kämpfte er in dem Rückzugsgefechte bei Schöngrabern (15. November) gegen Murat, und in der Schlacht bei Austerlitz, wo er sich dem verfolgenden General Davoust herzhaft entgegenwarf, die vordersten feindlichen Bataillone zurückschlug und 300 Franzosen zu Gefangenen machte. Im Jahre 1809, drei Tage vor der Schlacht bei Aspern, wurde Graf N. zum Feldmarschall-Lieutenant ernannt. In der Schlacht selbst verlor er zwei Pferde unter dem Leibe, erhielt eine schwere Contusion am linken Fuße, blieb aber dessen ungeachtet im Gewühle der blutigen Schlacht bis spät am Abend des 22. Mai. In der Schlacht bei Wagram führte er vier Reiterregimenter, mit denen er hinter der Höhe von Markgraf-Neusiedel zur Unterstützung des den linken Flügel bildenden Armeecorps beordert, mehrere Angriffe mit Muth und Entschlossenheit ausführte, ohne jedoch bei den überhaupt verfehlten Operationen dieser Schlacht eine Wirkung zu erzielen. In den nun folgenden Friedensjahren lebte Graf N. beurlaubt theils auf seinen Gütern in Böhmen, theils in Prag, als aber die Kämpfe des Jahres 1813 begannen, übernahm er sofort das Commando einer Cavallerie-Division und wurde Anfangs September bei der neuen Armeeeintheilung Armeechef des österreichischen Kürassiercorps, welches aus den sieben Kürassier-Regimentern Kaiser, Erzherzog Franz, Kronprinz, Albert von Sachsen-Teschen, Somariva, Lothringen und Hohenzollern und aus dem Chevauxlegers-Regimente O’Reilly, zusammen aus 36 Schwadronen mit drei sechspfündigen Batterien bestand. Dieses Corps gehörte zu der von dem Erbprinzen von Hessen-Homburg befehligten Reserve. In der Völkerschlacht bei Leipzig[WS 1] schrieb Graf N. seinen Namen mit unauslöschlichen Zügen in die Blätter der Kriegsgeschichte. Am ersten Schlachttage, am 16. October, als das russische Corps unter Wittgenstein und die Preußen unter Kleist von Napoleon hart bedrängt und die ersteren bereits zu vollem Rückzuge gezwungen wurden und der Erbprinz von Hessen-Homburg beordert wurde, den Bedrängten mit seiner Reserve zu Hilfe zu eilen, da bewährte der Graf seine ganze Umsicht und Entschlossenheit, als er mitten durch die Verwirrung der von dem Feinde gedrängten Massen seine Kürassiere vorführte und im Schritte unter dem heftigsten Geschütz- und Kugelfeuer in die Nähe des Feindes brachte. Dann aber, nachdem er Raum gewonnen, um seine Regimenter aufmarschiren zu lassen, stürzte sich der Graf an der Spitze des Regiments Albert von Sachsen-Teschen auf die Fronte, mit dem Regimente Lothringen aber in die Flanke der polnischen und französischen Reiter unter Lefort, warf sie zurück und zersprengte sie; nun brach er in die nächsten [403] Infanteriemassen der Garde, welche von Mortier und Oudinot befehligt waren, durchbrach mehrere derselben und hieb einen großen Theil zusammen, der Rest floh gegen Wachau über die Ebene hin. Aber der Feind zog neue Truppen heran und die Garden rückten todesentschlossen vor, da zog Graf N. an der Spitze zwei neuer Kürassier-Regimenter, Erzherzog Franz und Kronprinz, zum zweiten Male dem Feinde entgegen, dem er nun eine neue noch blutigere Saat bereitete. Im stärksten Kanonenfeuer behauptete der Graf mit unerschütterlicher Standhaftigkeit das von dem Gegner gänzlich geräumte Schlachtfeld. Am 18. October kam es zwar zu keinem solchen entscheidenden Reiterangriffe, aber der Graf nahm an mehreren Gefechten Theil, in deren einem er einen Streifschuß an der rechten Seite und eine Kugel im linken Oberschenkel erhielt. Den Heldenmuth des Grafen belohnte Kaiser Franz durch Verleihung des Commandeurkreuzes des Maria Theresien-Ordens, welches er ihm mit Allerh. Handbillet vom 20. October zuerkannte, und Kaiser Alexander verlieh dem Grafen den St. Annen-Orden 1. Classe. Nun nahm der Graf an den ferneren Operationen der Verbündeten rühmlichsten Antheil, kämpfte mit Auszeichnung bei Troyes, Arcis sur Aube, Fère Champenoise und Vitry, und im Feldzuge des Jahres 1815, in welchem er eine Division in der Reserve commandirte, wohnte er noch der letzten kriegerischen Unternehmung desselben, der Eroberung des Forts Saint Andre bei Salins bei. Die Waffenthat des Grafen bei Leipzig gilt, und mit Recht, als eine der in den Sieg wesentlichst eingreifenden, und Kaiser Alexander ritt im Lager bei Dijon bei einem Cavalleriemanöver, das am 1. October 1815 vor den alliirten Monarchen stattfand und in welchem der Graf mit sechs Kürassier-Regimentern einen Frontmarsch im Schritt und Galopp – zwar ein Parade-, aber immer doch ein Bravourstück – ausführte, auf den Grafen zu, ihn dem eisernen Herzoge (Wellington) mit folgenden Worten vorstellend: „Graf Nostitz, einer der wackersten Generale der österreichischen Armee. Beinahe auf dieselbe Art wie heute hat er es auch bei Leipzig gemacht, wer weiß, ob wir sonst heute hier ständen“. Nach dem Friedensschlusse nahm der Graf einen zweijährigen Urlaub, der ihm wiederholt verlängert wurde, bis er im Juli 1821 seiner Wunden halber um Versetzung in den Ruhestand bat. Er lebte nun vorzugsweise in Prag in der Musik, die er mit besonderer Vorliebe trieb, Linderung für seine durch die vielen Wunden veranlaßten Leiden suchend. Dabei war er selbst gediegener Kenner dieser Kunst, hatte sich in mehreren Compositionen versucht, und im Jahre 1826 kam im Hause des Grafen Wrtby bei einer von den Zöglingen des Prager Conservatoriums aufgeführten musikalischen Production auch eine deutsche Operette: „Feodora“, zur Darstellung, wozu der Graf die Musik componirt hatte. Ueberdieß war der Graf mehrere Jahre Präses dieses Conservatoriums. Im Alter von 73 Jahren schloß dieser Held, „als Gatte und Vater von den Seinen, als Obrigkeit von seinen Unterthanen verehrt, als Soldat von der Armee hochgeachtet und als Mensch von Allen, die ihn kannten, werth gehalten“, sein Leben. Der Graf war zweimal vermält, zuerst (seit 27. Jänner 1797) mit Sophie Gräfin Apraxin (gest. 22. April 1802), dann mit Antonia Gräfin Schlik, aus [404] welchen zwei Ehen mehrere Kinder stammen [vergl. die Stammtafel], von denen die drei Söhne Albert [s. d. S. 391], Hermann [s. d. S. 399] und Sigmund das Geschlecht fortpflanzten.

Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, Voigt, kl. 8°.) XVIII. Jahrg. (1840), II. Thl. S. 1314. – Hirtenfeld (J.), Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wien 1857, Staatsdruckerei, kl. 4°.) Bd. II, S. 1154, 1748. – Oesterreichische militärische Zeitschrift, herausg. von Major Schels (Wien, 8°.) Jahrg. 1843, Bd. I, S. 267; Bd. II, S. 65: „Nekrolog“. – Leitner von Leitnertreu (Theodor Ign.), Ausführliche Geschichte der Wiener-Neustädter Militär-Akademie (Hermannstadt 1832, Th. Steinhausser, 8°.) Bd. I, S. 460. – Wiener allgemeine Musik-Zeitung. Herausgegeben von Dr. August Schmidt (4°.) II. Jahrg. (1842), Nr. 47: Die Musik in Böhmen [im Texte und S. 194 in der Anmerkung]. – Porträte. 1) v. Lütgendorf fec. 1820 (Radirung, 8°.); – 2) (J. E. Mansfeld sc.) Fol.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Lepzig.