Bekanntmachung, betreffend den Betrieb der Anlagen der Großeisenindustrie

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Gesetzestext
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Titel: Bekanntmachung, betreffend den Betrieb der Anlagen der Großeisenindustrie.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1908, Nr. 60, Seite 650 - 651
Fassung vom: 19. Dezember 1908
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 24. Dezember 1908
Inkrafttreten:
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[650]

(Nr. 3547.) Bekanntmachung, betreffend den Betrieb der Anlagen der Großeisenindustrie. Vom 19. Dezember 1908.

Auf Grund der §§ 120e, 139b der Gewerbeordnung hat der Bundesrat folgende Bestimmungen über den Betrieb der Anlagen der Großeisenindustrie erlassen.

§ 1.[Bearbeiten]

Die nachstehenden Bestimmungen finden Anwendung auf die folgenden Werke der Großeisenindustrie
Hochofenwerke, Hochofen- und Röhrengießereien, Stahlwerke, Puddelwerke, Hammerwerke, Preßwerke und Walzwerke.
Sie finden Anwendung auf alle Betriebsabteilungen dieser Werke einschließlich derjenigen Reparaturwerkstätten und Nebenbetriebe, die mit ihnen in einem unmittelbaren betriebstechnischen Zusammenhange stehen.

§ 2.[Bearbeiten]

Alle Arbeiter, die über die Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit (§ 134b Abs. 1 Nr. 1 der Gewerbeordnung) hinaus beschäftigt werden, sind mit Namen in ein Verzeichnis einzutragen, das für jeden einzelnen über die Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit und der Überstunden, die er an den einzelnen Tagen geleistet hat, genau Auskunft gibt. Das Verzeichnis ist nach dem Schlusse jedes Monats der Ortspolizeibehörde einzusenden. Der höheren Verwaltungsbehörde bleibt es vorbehalten, nähere Bestimmungen über seine Form zu erlassen.
Die höhere Verwaltungsbehörde kann auf Antrag diejenigen Unternehmer von der Führung dieses Verzeichnisses befreien, welche die Lohnlisten nach einem vorgeschriebenen Muster führen lassen, ihre Einsicht dem im § 139b der Gewerbeordnung bezeichneten Beamten jederzeit gestatten und ihm die von der höheren Verwaltungsbehörde bezeichneten Auszüge aus den Lohnlisten einreichen.

§ 3.[Bearbeiten]

In allen Schichten, die länger als acht Stunden dauern, müssen jedem Arbeiter Pausen in einer Gesamtdauer von mindestens zwei Stunden gewährt werden. Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer Viertelstunde kommen auf diese Pausen nicht in Anrechnung. Ist jedoch in einzelnen Betriebsabteilungen die Arbeit naturgemäß mit zahlreichen, hinlängliche Ruhe gewährenden Unterbrechungen verbunden, so kann die höhere Verwaltungsbehörde für eine solche Betriebsabteilung auf Antrag unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gestatten, daß diese Arbeitsunterbrechungen auch dann auf die zweistündige Gesamtdauer der Pausen in Anrechnung zu bringen sind, wenn die einzelnen Unterbrechungen von kürzerer als einviertelstündiger Dauer sind.
Eine der Pausen (Mittags- oder Mitternachtspause) muß mindestens eine Stunde betragen und zwischen das Ende der fünften und den Anfang der neunten [651] Arbeitsstunde fallen. In Fällen, wo dies die Natur des Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter geboten erscheinen lassen, kann die höhere Verwaltungsbehörde auf besonderen Antrag unter Vorbehalt des Widerrufs gestatten, daß diese Pause – unbeschadet der Gesamtdauer der Pausen von zwei Stunden – auf eine halbe Stunde beschränkt wird.
Wenn Rücksichten auf die Arbeiter dies geboten erscheinen lassen und die Schicht nicht länger als elf Stunden dauert, kann die höhere Verwaltungsbehörde in gleicher Weise gestatten, daß die Pausen auf eine Stunde beschränkt werden.
Soweit dies zur Vermeidung von Betriebsgefahren nötig und die Einstellung von Ersatzarbeitern mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, können die Arbeiter angehalten werden, während der Pause in der Nähe der Arbeitsstelle zu bleiben, um in dringenden Fällen zur Hilfeleistung bereit zu sein.

§ 4.[Bearbeiten]

Vor dem Beginne der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit (§ 134b Abs. 1 Nr. 1 der Gewerbeordnung) muß für jeden Arbeiter eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens acht Stunden liegen.
Diese Bestimmung findet auf die Regelung der Wechselschichten keine Anwendung.

§ 5.[Bearbeiten]

Die Bestimmungen der §§ 3, 4 finden keine Anwendung auf Arbeiten, die in Notfällen unverzüglich vorgenommen werden müssen. Sind solche Arbeiten in Abweichung von den Bestimmungen der §§ 3, 4 ausgeführt worden, so ist dies der Ortspolizeibehörde binnen drei Tagen schriftlich anzuzeigen.
Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regelmäßigen Betrieb eines Werkes unterbrochen haben, können Ausnahmen von den Bestimmungen der §§ 3, 4 auf die Dauer von vier Wochen durch die höhere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch den Reichskanzler zugelassen werden.

§ 6.[Bearbeiten]

In den im § 1 bezeichneten Werken muß an einer in die Augen fallenden Stelle eine Tafel ausgehängt werden, die in deutlicher Schrift die vorstehenden Bestimmungen wiedergibt.

§ 7.[Bearbeiten]

Die vorstehenden Bestimmungen treten am 1. April 1909 in Kraft.
Berlin, den 19. Dezember 1908.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers.

von Bethmann Hollweg.