BLKÖ:Rothkirch und Panthen, Leonhard Graf von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 27 (1874), ab Seite: 108. (Quelle)
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Rothkirch und Panthen, Leonhard Graf von (k. k. Feldmarschall-Lieutenant und Ritter des Maria Theresien-Ordens, geb. zu Pahrendorf in Ungarn 6. November 1773, gest. zu Wien 10., n. A. 11. Juni 1842). Sein Vater war Major in der kaiserlichen Armee, in der er, dem Beispiele des Vaters folgend, der, nachdem ein Theil Schlesiens an Preußen gefallen, zu Oesterreich stand. 30 Jahre gedient hatte. Leonhard kam, wie sein Bruder Leopold [s. d. Folg. S. 112], in die Wiener-Neustädter Militär-Akademie. Aus derselben trat er im October 1791 als Fahnen-Cadet in das Infanterie-Regiment Strassoldo, in welchem er im Juni 1793 zum Fähnrich und bald darauf zum Unterlieutenant vorrückte. Im Jahre 1793 stand R. mit seinem Regimente am Oberrhein. Im Felde lernte ihn der Adjutant des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen, Major Rupp, kennen, der ihn in’s Hauptquartier brachte und mit dem ersten General-Adjutanten von Seckendorf bekannt machte. Bald gewann er die Zuneigung mehrerer ausgezeichneter Männer der kais. Armee, die in dem jungen talentvollen Manne eine tüchtige Kraft erkannten, unter denen sind vor Allen der nachmalige Feldmarschall-Lieutenant Heinrich Schmidt und der [109] Maria Theresien-Ritter Thomas von Plunkett [Bd. XXII, S. 443] zu nennen. Durch Letzteren wurde Rothkirch auch dem Feldmarschall Clerfayt [Bd. II, S. 384] vorgestellt. Im Generalstabe erwies sich R. bald als ausgezeichneter Officier und wurde Oberlieutenant. Er gewann das Zutrauen Kray’s [Bd. XIII, S. 161] und zeichnete sich bei Mainz, Sulzbach, Amberg, Würzburg und Neuwied aus. Im Jahre 1797 als einziger Officier des General-Quartiermeisterstabes bei dem Corps des Generals de Brye angestellt, gelang es ihm, dieses vom Feinde bereits umringte Corps durch seine Terrainkenntniß und demgemäß getroffenen Anordnungen nach einem an der Leiner-Lahnbrücke siegreich bestandenen Treffen mit dem Armeecorps des Feldmarschall-Lieutenants Werneck, zu dem es gehörte, zu vereinigen. Bei dieser Gelegenheit rettete er den General de Brye vor Gefangenschaft. Auch in dem für unsere Waffen unglücklichen Gefechte bei Altenkirchen that R. sich rühmlichst hervor. R. wurde nun, obgleich von Mack zurückgesetzt, und ungeachtet das Avancement in der Armee eingestellt war, von dem Erzherzoge Karl zum Capitän im Pionnier-Corps befördert. In den folgenden Jahren, insbesondere in den Feldzügen der Jahre 1799 und 1800, leistete er in seiner Stellung in Schwaben, in der Schweiz, in Graubündten und Tirol durch Ausführung militärischer Bauten wichtige Dienste, bildete sich aber damals und in den folgenden Friedensjahren durch eifriges Studium der Kriegsgeschichte, Kriegsbaukunst und anderer militärischer Wissenszweige unablässig fort. Nun folgte eine trübe Epoche. In derselben entfalteten Menschen, wie Duka, Faßbinder u. dgl. m. ihre unheilvolle Wirksamkeit. Erzherzog Karl wurde durch auswärtige Intriguen in der obersten Leitung des Kriegswesens gehemmt; daß in solchen Verhältnissen Männer wie Rothkirch auch bei Seite geschoben und jedes Einflusses beraubt wurden, begreift sich leicht. Aber diese Verblendung war glücklicher Weise nicht von Dauer. Sobald Erzherzog Karl wieder den unbeschränkten Oberbefehl übernahm, berief er R. nach Wien, um sich an den so unerläßlich nöthigen Reformen der Armee zu betheiligen. Die Schläge, welche dieselbe kurz vorher getroffen hatten, entsprangen zum großen Theile aus der Unzulänglichkeit der militärischen Bildung, die sich nach allen Seiten hin fühlbar machte. Das Wissen vieler Stabsofficiere, ja selbst Generale ging nicht über das Dienst- und Exercir-Reglement heraus. Diesem Mangel mußte ernstlich abgeholfen werden. Ein nicht unwesentlicher Theil dieser Aufgabe fiel Rothkirch zu. Für den Unterricht der Generalität schrieb er seine „Anleitung höheren Kriegskunst“, während er, um den Officieren und Stabsofficieren Gelegenheit zu geben, sich über die Kriegsobliegenheiten volle Kenntniß zu verschaffen, den Plan zu den „Beiträgen praktischen Unterricht“ entwarf, wovon in den Jahren 1809 bis 1811 acht Hefte erschienen, in denen den Officieren reiche Materialien über die für ihren höheren Wirkungskreis unentbehrlichen Kenntnisse geboten wurden. Zugleich war er einer der thätigsten, oder richtiger gesprochen, der eigentliche Gründer der österreichischen militärischen Zeitschrift, deren Hauptredaction er vom Anbeginn bis an sein im Jahre 1842 erfolgtes Lebensende besorgte. Indessen war er schon im Jahre 1807 außer seinem Range zum Major befördert [110] worden und focht als solcher am glorreichen Tage bei Aspern an der Spitze der Grenadiere, welche den Schüttkasten bei Eßlingen stürmten. Bei dieser Gelegenheit wurde R. schwer am Arm verwundet, in Würdigung seiner Tapferkeit aber auf dem Schlachtfelde zum Oberstlieutenant befördert. Die Befreiungskriege rissen R. aus der bald nach Abschluß des Wiener Friedens begonnenen oberwähnten kriegswissenschaftlichen Thätigkeit. Er wurde im August 1813 zum Obersten befördert und zum Chef des Generalstabes bei dem Corps des Generals der Cavallerie Grafen Klenau [s. d. Bd. XII, S. 70] ernannt. In dieser wirkungsreichen Stellung bei einem selbstständigen Armeecorps leistete R. ausgezeichnete Dienste. Er kämpfte bei Leipzig, wo er ein Pferd unter dem Leibe verlor, und gab bei der Erstürmung der Dörfer Holzhausen und Zuckelhausen solche Beweise persönlicher Tapferkeit und geschickter Führung der Truppenbewegungen, daß ihm mit kais. Handschreiben ddo. Schmalkalden 30. October 1813 das Ritterkreuz des Maria Theresien-Ordens zuerkannt wurde. Als darauf Klenau das französische Armeecorps unter Saint Cyr in Dresden blockirte, war R. dabei auch als Generalstabschef thätig. Alle Ausfälle der Franzosen, um sich mit den Besatzungen von Torgau und Wittenberg zu vereinigen und gegen Hamburg zu Davoust zu marschiren, wurden zurückgeschlagen, bis Saint Cyr sich ergab. Die den Franzosen bewilligte Capitulation wurde jedoch im Hauptquartiere zu Frankfurt verworfen. Den Franzosen sollte, nachdem sie das Gewehr gestreckt, nicht die Rückkehr nach Frankreich gestattet sein, sondern sie sollten entweder wieder nach Dresden hinein oder nach Ungarn abgeführt werden. Saint Cyr ergab sich in das Gebot der Nothwendigkeit, Klenau aber und mit ihm sein Generalstabschef Rothkirch wurden beschuldigt, die Vollmacht überschritten zu haben, wurden vom Commando entfernt und nach Prag geschickt. Nach dem Falle von Paris, im Jahre 1814, wurde Rothkirch zur Capitulation[WS 1] der italienischen Festungen beordert und reiste nach Italien. Nachdem er die Verhandlungen wegen Uebergabe und Räumung der Festung Mantua geleitet, begab er sich zur Beglückwünschung des nach Florenz zurückgekehrten Großherzogs von Toscana. Während des Feldzuges 1815 befand er sich im großen Hauptquartier und leistete, als Generalstabschef dem Erzherzog Johann zugetheilt, bei der Belagerung Hüningens treffliche Dienste. Nach endlich hergestelltem Frieden wurde er zu einer der großartigsten und dabei nützlichsten Arbeiten, nämlich der trigonometrischen Vermessung der ganzen österreichischen Monarchie beigezogen; da ferner unter Einem eine gleichmäßige Steuervertheilung erzielt werden sollte, wurde ihm zugleich mit Oberst Fallon [Bd. IV, S. 141] das Referat der aufgestellten Grundsteuer-Regulirungs-Hofcommission übertragen. Während Fallon den trigonometrischen Theil leitete, besorgte Rothkirch den graphischen. Im December 1821 wurde er zum General-Major und Brigadier in Kärnthen ernannt. Sowohl seine Chefs wie die Steuerregulirungs-Commission vereinigten sich in den Vorstellungen, ihn noch ferner bei den Arbeiten des Generalstabes zu belassen. Aber ein höherer Wille war mächtiger, als bessere Einsicht und Erkenntniß des Richtigen. Erst im Jahre 1831 wurde er wieder zum Generalstabe [111] nach Wien berufen und trat zuletzt, nachdem er zum Feldmarschall-Lieutenant vorgerückt, an die Spitze desselben. Was er in dieser Stellung geleistet, dafür sprechen die glänzenden Erfolge des italienischen Feldzuges in den Jahren 1848 und 1849. Für die höhere Ausbildung des seiner obersten Leitung anvertrauten Corps sorgfältigst bedacht, hielt er an dem Grundsatze, dessen Befolgung er stets im Auge hatte, entschieden fest, daß der Hauptdienst des Generalstabs-Officiers bei der Truppe sei, und daß weder die tiefste Gelehrsamkeit noch eine zur höchsten Vollkommenheit gediehene Tüchtigkeit in der Situationszeichnung und Militäraufnahme den Mangel an praktischer Kenntniß der Taktik aller Waffen zu ersetzen vermöge. Deßhalb mußte auch jeder Generalstabs-Officier seinen Dienst bei der in Italien stehenden Armee üben. Im August 1840 wurde R. zum commandirenden General in Gratz ernannt, und feierten im Sommer des folgenden Jahres die im Lager bei Pettau versammelten Truppen sein fünfzigjähriges Jubiläum. Im Jahre 1826 wurde ihm zugleich mit seinem Bruder Leopold der österreichische Grafenstand, einige Jahre darnach die geheime Rathswürde und im Jahre 1834 das galizische Infanterie-Regiment Nr. 12 verliehen. Bisher wurde nur der militärischen Eigenschaften und Vorzüge dieses der österreichischen Armee noch immer als edles Vorbild dienenden Generals gedacht. Aber Rothkirch war nicht nur ein gebildeter Soldat, ein muthiger Kriegsmann, er besaß auch Sinn für Anderes, was nicht im unmittelbaren Zusammenhänge mit seinen militärischen Eigenschaften steht. Er liebte die Poesie und noch in die Zeit, als er 1793 am Oberrhein in den Winterquartieren lag, fallen seine dichterischen Versuche. Neben den Kriegswissenschaften trieb er auch schöne Wissenschaften, dichtete mehrere schwungvolle Theaterstücke, gelungene lyrische Poesien und einige historische Balladen. Er wohnte im Hause der berühmten Karoline Pichler [Bd. XXII, S. 242] und so entspann sich ein täglicher freundschaftlicher Verkehr zwischen ihm und den beiden Dichtern Heinrich und Matthäus von Collin, mit Freiherrn von Hormayr u. A., die eben im Hause der Pichler sich zu versammeln liebten. Einige seiner lyrischen und kleineren epischen Arbeiten erschienen in Friedrich Schlegel’s „Museum“, in der „Aglaja“, in Hormayr’s Taschenbuch für vaterländische Geschichte und in dessen Archiv für Geschichte, Statistik u. s. w. Zu seinen bekanntest gewordenen Gedichten gehört jenes an die deutsche Sprache, wovon aber, wie von seinen poetischen Leistungen, die Herren Heinrich Kurz, Rudolph Gottschall und andere Literarhistoriker keine Kenntniß haben, obwohl ihm schon Friedrich Raßmann in seinem Pantheon jetzt (1823) lebender Dichter (S. 276) eine Stelle anweist. Graf Rothkirch starb fast siebenzigjährig nach langem Leiden. Aus seiner Ehe mit der einer anderen Linie seines Geschlechtes angehörenden Juliana Charlotte Freiin Rothkirch-Trach hinterließ er zwei Söhne und drei Töchter. Vergleiche die Stammtafel und die Genealogie der Herren und Grafen Rothkirch [S. 106 u. 107].

Grafenstands-Diplom ddo. 22. Jänner 1826. – Oesterreichische militärische Zeitschrift, herausg. von Schels (Wien, 8°.) Jahrg. 1844, Bd. II, S. 145. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1836, 8°.) Bd. IV, S. 421. – Hirtenfeld (J.), Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder [112] (Wien 1857, Staatsdruckerei, kl. 4°.) S. 1236 u. 1794. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien, 4°.) Jahrgang 1817, Nr. 84 u 85. „Scenen aus seinem Trauerspiele Johann Gray“. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, Bernh. Friedr. Voigt, kl. 8°.) XX. Jahrg. (1842), IX. Thl. S. 1027, Nr. 382. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.) Zweite Abtheilg. Bd. VI, S. 425. – Leitner von Leitnertreu (Theodor Ignaz), Ausführliche Geschichte der Wiener-Neustädter Militär-Akademie (Hermannstadt 1852, Theod. Steinhaussen, 8°.) Bd. I, S. 791 [nach diesem gest. am 10. Jänner 1842, die anderen Quellen geben den 10. oder 11. Juni 1842 als Todesdatum an].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Capitulalation.