Beschreibung des Oberamts Besigheim/Kapitel B 9

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Hofen,
Gemeinde III. Klasse mit 487 Einw., worunter 2 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Stockheim, O.A. Brackenheim, eingepfarrt.

Das kleine, freundliche Pfarrdorf liegt 1 Stunde nordwestlich von der Oberamtsstadt oben an einem gegen eine Neckarthalbucht steil abfallenden, mit Reben und Obstbäumen bepflanzten Abhange. Bei der hohen, freien Lage des Orts ist die Luft rein, übrigens etwas scharf, daher Frühlingsfröste nicht selten vorkommen; dennoch tritt die Ernte etwa 8 Tage früher ein als in Stuttgart; Hagelschlag ist seit Menschengedenken nicht vorgekommen. Gutes Trinkwasser liefern zwei laufende Brunnen, deren Abflüsse eine am nordöstlichen Ende des Orts liegende Wette speisen; etwa 1/4 Stunde nördlich vom Ort entspringt der sog. Taufbrunnen, dessen Wasser für das beste auf der Markung gehalten wird. Durch Vicinalstraßen nach Bönnigheim, Erligheim und Wahlheim ist das Dorf mit der Umgegend in Verbindung gesetzt.

Die kleine, unansehnliche Pfarrkirche, mit dem theilweise ummauerten Begräbnißplatz, liegt frei am Nordostende des Orts; dem veränderten Langhause derselben ist von seiner früheren germanischen Bauweise nur noch der spitzbogige Eingang geblieben, dagegen ist der an der Ostseite stehende massive Thurm, dessen unteres, mit einem Tonnengewölbe versehenes Stockwerk die Stelle des Chors vertritt, noch in seiner alten Bauart erhalten. Derselbe ist viereckig, nicht hoch und ragt nur mit seinem Zeltdache über den First der Kirche empor. Die an der Nordseite angebaute Sakristey hat ein einfaches Kreuzgewölbe und ein im früh-germanischen Geschmack gehaltenes, schmales Fensterchen. Von den zwei auf dem Thurme hängenden Glocken ist eine 1654 – die andere 1747 gegossen. Die Baulast der Kirche hat die Stiftungspflege, welche aber wegen Mittellosigkeit von der Gemeinde unterstützt werden muß. Das 1613 erbaute Pfarrhaus, welches seit 1808 die K. Hofdomänenkammer zu erhalten hat, liegt ganz in der Nähe der Kirche und bietet eine zwar etwas beschränkte, jedoch sehr anziehende Aussicht gegen das Neckarthal. Das 1788 von der Gemeinde erbaute Schulhaus, in welchem sich zugleich die Wohnung des Lehrers befindet, wurde 1836 mit einem Gemeindeaufwande von 1050 fl. und einem Beitrag von 200 fl. aus der Hofdomänenkasse namhaft verbessert. Eine Schulstiftung von 20 fl., deren Zinse zur Anschaffung von Schulbüchern für unbemittelte Kinder verwendet werden, ist seit 1836 vorhanden. An der Schule unterrichtet nur ein Lehrer; eine Industrieschule besteht seit 1841. Das| an dem Vereinigungspunkt der beiden Ortsstraßen stehende, gut erhaltene Rathhaus mit einem Thürmchen auf dem First, wurde 1839 neu erbaut. Zunächst am Rathhause steht die 1622 erbaute, sehr geräumige Kelter, welche der Gemeinde in Folge der Zehentablösung im J. 1850 von der K. Hofdomänenkammer zugekommen ist. Ein öffentliches Backhaus besteht seit 1830.

Die im Allgemeinen wenig bemittelten Einwohner, deren Erwerbsquellen in Ackerbau, Viehzucht und etwas Weinbau bestehen, sind sehr fleißig und führen einen eingezogenen Lebenswandel; ihre körperliche Beschaffenheit zeigt aber zuweilen Neigung zu Cretinismus und dicken Hälsen, auch sind gichtische Krankheiten in allen Formen ziemlich verbreitet, dessenungeachtet erreichen Manche ein hohes Alter.

Die nicht große Feldmarkung, an der noch überdieß Bewohner der angrenzenden Orte etwa ein Drittel besitzen, ist mit Ausnahme des steilen Abhanges gegen die Neckarthalweitung, ziemlich eben und hat im Allgemeinen einen theils fruchtbaren, theils mittelergiebigen Boden, der in der Thalweitung, wo indessen die Güter meist den Bewohnern von Kirchheim gehören, aus einem tiefgründigen, sehr fruchtbaren Diluviallehm, auf der Hochebene aber aus einem etwas starken Thon, einer Verwitterung der hier anstehenden Lettenkohlenmergel, besteht. Im Süden der Markung tritt der Lettenkohlensandstein der Oberfläche so nahe, daß er auf den Boden, der hier etwas Sand enthält, Einfluß zu äußern im Stande ist; an den steilen Abhängen macht sich der Muschelkalk geltend.

Die Landwirthschaft wird mittelst verbesserter Ackergeräthe gut betrieben, auch kommt zur Besserung des Bodens, außer dem gewöhnlichen Stalldünger, Jauche, Gyps u. s. w. in Anwendung. Im Dreifeldersystem, mit beinahe ganz angeblümter Brache, baut man die gewöhnlichen Cerealien, hauptsächlich Dinkel, Haber und Gerste; ersterer gedeiht sehr gut und kommt am meisten zum Anbau, dagegen ist der Gerstenbau minder einträglich. Außer den Getreidearten zieht man Kartoffeln, Angersen, Ackerbohnen, Welschkorn und Futterkräuter, besonders viel dreiblättrigen Klee. Von Handelsgewächsen wird ziemlich viel Mohn, Hanf für den eigenen Bedarf und etwas Reps gebaut. Auf den Morgen werden 6 Sri. Dinkel, 3 Sri. Haber und 2 Sri. Gerste ausgesät. Der durchschnittliche Ertrag beträgt per Morgen 7–10 Sch. Dinkel, 4–5 Scheffel Haber und 21/2–3 Scheffel Gerste. Die geringsten Preise eines Morgen Ackers sind 140 fl., die mittleren 200 fl. und die höchsten 300 fl. Dinkel kommt viel an die Bäcker in Stuttgart und Ludwigsburg, Haber in die Umgegend zum Verkauf.

Die Wiesen, von denen nur ein kleiner Theil bewässert werden kann,| sind meist ergiebig; sie ertragen durchschnittlich 20–25 Ctr. Heu und 8–10 Ctr. Öhmd. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 250–400 fl.

Die Obstzucht ist ziemlich namhaft, übrigens zeigen die Kernobstbäume im Allgemeinen ein langsames Wachsthum, während die Kirschenbäume sehr gut gedeihen; es werden nur Mostsorten, etwas Zwetschgen, Nußbäume und viel Kirschen gepflanzt, letztere liefern reichlichen Ertrag, der größtentheils in der Umgegend abgesetzt wird. Die jungen Stämme werden häufig in den Weinbergen nachgezogen.

Der Weinbau, welcher sich hauptsächlich mit Clevnern, Silvanern, auch Trollingern und Elblingen beschäftigt, wird nur auf 57 Morgen betrieben; die Lage der Weinberge ist meist nördlich und nordöstlich, daher auch das Erzeugniß zu den geringeren des Bezirks gehört. Die Reben, von denen man 2500 Stöcke auf den Morgen pflanzt, werden bezogen. Der Morgen erträgt im Durchschnitt 4 Eimer und die Preise eines Eimers waren in den Jahren 1846 44–50 fl., 1848 18–20 fl., 1849 10–18 fl. und 1850 7–10 fl. Die Preise eines Morgens Weinberg bewegen sich von 100–400 fl. Der Wein wird in der Umgegend abgesetzt.

Die Waldungen, welche früher auf der Markung lagen, sind im Jahr 1820 von der K. Hofdomänenkammer an die Ortsbürger verkauft und von diesen in Felder umgewandelt worden.

Eigentliche Weiden sind nicht vorhanden; die Herbstweide benützt ein Pachtschäfer gegen jährliche 140 fl.; außerdem trägt der Pferch der Gemeinde jährlich 100–130 fl. ein.

Die Rindviehzucht wird nur für den eigenen Bedarf getrieben: eine braune Landrace züchtet man durch 2 Farren, für deren Verpflegung ein Ortsbürger von der Gemeinde jährlich 150 fl. erhält. Die Schweinezucht ist ziemlich ausgedehnt, doch werden auch noch Ferkel auswärts gekauft. Die Zucht des Geflügels, so wie der Bienen ist unbedeutend.

Die Gewerbe dienen nur dem örtlichen Bedürfniß; im Ort bestehen 2 Schildwirthschaften und ein Kramladen.

Auf der Markung liegen zwei Muschelkalksteinbrüche und eine Lehmgrube; Lettenkohlensandstein wurde früher, jedoch in geringer Ausdehnung, angebaut. Auch ist früher in den 1790er Jahren an dem Abhange, unterhalb des Dorfs, auf Vitriol und Alaun mit geringem Erfolg gebaut worden.

Außer dem in Tab. III. Anmerk. angegebenen Gemeinde- und Stiftungsvermögen, ist eine Stiftung vorhanden, aus deren Zinsen den Ortsarmen jährlich für 10 fl. Brod angeschafft wird; auch hat der Ort als früher zur Diöcese Brackenheim gehörig, noch Antheil an der Professor Rappolt’schen Stiftung. Zur Pfarrei Hofen gehört als Filial das| eine halbe Stunde nördlich gelegene Dorf Hohenstein; von 1640–1649 war Hofen selbst nach Kirchheim eingepfarrt.

Der große, kleine, Obst-, Heu-, Wein- und Novalzehente stand zuletzt der k. Hofdomänen-Kammer zu, an welche die Gefälle des Orts von der k. Oberfinanzkammer übergegangen waren; den kleinen Zehenten von 70 Morgen im Sommerfeld und denselben nebst dem Obstzehenten im Brachfeld hatte früher die Pfarrei zu beziehen, welche dagegen ein jährliches Geld-Äquivalent von der Hofdomänenkammer erhält.

Der Weinzehenten rührte theils von der Kloster Denkendorf’schen Kellerei Wahlheim, theils von der Kellerei Brackenheim her.

Die Zehenten sind nun sämmtlich abgelöst.

Auch die sonstigen Gefälle des Hofcameralamts Freudenthal an Bodenwein, Gülten, Landachten und Geldzinsen wurden nach den Gesetzen von 1848 abgelöst. An dasselbe waren ferner zu reichen, Beedhaber 10 Scheffel 1 Simri, welche schon nach dem Gesetz von 1836 zur Ablösung kamen.

Die Heiligenpflege Bönnigheim hatte ein kleines Geldgefäll zu beziehen, das ebenfalls abgelöst ist. Das Ablösungskapital für die Gefälle der Orts-Heiligenpflege hat betragen 1478 fl. 44 kr.

Unterhalb des Orts in dem sog. Wiesenweinberg, stößt man nicht selten auf Mauerreste, Estrichböden, römische Ziegel, Gefäße, Fragmente etc., welche einen hier gestandenen römischen Wohnplatz bekunden. Beim Ausroden eines Wäldchens (oberer Wald), in der Nähe des Orts, wurden alte Waffen, Hufeisen und mehrere Steinmeißel gefunden.

Hofen wird erstmals genannt im Schenkungsbuch des Klosters Lorsch, wonach dieses Kloster im Jahr 836 in Hofoheim, welches neben Bönnigheim und Pleidelsheim genannt wird, Güter erhielt. Im Jahr 1379 war Johannes von Urbach Kirchherr zu „Houehem“ bei Binicken (Gabelkh. Miscell. b. 178. Handschr. der k. öffentl. Bibliothek, hist. 8°. Nr. 16).

Das Dorf gehörte meist den Ganerben von Bönnigheim. Als Theilhaber kommen vor im Jahr 1455 die von Sachsenheim, im Jahr 1541 die von Neipperg und die Rauen von Winnenden, von denen im Jahr 1574 die von Liebenstein ihr Viertel für 500 fl. erwarben.

An Württemberg kam der Ort in den Jahren 1575–84. Am 5. Jul. 1575 ertauschte Herzog Ludwig von Bernhard von Liebenstein dessen Viertel mit hoher und niederer Obrigkeit gegen den großen und kleinen Zehenten zu Bönnigheim; am 23. Febr. 1579 kaufte derselbe ein zweites Viertel von Hartmann’s von Neipperg Wittwe um 450 fl.; den 24. Nov. 1582 ein drittes Viertel von Philipp und Engelhard von Neipperg um 500 fl.; endlich am 31. Merz 1584 das letzte Viertel von Hans| Konrad von Urbach um 500 fl. Dieser Erwerb wurde alsbald dem Lande incorporirt (Landesgrundverfassung 179).

Im 15. Jahrhundert war an der Kirche eine Leutpriesterstelle und eine Frühmeßpfründe. Im Jahr 1440 traf das Kloster Lauffen mit Wilhelm von Sachsenheim wegen der Kirche und des Kirchensatzes eine Übereinkunft, daß derselbe, so lange er lebe, die Präsentation behalten diese aber nach seinem Tode dem Kloster heimfallen, und solches nicht gehindert werden solle, die Kirche sich einverleiben zu lassen. (Cleß, C. 141.) Im Jahr 1522 erkaufte das Kloster Denkendorf Kirche und Kirchensatz für 2400 fl. von dem Kloster Lauffen (weßhalb noch bis zu Anfang dieses Jahrhunderts die Denkendorfische Kellerei Wahlheim die hiesige Pfarrbesoldung reichte). Die Rechte des Klosters Denkendorfs sind durch die Reformation an Württemberg übergegangen und das Patronats- und Nominationsrecht zu der Pfarrstelle hängt allein von königlicher Collatur ab. – Der erste protestantische Pfarrer, Wolfgang Kundig, war früher Conventual in Denkendorf.

Im 30jährigen Krieg 1641–43 war der Ort ganz menschenleer.



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