Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Gehülfen und Lehrlingen in Gast- und in Schankwirthschaften

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Titel: Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Gehülfen und Lehrlingen in Gast- und in Schankwirthschaften.
Abkürzung:
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1902, Nr. 4, Seite 33–34
Fassung vom: 23. Januar 1902
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 25. Januar 1902
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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(Nr. 2831.) Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Gehülfen und Lehrlingen in Gast- und in Schankwirthschaften. Vom 23. Januar 1902.

Auf Grund des §. 120e der Gewerbeordnung[1] hat der Bundesrath nachstehende Bestimmungen über die Beschäftigung von Gehülfen und Lehrlingen in Gast- und in Schankwirthschaften erlassen:

I.

1. In Gast- und in Schankwirthschaften ist jedem Gehülfen und Lehrling über sechzehn Jahre für die Woche siebenmal eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens acht Stunden zu gewähren. Der Beginn der ersten Ruhezeit darf in die vorhergehende, das Ende der siebenten Ruhezeit in die nachfolgende Woche fallen.
Für Gehülfen und Lehrlinge unter sechzehn Jahren muß die Ruhezeit mindestens neun Stunden betragen. Durch Polizeiverordnungen der zum Erlasse solcher Verordnungen berechtigten Behörden kann diese längere Ruhezeit auch für Gehülfen und Lehrlinge über sechzehn Jahre vorgeschrieben werden.
Die höhere Verwaltungsbehörde ist befugt, in Bade- und anderen Kurorten die Ruhezeit für Gehülfen und Lehrlinge über sechzehn Jahre in Gastwirthschaften während der Saison, jedoch nicht über eine Dauer von drei Monaten, bis auf sieben Stunden herabzusetzen. Neben dieser Ruhezeit müssen täglich, abgesehen von den Mahlzeiten, Ruhepausen in der Gesammtdauer von mindestens zwei Stunden gewährt werden.
2. Der Zeitraum zwischen zwei Ruhezeiten, welcher auch die Arbeitsbereitschaft und die Ruhepausen umfaßt, darf in den Fällen der Ziffer 1 Abs. 1 höchstens sechzehn Stunden, in den Fällen der Ziffer 1 Abs. 2 höchstens fünfzehn Stunden und in den Fällen der Ziffer 1 Abs. 3 höchstens siebzehn Stunden betragen.
3. Eine Verlängerung der in Ziffer 2 bezeichneten Zeiträume ist für den Betrieb bis zu sechzigmal im Jahre zulässig. Dabei kommt jeder Fall in Anrechnung, wo auch nur für einen Gehülfen oder Lehrling diese Verlängerung stattgefunden hat.
Auch in diesen Fällen muß für die Woche eine Unterbrechung durch sieben Ruhezeiten von der vorgeschriebenen Dauer (Ziffer 1) stattfinden.
4. An Stelle einer der nach Ziffer 1 zu gewährenden ununterbrochenen Ruhezeiten ist den Gehülfen und Lehrlingen mindestens in jeder dritten Woche einmal eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens vierundzwanzig Stunden zu gewähren.
In Gemeinden, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung mehr als zwanzigtausend Einwohner haben, ist diese Ruhezeit mindestens in jeder zweiten Woche zu gewähren.
In denjenigen Wochen, in welchen hiernach eine vierundzwanzigstündige Ruhezeit nicht gewährt zu werden braucht, ist außer der ununterbrochenen Ruhezeit von der vorgeschriebenen Dauer (Ziffer 1) mindestens einmal eine weitere [34] ununterbrochene Ruhezeit von mindestens sechs Stunden zu gewähren, welche in der Zeit zwischen acht Uhr Morgens und zehn Uhr Abends liegen muß.
5. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, ein Verzeichniß anzulegen, welches die Namen der einzelnen Gehülfen und Lehrlinge enthalten muß. In das Verzeichniß ist für jeden einzelnen Gehülfen und Lehrling einzutragen, wann und für welche Dauer eine Ruhezeit gemäß Ziffer 4 gewährt worden ist.
Arbeitgeber, welche von den Bestimmungen der Ziffer 3 Gebrauch machen, sind verpflichtet, ein weiteres Verzeichniß anzulegen, in welches einzutragen ist, wann Ueberarbeit im Betriebe während des Kalenderjahrs stattgefunden hat.
Die nach Abs. 1, 2 zu machenden Eintragungen haben spätestens am ersten Tage nach Ablauf jeder Woche für die verflossene Woche zu erfolgen.
Die Verzeichnisse sind auf Erfordern den zuständigen Behörden und Beamten zur Einsicht vorzulegen.
6. Gehülfen und Lehrlinge unter sechzehn Jahren dürfen in der Zeit von zehn Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens nicht beschäftigt werden. Außerdem dürfen Gehülfen und Lehrlinge weiblichen Geschlechts zwischen sechzehn und achtzehn Jahren, welche nicht zur Familie des Arbeitgebers gehören, während dieser Zeit nicht zur Bedienung der Gäste verwendet werden.

II.

7. Als Gehülfen und Lehrlinge im Sinne dieser Bestimmungen gelten solche Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, welche im Betriebe der Gast- und der Schankwirthschaften als Oberkellner, Kellner oder Kellnerlehrlinge, als Köche oder Kochlehrlinge, am Büffet oder mit dem Fertigmachen kalter Speisen beschäftigt werden. Ausgenommen sind jedoch Personen, welche hauptsächlich in einem mit der Gast- oder der Schankwirthschaft verbundenen kaufmännischen oder sonstigen gewerblichen Betriebe beschäftigt werden, sofern ihre tägliche Arbeitszeit in diesem Betrieb anderweiten reichsrechtlichen Vorschriften unterliegt.

III.

8. Die vorstehenden Bestimmungen treten am 1. April 1902 in Kraft.
Bis zum 31. Dezember 1902 ist Ueberarbeit (Ziffer 3) höchstens fünfundvierzigmal zulässig.
Von dem in Ziffer 6 Satz 2 enthaltenen Verbote sind diejenigen Personen ausgenommen, welche bei der Verkündung dieser Bestimmungen Kellnerinnen sind.
Berlin, den 28. Januar 1902.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers.

Graf von Posadowsky.

Berichtigung

Die Berichtigung gemäß Deutsches Reichsgesetzblatt 1902, Nr. 5, S. 40 [40] wurde im Text eingearbeitet.

  1. Vorlage: § 120e Abs. 3