BLKÖ:Wintzingerode, Ferdinand Freiherr

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Wintjř, Joseph
Band: 57 (1889), ab Seite: 102. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Ferdinand von Wintzingerode in der Wikipedia
Ferdinand von Wintzingerode in Wikidata
GND-Eintrag: 13910724X, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wintzingerode, Ferdinand Freiherr|57|102|}}

Wintzingerode, Ferdinand Freiherr (k. k. Feldmarschall-Lieutenant und Ritter des Maria Theresien-Ordens, geb. zu Kirchohmfeld im preußischen Regierungsbezirke Erfurt am 24. Mai 1770, gest. zu Wiesbaden am 17. Juni 1818). Der Sproß einer alten eichsfeldischen und braunschweigischen Familie, von der schon ein Vorfahr [siehe ein Quelle Seite 105] in der kaiserlichen Armee ruhmvoll gegen die Türken gekämpft. Sein Vater Wilhelm Levin stand als Oberst in landgräflich hessischen Diensten. Der Sohn, wie der Vater dem Waffendienste sich widmend, trat zunächst in hessische, 1790 in österreichische, 1792 wieder in hessische, aber bald zurück in österreichische Dienste, in welchen er bis zum Frieden von Campo Formio 1797 verblieb. Nun ward er Major in der russischen Armee, im Februar 1799 Oberstlieutenant in der kaiserlich österreichischen, in welcher Eigenschaft er zu Erzherzog Ferdinand-Dragonern eingetheilt wurde. Im März 1812 verließ er [103] von Neuem die kaiserliche Armee und diente schließlich bleibend in der russischen. Als er 1790 zum ersten Male in österreichische Kriegsdienste getreten, befand er sich bei der Armee, welche damals in den Niederlanden stand. Im Feldzuge 1799, den er als Oberstlieutenant bei Erzherzog Ferdinand-Dragonern mitmachte, gab er in der Schlacht bei Stockach am 25. März glänzende Proben seiner Tapferkeit, wurde aber verwundet und gerieth in feindliche Gefangenschaft, aus welcher ihn der Dragoner Gabriel Schlüchter wieder befreite. Im November 1800 ward er zum Obersten und Regimentscommandanten, 1802 zum Generalmajor befördert. Im Jänner letzteren Jahres ernannte ihn Kaiser Alexander von Rußland zu seinem Generaladjutanten, und 1805 betraute er ihn mit der wichtigen Sendung, Preußen zum Beitritt zur Allianz mit Oesterreich und England gegen Frankreich zu bewegen. Nach glücklich vollbrachter Mission begab sich Wintzingerode sofort nach Wien, um den Tractat zwischen den verbündeten Mächten abzuschließen. Als dann Kaiser Alexander selbst zur Armee in Deutschland kam, begleitete ihn der General während des Feldzuges und zeichnete sich bei Dürnstein so aus, daß ihn dieser Monarch mit dem russischen Militär- Georgsorden schmückte. Später bei Austerlitz in der sogenannten Dreikaiserschlacht am 2. December 1805 entging er nur mit genauer Noth der französischen Gefangenschaft. Im Februar 1807 kehrte er als Generalmajor in die österreichischen Dienste zurück und befehligte im Feldzuge 1809 die Avantgarde-Brigade des 1. Graf Bellegarde’schen Corps. Das Gros derselben sollte bei Ursensolen am 14. April eine Stellung beziehen. Kaum hatte er die Vorposten aufgestellt, als er auf der Höhe von Kieselsberg unweit Castel auf den Feind stieß. Die Lage der Vorposten dem weitaus überlegenen Feinde gegenüber war eine sehr kritische, umsomehr, als unsererseits eine Verstärkung in nächster Frist kaum zu gewärtigen stand. Aber er durfte sich nicht zurückziehen, weil er befürchten mußte, daß ihm dann der Feind auf dem Fuße nachsetze. Er erwartete also mit den aufgestellten Vorposten den feindlichen Angriff, und obgleich derselbe mit großer Ueberlegenheit erfolgte, hielt er doch gegen die wiederholten Attaquen Stand, bis Feldmarschall-Lieutenant Fresnel, nachdem dieser die kritische Lage der Vorposten, welche nur aus dem 3. Jägerbataillon und einer Schwadron Blankenstein-Huszaren bestanden, erkannt hatte, zwei Bataillone und eine halbe Batterie zur Verstärkung nachrücken ließ, worauf Wintzingerode mit den so verstärkten Vorposten die Franzosen zurückschlug und so den Plan des Marschalls Davoust vereitelte, der den nächsten Weg über Amberg nach Regensburg eingeschlagen hatte, um sich mit der französischen Hauptarmee zu vereinigen. Die nächste schöne Waffenthat Wintzingerode’s erfolgte in der Schlacht bei Aspern 21. Mai 1809. Ihm fiel der erste Angriff auf dieses Dorf zu. Seine ganze Brigade bestand aus nur 2 Bataillonen Mittrowsky-Infanterie Nr. 10 und dem 2. Jäger-Bataillon, mit denen er Hirschstetten besetzt hielt. Als er daran ging, den erhaltenen Befehl auszuführen, waren eben einige Infanterieabtheilungen der Vorhut des Hiller’schen Corps, welche beim Eindringen in den Ort auf den Feind gestoßen, auf dem Rückzug nach Stadlau begriffen. Er ließ nun seine beiden Infanterie-Bataillone sich in Massen [104] formiren, das erste rechts gegen das linke Ende von Aspern, das zweite aber von Hirschstetten gerade auf das Angriffsobject vorrücken, während das 2. Jäger-Bataillon die Plänkler von dem Orte zu vertreiben, die Brigade-Batterie aber diese Dispositionen durch ihr Feuer zu unterstützen hatte. Indessen blieben auch die Franzosen nicht müßig und besetzten das wichtige Angriffsobject mit mehreren Batterien und alle Gräben um das Dorf und vor demselben, sowie die Brücke mit Infanterieabtheilungen. Während nun die Avantgarde des Hiller’schen Corps den Kampf wieder aufnahm und mit den die Auen besetzt haltenden feindlichen Plänklern beschäftigt war, dann eine von ihr entsendete Batterie den Ort beschoß, rückte Wintzingerode an der Spitze der beiden Bataillone Mittrowsky gegen die Brücke vor, warf die feindlichen Plänkler zurück, vertrieb die in den Gräben befindlichen Abtheilungen, drang unter dem heftigsten feindlichen Feuer über die Brücke im Sturmschritt vor und eilte, ohne einen Schuß zu thun, zum Sturm auf den Friedhof, wohin sich mittlerweile der Gegner zurückgezogen. Unsere Bataillone litten furchtbar durch das Feuer des Feindes, und überdies hatte derselbe neue Verstärkungen an sich gezogen und gegen die Unseren vorrücken lassen. Bis auf dreißig Schritte ließ das 1. Bataillon den Feind nahekommen. Dann mähte die erste Decharge von unserer Seite die feindlichen Reihen nieder, so daß die übrig gebliebenen sofort zurückwichen. Diesen Augenblick benützte nun General Wintzingerode, befahl die Einstellung des Feuers und leitete den Angriff mit dem Bajonnete, der auch, unter beständiger Aneiferung der Mannschaft durch ihn, vollkommen gelang. Nur wenige Schritte vom Feinde wurde dem General der rechte Fuß durch eine Kartätschenkugel zerschmettert, und der Tapfere mußte vom Schlachtfelde getragen werden, aber die schwierige Aufgabe war gelöst, Aspern in unseren Händen. Erzherzog Karl ernannte den General mit Armeebefehl vom 24. Mai zum Feldmarschall-Lieutenant, und im Nachtragscapitel vom 17. April 1811 wurde Wintzingerode mit dem Ritterkreuze des Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet, das ihm vom Kaiser schon für seine Tapferkeit bei Dürnstein zugedacht worden war. Die ferneren Geschicke des Generals spielen sich nicht in österreichischen Diensten ab, daher wir uns kurz fassen können. Als 1812 Oesterreich gegen Rußland ins Feld zog, verließ er die österreichische Armee und erhielt in der russischen, zu welcher er zurückgekehrt war, das Commando eines leichten Corps bei der Avantgarde. Vor Moskau wurde er in hitziger Verfolgung des Feindes nebst seinem Adjutanten gefangen genommen. Napoleon drohte, den General erschießen zu lassen, da derselbe als Unterthan des Königs von Westphalen, eines Rheinbundfürsten, gegen die Franzosen focht; aber aus Rücksicht für jene französischen Generale, welche sich in russischer Gefangenschaft befanden, nahm er den Befehl zurück, und Wintzingerode wurde nach Wilna transportirt, wo ihn am 22. November zwischen Minsk und Wilna Tschernitschew’s Kosaken befreiten. Nun erhielt er das Commando des 2. russischen Corps der Hauptarmee und ging einer Reihe von Siegen entgegen, die ihn unter die glänzendsten und ruhmvollsten Krieger seiner Zeit stellen. Erst schlug er die Franzosen bei Kalisch am 13. Februar 1813, bewährte dann in der Schlacht von Lützen aufs Neue sein Feldherrntalent; [105] darauf unter dem Commando des Kronprinzen von Schweden hatte er rühmlichen Antheil an den Schlachten bei Großbeeren und Dennewitz; bei Leipzig flocht er sich ein neues Blatt in seinen Ruhmeskranz, und vom Kaiser Alexander wurde er für sein ausgezeichnetes Verhalten zum General der Cavallerie ernannt. Nun übernahm er das Commando der Avantgarde im Armeecorps Blücher’s, eroberte Rheims, stellte die Verbindung der Blücher’schen Armee mit der Schwarzenberg’schen her und zeichnete sich noch beim Sturm auf Soissons aus. Als dann die Alliirten gegen Arcis vordrangen, ward ihm der Auftrag, Napoleon mit einem Corps von 8000 Reitern zu folgen und ihm den Marsch unseres Hauptheeres zu verdecken. Er operirte sehr geschickt und erhielt dafür einen mit Diamanten besetzten Ehrendegen. Aber vor St. Dizier gerieth er in die Falle. Napoleon, der sich des lästigen Verfolgers entledigen wollte, griff ihn daselbst am 26. März 1814 mit seiner Uebermacht an, welcher Wintzingerode nicht gewachsen war, so daß er geschlagen den Rückzug antreten mußte. Damit endet die sonst so ruhmvolle Laufbahn unseres Helden, der vier Jahre später im schönsten Mannesalter von erst 48 Jahren zu Wiesbaden starb.

Hirtenfeld (J.). Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wien 1857, Staatsdruckerei, kl. 4°.) Bd. II, S. 910. – Szöllösy (Joh. Nep.). Tagebuch gefeierter Helden und wichtiger kriegerischer Ereignisse der neuesten Zeit u. s. w. (Fünfkirchen 1837, gr. 8°.) S. 231.