Beschreibung des Oberamts Oberndorf/Kapitel B 4

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Altoberndorf,
Gemeinde III. Kl. mit 405 Einw., wor. 31 Ev. a. Altoberndorf, Pfarrdorf, 366 Einw., b. Bollerberg. Hof, 5 Einw., c. Hegelberg, Hof, 9 Einw., d. Höhingen, Weiler, 17 Einw., e. Irslenbach, Haus, 8 Einw. – Kath. Pfarrei; die Ev. sind nach Oberndorf eingepfarrt. 3/4 Stunden südöstlich von der Oberamtsstadt gelegen.
Der Ort hat eine hübsche und freundliche Lage auf der linken Seite des tief eingeschnittenen, hier sich etwas erweiternden Neckarthales; ein Theil des Orts ist in das von Westen herziehende enge Langensteigbachthälchen hineingebaut, das gerade hier in das Neckarthal eingeht. Seine sauberen und stattlichen Bauernhäuser lagern sich in mäßigen Entfernungen an den reinlichen wohl chaussirten Straßen. Vom Hegelberge, vom Kreuzberge und vom Bollerberge aus genießt man weite Aussichten; auch kräftige Felsgruppen kommen oben an den Neckarthalabhängen vor und auf der Höhe des südwestlich vom Ort gelegenen Hegelberges findet sich die sog. Moritzlochhöhle; sie besteht aus einer großen vorderen Kammer von der Größe eines geräumigen| Zimmers; von hier gelangt man in eine etwas kleinere Halle und diese verläuft in verschiedene Felsenspalten. Erdfälle sind mehrere vorhanden.

Die dem h. Silvester geweihte, ziemlich baufällige Kirche hat eine schöne Lage am Südende des Dorfes auf der nach Osten geneigten letzten Terrasse gegen die Neckarthalebene hin; sie stammt aus sehr früher Zeit. Unter ihrem geradgeschlossenen Chore befindet sich eine Krypta (Unterkirche), ein tonnengewölbter Raum mit einem Fensterchen, (innen rund-außen spitzbogig) gegen Osten, und einem rundbogigen Eingange gegen Süden. Im Westen steht der laut Jahreszahl an der Nordwestecke 1519 in schönen spätgothischen Formen erbaute Thurm; die Kirche samt Chor stammt dagegen aus spätromanischer Zeit; an der Ostwand des Chors erhielten sich einige halbvermauerte Spitzbogenfenster von ältester Form; die Langseiten der Kirche sind stark mitgenommen und verändert. Der dreistockige, noch mit dem alten hohen Satteldach bekrönte Thurm hat im ersten Geschoß eine hübsche Stabwerkspforte, im zweiten zierliche schießschartenartige Fensterchen, im dritten sehr schön gefüllte Spitzbogenfenster.

Das Innere ist durch Emporen verbaut, die Decke des ziemlich niedrigen Schiffes eben, der Triumphbogen rund, romanisch; der Chor hat ein sehr hochgesprengtes Rippenkreuzgewölbe, das von romanischen, in seinen Ecken stehenden Freisäulen getragen wird; sie sind verstümmelt, nur die gegen Südost ist noch ganz erhalten.

Auf dem Hochaltare steht ein großes Krucifix. Von den zwei Glocken ist die größere mit Reliefs und schönen Gewinden geschmückte von Meinrad Antoni Grieninger von Villingen 1722 gegossen; um sie steht ferner: vicit Leo de tribu juda Radix David. Alleluia. und auf der andern sehr alten Glocke in lateinischen Majuskeln: lucas marcus matheus iohannes ora. Die Kirche wird umschlossen von dem noch theilweise ummauerten Friedhof; sein östlichster Theil verschwand seit 1866 durch den Einschnitt der vorbeiziehenden Eisenbahn. Die Baulast der Kirche ruht auf der Stiftungspflege und die subsidiäre auf der Gemeinde.

Auf der Markung befinden sich zwei Kapellen; eine jetzt nicht mehr benützte im Neckarthal an der Straße nach Oberndorf; über ihrem zugemauerten Eingange steht 1729; innen sind noch Spuren von alten Fresken.

Die zweite noch benützte Kapelle steht auf dem steilen, waldigen, in das Neckarthal vorgeschobenen Kreuzberge, hat ein Dachreiterthürmchen und ist ein Schmuck dieses Berges und der Umgegend.

| Das schöne zweistockige, nördlich bei der Kirche stehende Pfarrhaus wurde 1805–6 neu erbaut; seine Unterhaltung hat die Stiftungspflege.

Die Schul- und Rathhausgelasse befinden sich in einem ansehnlichen, mitten im Ort gelegenen, 1826 dazu eingerichteten Bauernhause; es enthält auch die freilich etwas beschränkte Wohnung des Schulmeisters.

Ein Backhaus, ein Waschhaus, ein Schafhaus und ein Armenhaus sind vorhanden.

Gutes Trinkwasser liefern im Überfluß 7 laufende Brunnen, die von einer Quelle in der Nähe des Ortes vom Fuße des Hegelberges gespeist werden; besonders gut ist das Wasser des Kreschgrabens, das sich auch beim stärksten Regen nicht trübt. Außer dem Neckar fließt über die Markung der Irslenbach, der Langensteigbach und der Neuensteigbach, die alle zuweilen verheerend austreten. Die Bäche an der Barbara- und an der Neuensteighalde vertrocknen zeitweise. Auch an Quellen, die fast alle gutes Wasser führen, ist die Markung sehr reich.

Durch den Ort führt die Staatsstraße und die Eisenbahn von Oberndorf nach Rottweil; Vicinalstraßen sind nach Trichtingen und Harthausen angelegt.

Über den Neckar führen 2 hölzerne Brücken, über den Irslenbach ein Steg; die Unterhaltung derselben hat die Gemeinde.

Die Einwohner sind im ganzen kräftig und gesund, Kretinen und Krüppelhafte, deren es früher mehrere gab, sind ganz selten geworden; gegenwärtig zählt eine Person über 80 Jahre. Die Leute sind gutmüthig, gefällig, fleißig, sparsam und religiös; ihre kleidsame ländliche Tracht haben sie zum größten Theil noch beibehalten.

Erwerbsquellen sind Feldbau, Obstbau, Viehzucht und Gewerbe; überdieß bringen Arbeit und Verdienst die im Irslenbach und in der Neuensteighalde angelegten Tuffsteinbrüche, wie auch die Gipsbrüche am Kreuzberg und am Scheibenbühl. Lehm-, Töpferthon- und Kiesgruben sind vorhanden.

Unter den Gewerbetreibenden sind am meisten vertreten und arbeiten auch nach außen: die Mühlenmacher, Zimmerleute, Schmiede, Weber, Schuster; dann giebt es viele Schneider, Wagner, Maurer und Kübler, auch wird Korbflechterei hier getrieben; ferner bestehen 2 Gipsmühlen, 1 Ölmühle, eine mit gutem Erfolg betriebene Ziegelhütte, 2 Schildwirthschaften, wovon eine mit einer Bierbrauerei verbunden ist, und 2 Kramläden. Auch eine Verkehr bringende Einbindstätte für Langholz befindet sich hier.

| Die Vermögensverhältnisse der Einwohner gehören zu den günstigen, der begütertste Bürger besitzt etwa 100, der Mittelmann 20 bis 30, die ärmere Klasse 2–3 Morgen.

Die mittelgroße Markung ist von dem tief eingeschnittenen, mit steilen Abhängen versehenen Neckarthale und von mehreren Seitenthälchen desselben durchzogen und daher, mit Ausnahme der Thalebene und der wellenförmigen Hochebene, sehr bergig. Der Boden ist im allgemeinen mittelfruchtbar und sehr verschieden; in der Neckarthalebene herrscht häufig Sand, zuweilen auch Kies vor, an den Ausläufern der Thalgehänge erscheinen die theilweise hitzigen Zersetzungen der Anhydritgruppe, an den Steilgehängen ist der Boden kalkreich (Zersetzung des Hauptmuschelkalks), auf der Hochebene aber erscheint in Folge des dort anstehenden Muschelkalkdolomits ein sog. Malmboden, der an einzelnen Stellen mit fruchtbarem Lehm oder mit den minder fruchtbaren Zersetzungen der Lettenkohlengruppe bedeckt ist.

Die klimatischen Verhältnisse sind wie in Oberndorf; Hagelschlag kam in diesem Jahrhundert nur in den Jahren 1811 und theilweise 1843 vor.

Die Landwirthschaft wird im allgemeinen gut getrieben und durch die in neuerer Zeit vorgenommene Felderregulirung sind bedeutende Hindernisse gehoben worden; auch wurde vor 3 Jahren die Drainirung der 25 Morgen großen Riedwiesen bewerkstelligt. Mit Beschwerlichkeiten ist indessen der Feldbau stets verbunden, weil die Güter theils an den Abhängen, theils auf den Hochebenen, zu denen lange Steigen führen, liegen. Neben einigen Wendepflügen ist der Brabanter oder Hohenheimer Pflug der häufigste, auch einige eiserne Eggen, Walzen und sogar eine Dreschmaschine sind vorhanden. Zur Besserung des Bodens kommt außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln und der in gut angelegten Düngerstätten sorgfältig gesammelten Jauche, auch Gips, Hallerde, Kompost und Asche in Anwendung. Außer den gewöhnlichen Cerealien, von denen Dinkel und Weizen am besten gerathen, baut man Kartoffeln, sehr viel dreiblättrigen Klee, Flachs und Hanf für den eigenen Bedarf, Reps und in neuerer Zeit Hopfen mit gutem Erfolg. Von den Getreideerzeugnissen werden in günstigen Jahrgängen etwa 350–400 Scheffel Dinkel, 100 Scheffel Gerste, 300 Scheffel Haber und 100 Scheffel Weizen meist auf der Schranne in Oberndorf abgesetzt.

Der ziemlich ausgedehnte Wiesenbau liefert ein gutes nahrhaftes Futter, das mit wenig Ausnahme im Ort verbraucht wird.

Gartenbau wird nur für den eigenen Bedarf getrieben.

| Die Obstzucht beschränkt sich hauptsächlich auf die um den Ort gelegenen Baumgärten und die an den Straßen gepflanzten Obstbäume; sie wird unter Aufsicht eines besondern Baumwarts fleißig, jedoch nicht mit großem Erfolg getrieben, indem die häufig sich einstellenden kalten Nebel und Fröste der Obstblüthe schaden. Man pflegt hauptsächlich Knausbirnen, Junkersbirnen, Palmischbirnen, Luiken, Mostäpfel, Holzäpfel und ziemlich viel Zwetschgen. Der Obstertrag wird im Ort verbraucht.

Neben etwa 200 Morgen Privatwaldungen sind etwa 700 Morgen Gemeindewaldungen vorhanden, von deren jährlichem, in 140 Klaftern und 14–16.000 Stück Wellen bestehendem Ertrag jeder Bürger 50 Stück Wellen erhält; das Klafterholz wird verkauft, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von 1800–2000 fl. sichert.

Eigentliche Weiden bestehen nicht und nur die Brach- und Stoppelweide wird alljährlich um 5–600 fl. verpachtet, nebenbei trägt die Pferchnutzung 200–250 fl. ein. Die vorhandenen 24 Morgen sehr wenig fruchtbaren Allmanden werden an Ortsbürger verliehen, was der Gemeinde jährlich 12 fl. 30 kr. Pachtzins abwirft; auch besitzt die Gemeinde eigene Güterstücke, die jedoch zur Farrenhaltung benützt werden und überdieß noch 12 fl. Pachtgeld eintragen.

Was die Viehzucht betrifft, so ist die der Pferde unbedeutend, dagegen die des Rindviehs, bei der weder Kosten noch Mühe gespart wird, in sehr gutem Zustande; man züchtet eine Kreuzung von Simmenthaler- und einer tüchtigen Landrace. Drei Zuchtstiere sind aufgestellt. Milchverkauf und einiger Handel mit Vieh findet statt. Im Spätjahr wird das Vieh noch auf die Wiesen ausgetrieben.

Auf der Sommerweide lassen einige Pächter 500 Stück deutsche und Bastardschafe laufen; die Wolle wird im Lande und die abzustoßenden Schafe nach Frankreich verkauft.

Schweinezucht besteht nicht und die Ferkel (halbenglische Race) werden eingeführt und theils zum Verkauf, theils für den eigenen Bedarf aufgemästet.

Die Zucht des Geflügels ist ziemlich namhaft, die der Ziegen nimmt ab, dagegen nimmt die Bienenzucht zu und erlaubt einen kleinen Verkauf an Honig und Wachs.

Die Fischerei im Neckar (Weißfische und Forellen) hat der Staat, der sie an Privaten verpachtet.

An Stiftungen ist die ad Silvestrum mit gegenwärtig 2100 fl. und die Schul- und Armenfondsstiftung mit 1225 fl. vorhanden; die Zinse von der ersteren werden zur Bestreitung der laufenden Kultkosten| und theilweise zur Ansammlung des nöthigen Kapitals zum bevorstehenden Kirchenbau, die der letzteren zu Schul- und Armenzwecken verwendet.

Die Herzoge Hermann, Lutzmann († vor 1337) und Friedrich († vor 1344) von Teck, Herren zu Waßeneck, Wohlthäter der hiesigen Kirche, haben einen alten Jahrtag auf den 5. Februar gestiftet.

Zu der Gemeinde gehören:

b) Bollerberg, auf der Anhöhe rechts über dem Neckarthal, 1/2 Stunde nördlich vom Mutterort gelegen.

c) Hegelberg, liegt 1/4 Stunde westlich von Alt-Oberndorf auf der Hochebene links vom Neckarthal. Das Gut, das man nennt „Hegniberg“, erscheint am 23. Aug. 1361 im Lehensrevers des Herzogs Hermann von Teck für Kloster St. Gallen als Zugehörung des St. Gallischen Schenkenamtes.

d) Höhingen, auf der Hochebene links des Neckarthals, eine halbe Stunde südwestlich vom Mutterort gelegen.

Die Wohnorte Hegelberg und Höhingen wurden von Bürgern von Alt-Oberndorf seit dem Jahr 1789 nach und nach erbaut; diese Bürger kauften sich bei der Vertheilung der Allmanden hier kleine Hofgüter zusammen, welche sie wegen der großen Entfernung von Alt-Oberndorf um billigen Preis erhielten.

e) Irslenbach, hat eine freundliche Lage, 1/4 Stunde nordöstlich von Alt-Oberndorf, unfern der Einmündung des Irslenbachs in den Neckar.

Alt-Oberndorf (auch das Obere O. und O. das Dorf genannt. Schmid, Mon. Hohenb. 832, 647) war ein Bestandtheil der Herrschaft Oberndorf (s. O.).

Rechte und Besitzungen hatten die Herren von Zimmern lange ehe sie Pfandherren der Herrschaft wurden. Güter kamen von ihnen 1603 an das Kloster Alpirsbach (Gerbert, Hist. nigr. silv. 2, 161). Von ihnen rührte her das sog. Aulendorf’sche Gut auf der Markung von Alt-Oberndorf und Beffendorf, welches Graf Franz Maximilian von Königseck-Rothenfels, Freiherr zu Aulendorf, am 26. Juli 1700 an seinen Verwalter Joh. Joach. Möher um 500 fl. verkaufte und dessen Sohn Jos. Sigism. Augustin den 22. Jan. 1727 an das Dominikaner Nonnenkloster zu Oberndorf veräußerte (Köhler 25). Außer diesen Klöstern hatte auch das Augustinerkloster in Oberndorf allhier Besitzungen.

Das Recht den Pfarrer zu setzen, hatten von jeher die Besitzer der Herrschaft Waßeneck-Oberndorf. Ursprünglich selbstständige Pfarrei| (Freiburger Diöcesan-Archiv 1, 38, Haßler, Materialien 42) wurde Alt-Oberndorf in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Filial der Remigiuskirche in Oberndorf, bekam aber 1494 wieder einen eigenen Pfarrer.


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