BLKÖ:Tisza, Ludwig

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 45 (1882), ab Seite: 192. (Quelle)
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Tisza, Ludwig (Staatsmann, geb. zu Geszt im Jahre 1832). Ein Sohn des Obergespan-Stellvertreters, im Biharer Comitate Ludwig Tisza aus dessen Ehe mit Julia geborenen Gräfin Teleki und ein Bruder des gegenwärtigen ungarischen Minister-Präsidenten Coloman [S. 181], dann des Dominik [S. 190] und Ladislaus Tisza [S. 191]. Im Jahre 1848 beendete er die philosophischen Studien, 1852 hörte er die Rechte, dann begleitete er seinen Bruder Coloman auf dessen Reisen durch Mitteleuropa und durchwanderte selbst den Süden. Nach seiner Rückkehr in die Heimat bereitete er sich für das öffentliche Leben vor, und als nach dem Jahre 1859 ein Umschwung in den politischen Verhältnissen seines Vaterlandes eintrat, wurde er im Ugraer Wahlbezirke des Biharer Comitates in den Reichstag gewählt, welcher mit dem königlichen Einladungsschreiben vom 14. Februar 1861 auf den 2. April g. J. nach Ofen einberufen war. In den denkwürdigen Debatten, welche sich über die Frage entspannen, ob an den König bezüglich des politischen Ausgleichs eine Adresse zu richten, wie Deákk beantragte, oder aber dem König das Ergebniß der Berathungen als Beschluß bekannt zu geben sei, trat Ludwig, mit dem zugleich dessen Brüder Coloman und Ladislaus in der Versammlung saßen, nicht als Redner auf. Er gehörte damals zur Linken, von welcher er später zur Partei, deren Führer Deák war, übertrat. Im Jahre 1867 wurde er Obergespan des Biharer Comitates und 1869 Vice-Präsident des hauptstädtischen Baurathes in Ofen. In dieser Stellung, die [193] er vornehmlich seinem Bruder Coloman verdankte, entwickelte er bald eine großartige Thätigkeit. Nichts weniger als Fachmann, war er, seine auf Reisen im Auslande, auf welchen er sich wohl um architektonische Gegenstände mit Vorliebe bekümmerte, in denselben erworbenen nicht zu gründlichen Kenntnisse abgerechnet, kaum mehr als ein geistvoller Dilettant, aber erfüllt von Liebe und Eifer für die Sache. Im Baurathe nun trat er in der That reformirend auf. Es lag etwas von der Natur des Pariser Präfecten Hausmann in ihm, denn er trug sich mit großartigen Plänen von Radialstraßen, Ringstraßen, monumentalen Bauten und dergleichen, und dabei verband er mit einer nicht gewöhnlichen Arbeitskraft nie rastenden Fleiß, Energie, ja jene Geistesfunken, welche die eingehende Kenntniß durch geniale Auffassung und rasches Begriffsvermögen zu ersetzen suchen. Obgleich Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle, verstand er – und das ist bei Magyaren in der Regel eine Seltenheit – zu arbeiten. In später Nacht noch, wenn Alles schon längst der Ruhe pflegte, arbeitete und brütete er über seinen Boulevardplänen. In diesem Geschäfte war er ganz mit Leib und Seele und wußte, wie wenig anziehend sonst seinem Wesen nach, für seine Pläne seine Umgebung zu gewinnen und ihr einen Theil seiner eigenen Arbeitslust aufzudrängen. Mit Politik, welche seinen Bruder Coloman ganz erfüllt, beschäftigt er sich nicht; einer seiner eigenen Landsleute schrieb 1871 über ihn: „Seine Obergespanschaft im Biharer Comitate betrachtete er als eine Würde, die es ihm möglich macht, die Wett zu bereisen und die Verwaltung Anderen zu überlassen. Im Oberhause, dessen Schriftführer er war, spielte er keine Rolle. Nur die persönliche Anhänglichkeit an den Grafen Andrássy, dem er unbedingt ergeben ist, rief den Gegensatz zu der politischen Parteistellung seines Bruders Coloman hervor“. Während nun Ludwig Tisza mitten unter seinen Baureformplänen saß, wurde er plötzlich ins politische Leben versetzt, als Stephan von Gorové, der am 21. April 1870 an Stelle des Grafen Emmerich Mikó das Portefeuille für Communicationen und öffentliche Arbeiten übernommen hatte, dasselbe schon am 21. Juni 1871 niederlegte und an Ludwig Tisza übergab. Aber auch dieser bekleidete das Amt nur dritthalb Jahre, unter Lonyay und Szlávy, da er noch während der ungarischen Minister-Präsidentschaft des Letzteren, am 19. December 1873, durch Joseph Grafen Zichy ersetzt wurde. Zur Zeit ist Ludwig Tisza Curator des Versetalyaer Seniorates der helvetischen Superintendenz an der Donau. Im Jahre 1869 erlangte er die k. k. Kämmererswürde, 1873 wurde er geheimer Rath und Großkreuz des Leopoldordens und 1879 Mitglied der Delegation des Abgeordnetenhauses des ungarischen Reichstages.

Ország Képnaptár, I. Jahrg., 1873, S. 19, mit Porträt.