Bekanntmachung, betreffend Ausnahmen von den Bestimmungen über die Sonntagsruhe

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Titel: Bekanntmachung, betreffend Ausnahmen von den Bestimmungen über die Sonntagsruhe gemäß §. 105e Abs. 1 der Gewerbeordnung.
Abkürzung:
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1901, Nr. 12, Seite 117–119
Fassung vom: 3. April 1901
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 6. April 1901
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(Nr. 2755.) Bekanntmachung, betreffend Ausnahmen von den Bestimmungen über die Sonntagsruhe gemäß §. 105e Abs. 1 der Gewerbeordnung. Vom 3. April 1901.

Auf Grund des §. 105e Abs. 2 der Gewerbeordnung (Reichs-Gesetzbl. von 1900 S. 871) hat der Bundesrath über die Voraussetzungen und Bedingungen der Zulassung von Ausnahmen bei der Sonntagsruhe im Gewerbebetriebe die nachstehenden Bestimmungen getroffen:

Allgemeine Bestimmungen.

1. Die höheren Verwaltungsbehörden haben für die im §. 105e Abs. 1 der Gewerbeordnung bezeichneten Gewerbe nur soviel Sonntagsarbeit zu gestatten, als nach den örtlichen Verhältnissen geboten erscheint. In der Regel wird ein Bedürfniß für Sonntagsarbeit nicht anzuerkennen sein, wenn und soweit sie bisher nicht üblich war.
2. Die Regelung der Ausnahmen für ein bestimmtes Gewerbe braucht nicht für den ganzen Verwaltungsbezirk einheitlich zu erfolgen, sondern sie kann für den Fall, daß die Verhältnisse an den einzelnen Orten des Bezirkes verschieden liegen, für einzelne Theile des Bezirkes oder für einzelne Orte verschieden gestaltet werden.
3. Für den ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertag sind Ausnahmen nicht oder nur in thunlichster Beschränkung zuzulassen.
4. Für Betriebe mit Tag- und Nachtarbeit kann die Zulassung einer beschränkten Arbeit an Sonn- und Festtagen davon abhängig gemacht werden, daß während bestimmter Stunden an diesen Tagen der Betrieb ruht.
5. Für nicht ununterbrochen arbeitende Betriebe, denen Ausnahmen von den im §. 105b Abs. 1 der Gewerbeordnung getroffenen Bestimmungen bewilligt werden, ist die Ruhezeit gemäß §. 105c Abs. 3 a. a. O. zu regeln, sofern deren Durchführung ohne erhebliche Beeinträchtigung möglich erscheint; anderenfalls ist die Beschäftigung der Arbeiter an Sonn- und Festtagen von der Freigabe eines Nachmittags an einem Wochentag und der Gewährung der Gelegenheit zum [118] Besuche des Gottesdienstes mindestens an jedem dritten Sonntag abhängig zu machen.
6. Arbeiter, welche in einem Betriebe der im §. 105b Abs. 1 der Gewerbeordnung bezeichneten Art auf Grund der gemäß §. 105e Abs. 1 a. a. O. zugelassenen Ausnahmen mit Sonntagsarbeiten beschäftigt werden, dürfen – wenn nicht Gefahr im Verzug ist – während der ihnen ausbedungenen Ruhezeit weder zu Arbeiten, die in dem betreffenden Betrieb auf Grund des §. 105c Abs. 1 a. a. O. zulässig sind, noch zu Arbeiten in dem etwa mit dem Betriebe verbundenen Handelsgewerbe herangezogen werden. Abweichungen können für bestimmte Gewerbe von der höheren Verwaltungsbehörde zugelassen werden.

Besondere Bestimmungen für Betriebe mit Wind oder unregelmäßiger Wasserkraft.

7. Als vorwiegend mit Wind oder Wasserkraft arbeitend ist ein Triebwerk dann anzusehen, wenn eine andere Triebkraft (Dampf, Gas, Elektrizität und dergl.) nur beim Versagen der Wind- oder Wasserkraft eintritt oder wenn, im Falle des Nebeneinanderwirkens der Wind- oder Wasserkraft mit einer anderen Triebkraft, die Wind- oder Wasserkraft bei normalem Betriebe die Hauptkraft ist. Letzteres ist bei Wassertriebwerken in der Regel dann anzunehmen, wenn bei mittlerem Wasserstande die Wasserkraft mehr als die Hälfte der zum normalen Betriebe des Werkes erforderlichen Kraft liefert.
8. Als unregelmäßig ist eine Wasserkraft dann anzusehen, wenn der Wasserzufluß während der jährlichen Betriebszeit in Folge elementarer Einwirkungen (z. B. Trockenheit, Hochwasser, Frost) oder aus anderen Gründen (Mitbenutzung des Wassers zu anderen Zwecken, z. B. Bewässerungsanlagen u. s. w.) erheblichen Schwankungen unterworfen ist, und dadurch ein ununterbrochener oder gleichmäßiger Wasserbetrieb unmöglich gemacht wird.
9. Die Ausnahmen haben nur den Zweck, Ausfälle der regelmäßigen werktägigen Arbeitszeit, welche durch völliges oder theilweises Versagen der Triebkraft verursacht werden, auszugleichen, soweit ein wirthschaftliches Bedürfniß hierzu vorliegt.
Bei Gestattung der Ausnahmen ist thunlichst zu ermitteln, an wieviel Wochentagen während der jährlichen Betriebszeit die Triebkraft ganz oder theilweise zu versagen pflegt, und dementsprechend ist die Zahl der Sonn- und Festtage, an denen eine Beschäftigung stattfinden darf, und die Dauer dieser Beschäftigung zu bemessen.
In keinem Falle darf die Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- und Festtagen für eine größere Zahl solcher Tage und in größerem Umfange gestattet werden, als bisher üblich war und als zum Ersatze des Ausfalls an regelmäßiger werktägiger Arbeitszeit, der durch Versagen der Triebkraft entsteht, nöthig ist. [119]
10. Ausnahmen werden nicht zuzulassen sein für größere Betriebe, welche zwar vorwiegend mit Wind oder unregelmäßiger Wasserkraft arbeiten, sich daneben aber ständig einer Hülfskraft bedienen, sofern diese Hülfskraft an Werktagen beim Versagen der Wind- oder Wasserkraft die Fortführung des Betriebs in einem nicht wesentlich beschränkteren Umfang und ohne unverhältnißmäßige Mehrkosten ermöglicht.
11. Kommt Wind oder Wasser nur in einzelnen Theilen einer gewerblichen Anlage als Triebkraft in Anwendung, so erstreckt sich die Gestattung der Sonntagsarbeit nicht nur auf diejenigen Arbeiten, welche unter Benutzung des Wind- oder Wassertriebwerkes ausgeführt werden, sondern auch auf solche Arbeiten, die mit jenen Arbeiten derart im Zusammenhange stehen, daß sie nicht wohl am vorhergehenden oder nachfolgenden Werktage vorgenommen werden können.
12. Die Bewilligung der Ausnahmen ist an die Bedingung zu knüpfen, daß den Arbeitern Ruhezeiten entsprechend Nummer 5 dieser Bestimmungen zu gewähren sind.
13. Die Sonn- oder Festtagsarbeiten sind von dem Gewerbetreibenden mit den im §. 105c Abs. 2 der Gewerbeordnung bezeichneten Angaben über die Zahl der beschäftigten Arbeiter, die Dauer ihrer Beschäftigung sowie die Art der vorgenommenen Arbeiten in das daselbst vorgeschriebene Verzeichniß einzutragen.
14. Für die Zulassung der Ausnahmen kommen zwei Verfahren in Frage:
a) Einmal ist die höhere Verwaltungsbehörde befugt, nach Lage der örtlichen Verhältnisse allgemeine Ausnahmen für bestimmte Betriebsarten, Verwaltungsgebiete oder Wasserläufe zuzulassen, sowie einzelnen, nach Art, Einrichtung oder Lage des Betriebs der besonderen Regelung bedürftigen Unternehmungen Ausnahmen zu gewähren (§. 105e Abs. 1 der Gewerbeordnung).
b) Daneben hat jeder Triebwerksbesitzer die Möglichkeit, für seinen Betrieb in einem nach den Vorschriften der §§. 20, 21 der Gewerbeordnung sich regelnden Verfahren besondere Ausnahmen zu erwirken (§. 105e Abs. 3 a. a. O.).
Berlin, den 3. April 1901.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers.

Graf von Posadowsky.