Bekanntmachung, betreffend Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten. Vom 21. Februar 1904 / II. Bekämpfung der Pocken

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Titel: Bekanntmachung, betreffend Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten. II. Bekämpfung der Pocken.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1904, Nr. 9, Seite 92 - 110
Fassung vom: 21. Februar 1904
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Bekanntmachung: 27. Februar 1904
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II. Bekämpfung der Pocken.[Bearbeiten]

Als das wirksamste Mittel zur Bekämpfung der Pocken ist die Schutzpockenimpfung anzusehen, deren Durchführung durch das Impfgesetz vom 8. April 1874 (Reichs-Gesetzbl. S. 31) und die hierzu ergangenen Vollzugsvorschriften geregelt ist. Wo auf Grund landesrechtlicher Bestimmungen Zwangsimpfungen beim Ausbruch einer Pockenepidemie zulässig sind (vergleiche § 18 Abs. 3 des Impfgesetzes vom 8. April 1874 – Reichs-Gesetzbl. S. 31 –), ist darauf hinzuwirken, daß gegebenenfalls alle der Ansteckung ausgesetzten Personen, sofern sie nicht die Pocken überstanden haben oder durch Impfung hinreichend geschützt sind, sich impfen lassen. Wo Zwangsimpfungen nicht zulässig sind, ist in geeigneter Weise auf die Durchführung der Schutzpockenimpfung hinzuwirken. Dies gilt besonders für die Bewohner und Besucher eines Hauses, in welchem die Pocken aufgetreten sind, wie für das Pflegepersonal, die Ärzte, die Studierenden der Medizin, welche klinische Vorlesungen besuchen, ferner für die bei der Einsargung von Pockenleichen beschäftigten Personen, für Desinfektoren sowie für Arbeiter in gewerblichen Anlagen, welche den Ausgangspunkt von Pockenerkrankungen gebildet haben.
Außerdem wird folgendes bestimmt:
1. Zu §§ 12, 13. Diejenigen Personen, welche mit einer an den Pocken erkrankten oder verstorbenen Person unmittelbar oder, wie zum Beispiel Arbeitsgenossen, unter Umstanden auch Boten, Briefträger und dergleichen, nur mittelbar in Berührung gekommen sind, ferner die Bewohner eines Hauses, in welchem ein Pockenfall festgestellt ist, sowie Arbeiter, welche mit Sachen, die möglicherweise den Krankheitsstoff an sich tragen (Hadern, Haare, Bettfedern und dergleichen), umgegangen sind (ansteckungsverdächtige Personen), sind einer Beobachtung zu unterstellen, soweit nicht schärfere Maßregeln nach Nr. 2 zu ergreifen sind oder vom beamteten Arzte aus besonderen Gründen für erforderlich erklärt werden. Die Beobachtung soll nicht länger als vierzehn Tage, gerechnet vom Tage der letzten Ansteckungsgelegenheit, dauern. Sie ist in schonender Form und so vorzunehmen, daß Belästigungen tunlichst vermieden werden. Sie wird in der Regel darauf beschränkt werden können, daß durch einen Arzt oder durch eine sonst geeignete Person zeitweise Erkundigungen über den Gesundheitszustand der betreffenden Personen eingezogen werden. Erklärt der beamtete Arzt es für erforderlich, daß die der Beobachtung unterstellten Personen Wirtshäusern, Spielplätzen, öffentlichen Versammlungsorten und gemeinschaftlichen Arbeitsstätten fern bleiben, oder sonst sich Verkehrsbeschränkungen unterwerfen, und sind diese Personen hierzu nicht bereit, so ist je nach Lage des Falles deren Absonderung gemäß Nr. 2 anzuordnen. [93]
Die höhere Verwaltungsbehörde kann für den Umfang ihres Bezirkes oder für Teile desselben anordnen, daß zureisende fremde oder ortsansässige Personen, welche sich innerhalb der letzten vierzehn Tage vor ihrer Ankunft in einem von den Pocken betroffenen Bezirk oder Orte aufgehalten haben, nach ihrer Ankunft der Ortspolizeibehörde binnen einer zu bestimmenden möglichst kurzen Frist schriftlich oder mündlich zu melden sind. Derartige Personen können als ansteckungsverdächtig angesehen und der Beobachtung unterworfen werden.
Eine verschärfte Art der Beobachtung, verbunden mit Beschränkungen in der Wahl des Aufenthalts oder der Arbeitsstätte (zum Beispiel Anweisung eines bestimmten Aufenthalts, Verpflichtung zum zeitweisen persönlichen Erscheinen vor der Gesundheitsbehörde, Untersagung des Verkehrs an bestimmten Orten) ist solchen Personen gegenüber zulässig, welche obdachlos oder ohne festen Wohnsitz sind oder berufs- oder gewohnheitsmäßig umherziehen, zum Beispiel fremdländische Auswanderer und Arbeiter, fremdländische Drahtbinder, Zigeuner, Landstreicher, Hausierer.
2. Zu § 14. An den Pocken erkrankte oder krankheitsverdächtige Personen sind ohne Verzug unter Beobachtung der Bestimmungen im § 14 Abs. 2 und 3 des Gesetzes abzusondern. Als krankheitsverdächtig sind solche Personen zu betrachten, welche unter Erscheinungen erkrankt sind, die den Ausbruch der Pocken befürchten lassen.
Ansteckungsverdächtige Personen (Nr. 1) sind abzusondern,
a) wenn anzunehmen ist, daß sie weder mit Erfolg geimpft sind, noch die Pocken überstanden haben;
b) wenn sie mit einem Pockenkranken in Wohnungsgemeinschaft leben oder sonst mit einem solchen Kranken oder mit einer Pockenleiche in unmittelbare Berührung gekommen sind. In diesem Falle kann jedoch die Absonderung unterbleiben, sofern der beamtete Arzt die Beobachtung (Nr. 1) für ausreichend erachtet.
Die Absonderung ansteckungsverdächtiger Personen darf die Dauer von vierzehn Tagen, gerechnet vom Tage der letzten Ansteckungsgelegenheit, nicht übersteigen und ist in dem Falle unter a aufzuheben, sobald der Nachweis der erfolgten Impfung erbracht wird.
Zur Fortschaffung von Kranken und Krankheitsverdächtigen sollen dem öffentlichen Verkehre dienende Beförderungsmittel (Droschken, Straßenbahnwagen und dergleichen) in der Regel nicht benutzt werden (vergleiche Nr. 5).
Wohnungen oder Häuser, in denen an den Pocken erkrankte Personen sich befinden, sind kenntlich zu machen.
Denjenigen Personen, welche der Pflege und Wartung von Pockenkranken sich widmen, ist aufzugeben, den Verkehr mit anderen Personen solange als erforderlich tunlichst zu vermeiden; auch haben sie die von dem beamteten Arzte für nötig befundenen Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung der Krankheit zu beobachten. [94]
Die Behörden haben in geeigneter Weise dahin zu wirken, daß zur Pflege und Behandlung von Pockenkranken nur Personen zugelassen werden, die die Pocken überstanden haben oder durch Impfung hinreichend geschützt sind oder sich sofort der Impfung oder Wiederimpfung unterwerfen.
Als geeignet zur Absonderung sind nur solche Krankenhäuser oder Unterkunftsräume anzusehen, in welchen die Absonderung des Kranken derart erfolgen kann, daß er mit anderen, als den zu seiner Pflege bestimmten Personen, dem Arzte oder dem Seelsorger nicht in Berührung kommt und eine Weiterverbreitung der Krankheit tunlichst ausgeschlossen ist.
3. Zu § 15. Die zuständigen Behörden haben besonders zu erwägen, inwieweit Veranstaltungen, welche eine Ansammlung größerer Menschenmengen mit sich bringen (Messen, Märkte usw.), in oder bei solchen Ortschaften, in welchen die Pocken ausgebrochen sind, zu untersagen sind.
In einem Hause, in welchem ein Pockenkranker sich befindet, können gewerbliche Betriebe, durch welche eine Verbreitung des Ansteckungsstoffs zu befürchten ist, insbesondere Verkaufsstellen von Nahrungs- und Genußmitteln, Beschränkungen unterworfen oder geschlossen werden, insoweit nach dem Gutachten des beamteten Arztes die Fortsetzung des Betriebs als gefährlich zu betrachten ist.
Die Polizeibehörden der von den Pocken ergriffenen Ortschaften haben dafür zu sorgen, daß Gegenstände, von denen nach dem Gutachten des beamteten Arztes anzunehmen ist, daß sie mit dem Ansteckungsstoffe der Pocken behaftet sind, vor wirksamer Desinfektion nicht in den Verkehr gelangen.
Insbesondere ist für Ortschaften oder Bezirke, in denen die Pocken gehäuft auftreten, die Ausfuhr von gebrauchter Leibwäsche, alten und getragenen Kleidungsstücken, gebrauchtem Bettzeug einschließlich Bettfedern, gebrauchten Roßhaaren, Hadern und Lumpen aller Art und alten Papierabfällen zu verbieten, unter Umständen kann das Verbot auch auf andere Gegenstände, insoweit dies nach dem Gutachten des beamteten Arztes erforderlich ist, ausgedehnt werden. Reisegepäck und Umzugsgut sind von dem Verbot auszunehmen.
Bei gehäuftem Auftreten der Pocken ist in den von der Krankheit befallenen Ortschaften oder Bezirken das gewerbsmäßige Einsammeln von Lumpen im Umherziehen zu verbieten.
Einfuhrverbote gegen inländische, von den Pocken befallene Ortschaften sind nicht zulässig. Das Verbot der Einfuhr bestimmter Waren und anderer Gegenstände aus dem Auslande richtet sich ausschließlich nach den Vorschriften, welche gegebenenfalls gemäß § 25 des Gesetzes in Vollzug gesetzt werden.
Für gebrauchtes Bettzeug, Leibwäsche und getragene Kleidungsstücke, welche aus einer von den Pocken betroffenen Ortschaft stammen und noch nicht wirksam desinfiziert worden sind, kann eine Desinfektion angeordnet werden. Im übrigen ist eine Desinfektion von Gegenständen des Güter- und Reiseverkehrs einschließlich der von Reisenden getragenen Wäsche- und Kleidungsstücke nur dann geboten und zulässig, wenn die Gegenstände nach dem Gutachten des beamteten Arztes als mit dem Ansteckungsstoffe der Pocken behaftet anzusehen sind. [95]
Weitergehende Beschränkungen des Gepäck- und Güterverkehrs sowie des Verkehrs mit Post- (Brief- und Paket-) Sendungen sind nicht zulässig.
4. Zu § 16. Jugendliche Personen aus einer Behausung, in welcher ein Pockenfall vorgekommen ist, müssen, soweit und solange nach dem Gutachten des beamteten Arztes eine Weiterverbreitung der Krankheit aus dieser Behausung zu befürchten ist, vom Schulbesuche ferngehalten werden.
Das gleiche gilt hinsichtlich des Besuchs jedes anderen Unterrichts, an welchem mehrere Personen teilnehmen.
5. Zu § 19. In einem Hause, in welchem ein Pockenfall vorgekommen ist, sind die erforderlichen Maßnahmen zur Desinfektion der Ausscheidungen des Kranken sowie der mit dem Kranken oder Gestorbenen in Berührung gekommenen Gegenstände zu treffen. Ganz besondere Aufmerksamkeit ist der Desinfektion infizierter Räume, ferner der Kleidungsstücke, der Betten und der Leibwäsche des Kranken oder Gestorbenen, der Hautabgänge und Verbandstoffe des Kranken sowie der bei der Wartung und Pflege des Kranken benutzten Kleidungsstücke zuzuwenden. Auch ist Vorsorge zu treffen, daß Fahrzeuge und andere Beförderungsmittel, welche zur Fortschaffung von kranken oder krankheitsverdächtigen Personen gedient haben, alsbald und vor anderweitiger Benutzung desinfiziert werden.
Die Desinfektionen sind nach Maßgabe der aus der Anlage 1 ersichtlichen Anweisung zu bewirken.
6. Zu § 21. Die Leichen der an den Pocken Gestorbenen sind ohne vorheriges Waschen und Umkleiden sofort in Tücher einzuhüllen, welche mit einer desinfizierenden Flüssigkeit getränkt sind. Sie sind alsdann in dichte Särge zu legen, welche am Boden mit einer reichlichen Schicht Sägemehl, Torfmull oder anderen aufsaugenden Stoffen bedeckt sind. Der Sarg ist alsbald zu schließen.
Soll mit Rücksicht auf religiöse Vorschriften das Waschen der Leiche ausnahmsweise stattfinden, so darf es nur unter den vom beamteten Arzte angeordneten Vorsichtsmaßregeln und nur mit desinfizierenden Flüssigkeiten ausgeführt werden.
Ist ein Leichenhaus vorhanden, so ist die eingesargte Leiche sobald als möglich dahin überzuführen. In Ortschaften, in welchen ein Leichenhaus nicht besteht, ist dafür Sorge zu tragen, daß die eingesargte Leiche tunlichst in einem besonderen, abschließbaren Raume bis zur Beerdigung aufbewahrt wird.
Die Ausstellung der Leiche im Sterbehaus oder im offenen Sarge ist zu untersagen, das Leichengefolge möglichst zu beschränken und dessen Eintritt in das Sterbehaus zu verbieten.
Die Beförderung der Leichen von Personen, welche an den Pocken gestorben sind, nach einem anderen als dem ordnungsmäßigen Beerdigungsort ist zu untersagen.
Die Bestattung der Pockenleichen ist tunlichst zu beschleunigen. Die zur Ausschmückung des Sarges verwendeten Gegenstände sind mit in das Grab zu [96] bringen, bei Feuerbestattung mit zu verbrennen. Es ist Vorsorge zu treffen, daß Personen, die bei der Einsargung beschäftigt gewesen sind, nicht mit der Ansage des Leichenbegängnisses betraut werden, und daß sie den Verkehr mit anderen Personen meiden, solange der beamtete Arzt dies für erforderlich hält. Auch ist ihnen die Einhaltung der sonstigen von dem beamteten Arzte gegen eine Weiterverbreitung der Krankheit für erforderlich erachteten Maßregeln zur Pflicht zu machen.
7. Zu § 22. Die Aufhebung der zur Abwehr der Pockengefahr getroffenen Anordnungen darf nur nach Anhörung des beamteten Arztes erfolgen; insbesondere ist sie von der vorgängigen Desinfektion des Genesenen abhängig zu machen, insoweit es sich um Maßregeln handelt, die sich auf den Kranken und dessen unmittelbare Umgebung bezogen haben.
8. Zu § 24. Bei einem gefahrdrohenden Ausbruche der Pocken im Ausland ist der Übertritt von Durchwanderern aus solchen ausländischen Gebieten, in denen die Pocken herrschen, nur an bestimmten Grenzorten zu gestatten, wo eine ärztliche Besichtigung sowie die Zurückhaltung und Absonderung der an den Pocken Erkrankten und der Krankheitsverdächtigen stattzufinden hat.
Die Massenbeförderung von Durchwanderern mit der Eisenbahn hat in Sonderzügen oder in besonderen Wagen, und zwar nur in Abteilen ohne Polsterung zu geschehen. Die benutzten Wagen sind nach jedesmaligem Gebrauche zu desinfizieren. Müssen die Durchwanderer während der Reise durch das Reichsgebiet behufs Übernachtung den Zug verlassen, so darf dies nur auf Eisenbahnstationen geschehen, bei denen sich Auswandererhäuser befinden.
Es ist dafür Sorge zu tragen, daß solche Durchwanderer mit dem Publikum so wenig wie möglich in Berührung kommen und in den Hafenorten tunlichst in Auswandererhäusern untergebracht werden.
Fremdländischen Arbeitern, welche aus ausländischen von den Pocken befallenen Gebieten zum Erwerb ihres Unterhalts einwandern, sowie ihren Angehörigen ist der Übertritt über die Grenze nur unter der Bedingung zu gestatten, daß sie sich beim Eintritt oder an ihrem ersten Dienstort innerhalb drei Tagen der Schutzimpfung unterwerfen, sofern sie nicht glaubhaft nachweisen, daß sie die Pocken überstanden haben oder durch Impfung hinreichend geschützt sind.
9. Zu § 40. Pockenkranke dürfen in der Regel nicht mittels der Eisenbahn befördert werden. Ausnahmen sind nur nach dem Gutachten des für die Abgangsstation zuständigen beamteten Arztes zulässig. In solchen Ausnahmefällen ist der Kranke in einem besonderen Wagen, der alsbald nach der Benutzung zu desinfizieren ist, zu befördern. Das bei ihm beschäftigt gewesene Personal ist anzuhalten, vor ausgeführter Desinfektion (Anlage 1) den Verkehr mit anderen Personen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Ergibt sich bei einem Reisenden während der Eisenbahnfahrt Pockenverdacht, so ist er, falls nicht die Verkehrsordnung seinen Ausschluß von der Fahrt vorschreibt, an der Weiterfahrt nicht zu verhindern; jedoch ist, sobald dies ohne Unterbrechung der Reise möglich ist, die Feststellung der Krankheit durch einen [97] Arzt herbeizuführen. Der Abteil, in welchem der Kranke untergebracht war, und die damit in Zusammenhang stehenden Abteile sind zu räumen. Der Wagen ist, falls der Pockenverdacht sich bestätigt, sobald wie möglich außer Betrieb zu setzen und zu desinfizieren.
Im einzelnen gelten beim Auftreten der Pocken die in der Anlage 2 enthaltenen Bestimmungen.
10. Zu § 42. Ist in einer Ortschaft der Ausbruch der Pocken festgestellt, so ist das Kaiserliche Gesundheitsamt hiervon sofort auf dem kürzesten Wege zu benachrichtigen. Neben dieser Benachrichtigung von dem Ausbruche der Pocken ist von den durch die Landesregierungen zu bestimmenden Behörden an das Kaiserliche Gesundheitsamt wöchentlich eine Nachweisung über die in der vergangenen Woche bis Sonnabend einschließlich in den einzelnen Ortschaften gemeldeten Erkrankungs- und Todesfälle nach Maßgabe der Anlage 3 in geschlossenem Umschlage mitzuteilen. Die Wochennachweisungen sind so zeitig abzusenden, daß sie bis Montag Mittag im Gesundheitsamt eingehen.
Außerdem ist innerhalb acht Tagen nach der Genesung oder dem Ableben eines Pockenkranken eine Zählkarte nach dem anliegenden Muster (Anlage 4) von dem durch die Landesregierung zu bestimmenden Medizinalbeamten auszufüllen. Die Zählkarten sind nach Bestimmung der Landesregierung entweder durch Vermittlung der zuständigen Landesbehörde oder unmittelbar an das Kaiserliche Gesundheitsamt einzusenden. Falls die Karten zunächst an die Landesbehörde eingereicht werden, ist dafür Sorge zu tragen, daß sie spätestens bis zum 1. Februar des nächstfolgenden Jahres an das Kaiserliche Gesundheitsamt gelangen. Diese Bestimmungen treten am 1. Januar 1905 in Kraft.

Anlage 1. Desinfektionsanweisung bei Pocken.[Bearbeiten]

I. Desinfektionsmittel.[Bearbeiten]

a. Kresol, Karbolsäure.[Bearbeiten]

1. Verdünntes Kresolwasser. Zur Herstellung wird 1 Gewichtsteil Kresolseifenlösung (Liquor Cresoli saponatus des Arzneibuchs für das Deutsche Reich, vierte Ausgabe) mit 19 Gewichtsteilen Wasser gemischt. 100 Teile enthalten annähernd 2,5 Teile rohes Kresol. Das Kresolwasser (Aqua cresolica des Arzneibuchs für das Deutsche Reich) enthält in 100 Teilen 5 Teile rohes Kresol, ist also vor dem Gebrauche mit gleichen Teilen Wasser zu verdünnen. [98]
2. Karbolsäurelösung. 1 Gewichtsteil verflüssigte Karbolsäure (Acidum carbolicum liquefactum ) wird mit 30 Gewichtsteilen Wasser gemischt.

b. Chlorkalk.[Bearbeiten]

Der Chlorkalk hat nur dann eine ausreichende desinfizierende Wirkung, wenn er frisch bereitet und in wohlverschlossenen Gefäßen aufbewahrt ist; er muß stark nach Chlor riechen. Er wird in Mischung von 1:50 Gewichtsteilen Wasser verwendet.

c. Kalk, und zwar:[Bearbeiten]

1. Kalkmilch. Zur Herstellung wird 1 Liter zerkleinerter reiner gebrannter Kalk, sogenannter Fettkalk, mit 4 Liter Wasser gemischt, und zwar in folgender Weise:
Es wird von dem Wasser etwa ¾ Liter in das zum Mischen bestimmte Gefäß gegossen und dann der Kalk hineingelegt. Nachdem der Kalk das Wasser aufgesogen hat und dabei zu Pulver zerfallen ist, wird er mit dem übrigen Wasser zu Kalkmilch verrührt.
2. Kalkbrühe, welche durch Verdünnung von 1 Teile Kalkmilch mit 9 Teilen Wasser frisch bereitet wird.

d. Kaliseife.[Bearbeiten]

3 Gewichtsteile Kaliseife (sogenannte Schmierseife oder grüne Seife oder schwarze Seife) werden in 100 Gewichtsteilen siedend heißem Wasser gelöst (zum Beispiel ½ Kilogramm Seife in 17 Liter Wasser).
Diese Lösung ist heiß zu verwenden.

e. Formaldehyd.[Bearbeiten]

Der Formaldehyd ist ein stark riechendes, auf die Schleimhäute der Luftwege, der Nase, der Augen reizend wirkendes Gas, das aus einer im Handel vorkommenden, etwa 35prozentigen wässerigen Lösung des Formaldehyds (Formaldehydum solutum des Arzneibuchs) durch Kochen oder Zerstäubung mit Wasserdampf oder Erhitzen sich entwickeln läßt. Die Formaldehydlösung ist bis zur Benutzung gut verschlossen und vor Licht geschützt aufzubewahren.
Der Formaldehyd in Gasform ist für die Desinfektion geschlossener oder allseitig gut abschließbarer Räume verwendbar und eignet sich zur Vernichtung von Krankheitskeimen, die an freiliegenden Flächen oberflächlich oder doch nur in geringer Tiefe haften. Zum Zustandekommen der desinfizierenden Wirkung sind erforderlich:
vorgängiger allseitig dichter Abschluß des zu desinfizierenden Raumes durch Verklebung, Verkittung aller Undichtigkeiten der Fenster und Türen, der Ventilationsöffnungen und dergleichen;
Entwicklung von Formaldehyd in einem Mengenverhältnisse von wenigstens 5 Gramm auf je 1 Kubikmeter Luftraum; [99]
gleichzeitige Entwickelung von Wasserdampf bis zu einer vollständigen Sättigung der Luft des zu desinfizierenden Raumes (auf 100 Kubikmeter Raum sind 3 Liter Wasser zu verdampfen);
wenigstens 7 Stunden andauerndes ununterbrochenes Verschlossenbleiben des mit Formaldehyd und Wasserdampf erfüllten Raumes; diese Zeit kann bei Entwickelung doppelt großer Mengen von Formaldehyd auf die Hälfte abgekürzt werden.
Formaldehyd kann in Verbindung mit Wasserdampf von außen her durch Schlüssellöcher, durch kleine in die Tür gebohrte Öffnungen und dergleichen in den zu desinfizierenden Raum geleitet werden. Werden Türen und Fenster geschlossen vorgefunden und sind keine anderen Öffnungen (zum Beispiel für Ventilation, offene Ofentüren) vorhanden, so empfiehlt es sich, die Desinfektion mittels Formaldehyds auszuführen, ohne vorher das Zimmer zu betreten, beziehungsweise ohne die vorherigen Abdichtungen vorzunehmen; für diesen Fall ist die Entwicklung wenigstens viermal größerer Mengen Formaldehyds, als sie für die Desinfektion nach geschehener Abdichtung angegeben sind, erforderlich.
Die Desinfektion mittels Formaldehyds darf nur nach bewährten Methoden ausgeübt und nur geübten Desinfektoren anvertraut werden, die für jeden einzelnen Fall mit genauer Anweisung zu versehen sind. Nach Beendigung der Desinfektion empfiehlt es sich, zur Beseitigung des den Räumen noch anhaftenden Formaldehydgeruchs Ammoniakgas einzuleiten.

f. Dampfapparate.[Bearbeiten]

Als geeignet können nur solche Apparate und Einrichtungen angesehen werden, welche von Sachverständigen geprüft sind.
Auch Notbehelfseinrichtungen können unter Umständen ausreichen.
Die Prüfung derartiger Apparate und Einrichtungen hat sich zu erstrecken namentlich auf die Anordnung der Dampfzuleitung und -ableitung, auf die Handhabungsweise und die für eine gründliche Desinfektion erforderliche Dauer der Dampfeinwirkung.
Die Bedienung der Apparate usw. ist, wenn irgend angängig, wohlunterrichteten Desinfektoren zu übertragen.

g. Siedehitze.[Bearbeiten]

Auskochen in Wasser, Salzwasser oder Lauge wirkt desinfizierend. Die Flüssigkeit muß die Gegenstände vollständig bedecken und mindestens 10 Minuten lang im Sieden gehalten werden.
Unter den angeführten Desinfektionsmitteln ist die Auswahl nach Lage der Umstände zu treffen. Es ist zulässig, daß seitens der beamteten Ärzte unter Umständen auch andere in bezug auf ihre desinfizierende Wirksamkeit erprobte Mittel angewendet werden; die Mischungs- beziehungsweise Lösungsverhältnisse [100] sowie die Verwendungsweise solcher Mittel sind so zu wählen, daß der Erfolg der Desinfektion nicht nachsteht einer mit den unter a bis g bezeichneten Mitteln ausgeführten Desinfektion.

II. Anwendung der Desinfektionsmittel im einzelnen.[1][Bearbeiten]

1. Besonders gefährlich sind die Hautabgänge der Kranken. Der aus den Pockenpusteln stammende Eiter enthält, auch wenn er eingetrocknet ist und zerstäubt, den Ansteckungsstoff in wirksamer Form. Deshalb muß die Desinfektion nicht nur nach Ablauf der Krankheit, sondern schon während des Bestehens der Krankheit gehandhabt werden. Die Hautabgänge (Schorfe usw.) sind sorgfältig zusammenzusuchen und zu desinfizieren oder zu verbrennen.
Der Fußboden des Krankenzimmers ist täglich mit desinfizierenden Flüssigkeiten auszuwaschen, Kehricht ist zu desinfizieren oder zu verbrennen.
Alle Ausscheidungen der Kranken (Wund- und Geschwürsausscheidungen, Auswurf und Nasenschleim, etwaige bei Sterbenden aus Mund und Nase hervorgequollene schaumige Flüssigkeit, Blut und Urin, Erbrochenes und Stuhlgang) sind mit dem unter Ia beschriebenen verdünnten Kresolwasser oder durch Siedehitze (Ig) zu desinfizieren. Es empfiehlt sich, solche Ausscheidungen unmittelbar in Gefäßen aufzufangen, welche die Desinfektionsflüssigkeit in mindestens gleicher Menge enthalten, und sie hiermit gründlich zu verrühren. Verbandgegenstände und Läppchen, welche zweckmäßig an Stelle von Taschentüchern zur Reinigung von Mund und Nase der Kranken verwendet werden, sind, wenn das Verbrennen derselben (vergleiche Ziffer 9) nicht angängig ist, unmittelbar nach dem Gebrauch ebenfalls in solche mit verdünntem Kresolwasser (Ia) beschickte Gefäße zu legen, so daß sie von der Flüssigkeit vollständig bedeckt sind.
Die Gemische sollen mindestens zwei Stunden stehen bleiben und dürfen erst dann beseitigt werden.
Schmutzwässer sind mit Chlorkalk oder Kalkmilch zu desinfizieren, und zwar ist vom Chlorkalke so viel zuzusetzen, bis die Flüssigkeit stark nach Chlor riecht, von Kalkmilch so viel, daß das Gemisch rotes Lackmuspapier stark und dauernd blau färbt. In allen Fällen darf die Flüssigkeit erst nach zwei Stunden abgegossen werden Badewässer sind wie Schmutzwässer zu behandeln.
2. Hände und sonstige Körperteile müssen jedesmal, wenn sie mit infizierten Dingen (Ausscheidungen der Kranken, beschmutzter Wäsche usw.) in Berührung gekommen sind, durch gründliches Waschen mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) desinfiziert werden.
3. Bett- und Leibwäsche sowie waschbare Kleidungsstücke und dergleichen sind entweder auszukochen (Ig) oder in ein Gefäß mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) zu stecken. Die Flüssigkeit muß in den Gefäßen [101] die eingetauchten Gegenstände vollständig bedecken. In dem Kresolwasser oder der Karbolsäurelösung bleiben die Gegenstände wenigstens zwei Stunden. Dann werden sie mit Wasser gespült und weiter gereinigt. Das dabei ablaufende Wasser kann als unverdächtig behandelt werden.
4. Kleidungsstücke, die nicht gewaschen werden können, Matratzen, Teppiche und alles, was sich zur Dampfdesinfektion eignet, sind in Dampfapparaten zu desinfizieren (If).
5. Alle diese zu desinfizierenden Gegenstände sind beim Zusammenpacken und bevor sie nach den Desinfektionsanstalten oder -apparaten geschafft werden, in Tücher, welche mit Karbolsäurelösung (Ia) angefeuchtet sind, einzuschlagen und, wenn möglich, in gut schließenden Gefäßen zu verwahren.
Wer solche Wäsche usw. vor der Desinfektion angefaßt hat, muß seine Hände in der unter Ziffer 2 angegebenen Weise desinfizieren.
6. Zur Desinfektion infizierter oder der Infektion verdächtiger Räume, namentlich solcher, in denen Kranke sich aufgehalten haben, sind zunächst die Lagerstellen, Gerätschaften und dergleichen, ferner die Wände und der Fußboden, unter Umständen auch die Decke mittels Lappen, die mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) getränkt sind, gründlich abzuwaschen; besonders ist darauf zu achten, daß diese Lösungen auch in alle Spalten, Risse und Fugen eindringen.
Die Lagerstellen von Kranken oder von Verstorbenen und die in der Umgebung auf wenigstens 2 Meter Entfernung befindlichen Gerätschaften, Wand- und Fußbodenflächen sind bei dieser Desinfektion besonders zu berücksichtigen.
Alsdann sind die Räumlichkeiten und Gerätschaften mit einer reichlichen Menge Wasser oder Kaliseifenlösung (Id) zu spülen. Nach ausgeführter Desinfektion ist gründlich zu lüften.
7. Die Anwendung des Formaldehyds empfiehlt sich besonders zur sogenannten Oberflächendesinfektion. Außerdem gewährt sie den Desinfektoren einen gewissen Schutz vor einer Infektion bei den nach Ziffer 6 auszuführenden mechanischen Desinfektionsarbeiten; sie ist möglichst vor dem Beginne sonstiger Desinfektion in der Weise auszuführen, daß die zu desinfizierenden Räumlichkeiten erst nach der beendeten Formaldehyddesinfektion betreten zu werden brauchen (vergleiche Ie Abs. 3).
Nach voraufgegangener Desinfektion mittels Formaldehyds können nur die Wände, die Zimmerdecke, die freien glatten Flächen der Gerätschaften als desinfiziert gelten. Alles übrige, namentlich alle diejenigen Teile, welche Risse und Fugen aufweisen, sind gemäß den vorstehend gegebenen Vorschriften zu desinfizieren.
Ist der Desinfektor durch Impfung hinreichend geschützt, so bedarf es der Voreinleitung der Formaldehydgase in das Zimmer nicht.
8. Gegenstände aus Leder, Holz- und Metallteile von Möbeln sowie ähnliche Gegenstände werden sorgfältig und wiederholt mit Lappen abgerieben, die [102] mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) befeuchtet sind. Die gebrauchten Lappen sind zu verbrennen.
Pelzwerk wird auf der Haarseite bis auf die Haarwurzel mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) durchweicht. Nach zwölfstündiger Einwirkung der Desinfektionsflüssigkeit darf es ausgewaschen und weiter gereinigt werden.
Plüsch- und ähnliche Möbelbezüge werden nach Ziffer 3 und 4 desinfiziert oder mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) durchfeuchtet, feucht gebürstet und mehrere Tage hintereinander gelüftet und dem Sonnenlicht ausgesetzt.
Von Kranken benutzte Eß- und Trinkgeschirre oder Geräte sind entweder auszukochen (Ig) oder mit heißer Kaliseifenlösung (Id) ½ Stunde lang stehen zu lassen und dann gründlich zu spülen. Waschbecken, Spucknäpfe, Nachttöpfe und dergleichen werden nach Desinfektion des Inhalts (Ziffer 1) gründlich mit verdünntem Kresolwasser ausgescheuert.
9. Gegenstände von geringem Werte (Inhalt von Strohsäcken, gebrauchte Lappen und dergleichen) sind zu verbrennen.
10. Soll sich die Desinfektion auch auf Personen erstrecken, so ist dafür Sorge zu tragen, daß sie ihren ganzen Körper mit Seife abwaschen und ein vollständiges Bad nehmen. Ihre Kleider und Effekten sind nach Ziffer 3 und 4 zu behandeln, das Badewasser nach Ziffer 1.
11. Die Leichen der Gestorbenen sind in Tücher zu hüllen, welche mit einer der unter Ia aufgeführten desinfizierenden Flüssigkeit getränkt sind, und alsdann in dichte Särge zu legen, welche am Boden mit einer reichlichen Schicht Sägemehl, Torfmull oder anderen aufsaugenden Stoffen bedeckt sind.
12. Abweichungen von den Vorschriften unter Ziffer 1 bis 11 sind zulässig, soweit nach dem Gutachten des beamteten Arztes die Wirkung der Desinfektion gesichert ist.

Anlage 2. Grundsätze für Maßnahmen im Eisenbahnverkehre beim Auftreten der Pocken.[Bearbeiten]

1. Beim Auftreten der Pocken findet eine allgemeine und regelmäßige Untersuchung der Reisenden nicht statt; es werden jedoch dem Eisenbahnpersonale bekannt gegeben:
a) die Stationen, auf welchen Ärzte sofort erreichbar und zur Verfügung sind,
b) die Stationen, bei welchen geeignete Krankenhäuser zur Unterbringung von Pockenkranken bereitstehen (Krankenübergabestationen). [103]
Die Bezeichnung dieser Stationen erfolgt durch die Landes-Zentralbehörde unter Berücksichtigung der Verbreitung der Seuche und der Verkehrsverhältnisse.
Ein Verzeichnis der unter a und b bezeichneten Stationen ist, nach der geographischen Reihenfolge der Stationen geordnet, jedem Führer eines Zuges, welcher zur Personenbeförderung dient, zu übergeben.
2. Auf den zu 1a und b bezeichneten Stationen sowie, falls eine ärztliche Überwachung von Reisenden an der Grenze angeordnet ist, auf den Zollrevisionsstationen sind zur Vornahme der Untersuchung Erkrankter die erforderlichen, entsprechend auszustattenden Räume von der Eisenbahnverwaltung, soweit sie ihr zur Verfügung stehen, herzugeben.
3. Die Schaffner haben dem Zugführer von jeder während der Fahrt vorkommenden auffälligen Erkrankung sofort Meldung zu machen.
Der Schaffner hat sich des Erkrankten nach Kräften anzunehmen; er hat alsdann jedoch jede Berührung mit anderen Personen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Der Erkrankte ist, falls nicht die Verkehrsordnung seinen Ausschluß von der Fahrt vorschreibt, an der Weiterfahrt nicht zu verhindern; jedoch ist, sobald dies ohne Unterbrechung der Reise möglich ist, die Feststellung der Krankheit durch einen Arzt (1a) herbeizuführen.
Verlangt der Erkrankte, der nächsten im Verzeichnis aufgeführten Übergabestation übergeben zu werden, oder macht sein Zustand eine Weiterbeförderung untunlich, so hat der Zugführer, falls der Zug vor der Ankunft auf der Übergabestation noch eine Zwischenstation berührt, sofort beim Eintreffen dem diensthabenden Stationsbeamten Anzeige zu machen; dieser hat alsdann der Krankenübergabestation ungesäumt telegraphisch Meldung zu erstatten, damit möglichst die unmittelbare Abnahme des Erkrankten aus dem Zuge selbst durch die Krankenhausverwaltung, die Polizei- oder die Gesundheitsbehörde veranlaßt werden kann.
Will der Erkrankte den Zug auf einer Station vor der nächsten Übergabestation verlassen, so ist er hieran nicht zu hindern. Der Zugführer hat aber dem diensthabenden Beamten der Station, auf welcher der Erkrankte den Zug verläßt, Meldung zu machen, damit der Beamte, falls der Erkrankte nicht bis zum Eintreffen ärztlicher Hilfe auf dem Bahnhofe, wo er möglichst abzusondern sein würde, bleiben will, seinen Namen, Wohnort und sein Absteigequartier feststellen und unverzüglich der nächsten Polizeibehörde unter Angabe der näheren Umstände mitteilen kann.
4. Erkrankt ein Reisender unterwegs in auffälliger Weise, so sind alsbald sämtliche Mitreisenden, ausgenommen solche Personen, welche zu seiner Unterstützung bei ihm bleiben, aus dem Wagenabteil, in welchem der Erkrankte sich befindet, zu entfernen und in einem anderen Abteil, abgesondert von den übrigen Reisenden, unterzubringen. Bei der Ankunft auf der Krankenübergabestation sind diejenigen Personen, welche sich mit dem Kranken in demselben Wagenabteile befunden haben, sofort dem etwa anwesenden Arzte zu bezeichnen, damit dieser denselben die nötigen Weisungen erteilen kann. [104]
Im übrigen muß das Eisenbahnpersonal beim Vorkommen verdächtiger Erkrankungen mit der größten Vorsicht und Ruhe vorgehen, damit alles vermieden wird, was zu unnötigen Besorgnissen unter den Reisenden oder sonst beim Publikum Anlaß geben könnte.
5. Der Wagen, in welchem ein Pockenkranker sich befunden hat, ist sofort außer Dienst zu stellen und der nächsten geeigneten Station zur Desinfektion zu übergeben. Die näheren Vorschriften über diese Desinfektion sowie über die sonstige Behandlung der Eisenbahn-Personen- und Schlafwagen bei Pockengefahr enthält die beigefügte Anweisung A.
6. Eine Beschränkung des Eisenbahn-Gepäck- und Güterverkehrs findet, abgesehen von den bezüglich einzelner Gegenstände ergehenden Ausfuhr- und Einfuhrverboten, nicht statt.
7. Eine Desinfektion von Reisegepäck und Gütern findet nur in folgenden Fällen statt:
a) Auf den zu 2 bezeichneten Zollrevisionsstationen erfolgt auf ärztliche Anordnung zwangsweise die Desinfektion von gebrauchtem Bettzeuge, gebrauchter Leibwäsche, getragenen Kleidungsstücken und sonstigen Gegenständen, welche zum Gepäck eines Reisenden gehören oder als Umzugsgut anzusehen sind und aus einem pockenverseuchten Orte stammen, sofern sie nach ärztlichem Ermessen als mit dem Ansteckungsstoffe der Pocken behaftet zu erachten sind.
b) Im übrigen erfolgt eine Desinfektion von Expreß-, Eil- und Frachtgütern – auch auf den Zollrevisionsstationen – nur bei solchen Gegenständen, welche nach Ansicht der Ortsgesundheitsbehörde als mit dem Ansteckungsstoffe der Pocken behaftet zu erachten sind.
Briefe und Korrespondenzen, Drucksachen, Bücher, Zeitungen, Geschäftspapiere usw. unterliegen keiner Desinfektion.
Die Einrichtung und Ausführung der Desinfektion wird von den Gesundheitsbehörden veranlaßt, welchen von dem Eisenbahnpersonale tunlichst Hilfe zu leisten ist.
8. Sämtliche Beamte der Eisenbahnverwaltung haben den Anforderungen der Polizeibehörden und der beaufsichtigenden Ärzte, soweit es in ihren Kräften steht und nach den dienstlichen Verhältnissen ausführbar ist, unbedingte Folge zu leisten und auch ohne besondere Aufforderung denselben alle erforderlichen Mitteilungen zu machen. Von allen Dienstanweisungen und Maßnahmen gegen die Pockengefahr und von allen getroffenen Anordnungen und Einrichtungen ist stets sofort den dabei in Frage kommenden Gesundheitsbehörden Mitteilung zu machen.
9. Ein Auszug dieser Anweisung, welcher die Verhaltungsmaßregeln für das Eisenbahnpersonal bei pockenverdächtigen Erkrankungen auf der Eisenbahnfahrt enthält, ist beigefügt. Von diesen Verhaltungsmaßregeln ist jedem Fahrbeamten eines jeden zur Personenbeförderung dienenden Zuges ein Abdruck zuzustellen. [105]
10. Von jedem durch den Arzt als Pocken erkannten Erkrankungsfall ist seitens des betreffenden Stationsvorstehers sofort der vorgesetzten Betriebsbehörde und der Ortspolizeibehörde schriftliche Anzeige zu erstatten, welche, soweit sie zu erlangen sind, folgende Angaben enthalten soll:
a) Ort und Tag der Erkrankung;
b) Name, Geschlecht, Alter, Stand oder Gewerbe des Erkrankten;
c) woher der Erkrankte zugereist ist;
d) wo der Kranke untergebracht ist.

A. Anweisung über die Behandlung der Eisenbahn-Personen- und Schlafwagen bei Pockengefahr.[Bearbeiten]

1. Während eines Pockenausbruchs im Inland oder in einem benachbarten Gebiet ist für besonders sorgfältige Reinigung und Lüftung der dem Personenverkehre dienenden Wagen Sorge zu tragen; es gilt dies namentlich in bezug auf Wagen der 3. und 4. Klasse, welche zur Massenbeförderung von Personen aus einer von den Pocken ergriffenen Gegend gedient haben.
2. Ein Personenwagen, in welchem ein Pockenkranker sich befunden hat, ist sofort außer Dienst zu stellen und der nächsten mit den nötigen Einrichtungen versehenen Station zur Desinfektion zu überweisen, welche in nachstehend angegebener Weise zu bewirken ist.
Etwaige grobe Verunreinigungen im Innern des Wagens sind durch sorgfältiges und wiederholtes Abreiben mit Lappen, welche mit Karbolsäurelösung befeuchtet sind, zu beseitigen. Alsdann sind die Läufer, Matten, Teppiche, Vorhänge und beweglichen Polster abzunehmen, in Tücher, welche mit Karbolsäurelösung stark angefeuchtet sind, einzuschlagen und der Dampfdesinfektion zu unterwerfen. Ein vorheriges Ausklopfen dieser Gegenstände ist zu vermeiden. Gegenstände aus Leder, welche eine Dampfdesinfektion nicht vertragen, sind mit Karbolsäurelösung gründlich abzureiben. Demnächst ist der Wagen durchweg einer sorgfältigen Reinigung zu unterwerfen, wobei seine abwaschbaren Teile mit Karbolsäurelösung zu behandeln sind, und sodann in einem warmen, luftigen und trockenen Raume mindestens drei Tage lang aufzustellen.
Die bei der Reinigung verwendeten Lappen sind zu verbrennen.
Zur Herstellung der Karbolsäurelösung wird 1 Gewichtsteil verflüssigte Karbolsäure (Acidum carbolicum liquefactum des Arzneibuchs für das Deutsche Reich) mit 30 Gewichtsteilen Wasser gemischt.
3. Ist ein Schlafwagen von einem Pockenkranken benutzt worden, so muß die während der Fahrt gebrauchte Wäsche desinfiziert werden. Zu diesem Zwecke ist sie in Tücher, welche mit Karbolsäurelösung stark befeuchtet sind, einzuschlagen und alsdann so in ein Gefäß mit Karbolsäurelösung zu legen, daß [106] sie von der Flüssigkeit vollständig bedeckt wird; frühestens nach zwei Stunden ist dann die Wäsche mit Wasser zu spülen und zu reinigen. Zur Wäsche sind zu rechnen: die Laken, die Bezüge der Bettkissen und der Decken sowie die Handtücher. Die Desinfektion des Wagens selbst hat in der unter Ziffer 2 vorgeschriebenen Weise zu erfolgen; dabei sind jedoch auch die von dem Kranken benutzten Bettkissen, Decken und beweglichen Matratzen in der dort angegebenen Weise einzuschlagen und alsdann der Dampfdesinfektion zu unterwerfen. Statt der Desinfektion mit Karbolsäurelösung kann die Wäsche auch der Dampfdesinfektion unterworfen werden.
Für den Fall, daß es sich als notwendig erweisen sollte, einen Schlafwagenlauf gänzlich einzustellen, bleibt Bestimmung vorbehalten.
4. Die vorstehenden Bestimmungen finden sinngemäße Anwendung bei Erkrankungen von Zug- und Postbeamten in den von ihnen benutzten Gepäck- und Postwagen.
5. Zur Reinigung und Desinfektion dürfen nur solche Personen verwendet werden, welche die Pocken überstanden haben oder durch Impfung hinreichend geschützt sind oder sich sofort der Impfung oder Wiederimpfung unterwerfen. Diese Personen haben jedesmal, wenn sie mit infizierten Dingen in Berührung gekommen sind, die Hände durch sorgfältiges Waschen mit Karbolsäurelösung zu desinfizieren und sich sonst gründlich zu reinigen. Es empfiehlt sich, daß die Desinfektoren waschbare Oberkleider tragen; diese sind in derselben Weise wie die Wäsche aus den Schlafwagen zu desinfizieren.

B. Verhaltungsmaßregeln für das Eisenbahnpersonal bei pockenverdächtigen Erkrankungen auf der Eisenbahnfahrt.[Bearbeiten]

1. Von jeder auffälligen Erkrankung, welche während der Eisenbahnfahrt vorkommt, hat der Schaffner dem Zugführer sofort Meldung zu machen.
2. Der Schaffner hat sich des Erkrankten nach Kräften anzunehmen; er hat alsdann jedoch jede Berührung mit anderen Personen nach Möglichkeit zu vermeiden.
3. Der Erkrankte ist, falls nicht die Verkehrsordnung seinen Ausschluß von der Fahrt vorschreibt, an der Weiterfahrt nicht zu verhindern; jedoch ist, sobald dies ohne Unterbrechung der Reise möglich ist, die Feststellung der Krankheit durch einen Arzt herbeizuführen.
Verlangt der Erkrankte der nächsten im Verzeichnis aufgeführten Übergabestation übergeben zu werden, oder macht sein Zustand eine Weiterbeförderung untunlich, so hat der Zugführer, falls der Zug vor der Ankunft auf der Übergabestation noch eine Zwischenstation berührt, sofort beim Eintreffen dem diensthabenden Stationsbeamten Anzeige zu machen; dieser hat alsdann der Krankenübergabestation ungesäumt telegraphisch Meldung zu erstatten, damit möglichst [107] die unmittelbare Abnahme des Erkrankten aus dem Zuge selbst durch die Krankenhausverwaltung, die Polizei- oder die Gesundheitsbehörde veranlaßt werden kann.
Will der Erkrankte den Zug auf einer Station vor der nächsten Übergabestation verlassen, so ist er hieran nicht zu hindern, der Zugführer hat aber dem diensthabenden Beamten der Station, auf welcher der Erkrankte den Zug verläßt, Meldung zu machen, damit der Beamte, falls der Erkrankte nicht bis zum Eintreffen ärztlicher Hilfe auf dem Bahnhofe, wo er möglichst abzusondern sein würde, bleiben will, seinen Namen, Wohnort und sein Absteigequartier feststellen und unverzüglich der nächsten Polizeibehörde unter Angabe der näheren Umstände mitteilen kann.
4. Sämtliche Mitreisenden, ausgenommen solche Personen, welche zur Unterstützung bei dem Erkrankten bleiben, sind aus dem Wagenabteil, in welchem der Erkrankte sich befindet, zu entfernen und in einem anderen Abteil, abgesondert von den übrigen Reisenden, unterzubringen.
5. Die Zugbeamten haben, wenn sie mit einem Erkrankten in Berührung gekommen sind, sich sorgfältig zu reinigen. Das gleiche ist Reisenden in derselben Lage zu empfehlen.

Anlage 3. Nachweisung über vorgekommene Pockenfälle.[Bearbeiten]

Anlage 4. Zählkarte für Erkrankungen und Todesfälle an Pocken.[Bearbeiten]


  1. Worauf sich die Desinfektion bei Pocken zu erstrecken hat, ist in Nr. 3 Abs, 3 und 6, Nr. 5, Nr. 6 Abs. 1 und 2, Nr. 7, Nr. 8 Abs. 2 und Nr. 9 der Ausführungsbestimmungen bezeichnet.