Beschreibung des Oberamts Tübingen/Kapitel B 4

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Degerschlacht.

Gemeinde III. Klasse mit 382 Einw., worunter 12 Katholiken. Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Reutlingen eingepfarrt. 21/2 Stunden östlich von Tübingen gelegen.

Der mittelgroße Ort hat eine angenehme freie Lage auf der Hochfläche zwischen dem Echaz- und dem Neckarthale. Die hübschen Bauernhäuser, die sich ziemlich regelmäßig an den zwei den Ort durchkreuzenden Straßen lagern, sind von Gemüsegärtchen und schönen Obstbaumwiesen freundlich umgeben, wozu die in der Ferne aufsteigende blaue Kette der Alb, sichtbar vom Hohenstaufen bis zum Hohenzollern, einen großartigen Hintergrund bildet. Außerhalb der Baumwiesen breiten sich dann fruchtbare Ackerflächen aus. Die Straßen sind noch nicht gekandelt, doch in gutem Zustande. Die gelbgetünchte Kirche liegt in der Mitte des Dorfes und bildet ein Rechteck; diese Gestalt erhielt sie im Jahre 1681. Von ihren spitzbogigen Fenstern ist nur eines übrig;| auf dem schlanken Westgiebel sitzt ein schönes durchbrochenes Steinkreuz und an der Ostseite ist über dem spitzbogigen Eingange das uralte romanische Steinbild des Apostels Petrus, dem die Kirche geweiht ist, eingesetzt. Das Innere hat eine flache Decke und unter der Tünche noch Spuren von Fresken; auf der westlichen Empore steht die Orgel. In die nördlich angebaute hölzerne Sakristei führt eine im Dreiblatt geschlossene Pforte, welche mit merkwürdigen, erhaben gearbeiteten Gethieren, Masken und Ornamenten umsäumt ist; darüber steht die Jahreszahl 1681. Der Thurm sitzt als hölzerner mit vierseitigem Zeltdach bekrönter Dachreiter auf dem Ostgiebel; von seinen Glocken ist die eine: Gegossen in Stuttgard von C. F. Blüher 1784; die andere hat die Umschrift: Meister Hans Miller in Esslingen gos mich 1616. Die Baulast der Kirche ruht auf der Gemeinde.

Der Begräbnißplatz liegt gegenüber, südöstlich der Kirche und soll schon 1444 angelegt worden sein.

Das hübsche, 1807 erbaute Pfarrhaus, welches der Staat unterhält, befindet sich in gutem Zustande.

Rath- und Schulhaus sind unter einem Dache; das freundliche Gebäude ward 1830 erbaut und enthält das Rathszimmer, ein Schulzimmer und die Wohnung des Schullehrers.

Ziemlich gutes Trinkwasser liefern ein Pumpbrunnen und 28 Schöpfbrunnen. Eine Wette liegt mitten im Ort. Die Markung ist fast ganz ohne Quellen.

Vicinalstraßen von Betzingen nach Sickenhausen und von Reutlingen nach Kirchentellinsfurth führen durch den Ort, überdieß geht eine von hier nach Wannweil. Die Entfernung von der nächsten Eisenbahnstation Kirchentellinsfurth beträgt 1/2 Stunde.

Die Einwohner sind gesund und kräftig, fleißig und geordnet; besondere Volksbelustigungen bestehen keine mehr, auch wird leider die so kleidsame Volkstracht allmählig von der städtischen verdrängt. Als Haupterwerbsquellen sind zu nennen Feldbau und Viehzucht; manche ernähren sich auch durch Taglohnarbeiten. Außer der Schreinerei und dem Korbflechten werden die gewöhnlichen Handwerke für den örtlichen Bedarf getrieben; 2 Schildwirthschaften und ein Kramladen bestehen.

Die Vermögensverhältnisse sind mittelgut; der begütertste Bürger besitzt 40 Morgen, der Mittelmann 8–10 Morgen, und der minder bemittelte 1/2 Morgen Grundeigenthum.

Die kleine Markung bildet ein ebenes, flachwelliches, obst- und getreidereiches Land, dessen im allgemeinen mittelfruchtbarer Boden aus| einem leichten, nicht tiefgründigen Lehm besteht, der wegen des unterlagernden, nicht durchlassenden Liaskalks etwas naßkalt ist.

In Folge der hohen Lage ist der Ort nicht selten heftigen Winden ausgesetzt, auch schaden öfters Frühlingsfröste und kalte Nebel der Obstblüthe, dagegen kommt Hagelschlag selten vor, indem die Gewitter entweder gegen die Alb oder über den Schönbuch ihre Richtung nehmen.

Die Landwirthschaft wird ziemlich gut betrieben; verbesserte Ackergeräthe (Suppinger Pflug, eiserne Egge, Walze) haben Eingang gefunden und zur Besserung des Bodens kommen außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln die sorgfältig gesammelte Jauche, Gips und Kompost in Anwendung. Von den Getreidearten baut man vorzugsweise Dinkel, Gerste und Haber; von den Brachgewächsen sehr viel dreiblättrigen Klee, Kartoffeln und Kraut. Reps, Hanf und Flachs kommen nach außen zum Verkauf. Von den Getreidefrüchten werden über den eigenen Bedarf jährlich etwa 200 Schfl. Dinkel und 70 Schfl. Gerste nach Reutlingen abgesetzt.

Die Wiesen, von denen nur 4 Morgen bewässert werden können, sind zweimähdig und liefern reichliches, jedoch etwas leichtes Futter.

Die nicht ausgedehnte Obstzucht beschäftigt sich hauptsächlich mit Mostsorten und läßt nur in ganz ergiebigen Jahren einigen Verkauf nach außen zu.

An Waldungen besitzt die Gemeinde 413/8 Morgen, deren jährlicher, in 5–6 Klaftern und 400 St. Wellen bestehender Ertrag über Abzug des Holzes für Schule und Rathhaus für 50–100 fl. verkauft und zu Gemeindezwecken verwendet wird.

Einige Bürger benützen gegen ein unbedeutendes Pachtgeld die Frühlings- und Herbstweide für Schafe (Rauhbastarde), die auch im Ort Überwinterung finden; die Pferchnutzung trägt der Gemeinde 150–200 fl. jährlich ein.

Die vorhandenen Allmanden werden den Bürgern unentgeltlich zur Benützung überlassen.

Die Pferdezucht ist nicht bedeutend und überdieß im Abnehmen begriffen; nur einzelne Stuten werden zur Bedeckung auf die Beschälplatte gebracht; dagegen wird die Rindviehzucht so gut als es die Verhältnisse gestatten, betrieben. Man hält verschiedene Racen und sucht sie durch einen Zuchtstier von Hohenheimer Race zu verbessern. Der Handel beschränkt sich nur auf das entbehrlich gewordene Vieh; die Viehmastung und der Milchverkauf sind von keinem Belang.

Die mit halbenglischer Race sich beschäftigende Schweinezucht ist| verhältnißmäßig beträchtlich; es werden beinahe alle Schweine entweder jung oder gemästet nach außen verkauft.

Geflügelzucht treibt man nur für den eigenen Bedarf und die Zucht der Bienen hatte bis jetzt wenig Erfolge.

Stiftungen zur Unterstützung der Armen sind 183 fl. 30 kr. vorhanden; seit einigen Jahren werden die Zinse zu dem Kapital geschlagen, indem ihre Vertheilung nicht nothwendig erschien.

Auf der Markung lag der abgegangene Ort „Hirmelbrunnen“.

D. und H. erscheinen als „Tegirslath“ (von einem Mannsnamen und dem althochdeutschen Slatha d. h. Haus, Familie, abzuleiten) und „Hirmilbrunnin“ erstmals in der Urkunde vom 2. Mai 1092, kraft welcher Werner von Kirchheim das Kloster Allerheiligen in Schafhausen a. Rh. mit hiesigen und umliegenden Gütern beschenkte. (Wirt. Urk.-Buch 1, 296.)

Wie Altenburg war der Ort ursprünglich gräflich achalmurachisch und gelangte, gleich diesem, einem Haupttheile nach von Hans Teufel von Reutlingen den 22. Januar 1444 durch Kauf an Württemberg.

Die Einwohner waren nach Reutlingen eingepfarrt (Sattler Herz. 5, 21), bis 1679 der Administrator Karl Friedrich von Württemberg von dieser Stadt das Patronat von D. und Sickenhausen eintauschte und einen eigenen Pfarrer bestellte, welcher – gemeinschaftlich für beide Orte gegeben – in D. seinen Wohnsitz bekam, so daß Sickenhausen Filial von D. wurde. (Binder 401.)


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