Belagerung der Johanniter in Rhodus durch die Türken

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: René Aubert de Vertot d’Auboeuf
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Belagerung der Johanniter in Rhodus durch die Türken
Untertitel:
aus: Thalia - Dritter Band, Heft 10 (1790), S. 128–160
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Georg Joachim Göschen
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld bzw. Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[128]
VII.
Belagerung
der Johanniter in Rhodus durch die Türken.




Der Orden war durch den Tod des Großmeisters seines Oberhaupts beraubt. Andreas von Amaral, Kanzler des Ordens und Großprior von Kastilien, glaubte sich diese Würde, als ein unbedingtes Recht anmaaßen zu dürfen, und suchte seine Ansprüche geltend zu machen. Die Art aber mit der er es that, der unerträgliche Stolz und die herabwürdigende Verachtung, mit welcher er seinen Nebenbuhlern begegnete, zogen ihm den Haß des ganzen Ordens und den Verlust einer Würde zu, die er mit Gewalt an sich reissen wollte. Philipp v. Villiers, von der Insel Adam, Armenpfleger und Großprior von Frankreich, war der würdige Mann, den der Orden bei seiner Wahl ins Auge faßte. Seine bewundernswürdige Geschicklichkeit in großen Unternehmungen, sein biedrer, offener Karakter, der unverkennbar aus allen seinen Handlungen hervorleuchtete, hatten ihm die unbegrenzte [129] Achtung der sämmtlichen Ritter erworben, und von dieser geleitet, legten sie das Heil ihres Ordens in seine Hände.

Tief schmerzte es Amaral sich übergangen zu sehen. – Sein Stolz brütete Rache, und in der ersten Hitze entfuhr ihm ein harter Schwur, dieses solle der letzte Großmeister seyn. Er hatte einen türkischen Sklaven, den er im Krieg erbeutet; diesem entdeckte er sein Vorhaben. Er wußte wohl daß er in ihm einen verschmitzten, arglistigen Kopf fand. Unter dem Vorwand, sein Lösegeld zu hohlen, fertigte er ihn heimlich mit einem Brief an den Sultan Soliman nach Konstantinopel ab.

Er feuerte in demselben den Sultan zur Belagerung der Stadt Rhodus an, und fügte eine umständliche Beschreibung des Zustands der Stadt, ihre schwächsten Gegenden, die Anzahl der Ritter und ihrer Mannschaft, endlich auch ihres Vorraths an Lebensmitteln und Munition bei. Soliman, der schon längst Absichten auf diese Stadt hatte, fand diesen Antrag sehr schmeichelhaft, und suchte den Urheber durch die üppigsten Versprechungen und glänzendsten Schmeicheleien, das unumschränkteste Zutrauen einzuflößen.

Indessen wußte der neue Großmeister nur zu wohl, daß Rhodus eine Belagerung drohte und ertheilte diese Nachricht den ganzen Orden mit, durch eine Aufforderung an alle Christliche Staaten. Zu größerer Vorsicht trieb er sogleich alle Einkünfte des Ordens [130] ein, und wandte sie zu Kriegsvorrath an. Sein unerschrockener Geist, und seine gelassene Thätigkeit schienen sich der ganzen Stadt mitzutheilen, man erwartete ruhig die Zukunft, und fürchtete Solimann nicht.

Dieser junge Fürst hatte vor kurzem Belgrad erobert, und ahndete einen nicht minder glücklichen Erfolg von der Belagerung von Rhodus. Eine so glänzende Eroberung schmeichelte seinem Stolze und seiner Rache. Die unaufhörliche Beschwerden seiner Unterthanen, welche der Handel aus ihrem Vaterland lockte, und die oft eine Beute der Ritter geworden waren, hatten ihn gegen sie gereitzt. Am meisten wirkten aber die lebhaften Vorstellungen des Mufti, der ihm dringend anlag, die lästigen Bedrückungen, welche die heiligen Pilger nach Mekka von den christlichen Heerscharen erdulden mußten, nachdrücklich zu ahnden. Religion und Gewissen erwachten in ihm, und hießen ihn zu den Waffen greifen, aber die Klugheit rieth ihm, die Sache der Entscheidung des Divans zu überlassen. Einige Baßen beeiferten sich zwar auf alle ersinnliche Art, dieses Vorhaben zu vereiteln, indem sie ihm die Schwierigkeiten dieser Belagerung und die traurigen Beispiele seiner Vorfahren, die vergebens ihre Macht und ihre Schätze auf die Unterjochung dieses Ordens verschwendet hatten, vorstellten; aber die schmeichelhaften Gegenvorstellungen seines Generals Mustapha, überwogen die lästigen Bedenklichkeiten der Baßen, und feuerten seine Ruhmbegierde an, diese Entwürfe unverzüglich auszuführen. Auf nichts war [131] er eifriger bedacht, als die gegenwärtige Disposition der Insel und des Großmeister zu ergründen, und schickte zu dem Ende einen Brief an den letztern, der einen Glückwunsch zu seiner glänzenden Beförderung enthielt. Diesem Briefe hatte der schlaue Solimann eine so listige Wendung gegeben, daß ihm auf den ersten Anblick nichts angelegener zu seyn schien, als den gegenseitigen Frieden zwischen der Insel und der Pforte zu erhalten; aber der scharfsinnige Villiers erkannte nur zu gut die feine Politik des schlauen Staatsmanns in ihm, der mit der Einen Hand den Frieden anbiethet, während er mit der andern durch eine geschickte Wendung seine pralerische Größe und überlegene Macht, gleichsam zur Warnung, aufdeckt. Diesem Sendschreiben folgte von Villiers Seiten sogleich ein andres, welches dem Sultan nur zu deutlich zu erkennen gab, daß man auch in Rhodus gleichgefaßt wäre, Kriegs- oder Friedensvorschläge anzunehmen.

Solimann wandte nun alles mögliche an, um Gesandte von Rhodus zu erhalten; in der Absicht, diesen, durch die Martern der Tortur, Aufschlüsse über den Zustand ihres Vaterlands (denn noch traute er den verrätherischen Entdeckungen Amarals nicht) zu entreißen. Bis jetzt war aber alle seine Mühe vergebens. Villiers sah indessen nur zu gut, daß es auf eine Ueberrumpelung abgesehen sey, der er durch die sorgfältigste Vorsicht zuvorzukommen suchte. Er ließ die Stadtgräben ausräumen, die alten Verschanzungen ausbessern und neue hinzufügen. Um den Türken alle Lebensmittel [132] abzuschneiden, ließ er das Getreide, ohnerachtet es noch nicht reif war, von den Feldern nehmen, die vor der Stadt gelegenen Lusthäuser und Kirchen schleifen, und die Ruinen hineinschaffen, um zu verhindern, daß sich die Muselmänner derselben nicht zu Batterien für ihr Geschütz bedienen möchten. Auf der andern Seite lockte er alle Landleute in die Stadt, um Schanzgräber aus ihnen zu machen, so wie auch die auf dem Ozean zertrennten Abentheurer, die unter dem Panier des Ordens den Kreuzzug wider die Ungläubigen machten und Schutz und Sicherheit in dem Rhodiser Hafen fanden. Auch für die Subsistenz des Volkes mußte so gut gesorgt werden, als für den Lebensunterhalt der Ritter und ihrer Truppen. Dieses war eine der vorzüglichsten Beschäftigungen des Villiers. Er setzte zu dem Ende drey Kommissarien ein, und gab ihnen die Aufsicht über den Mund und Kriegsvorrath der Stadt. Um ihnen größere Autorität zu verschaffen, wählte er sie aus der Klasse der Großkreutze. Unter diesen traf das Loos auch den Amaral. Dieser Verräther, der dem Solimann seine Treue verpfändet hatte, suchte durch verstellte Bedachtsamkeit dem Großmeister die Gefahr zu verkleinern, und die ganze Zubereitung als kostspielig und zwecklos vorzustellen. Der Großmeister, der seine wahren Absichten nicht kannte, schrieb diese Vorstellungen einer unzeitigen Sparsamkeit zu und fuhr ungehindert in seinen Anstalten fort. Er wußte wohl, daß alles was man sonst hinreichend nennt, in Kriegszeiten kaum für Nothdurft gelten kann, ohnerachtet die drei Kommissarien den gegenwärtigen Vorrath [133] für hinlänglich erklärten, eine Ladung Wein aus Kandia hohlen, und zugleich bei dem Gouverneur dieser Insel um Erlaubniß bitten, 500 Mann Rekruten ausheben zu dürfen. Das erstere geschah ohne Mühe; das letztere mußte durch List bewerkstelliget, und die Rekruten als verkleidete Kaufleute und Matrosen auf die Schiffe gebracht werden. Indeß gieng das Vorhaben doch glücklich von statten. Bei dieser Gelegenheit lockte Villiers auch den verdienstvollen Ingenieur, Gabriel Martinengo, der sich dem Dienst der besagten Insel verpflichtet hatte, wiewohl mit Lebensgefahr des Letztern, auf seine Seite. Und dieser verdienstvolle Mann war es auch, der Rhodus nachher in der Belagerung so wichtige Dienste leistete.

Das erste was der Großmeister durch ihn bewerkstelligen ließ, war die Besichtigung und Verbesserung der Festungswerke, die in allen Theilen um ein ansehnliches vermehrt und verstärkt wurden.

Als nun alle nöthigen Verfügungen getroffen waren, fertigte Villiers Gesandte an alle christliche Höfe ab, um sich ihres Schutzes und ihres Beistandes zu versichern; aber anstatt thätiger Beweise erhielt er leere Freundschafts-Versicherungen und kahle Entschuldigungen. Er mußte also seine einzige Zuflucht zu Gott und der unverdrossenen Tapferkeit seines kleinen Heeres nehmen. Indessen unterließ er nichts, was in seiner Gewalt stand, und wovon er sich nur einigermaaßen Vortheil, oder doch wenigstens Verhinderung des [134] kleinsten Nachtheils versprechen konnte. Er nahm zuförderst eine allgemeine Besichtigung seiner Truppen vor, und fand, daß sich ihre Anzahl Ritter und Mannschaft zusammengenommen, ohngefähr auf 5000 Mann belief. Diese theilte er in besondere Corps, und wies jedem seine eigne Beschäfftigung an. Endlich ließ er den Hafen mit einer doppelten Kette verschließen, die Mauern mit Geschütz bepflanzen und alle möglichen Vertheidigungsmaschinen und Kriegsinstrumente im größten Ueberfluß herbeischaffen. Auch bestimmte er vier Großkreuze dazu, mit ihren Kompagnien denjenigen Oertern zu Hülfe zu kommen, die zu sehr von dem Feind in die Enge getrieben wurden, um die verwundeten und getödteten zu ersetzen. Der erste dieser Kapitains war unglücklicherweise der verrätherische Amaral, von dessen feindseligen Absichten man damals noch nicht das geringste ahndete.

Während daß der Großmeister diese Verfügungen traf, gelang es den Türken, durch die schändlichste Verrätherey einen vornehmen Rhodiser in ihre Gewalt zu bekommen, und ihm die geheime Disposition seines Vaterlandes, bis auf die geringfügigsten Umstände, durch die Folter zu entreissen. Solimann kündigte darauf dem Großmeister den Krieg an.

Der Großmeister hatte jetzt nichts mehr zu thun, als für den Anwachs seiner Mannschaft zu sorgen. Da es bei dieser Belagerung einzig darauf ankam, die Hauptstadt zu retten, und wenn dieß gelang die übrigen [135] Inseln des Ordens sich ohne Mühe behaupten konnten, so zog Villiers den größten Theil der Einwohner dieser Inseln, und vorzüglich der von Rizzaro, in der Hauptstadt zusammen, und vertheilte sie mit einem gehörigen Vorrath von Lebensmitteln, in die Schlösser und andre Festungen der Insel. Die muthigsten Ritter übernahmen das Kommando darüber, und erhielten Befehl, im Fall sie belagert würden, sich so lange als möglich zu halten, um der Hauptstadt Luft zu machen.

Unterdessen war die türkische Armee aus 400 Segeln, und 140000 Mann Fußvolk bestehend, unter Segel gegangen. Sobald der Großmeister ihrer ansichtig ward, postierte er sich bei der St. Marienkirche, um desto leichter diejenigen Posten vertheidigen zu können, die von dem Feinde angegriffen würden.

Die ersten zwey Wochen hindurch verhielten sich die Türken ganz ruhig, und waren blos damit beschäfftigt, ihre Truppen nebst dem groben Geschütz und allem, was sie an Mund- und Kriegsvorrath mit sich gebracht hatten, ans Land zu schaffen. Sobald dieses geschehen war, hielten die Offiziers Kriegsrath, ob man zuerst die vesten Schlösser angreiffen, oder lieber gleich die Hauptstadt bestürmen sollte? – Der Großvezier entschied für das letzte, und Rhodus wurde belagert.

Man öffnete also die Laufgräben, und errichtete nahe an der Stadt eine Batterie, die aber bald, so [136] wie alles was sich in der Ebene sehen ließ, von den Kanonenkugeln der Vestung niedergeschmettert wurde. Die Türken öffneten neue Laufgräben, errichteten neue Batterien; aber die Ritter bestürmten sie mit einem unaufhörlichen Kanonenfeuer, welches nicht eher ruhte bis auch diese Batterien, obgleich mit Schutzwehr, Schanzkörben, Sandsäcken, und sammt den Kanoniers zerschmettert waren. Das Schwerdt rieb auf, was die Kanonen verschont hatten. Täglich und stündlich fielen Gefechte vor, und die Ritter thaten keinen einzigen Ausfall, wo nicht der ganze Schwarm Türken, welche die Laufgräben überschwemmt hatten, bis auf den letzten Mann niedergemacht wurden. Die Türken von jeher gewohnt, aus dem ersten Treffen Vorbedeutungen zu ziehen, unterließen nicht, sich die schlimmsten Folgen für die Zukunft zu versprechen. Die Janitscharen und selbst die Offiziers fanden die Tapferkeit der Ritter so sehr über der Beschreibung, welche man ihnen davon gemacht hatte, daß sie schon öffentlich murrten, gegen so furchtbare Krieger ins Treffen geschleppt worden zu seyn. Durch die Vorsicht des Großmeisters lag die ganze Insel, wie verödet, von allen ihren Einwohnern verlassen, von Lebensmitteln und Fourage entblößt da. Auch konnten sich die türkischen Soldaten, Fouragirens halber, nie von der Armee entfernen, ohne auf feindliche Parteyen zu stoßen, die aus den Vestungen der Insel hervorstürzten, oder sich sorgfältig im Hinterhalt versteckt hielten, und alles was ihnen in die Hände fiel, ohne Barmherzigkeit nieder machten. Ein so mühseliger und blutiger Krieg, die [137] unüberwindliche Verschanzung des Orts, das unaufhörliche Kanonenfeuer der Ritter, der geringe Vorrath von Lebensmitteln, der noch dazu sorgfältig für die Zukunft verspart wurde, weil man nirgends anders, als übers Meer, frischen herbeischaffen konnte, so wenig Hoffnung Beute zu machen, so wenig Aussicht auf Belohnungen in Abwesenheit des Sultans, endlich das wenige Zutrauen zu dem jungen Großvezier, der in den Pallästen des Serails war erzogen worden – alles dieses erweckte Ueberdruß bey der Armee, woraus zuletzt ein allgemeines und lautes Murren wurde. Wenn eine Attaque befohlen, oder ein Ausfall zurückzutreiben war, geschah es nie ohne die strafbarste Wiedersetzlichkeit. Der Soldat gebehrdete sich wie verzweiflungsvoll, als gieng er, anstatt des Sieges, der unvermeidlichen Sklaverey oder dem Tod entgegen. Die Furcht erstickte zuletzt ganz den Gehorsam, und machten ihn taub gegen alle Befehle seines Feldherrn.

Ein gewisser Baßa, dem Solimann heimlich den Auftrag gegeben hatte, ihm von allem, was bey der Belagerung vorfiel, die pünktlichste Nachricht zu ertheilen, glaubte endlich verpflichtet zu seyn, dem Sultan die Muthlosigkeit seiner Armee zu entdecken. Er that es, mit der Versicherung, daß nur seine persönliche Gegenwart fähig wäre, den Saamen der Rebellion zu zerstreuen, und den gesunkenen Muth der Soldaten wieder aufzurichten. Solimann beschloß ohne Zeitverlust sich an die Spitze seine Truppen zu stellen, und machte sich mit einem Gefolge von 11000 Mann auf den [138] Weg. Während, daß er seine Reise fortsetzte, schmiedete ein gemeines türkisches Weib, welches ein Bürger von Rhodus als Sklavin bei sich im Hause hatte, ein Projekt, welches auszuführen, 100,000 Türken nicht im Stande gewesen wären. Da die Ritter täglich mit dem Ungläubigen im Handgemenge waren, beschloß sie, die vornehmsten Gegenden der Stadt in Brand zu stecken. Weil sie aber ihr Vorhaben nicht allein ausführen konnte, theilte sie es verschiedenen andern Sklaven ihres Glaubens mit. Sie fand endlich Mittel, ihre Absicht auch den türkischen Generalen zu entdecken, und mit ihnen in Unterhandlung zu treten. Die Stunde und der Ort, wo das Feuer sollte angelegt werden, war schon verabredet, und die Maasregeln so gut getroffen, daß Rhodus ohne Rettung verloren gewesen wäre. Zum größten Glück entwischte das Geheimniß einigen Sklaven, die sogleich in Verhaft gezogen, und auf der Folter zum Geständniß gebracht wurden. Nur die Urheberin leugnete standhaft, und ertrug gelassen die grausamsten Martern. Da ihre Mitschuldigen aber in der Bestürzung alle Schuld auf sie allein schoben, ward sie, trotz ihres Leugnens auf der Stelle aufgeknüpft, und ihre Mitverschwornen wurden geviertheilt.

Solimann langte endlich bei seiner Armee an, und betrug sich gegen die Rebellen mit bewundernswürdiger Klugheit. Schon sein Anblick machte sie zittern, aber seine Drohungen und öffentliche Beschimpfungen erfüllten die zaghaften mit der heftigsten Begierde zu kämpfen. Niedergestürzt auf ihre Kniee flehten sie den [139] strengen Richter um Schonung ihres Lebens, und verlangten mit betäubenden Geschrei an die gefahrvollsten Posten gestellt zu werden.

Soldaten und Schanzgräber minirten Tag und Nacht, thürmten Batterien auf Batterien, und bestürmte die Stadt mehrere Tage nach einander mit unaufhörlichem Kanonenfeuer. Schon machten sie sich Hoffnung die Vestungswerke in kurzem zerstöhren zu können, wie sehr aber erstaunten sie, als ihnen ein Kundschafter Nachricht gab, daß ihre Kanonen kaum die Schießscharte der Mauern berührt hätten. Dieses rühre vermuthlich daher, weil ihre Kanonen entweder eine falsche Richtung, oder ihre Batterien eine ungünstige Lage hätten. Die Ritter auf dem St. Johannisthurm könnten alles entdecken, was in dem Lager und den umherliegenden Gegenden vorfiele, und wenn sie nur einige wenige Stücke auf diesem Thurm aufpflanzen wollten, würde es ihnen ein leichtes seyn, dem Sultan, wenn er auf Besichtigung der Arbeiten ausgienge, mit einer Kugel das Leben zu nehmen. Diese Nachricht bewog sie, ihre Batterien zu ändern, und nebst andern auch eine gegen den besagten Johannisthurm aufzurichten.

Es geschah, aber schon die ersten Kugeln schmetterte ihn nieder. Da sie die Stadt Rhodus, unter ihren Vestungswerken, so gut als vergraben fanden, beschloßen sie endlich zwei Bollwerke aufzuthürmen, die riesenmäßig über die Mauern der Stadt [140] emporragten, und solche nebst der Vestung beherrschten. Die Soldaten und Schanzgräber schleppten mehrere Tage hindurch Erd' und Steine zusammen, und thürmten sie zwischen den sogenannten spanischen und Auvergnischen Posten auf, der italiänischen Bastei grade gegenüber.

Da diese beiden Posten dem Kanonenfeuer der Vestung ausgesetzt waren, verlohr eine unglaubliche Menge Soldaten ihr Leben durch die feindlichen Kugeln. Mustapha, der das Werk gern durchsetzen wollte, machte sich aber kein Gewissen daraus, diese Menschen aufzuopfern: und in kurzem stiegen zwei Hügel zehen bis zwölf Fus über die Mauern empor, von welchen aus die ganze Stadt beschossen werden konnte.

Zuerst wurde der deutsche Posten angegriffen. Aber der Großmeister begab sich selbst dahin, und ließ ihn von innen durch Erde, Balken und Reiser unterstützen. Unterdessen wurden die Batterien der Türken, die dem Kanonenfeuer auf dem Pallaste des Großmeisters ausgesetzt waren, muthig bestürmt: und in kurzem stürzten sie mit samt ihren Brustwehren, Schanzkörben und Sandsäcken zusammen. Es wurden zwar sogleich andre errichtet, aber bloß, um dasselbe Schicksal zu erfahren.

Die türkischen Kanonen thaten nicht die geringste Wirkung, weil sie eine unglückliche Richtung hatten, und auf einem erhabenen Ort aufgepflanzt waren; so [141] daß ihre Kugeln in gerader Linie über die Mauern wegflogen und ihr Ziel ganz und gar verfehlten. Die Türken mochten ihre Batterien aufrichten, wo sie wollten: ihre Kanonen blieben ohne Wirkung, und wurden von den feindlichen unbrauchbar gemacht. Um diesem Nachtheil zu entgehen, kamen sie endlich auf den Einfall, ihr Geschütz nur des Nachts aufzupflanzen, des Morgens aber mit sammt den Schanzkörben und Sandsäcken in den Sand zu verscharren. Dieser Einfall gieng glücklich von statten. In der nächsten Nacht wurden über 500 Kanonen gegen die Westseite der Mauer losgebrannt, und das ganze Viertel stürzte in den Graben.

Schon triumphierten die Türken, und hofften in kurzem die Vestung in ihre Gewalt zu bekommen; aber wie sehr erschracken sie als bei einbrechenden Morgen eine andre mit Brustwehr versehene Mauer hinter dieser ersten hervorstieg. Dieser unerwartete Anblick vereitelte auf einmal alle ihre Mühe und benahm ihnen ihren Muth. Solimann gieng selbst hin, sie zu besichtigen, und da ihm die Nachricht gebracht wurde, daß dieses die unüberwindlichste Gegend der ganzen Festung wäre, beschloß er davon abzustehen, und andre Posten anzugreifen. Es geschah. Eine unglaubliche Menge von Kanonen bestürmten die vornehmsten derselben Tag und Nacht, und richteten großen Schaden an. Dieses Kanonenfeuer währte einen ganzen Monat lang. Am meisten hatte der italienische Posten gelitten.

[142] Jetzt ließ der Großmeister zweihundert Mann unter der Anführung zweier Offiziers einen Ausfall thun, damit er Zeit gewinnen möchte, Abtheilungen und Zufluchtsörter hinter der Bresche zu machen, bevor der Feind einen Haupt-Sturm wagte. Dieser Trupp stürzte sich mit bewaffneter Faust in die Laufgräben, überraschte die Türken, hieb in Stücken, was ihm vor die Klinge kam – jagte die übrigen in die Flucht, und verschüttete einen großen Theil der Laufgräben, ehe er sich in die Vestung zurückzog.

Die Türken stürzten wüthend herbei, und versuchten es, die angreifenden zurückzutreiben; da sie aber durch eine Gegend mußten, die dem Kanonenfeuer ausgesetzt war, blieb eine große Menge von ihnen auf dem Platze: und die Christen erreichten unter dem Schutz eines unaufhörlichen Kugelsturms die Vestung, ohne beträchtlichen Verlust.

Die Türken hatten nicht nur das Unglück, eine große Menge Soldaten einzubüßen, sondern auch alle ihre Maschinen und Belagerungswerke zerstöhrt zu sehen.

Der Großvezier suchte sich zwar dadurch wieder zu rächen, daß er ein ansehnliches Korps aufstellte, welches aus lautern sichern Schützen bestand, und die den Arbeitsleuten in der Vestung mit Musketenfeuer hart zusetzen mußten; wobei die Ritter viele ihrer brauchbarsten Leute verlohren; aber auch dieser Verlust war von einem nicht minder ansehnlichen von Seiten der Türken begleitet.

[143] Indessen schmolz die Mannschaft des Großmeisters von Tag zu Tag. Die Vestung durfte keinen ihrer Vertheidiger mehr aufs Spiel setzen, ohne ihrem Untergang entgegenzueilen. Das einzige Rettungsmittel war, die Belagerung in die Länge zu ziehen, um Winter und Frühling zu gewinnen, weil die Türken alsdann, allem Ansehen nach, die See nicht länger würden behaupten können.

Auch an Pulver fieng es an der Vestung zu gebrechen. Dieß war das Werk des verrätherischen Amaral, der den Vorrath für hinreichend ausgegeben hatte. Aber auch diesen Mangel wußte die bewundernswürdige Vorsicht und Geistesgegenwart des Großmeisters zu ergänzen, der einen ziemlichen Vorrath von Salpeter angeschafft hatte, welches nun zu Pulver verarbeitet wurde. Er verbot zugleich unausgesetzt zu feuern, damit man dem bevorstehenden Hauptsturm desto kräftigern Widerstand thun könnte.

Solimann hatte unterdessen seine unzähliche Menge von Schanzgräbern in besondere Haufen getheilt, wovon einige dazu gebraucht wurden, Schutt und Steine in den Graben zu werfen. Aber auch diese Mühe war umsonst. Was den Tag über hineingeschafft wurde, ließen die Ritter des Nachts wieder herausräumen. Andre von den Schanzgräbern waren beschäfftiget, Minen, und zwar an mehrern Stellen zugleich zu graben, wovon jede ihren Lauf nach der entgegengesetzten Bastei nahm. Auch diese Mühe wurde zum [144] Theil vereitelt, indem es dem Martinengo gelang, einige davon zu entdecken. Die Türken hatten diese Minen so künstlich angelegt, daß die auseinandergelaufenden Reste derselben sich alle in einander verflochten und um desto mehr Wirkung zu thun, alle nach derselben Gegend zu liefen. Bald entdeckte Martinengo eine andre dieser Minen in der Gegend des Provenzergrabens, die von der St. Johanniskirche auslief. Sie wurde augenblicklich aufgehoben, und die Minirer mit Granatenkugeln auseinandergetrieben, und die in dieser unterirrdischen Gegend befindlichen Türken durch hineingeworfene Pulverfässer erstickt oder verbrannt. Indessen konnte man, aller angewandten Mühe ohnerachtet, doch nicht verhindern, daß der Feind nicht zwei andre Minen unter die englische Bastion getrieben hätte, die eine so gewaltsame Wirkung hervorbrachten, daß mehr als sechs Toisen von der Mauer einstürzten, und den Graben mit ihren Trümmern ausfüllten. Schon war die Bresche so weit, und die Mauer so leicht zu ersteigen, daß mehrere Bataillone von Türken, die auf den Erfolg der Minen lauerten, sich augenblicklich zum Sturm bereit machten, und bewaffnet mit tumultuarischem Geschrei Sturm liefen. Sie erkletterten auch wirklich die Bastei, pflanzten daselbst ihre Fahnen auf, und würden sich gewiß davon Meister gemacht haben. Sobald aber die Ritter sich von der Betäubung erhohlt hatten, welche der krachende Einsturz der Mauer und die zerplatzende Mine verursachten, stürzten sie dem Feind schaarenweis entgegen, und bestürmten ihn mit einem Ungewitter von Steinen, Granaten, [145] und Flintenkugeln. Der Großmeister selbst sprang von dem Altar der Kirche, wo er den Himmel auf seinen Knieen um Beistand flehte, auf, bemächtigte sich einer Pike, und schwang sich muthig auf die Bastion, hieb wüthend auf die Türken ein, zerstreuete und ermordete, was sich zu widersetzen wagte – riß die Fahnen hinweg und bemeisterte sich wieder der Bastion. Mustapha, der aus dem Laufgraben die Flucht der seinigen gewahr wurde, stürzte mit gezückten Schwerdt auf sie ein, streckte die ersten Flüchtlinge zu Boden, und zeigte den übrigen daß sie eben so wenig Sicherheit bei ihrem General, als bei den feindlichen Kugeln auf der Bresche zu erwarten hatten. Schäumend vor Wuth stürzte er selbst auf den Feind loß – Furcht und Schaam fesseln die Fliehenden, betäubt fliehen sie ihm nach, das Gefecht erneuert sich, Steine, Granaten, Flintenkugeln, Feuertöpfe hageln auf die Köpfe der Türken herab – sie verlassen endlich die Bresche, drehen der Vestung den Rücken zu, umsonst verschwendet Mustapha Drohworte und Versprechungen.

Der Feind gießt ein unaufhörliches Kanonenfeuer auf den untern Theil der Bresche herab, alles wird ein Raub der Flammen. – Man behauptet, daß bei dieser Gelegenheit 3000 Türken ihr Leben einbüßten.

Kein Tag vergieng nun, der sich nicht durch merkwürdige Angriffe auszeichnete. Die Türken wollten mit Gewalt ihre Unternehmung durchsetzen; und die Ritter, wiewohl ihre Anzahl täglich schmolz, thaten ihnen noch immer gleich tapfern Widerstand. Der Großmeister [146] feuerte sie durch seine Entschlossenheit und Geistesgegenwart so nachdrücklich an, daß die Türken bei jeder Gelegenheit eine unglaubliche Menge von Streitern einbüßten.

Natürlicherweise mußten diese unglücklichen Versuche auf die Gemüther der Janitscharen den widrigsten Eindruck machen. Schon hörte man nichts als lautes Gemurre über eine Unternehmung, welche täglich und stündlich ihren tapfersten Gefährten das Leben kostete. Mustapha, welcher befürchtete, diese Beschwerden möchten das Ohr des Großsultans erreichen, und ihn dazu verleiten, des schlechten Erfolgs wegen, an den Großvezier zu halten, beschloß einen neuen Sturm auf die englische Bastei, um entweder Herr der Vestung, oder ein Opfer des Todes auf ihren Mauern zu werden. Er theilte diesen Entschluß einem andern Offizier mit, und die Bastei wurde angegriffen. Dießmal schien das Glück sich auf die Seite der Türken neigen zu wollen.

Mustapha that Wunder, und die Stadt kam sehr ins Gedränge. Aber es war nur die letzte aufstrebende Kraft der Verzweiflung, die diesen kurzen Vortheil bewirkte. Bald wandte sich das Blatt wieder, und die Türken mußten die Bresche mit eben so unglücklichem Erfolg, als das vorigemal, verlassen. Auch dieser unglückliche Versuch kostete dem Sultan 3000 Mann, und noch war kein Schritt vorwärts gethan.

Zwischen streitenden Entschlüssen hin und her geworfen, versammelte Solimann seinen Kriegsrath. Der [147] Schluß desselben gieng dahin, um die Kräfte der Vertheidiger, die sich bisher immer glücklich auf einen Ort zusammengedrängt hatten, zu zerstreuen, einen Generalsturm zu wagen.

Den 24sten September sollte der Angriff geschehen. Solimann versprach den Soldaten die Plünderung der Stadt, wenn es ihnen gelingen würde, sie mit bewaffneter Hand zu erobern.

Der Sturm wurde mit einem unaufhörlichen Kanonenfeuer eröffnet. Die Türken beschossen zwei ganzer Tage lang die englische, spanische, und Provenzer-Bastei, in der Absicht, die Bresche zu erweitern. Der Großmeister beschäfftigte sich indessen unabläßig mit Vertheidigungsanstalten. Die ganze Nacht vor dem 24sten brachte er mit Besichtigung seiner Truppen zu. Er ermunterte sie zu gleicher Zeit durch die rührendsten Vermahnungen[WS 1], standhaft für die Ehre der Religion und das Leben ihrer Mitbürger zu kämpfen, und lieber dem Tod entgegen zu eilen, als sich unter das Joch der Knechtschaft zu beugen. Mit thränendem Auge stürzten sich Griechen und Lateiner, Bürger und Ritter in die Arme, und schwuren sich bei dem Kreutze des ewigen Ueberwinders Treue zu bis in den Tod.

Mit anbrechendem Morgen verdoppelten die Türken ihre Batterien, vorzüglich gegen die anzugreifenden Posten, nicht sowol, um die Bresche zu erweitern, als um ungesehen von dem Feind mitten durch den Pulverdampf [148] der Kanonen anrücken zu können. Muthig schritten sie zum Sturm, der von vier verschiedenen Seiten zugleich eröffnet wurde. Seit dem Anfang der Belagerung hatte man nicht diese bewundernswürdige Entschlossenheit an ihnen wahrgenommen, durch welche sich jetzt vorzüglich die Janitscharen auszeichneten, die im Angesicht des Sultans stritten.

Von allen Seiten fliegen Kugeln und Pfeile umher. Die Ritter zeichnen sich durch Unerschrockenheit, die Soldaten durch Muth und Gehorsam aus. Einige gießen siedendes Oel und brennendes Pech auf die hinaufkletternden, andre rollen ungeheure Felsenmassen auf sie herab, und durchbohren sie mit ihren Espontours. Die englische Bastei schwamm in Blut: es war die schwächste Gegend, die am heftigsten bestürmt und am besten vertheidigt wurde. Der Großmeister begab sich selbst dahin. Von der einen Seite feuerte seine Gegenwart die streitenden Christen mit neuem Muth an; von der andern flößte die Hoffnung einer glänzenden Beute den feindlichen Kriegern verzweiflungsvolle Kühnheit ein. Nie hatten diese letztern ein so glänzendes Beispiel ihrer Tapferkeit gegeben, als eben jetzt. Mitten durch eine Saat von Kugeln, Pfeilen, Wurfpfeilen und Steinen schwingen sie sich auf die Mauern stürzen blindlings auf den Wall, und werden ein Opfer der feindlichen Rache.

Die Ritter auf der andern Seite dringen muthig auf sie ein, stürzen sie herab in den Graben, die Sturmleitern [149] ihnen nach, und richten mit ihren Kanonen ein solches entsetzliches Blutbad unter ihnen an, daß die bestürzten Türken schon bereit sind, den Sturm aufzuheben. Aber einer ihrer vornehmsten Offiziers erneuert das Gefecht, schwingt sich muthig voran auf die Mauern, pflanzt eine Fahne auf, und stürzt, von einer feindlichen Kugel fortgerissen, hinab in die Tiefe. Mit seinem Tod scheint ihr Muth wieder zu erwachen. Schäumend werfen sie sich den feindlichen Waffen entgegen.

Fest und unerschütterlich erwartet sie der Kämpfer für den Glauben des Erlösers. Priester, Ordensbrüder, Greise, Kinder, Weiber, mengen sich in das Gefecht. Wer kein Schwert in seine Gewalt bekommen kann, schleudert Steine, wer diese nicht tragen kann, schüttet glühendes Schwefel-Oel auf den Feind herab.

Die Spanische Bastei war der größten Gefahr ausgesetzt. Der Janitscharen-Aga, der auf dieser Seite das Kommando führte, eröffnete den Sturm an der Spitze seiner Soldaten. Die Kanonen streckten eine unglaubliche Menge nieder, noch ehe sie an den Fuß der Bresche gelangt waren. Diejenigen, welche über den Graben kamen, suchten die Mauer zu unterminiren, und fanden ihr Grab unter den zusammenstürzenden Trümmern. Andre legten die Sturmleitern an, andre erkletterten auf den emporgethürmten Leichnamen ihrer erschlagenen Gefährten die Mauern und drangen unter vergeblichen Widerstand der Christen bis an die [150] innerste Verschanzung, wo sie, dreißig Fahnen aufpflanzten. Unglücklicherweise hatten die Vertheidiger dieser Bastei aus einem Mißverstand ihren Posten verlassen. Die Türken wurden dieses nicht sobald gewahr, als sie unbemerkt die Mauer besteigen, sie im Besitz nehmen, die feindlichen Fahnen umstürzen, die ihrigen aufpflanzen, und mit einen brüllenden Siegsgeschrei ihre Gefährten herbeirufen.

Der Großmeister, dem diese Ueberrumpelung hinterbracht wurde, ließ eiligst das Geschütz der benachbarten Bastei dahin schaffen und beunruhigte den triumphirenden Feind mit einem unaufhörlichen Kanonenfeuer. Indessen eilte ihm einer seiner vornehmsten Ritter zu Hülfe. Was die Kugeln verschonten, fraß das Schwert. Die christlichen Fahnen verdrängten wieder die feindlichen, der Kampf schien sich allmählig zu verkehren. Aber mit neuem Ungestüm erwachte er, als der Aga mit verzweiflungsvoller Hartnäckigkeit seinen Platz zu behaupten wagte. Wüthend stürzte sich der Großmeister, an der Spitze seiner Soldaten zum zweiten mal durch die feindlichen Haufen. Das Gefecht dauerte sechs Stunden.

Endlich fürchtete der Großmeister, seine Truppen möchten durch den hartnäckigen Widerstand erschöpft seyn, und von der überlegenen feindlichen Menge überwältigt werden. Diesem zuvorzukommen, zog er vom St. Nikolausthurme 200 Mann herbei. Diese noch rüstigen Leute gaben dem Gefecht plötzlich eine andre Wendung.

[151] Die Janitscharen wankten zurück, von dieser tapfern Mannschaft in die Menge getrieben, verlassen sie die Bresche und suchen ihren Laufgraben wieder zu gewinnen. Sogleich ließ Solimann um dieser schimpflichen Flucht einen andern Anstrich zu geben, und die Ehre seiner Truppen zu retten, zum Rückzug blasen, nachdem er 15000 Mann, ohne die Offiziers eingebüßt hatte.

Das Unglück dieses Tages hätte dem Mustapha den Kopf gekostet, wenn nicht seine Offiziere dem Sultan zu Füssen gefallen wären, und ihm durch ihre Fürsprache Gnade ausgewirkt hätten. Der Sultan war schon Willens, die Belagerung mit diesem letzten Sturme aufzuheben, schon wurde die Bagage zum Einschiffen an den Strand geschafft, und den Truppen befohlen, sich zur Abfahrt bereit zu halten, als ein Brief von Amaral, und die mündliche Nachricht eines Ueberläufers den Sultan benachrichtigten, daß die Festung unmöglich einen zweyten Sturm dieser Art auszuhalten vermöge, indem der größte Theil der Mannschaft aufgerieben und der andre durch seine Wunden zum Gefecht unbrauchbar gemacht sei. Dieses änderte Solimanns Entschluß. Die Belagerung wurde mit neuer Hitze fortgesetzt.

Baßa Achmet, nunmehriger Befehlshaber bediente sich einer ganzen andern Methode. Zuweilen glückte es ihm, einige Toisen von der Mauer zu sprengen; aber nie ohne großen Verlust an Mannschaft. Indessen [152] vergieng kein Tag, wo nicht die heftigsten Scharmützel vorfielen. Bei jedem derselben zeigte sich Villiers. Er ersetzte schnell jeden Abgang, und als einst der vortreffliche Ingenieur gefährlich verwundet ward, blieb er 30 Tage in der spanischen Bastei, ohne von der Stelle zu gehen, ohne die mindeste Ruh weder Tag noch Nacht zu genießen; indem er sich bloß einige Augenblicke auf eine Matratze hinwarf, die man ihm an dem Fuß der Bresche hinlegte. Sein Beispiel feuerte alle übrigen an, und, ohnerachtet ihrer geringen Anzahl, war doch jeder fest entschlossen, eher sein Leben zu lassen als einen Schritt von der Stelle zu weichen.

Ohngefähr um diese Zeit entdeckte sich die Verrätherei Amarals, und er wurde ein trauriges Opfer seiner niederträchtigen Boßheit. Durch den Tod dieses Verräthers ward Rhodus zwar von seinem innerlichen Feind befreit, aber der äussere fuhr fort, ihm desto wüthender zuzusetzen. Solimann machte sich zu einem Generalsturm bereit, und zum erstenmal zitterten die Ritter. Bald waren die tapfersten Vertheidiger von Rhodus gefallen, und Tod oder Knechtschaft war die fürchterliche Aussicht aller seiner Bewohner.

Die Elemente selbst schienen sich wider diese Unglücklichen verschworen zu haben. Zwei Schiffe aus Marseille, welche auf Veranstaltung der französischen Ritter mit Lebensmitteln beladen waren, und sich den Hafen der Stadt näherten, scheiterten auf dem halben Weg. Die Stadt war aufs äusserste gebracht, und mehr unter den [153] Ruinen ihrer Festungswerke vergraben, als davon beschützt. In dieser höchsten Noth behielt der Großmeister seine bewundernswürdige Standhaftigkeit. In der Hoffnung, die benachbarten, ihm unterworfenen Inseln einst mit leichter Müh' wieder gewinnen zu können, wofern nur die Hauptstadt gerettet würde, faßte er den Entschluß, alle dort befindliche Mannschaft nach Rhodus zu ziehen. Es geschah. Die Ritter schifften sich auf leichte Barken und Briganterien ein, brachten ihre wenige Mannschaft, nebst dem, was sie an Waffen und Lebensmitteln vorräthig hatten, mit, und landeten in dem Hafen der Hauptstadt. Dieser armselige Beistand ließ die Rhodiser mehr ihre Schwäche fühlen, als daß er ihre Kräfte verstärkt hätte.

Die Türken, denen einige Ueberläufer fälschlich von einen mächtigen Beistand gesagt hatten, den die Ritter nächstens erwarteten, verdoppelten ihre Kräfte, um diesem zuvorzukommen. Es gelang ihnen, sich des besten Theils von dem italienischen Wall zu bemächtigen. Die Ritter in dieser Bastei waren in die Enge getrieben, daß sie sich zurückziehen mußten. Der Großmeister, der dieses gewahr wurde, ließ schleunigst die St. Pantaleonskirche und die Kapelle der Heil. Maria niederreissen, um zu verhindern, daß sich die Türken nicht dahin postierten; der Trümmern bediente er sich zur Errichtung einiger Barrikaden und Retranchements, die dem weiter eindringenden Feind den Weg versperren sollten.

[154] Am meisten beunruhigten die Türken die spanische Bastei. Ohnerachtet sie täglich zurückgeschlagen wurden, kehrten sie dennoch von Tag zu Tag mit desto größerem Eifer zurück. Endlich gelang es ihnen, bis in das innerste Retranchement einzudringen. Die Stadt war in der größten Gefahr. Die Sturmglocken verkündigten es mit schauderndem Getöse, alles strömte herbei. Martinengo, obgleich noch nicht ganz wieder hergestellt, stürzte selbst mit einer Schaar von Rittern dem Feind entgegen. Jeder brannte vor Begier, der erste auf dem Kampfplatz zu seyn; jeder gehorchte nur seinem Muth und seiner Verzweiflung. Der Feind zeigte nicht minder Herzhaftigkeit. Das Gefecht war blutig und heftig, lang schwankte der Sieg. Zum größten Glück für die Festung, fiel plötzlich ein ungewöhnlicher Regen. Das Wasser stürzte in Strömen vom Himmel und schwemmte den Erdwall an den feindlichen Laufgräben hinweg, daß das Geschütz der Christen die darunter befindlichen Arbeiter erreichen konnte. Von allen Seiten bestürmten die Batterien der Festung den Feind — alles floh nach dem Lager.

Solimann gerieth bei diesem Anblick ausser sich. Sechs stürmische Monate waren seit dem Anfang der Belagerung verfloßen, und noch kein einziger Sieg erfochten.

Die Furcht, daß sich die christlichen Mächte endlich zu einem allgemeinen Krieg gegen ihn verschwören möchten, wirkten so heftig auf seine stolze Seele, daß [155] er sich tiefsinnig in sein Zelt vergrub, und jeden menschlichen Anblick floh. Nur der alte Baßa, Peri, der Pfleger seiner Kindheit, durfte sich ihm nähern. Durch tröstende Vorstellungen, und schmeichelhafte Anschläge, gelang es ihm endlich, sein Gemüth zu beruhigen. Auf sein Anrathen ließ der Sultan Briefe in die Vestung werfen, welche die Bürger im Namen des Großherrn aufforderten, sich ihm zu unterwerfen, und ihnen und ihren Weibern und Kindern im Falle der Weigerung mit den grausamsten Martern drohten, wenn die Stadt mit Sturm erobert wurde. Bald erschienen mehrere Herolde nach einander auf der Mauer und suchten die Bürger durch Vorstellungen des auf sie wartenden Elends zur Uebergabe zu bringen.

Der Großmeister, der einen Aufruhr befürchtete, ließ dem letzten dieser Herolde andeuten, sich schleunigst zu entfernen, und die Festung bei Lebensgefahr in solcher Absicht nie wieder zu betreten.

Indeß hatten die häufig in die Stadt geworfenen Briefe doch Eindruck auf die leichtsinnigen Griechen gemacht. Sie fiengen schon an, geheime Zusammenkünfte unter sich anzustellen; und die feigherzigsten unter ihnen, stellten den übrigen die schreckliche Lage vor, worinn sie sich befinden würden, wenn die Stadt mit Sturm erobert würde. Dabei erinnerten sie sie an den Verlust so vieler braven Mitbürger, Weiber, Männer, Kinder und Verwandten, zuletzt noch an die weit größeren Vortheile, die ihrer erwarteten, wenn sie, [156] nach dem Beispiel so vieler andern Nationen eine Verbindung mit den Türken eingiengen.

Der Zunder fieng Feuer. Schon hatten sich die vornehmsten Familien der Stadt zusammengerottet, und waren entschloßen, den Großmeister Vorstellungen zu thun, um ihn zu einer vortheilhaften Kapitulation mit dem Feind zu vermögen.

Villiers fürchtete eine gänzliche Spaltung im Staate, der seinen Untergang befördern möchte, und trug die Sache den versammelten Rittern vor. Unterdessen langten drey Deputirte des Volks an, und erneuerten ihre Beschwerden, wodurch sie sich vor Himmel und Erde gerechtfertigt glaubten, ihren einmal gefaßten Entschluß auszuführen, wenn der Rath in ihr Begehren nicht willigte. Nun ließ der Großmeister einige der vornehmsten Ritter aus den verschiedenen Bastionen kommen, um sich genau von der Stärke und dem Zustande des Orts zu überzeugen. Unter diesen befand sich Martinengo selbst. Sie betheuerten einhellig, daß die Festung sich wirklich nicht mehr halten könnte, und über kurz oder lang ein Raub des Feindes werden würde. Dieses brachte den Großmeister zum Entschluß: Er versichterte den Deputierten, daß er die erste Gelegenheit, welche ihm Solimann zur Kapitulation darbiethen würde, ergreifen wolle, um ihrem Elend ein Ende zu machen.

[157] Solimann, den das Gerücht eines nahen Entsatzes der Vestung, welches die Ritter sorgfältig ausstreuen ließen, täglich mehr beunruhigte, suchte durch neue Versuchungen die Standhaftigkeit des Volcks zu erschüttern. Auf seinen Befehl pflanzte man zwei Fahnen in verschiedenen Gegenden der Stadt auf.

Der Großmeister ließ sogleich eine andre bei einem der Stadtthore aufstecken. Jetzt brachte ihm ein Gesandter einen Brief vom Sultan, der die gewöhnlichen Kapitulationsvorschläge enthielt. Auf beiden Seiten wurden Geisel ausgestellt. Solimann verlangte schnellen Entschluß. Seine Forderungen waren: die Vestung sollte sich ihm nebst der ihr angehörigen Inseln und Häfen freiwillig und gegen gewisse Bedingungen unterwerfen. Dieser Brief ward sogleich dem Conseil vorgelegt, und der Großmeister ließ durch einige Ritter vom Range den Sultan um einen dreitägigen Waffenstillstand bitten, damit er Zeit gewinnen möchte, die Kapitulation abzufassen.

Aber Solimann, der noch immer einen nahen Entsatz befürchtete, schlug den Großmeister dieses Ansuchen ab, und um seinen Entschluß zu beschleunigen, ließ er unmittelbar darauf die Festung bombardieren.

Jetzt ertönten wieder die Batterien von beiden Seiten; jedoch schwächer von Seiten der Christen, die ihren nothdürftigen Pulvervorrath auf die nahen Stürme versparten.

[158] Ohnerachtet die Stadt nur noch einem Schutt- und Steinhaufen glich, und die Festung gänzlich zu Grunde gerichtet war, so hatten doch die Ritter in der spanischen Bastei ihren Platz noch immer behauptet. Der Großmeister gieng selbst dahin, um sie desto leichter vertheidigen zu können. Es begann ein blutiges, hartnäckiges Treffen, welches mehrere Tage fortdauerte. Beide Theile stritten mit gleicher Herzhaftigkeit. Die Ritter stürzten sich verzweiflungsvoll auf den Feind ein, und schienen sich gleichsam dem Tod in die Arme zu werfen, der sie floh, und ihrer Verzweiflung spottete. Endlich neigte sich das Glück auf ihre Seite. Sie richteten eine fürchterliche Niederlage unter den feindlichen Truppen an und diese wandten den Rücken. Aber, von Solimanns Drohungen angespornt erneuerten sie am folgenden Tag den Sturm, und erschienen in so großer Menge auf der Mauer, daß die Ritter gezwungen waren, der Menge den Platz einzuräumen, und sich in die Stadt zurückzuziehen. Fliehend kämpften sie noch, und waren fest entschlossen den letzten Blutstropfen zu wagen, und sich unter die einstürzenden Trümmern begraben zu lassen.

Endlich erschien die ganze Bürgerschaft, und bath den Großmeister flehentlichst, die Kapitulation einzugehen, und ihnen zu erlauben, daß sie Deputierten in das feindliche Lager senden dürften, um dort ihr Bestes zu besorgen.

Nachdem der Großmeister alles mögliche umsonst versucht, diesen Schritt zu verzögern, willigte er ein, [159] und ließ ausser den Deputirten, noch einen Gesandten an den Großsultan abgehen, der die Kapitulation mit ihm schließen sollte. Die Hauptartikel waren: „Die Kirchen und ihre Heiligthümer sollten nicht entweiht, die Eltern nicht gezwungen werden, ihre Kinder zu Janitscharen hinzugeben; die christliche Religion nach wie vor, ohne Einschränkung geduldet werden, und das Volk 5 Jahre lang von allen Auflagen befreiet seyn; Jedermann sollte die Erlaubniß haben, die Insel zu verlassen, dem Großmeister und seinen Rittern solle eine Zeit von 14 Tagen, zur Einschiffung ihrer Habseligkeiten eingeräumt, und ihnen verstattet werden, die Reliquien ihrer Heiligen, die Opfergefäße aus der St. Johanniskirche nebst Zierrathen, Meublen und Dokumenten, wie auch die ganze Artillerie zu Ausrüstung ihrer Galeeren mitzunehmen. Alle Häfen der Stadt Rhodus nebst denen der übrigen Inseln, welche dem Orden zugehörten, sollten den Türken eingeräumt werden, und damit die Ausübung des Traktats desto ungehinderter von Statten gehen möchte, die feindliche Armee sich auf einige Meilen zurückziehen. Während dieser Entfernung sollten 4000 Mann Janitscharen unter dem Kommando eines Aga Besitz von der Stadt nehmen, und endlich noch der Großmeister, zur Sicherheit seines gegebenen Worts, dem Sultan 25 Ritter als Geißel ausstellen, worunter 2 Großkreutze nebst 25 der vornehmsten Bürger der Stadt sich befänden.“ Der Kontrakt ward von beiden Theilen unterzeichnet und bestätigt, die Geisel ausgestellt, und die Stadt in Besitz genommen. Einige Tage darnach hatte der Großmeister [160] ausserhalb der Stadt eine Zusammenkunft mit dem Sultan, nach welcher sie sehr zufrieden auseinander giengen.

Unterdessen hatten sich einige Janitscharen, trotz dem Kontrakt, unter dem Vorwand, ihre Kameraden zu besuchen, in die Stadt eingeschlichen, wo sie ihrer Grausamkeit freien Lauf ließen. Sie drangen in die Kirchen, entweihten die Heiligthümer, drangen bis in das Begräbniß der Großmeister, wo ihre Habsucht große Schätze erwartete, von da stürzten sie wüthend in das Siechhaus, dieses erhabenste Denkmal der ritterlichen Gastfreiheit, warfen die Kranken heraus, bemächtigten sich der Silbergeschirre, aus welchen diese bewirthet wurden, und hätten ihre Grausamkeit noch weiter getrieben, wenn die Beschwerden des Großmeisters ihrer barbarischen Zügellosigkeit nicht Einhalt gethan hätten.

In der That war der Sultan selbst zu stolz auf seinen Ruhm, um diese Grausamkeit zu verstatten. Er wünschte vielmehr, daß die Ritter zugleich mit der Nachricht von der Eroberung, den Ruhm seiner Großmuth und unverletzlichen Treue in allen christlichen Staaten verbreiten möchten.

In dieser Absicht begab er sich in eigener Person zum Großmeister, suchte ihn über den schnellen Wechsel des Glücks zu trösten, machte ihm verschiedene sehr vortheilhafte Anträge, und sagte bei seiner Entfernung dem Großvezier ins Ohr: „Beim Mahomet, es kostet mir Ueberwindung diesen alten Mann aus seiner Wohnung zu treiben!“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vermahmungen