BLKÖ:Wurmbrand-Stuppach, Stephanie Gräfin

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 58 (1889), ab Seite: 312. (Quelle)
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Wurmbrand-Stuppach, Stephanie Gräfin (Tonsetzerin, geb. zu Preßburg in Ungarn 26. December 1849). Sie ist die Tochter des königlich ungarischen Rathes und Postdirectors Karl von Vrábely aus dessen Ehe mit einer Tochter des Professors Paul Edlen von Szlemenics, eines durch seine Schriften in Ungarn hochgeschätzten Rechtsgelehrten. Ihre Mutter selbst war eine ganz außerordentliche Frau, nicht nur daß sie eine seltene nahezu wissenschaftliche Bildung besaß, sie war überdies Malerin, Dichterin, und ihr geistiger Ruf ging weit über die Grenzen des Landes hinaus, dem sie durch ihre Geburt angehörte. Ihre Fresken bilden noch heute einen Schmuck der Preßburger Spitalkirche, und ihre in ungarischer Sprache geschriebenen Stücke waren auf Ungarns Bühnen heimisch. Sie hatte ziemlich spät geheiratet, und von vier Kindern, welche sie ihrem Gatten gebar, zogen die zwei Töchter, Seraphine, nachmalige Gattin Taussig’s, und Stephanie, gegenwärtig Gräfin Wurmbrand, durch ihr seltenes musicalisches Talent die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Ueber Stephanies Schwester Seraphine und mehrere andere denkwürdige Personen des Namens Vrábely enthält dieses Lexikon im 51. Bande, S. 308, sowie über ihren Großvater mütterlicherseits Paul von Szlemenics im 42. Bande, S. 222 u. f. nähere Nachrichten. Stephanie erregte schon als fünfjähriges Kind durch ihr Musiktalent Aufsehen, sie begann von selbst ohne Anleitung auf dem Clavier zu spielen, später auch zu componiren, und wenn auch diese Compositionen eines Kindes den strengen Anforderungen nicht entsprachen, so bekundeten sie doch einen ungewöhnlichen und entschiedenen Formen- und Tonsinn. Im Alter von eilf Jahren spielte sie die 48 Präludien und Fugen des wohltemperirten Claviers von Joh. Sebast. Bach und transponirte dieselben, ohne eine Anweisung zu erhalten. Später traten in den bis dahin ziemlich abgeschlossenen Familienkreis bedeutende Tonkünstler, wie Brahms, Liszt und Taussig. Letzterer, der sich in der Folge mit Seraphine vermält hatte, übernahm, die seltene Begabung Stephanies erkennend, den Unterricht derselben und erzielte in Kürze großartige Erfolge. Sie trat nun ab und zu öffentlich auf und jedesmal mit außerordentlichem Beifall. Aber sie sollte nicht die wenngleich verlockende, doch dornenvolle Virtuosenlaufbahn, auf welcher ihr die glänzendsten Erfolge winkten, fortsetzen. 17 Jahre alt, lernte sie den Grafen Ernst Wurmbrand kennen und wurde am 6. Juli 1869 seine Gattin. Indessen entsagte sie der Kunst, wenn sie dieselbe auch nicht öffentlich ausübte, keineswegs, sondern wendete sich ihr [313] vielmehr in einer höheren als der bloß technischen Richtung zu, indem sie, wozu sie schon frühzeitig glänzende Anlagen gezeigt hatte, zu componiren begann. Die erste Composition, welche von ihr im Stich erschien, stammte aus ihrem vierzehnten Jahre, es ist ein kleines, aber ganz allerliebstes Lied, betitelt: „Der Wald ist grün“ und ist 1862 bei Spina in Wien verlegt. Nach langer Pause erschienen dann seit 1875 bis zur Stunde mehrere Tonschöpfungen, deren Titel weiter unten folgen. Die Dame gab ihre Werke unter dem Pseudonym S. Brand, später unter S. Brand-Vrábely heraus. Man glaube aber nicht, in diesen Compositionen die Werke einer etwa „genialen Dilettantin“ zu sehen, bei denen der Capellmeister mitgeholfen, den Satz ausgebessert und für die Oeffentlichkeit zugerichtet hat. Die Gräfin zählt zu jenen Naturen, die von der ganz richtigen, leider nur selten befolgten Ansicht ausgehen, daß es in der Kunst nur ein Entweder – oder gebe, und daß unbeirrt durch lärmenden Erfolg oder aber unverstandene Gleichgültigkeit einmal – wenn auch oft spät – die Stunde schlage der wahren Anerkennung des echten Talentes, das wie echtes Gold durch Nichts nachzuahmen ist. Die Titel der bisher von Gräfin Stephanie durch den Druck veröffentlichten Compositionen sind: „Zwölf Charakterstücke für Pianoforte“ in 4 Heften (Wien, J. B. Gotthard, jetzt Wetzler) [1. Heft: a) Fragen, b) Minnelied, c) Gondoliere, Johannes Brahms gewidmet; 2. Heft: a) Serenade, b) Albumblatt, c) Arabeske, Graf Eugen Kinsky gewidmet; 3. Heft: a) Ein flüchtiger Gedanke, b) Scherzino, c) Entschwundenes Glück, Sophie Menter gewidmet; 4. Heft: a) Lied ohne Worte, b) Elfenreigen, c) Frühlingslied, ihrem Gatten, dem Grafen Ernst gewidmet; – „Walzer“, 1. und 2. Folge (ebd.); – „Walzer“, 3. Folge (Wien, Haslinger); – „Drei Charakterstücke für Pianoforte“: 1) Charakterstück, 2) Zur Mandoline, 3) Ungarische Träumerei (Berlin, Bahn); – „Libelle. Charakterstück für Pianoforte“ (Wien bei Bösendorfer), ein Tonstück, dessen entzückende Wirkung durch häufige Concertvorträge berühmter Virtuosen erprobt ist; – „La Gracieuse. Polkette für Pianoforte“ (Wien, Wetzler); – „Die schöne Melusine. Musicalische Illustrationen für das Pianoforte“ (ebd., Wetzler); – „Quintett (3 Tenori, 2 Bässe) über ein Dialektgedicht: Mei’ Tag hat drei Stunden“ (ebd., Wetzler); – „15 kleine Phantasiestücke für Pianoforte“; – „Vier Clavierstücke“: 1) Liebeslied, 2) Orientalischer Marsch, 3) Menuetto, 4) Trauerklänge; – „Concertstück im ungarischen Styl für zwei Pianoforte“: 1) Largo, 2) Zingarese, Franz Liszt gewidmet; – „Tanzscenen für Pianoforte“; – „Fünf Lieder (von Heine) für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte“; – „Zwei Reigen für Pianoforte“; – „Romance für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte“; – „Zwei Noveletten für Pianoforte“; – „Drei Clavierstücke“: 1) Der Troubadour, 2) Liebestreu, 3) Die Glocken; – „Abendphantasien, acht Clavierstücke“: sämmtliche vorgenannten Compositionen in Wien bei Wetzler. Die Fachkritik meint anläßlich der Tonstücke der Gräfin Wurmbrand, wenn alle Salonmusik so beschaffen wäre, wie die Compositionen der Gräfin, so würde die von musicalischen Rigoristen so „verpönte Salonmusik“ auch vor ihnen Gnade finden, da auch aus dieser verschrieenen Kunstgattung die Grazien zulächeln können. Gräfin Stephanie besitzt neben anderen Medaillen die Herzog von Coburg-Gotha’sche silberne [314] Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft, zu tragen am grünsilbernen Bande.

Das geistige Wien. Mittheilungen über die in Wien lebenden Architekten... Maler, Musiker und Schriftsteller. Herausgegeben von Ludwig Eisenberg und Richard Groner (Wien 1889, Brockhausen, S. 244. – Illustrirtes Musik-, Theater- und Literatur-Journal. Herausgegeben von Dr. Theodor Helm (Wien, 4°.) II. Jahrg., 9. Mai 1877, Nr. 21 und 32: „Biographie mit Bildniß“. – Deutsche Musik-Zeitung. Herausgegeben von Ziehrer (Wien, 4°.) 1874, Nr. 30. – Stephanie Gräfin Wurmbrand-Vrábely (ohne Angabe des Druckortes [Wien, Wetzler] 12°., 7 S.).
Porträts. 1) Unterschrift: „Gräfin Wurmbrand-Stuppach“. Th. Mayerhofer (gez.) Wien, 4°. – 2) Auf dem bei Wetzler in Wien verlegten Werke: „La Gracieuse“, Polkette für Pianoforte. – 3) Auf dem Umschlage der unter den Quellen angeführten von Wetzler verlegten Schrift.


Ende des achtundfünfzigsten Bandes.