Das Friedens- und Kriegsleben der Ameisen

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Autor: G. F. Schuberth
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Titel: Das Friedens- und Kriegsleben der Ameisen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 48–52
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Auszug aus: Allgemeine Thierseelenkunde. Psychologische Betrachtungen über das Thierreich. Ein Unterhaltungsbuch für Jedermann. Von G. F. Schuberth. Verlag von Carl Wilfferodt, Leipzig 1863 ?? Google
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Das Friedens- und Kriegsleben der Ameisen.[1]

(Ein Beitrag zur Thierseelenkunde.)

Mancher unserer Leser wird beim Lesen der Ueberschrift dieses Artikels ungläubig lächeln. Und doch ist es eine Wahrheit, daß auch in den Thieren eine Seele lebt. Denn mag auch das Thierreich tief unter uns anfangen, wir gehören noch dazu, mögen auch selbst die höchsten Thiere noch unter uns stehen, sie stehen uns doch schon so nahe, daß wir uns zu ihnen herablassen können, und je mehr wir uns dann mit der Seele der Thiere, dem Köstlichsten, was auch sie haben, beschäftigen, je klarer uns die verborgenen Kräfte derselben werden, um desto achtungswerther wird uns auch das Thier, um desto herrlicher die Natur! Wir werden in unsere Gartenlaube eine Reihe Artikel bringen, die den Beweis liefern sollen, daß die Thiere wirklich eine Seele, also neben dem mechanischen Leben auch ein freies geistiges Leben und, so weit eines jeden Welt reicht, eine eigene, überlegte, selbstständige Willenskraft haben und daß sie also nicht blos reine, nur vom dunklen, unbewußten Naturtriebe bewegte Maschinen sind. Wir beginnen mit den Ameisen, einer, was die Seelenkräfte anlangt, sehr untergeordneten Thiergattung, deren Leben und Schaffen aber einen höchst interessanten Einblick in das Treiben der Thierwelt giebt.

Bei den Bienen gehorcht alles einer Königin und alle unterwerfen sich ihr unbedingt, bei den Ameisen dagegen ist kein König, keine Königin, sie sind Republikaner, Demokraten, sogar Socialisten und Communisten, und doch geht alles seinen geregelten Gang, jeder unterwirft sich in freiem Gehorsam dem von der absoluten Natur gegebenen Gesetze. Die Weibchen, deren mehrere oder viele in einem Baue wohnen, sind nur die Mütter, nicht die Herrscherinnen. Ein Regiment von vielen Weibern in einem Hause, worin Ordnung sein soll, kommt in der Natur nicht vor. Jede Ameise arbeitet für sich, aber unermüdlich erfüllen sie alle ihre Pflichten wie Tagelöhner, pausiren auch zuweilen, doch nur kürzere Zeit als diese und sonnen sich ein wenig. Weibchen, die sich noch nicht gepaart, haben noch etwas von der Natur der Arbeiter oder Geschlechtslosen an sich, denn sie wollen wie diese, den Jungen aus der Puppe heraushelfen. Nach der Paarung fällt es ihnen nie mehr ein; sie hat also, wie es sich von selbst versteht, auf ihre Psyche Einfluß.

Auch bei ihnen treten die drei Formen des Geschlechtes auf, Männchen und Weibchen sind geflügelt und zierlichern Baues, als die Arbeiter, welche keine Flügel, dagegen einen dickern Kopf und sehr starke Kinnbacken haben, daher den Larven, den Kindern, den Unverwandelten ähnlich sind. Alle Arbeiten werden nur von ihnen verrichtet und Männchen und Weibchen arbeiten nicht. Ihre Puppen, unsere sogenannten Ameiseneier lieben sie außerordentlich und schleppen und tragen sie, je nach der Feuchtigkeit des Bodens bald herauf, bald herunter, je nach dem Sonnenstand. Werden sie dabei angegriffen, so vertheidigen sie sie herzhaft und lassen sich lieber entzweireißen als die Puppe nehmen. Abends werden die Puppen sorglich, eine jede in ihre besondere Zelle getragen, doch haben auch sie, wie die Bienen, für jedes Geschlecht eine besondere Art Zellen. Auch die Weibchen werden bei ihnen hochgeachtet und paaren sich einige von ihnen in oder auf dem Haufen, so werden sie nicht fortgelassen. Die Arbeiter klammern sich dann aus allen Kräften an sie an, reißen ihnen die Flügel aus und hüten sie ganz eifersüchtig, als wenn ihnen klar wäre, daß von ihrem Dableiben das Fortbestehen, das Wohl der Kolonie abhänge.

[49] Sie pflegen es dann, ernähren es, tragen es wohl gar herum und dies geschieht in einem Haufen oft mehreren Weibchen zu gleicher Zeit ohne allen Streit.

Wunderbar ist der Bau ihrer Wohnungen und wenn er auch weniger regelmäßig als bei den Bienen ist, so ist er doch nicht weniger zweckmäßig. Sie benutzen dazu je nach ihrer Art Gras, Holz, Blätter, Tannennadeln, Erde, Steinchen, Schneckenschaalen etc. und scheinen dabei die

Bau der Termiten.

Aeußere Ansicht. Ansicht im Längedurchschnitt.

Umstände genau und klug zu benutzen, denn finden sie auf dem Neste zwei sich kreuzende Splitter, so untersuchen sie dieselben, ob sie zur Unterlage eines Zimmers oder Balkens benutzt werden könnten und bauen sodann frisch darauf los. Liegen Strohhalme bequem zu dem Dache eines Zimmers, so verschmäht sie die Ameise nicht, sondern führt die Mauer in der Richtung auf, wozu dann andere kommen und ihr helfen.

Jede Ameise handelt daher unabhängig nach eigenem Plane, den sie anlegt und die Ausführung nachher andern überläßt, wobei sie das Wasser zu Mörtel benutzen, die Kiefer als Meisel, die Fühlhörner als Senkblei und die Füße als Kelle anwenden. Da die Ameisen ihren Bau nach den Umständen einrichten, sich nicht an eine unveränderliche Form binden, dabei immer aber ihren Bedarf und Nutzen erkennen, so muß ihnen noch mehr geistige Thätigkeit inwohnen, als den Wespen und Bienen.

Noch mühsamer und künstlicher arbeiten die Holzschnitzer, eine Art Ameisen, die ihre Städte und Dörfer in hohlen Bäumen anlegt. Sie bestehen aus zahllosen, ziemlich söhligen Stockwerken, deren Böden und Bühnen 5 bis 6 Linien auseinander so dünn wie Karten, bald von zahllosen, senkrechten Scheidewänden, bald von vielen kleinen Säulen getragen, in dem Innern eines Baumes ausgehöhlt sind. Die meisten Wände sind parallel und folgen den concentrischen Holzschichten, die Säulen sind zwei Linien dick, rundlich, in der Mitte dünner und in geraden Linien stehend, weil sie aus den parallelen ausgeschnitten sind. Eine ungeheure Arbeit.

Sie müssen gewisser noch als die Bienen eine Zeichensprache haben, die ihnen wie den vollkommnern Thieren und Menschen als Wortsprache dient. Wenn eine irgendwo in einem Hause, – wo sie nur um nachzuschauen, auszukundschaften, verirren thun sie sich nicht, hinkommen, – Zucker, Honig etc. findet, so kehrt sie zurück und bald kommen sie zu Hunderten und Tausenden und zehren alles auf. Die erste kann nur durch den Geruch hingeleitet worden sein, die andern wurden durch die erste hingeführt. Auffallender bemerkt man dies noch bei ihren Kriegen. Stört Jemand ihre Haufen, so eilen einige augenblicklich hinein um Anzeige zu machen; schnell stürzt dann ein Heer heraus und noch schneller tragen andere die geliebten Puppen noch tiefer hinunter. Am deutlichsten kann dieses bei den Roßameisen gesehen werden, die ihren Bau in hohlen Bäumen haben. Sie benachrichtigen einander durch’s Stoßen mit dem Kopfe und die Gestoßenen stoßen wieder andere so, doch nicht alle merken das Zeichen gleich schnell. Den Kampf führen nur die Arbeiter; die Männchen und Weibchen verbergen sich oder fliehen. Heimtücke kennen sie nicht, aller Angriff ist offenbar, jeder nimmt seinen Mann auf’s Korn, wie in den alten Schlachten beim Handgemenge. Will man aber regelmäßige Kriege sehen, so muß man in die Wälder gehen, wo die rothbraunen Ameisen ihre Herrschaft über alle vorbeigehende Insekten behaupten und mit ihres Gleichen von verschiedenen Nestern Krieg führen, wie es im Mittelalter benachbarte Städte gethan haben. Manchmal rücken aus zwei Haufen, die über 100 Schritte von einander entfernt liegen, die Heere so zahlreich gegen einander, daß sie den ganzen Weg zwei Fuß breit bedecken und in der Mitte mit einander kämpfen. Tausende ringen da einzeln mit einander und suchen sich mit den Kiefern [50] in die Gefangenschaft zu schleppen. Gegen Nacht ziehen sich beide Heere allmälig in ihre Städte zurück, indem sie die Todten liegen lassen, die Gefangenen aber mitnehmen, fangen aber den nächsten Morgen mit Sonnenaufgang noch viel wüthender ihren Kampf wieder an. Das Wunderbarste dabei ist, daß sich die Ameisen dabei gegenseitig zu kennen scheinen und die Freunde von den Feinden sehr genau zu unterscheiden wissen. Sie gehen zwar immer mit offenen Kiefern auf einander los, packen sich auch wohl manchmal an, lassen aber augenblicklich wieder los und streicheln sich mit den Fühlhörnern, wenn sie zu einem Stocke gehören. Trotz dieser fürchterlichen Kriege der verschiedenen Arten findet man doch auch Haufen von gemischten Ameisen. Gewohnheit und Erziehung scheint bei ihnen viel zu wirken, wenn sie als Larven mit einander aufgewachsen sind. Sperrt man Puppen von grauschwarzen, blutrothen und röthlichen zusammen, so leben sie nachher, obgleich jede Gattung ihr eignes Naturell und ihr eigenes Verfahren beibehält und so seine Selbstständigkeit bewahrt, doch als wenn kein Unterschied zwischen ihnen wäre, während sie sich sonst als die grimmigsten Feinde verfolgen. Im Winter findet man in den Ameisenhaufen auch noch Vielfräße, Asseln, Ohrwürmer, Käferlarven etc., welche sich der größern Wärme im Neste wegen dahin zurückziehen. Sie haben keinen Nutzen für die Ameisen, werden von ihnen aber ruhig und unbeschwerdet geduldet, ja im Fall eines unverhofften Angriffes sogar vertheidigt und geflüchtet. Ein neuer Zug ihres Charakters, den wir nicht übersehen dürfen.

Auch bei unsern Ameisen kommen Wanderungen vor, die Ursachen aber lassen sich angeben, denn sie wandern nur aus, wenn sie von feindlichen Nachbarn zu oft überfallen werden, oder wenn die Nässe des Bodens und der Schatten sich vermehrt. In den letzten Fällen ziehen sie nicht weit, oft nur ein Dutzend Schritte von der alten Wohnung und handeln auch hier wieder frei nach den Umständen. Ist der Bau vorgeschritten, so holen sie Maden, Puppen, selbst die Männchen und Weibchen herüber und ist der Neubau entfernt, so legen sie unterwegs für die Träger Ruheörter, kleine Höhlen mit Stroh bedeckt, an. Auch Gedächtniß- und Erinnerungs- und Erkennungsvermögen selbst nach längerer Zeit tritt bei ihnen hervor, denn wenn man einen Theil der Bevölkerung eines Haufens wegnimmt, ihn einige Monate lang von dem andern Theile getrennt hält, sie aber dann wieder zusammenbringt, so kennen sie einander augenblicklich wieder und äußern mit den Fühlhörnern und durch andere Liebkosungen ihre Freude des Wiedersehens gar mannigfaltig.

Aber auch Gemeinde- oder Erbbegräbnisse sollen sie, nach Dupont, und zwar in einiger Entfernung von ihrer gewöhnlichen Wohnung haben, wohin die Todten von ihren überlebenden Mitbürgern gebracht und dort bestattet werden. Sie sind die ersten Thiere, die für ihre Angehörigen auch nach dem Tode sorgen und müssen, wenn auch die sterbende Ameise sich nicht schon vor ihrem Ende in die vielleicht selbst bereitete Begräbnißzelle begiebt, doch jedenfalls eine Ahnung des Todes und eine Kenntniß seiner Wirkungen haben.

Selbst zum Spielen und Scherzen scheinen sie Heiterkeit des Gemüths genug zu besitzen. An schönen Tagen sitzen die braunrothen haufenweise auf ihrem Neste in einer allgemeinen Bewegung, wie siedendes Wasser, sie schwingen dann die Fühlhörner mit außerordentlicher Geschwindigkeit, streicheln mit den Vorderfüßen sanft den Kopf der andern, richten sich dann paarweise auf, ringen mit einander, fassen sich bald an den Kiefern, bald am Hals, oder am Hinterleibe, jedoch ohne Gift auszuspritzen und ohne sich etwas zu thun, dann lassen sie los, laufen auf eine andere zu und treiben mit ihr dasselbe Spiel. Also auch Gutmüthigkeit und Fröhlichkeit dürfen wir ihnen zurechnen.

Die liebste Nahrung der Ameisen ist eine Art Honig, den die Blattläuse ausschwitzen und den sie mit großer Gier aufsuchen. Aber sie leben dabei nicht blos friedlich mit den Blattläusen, sondern sie vertheidigen sie, tragen sie in Sicherheit und halten sich förmliche Kolonien von ihnen. In der Nähe eines Haufens der braunen Ameisen findet man bisweilen an einem Kraute, besonders an der Wolfsmilch eine Art Zelle von Erde, durch welche der Stiel geht und die ein Loch hat, woraus Ameisen kommen, untersucht man sie, so findet man sie voll Blattläuse. Zerstört man nun diese Zellen, so schleppen sie die Blattläuse sofort weg und einstweilen in ihr Nest, stellen aber die Zellen nach einigen Tagen wieder her, und bringen ihr Milchvieh wieder hinein. Im Winter würde, da die Ameisen keine Vorräthe eintragen, Hungersnoth entstehen, wenn sie sich mit den Blattläusen nicht auch da zu helfen wüßten. Bekanntlich bringen die Blattläuse im Sommer lebendige Junge, legen aber im Herbste Eier. Untersucht man nun im November die Haufen der gelben Ameisen, so findet man in einem Zimmer einen Haufen kohlschwarzer, gelber, brauner, rother und weißer Eier, unter einander gemischt; Alle werden von den Ameisen gleich sorgfältig behandelt, im Munde herumgewälzt, befeuchtet und in Sicherheit gebracht. Die Ameiseneier sind weiß, werden durchsichtig und bekommen nie eine andere Farbe. Aus den andern aber kommen endlich wirklich Eichenblattläuse, welche, wenn man ihnen Zweige giebt, sofort zu saugen anfangen, und so wissen sich die Ameisen ihr Milchvieh aufzuziehen, um selbst im Winter Nahrung von demselben zu gewinnen.

Was wir hier von den europäischen Ameisen gesagt haben, gilt auch von den außereuropäischen Arten, die mit allen vorher erwähnten geistigen Eigenschaften noch ein heftigeres und hartnäckigeres Temperament zu verbinden scheinen. Die bemerkenswerthesten von ihnen sind die Termiten oder weißen Ameisen, denn was Bienen und Ameisen im kleinen und kleinsten Maaßstabe sind, machen und thun psychisch und materiell die Termiten im allergrößesten. Körperlich sind sie aber noch viel kleiner als selbst die Ameisen, nur herrscht zwischen ihnen der bedeutende Unterschied, daß, wie diese eine republikanische Verfassung haben, die Termiten streng monarchisch gesinnt sind, und Gut und Blut, Leib und Leben für König und Königin – das einzige Männchen und Weibchen im ganzen Reiche, alle andern sind geschlechtslos – lassen.

Bei den Bienen, Wespen und Ameisen sind die Geschlechtslosen Soldaten und Arbeiter zugleich, wenn sie zu den Letzteren nicht Gefangene verwenden, bei den Termiten theilen sie sich dagegen in zwei völlig getrennte Stände, Arbeiter und Soldaten. Nach den neuern Beobachtungen sollen die Arbeiter die Larven, die Soldaten die Puppen sein, und psychologisch ist diese Hypothese wahrscheinlich. [51] In irgend einer Art muß eine Puppe etwas psychisches leisten, bis hierher ist dieses noch nicht der Fall gewesen, später aber kann dieses Verhältniß nicht mehr auftreten, da mit ihnen der Uebergang durch den Puppenzustand verloren geht. Es giebt Larven, Männchen, Weibchen, mit einer Bedeutendes leistenden Psyche, es muß auch solche Puppen geben, die wir am sichersten in dem Kulminationspunkte der ganzen Gattung, der Termitenart, suchen dürfen. Die Natur strebt nach Mannigfaltigkeit, stellt Alles in seiner Art vollkommen her und schließt hier das ganze Verhältniß mit der Termitenpuppe.

Was die Lebensart dieser Thiere, ihre Wanderungen, Kämpfe und Räubereien betrifft, so ist alles so wunderbar, wie ihre Wohnungen. Sie sind bei ihren Arbeiten eben so vorsichtig, klug und emsig, wie die Ameisen, übertreffen aber Bienen, Wespen und Biber in der Baukunst eben so sehr, wie die Europäer die Wilden. Sie leben in Indien, Afrika und Südamerika, die Arbeiter sind nicht größer als unsere kleinen, schwarzen Ameisen, die Soldaten dagegen stehen dem vollkommenern Zustande näher, sind 1/2 Zoll lang, wohl 15 mal schwerer als die Arbeiter, von denen 100 gegen einen Soldaten angenommen werden müssen. Die Arbeiter führen ihre Wohnungen, große Gebäude in der Form konischer Hügel, von 8 bis 10, ja manchmal 20 Fuß Höhe auf, die sie aus einer Art rothen Lehm errichten, und die so fest sind, daß wohl ein Dutzend Menschen darauf stehen können. (Siehe Abbildung.) In der Mitte liegt das königliche Zimmer, länglich oval, wie ein Backofen, anfangs nicht einen Zoll, später aber, sowie die Königin an Größe zunimmt, wohl 8 Zoll lang. Die Wände bestehen rings aus Lehm, der Boden ist wagerecht, und gegen einen Zoll dick, die Bühne gewebt und fast ebenso dick, die Seitenwände aber dünner und darin sind einander gegenüber zwei Oeffnungen oder Thüren, aber so eng, daß nur die Arbeiter und die Soldaten, keineswegs aber der König und die Königin, welche zur Legezeit 1000 mal größer ist, als jene, heraus und hinein kann. Das königliche Zimmer ist bei einem großen Hügel stets mit einer unzähligen Menge anderer Zimmer von verschiedener Größe und Gestalt umgeben, die sich bald in einander öffnen, bald durch einen weiten Gang mit einander verbunden und zum Aufenthalte der Soldaten oder Arbeiter oder des Gesindes bestimmt sind, wovon immer eine große Zahl gegenwärtig sein muß, um die Befehle auf den Wink zu erfüllen. An diese Vor- oder Gesindezimmer stoßen die Vorrathskammern und Ammenstuben. Jene bestehen aus Thon und der Vorrath ist eine Art Gummi, die Kinderstuben aber sind von Holz und mit Gummi gut verkittet. Anfangs liegen sie dicht um das königliche Gemach, später aber, wenn die Königin mehr Eier zu legen anfängt, deshalb mehr Diener braucht und die Zimmer zu eng werden, werden sie abgerissen und in einiger Entfernung größer gebaut, wobei auch das königliche Gemach größer gemacht wird. Spuren von solcher Nachhülfe kommen auch bei Bienen und Ameisen vor, und an den senkrechten Wänden sieht man nicht selten halbzollbreite Leisten wie eine Treppe, bisweilen sogar von einem Schwibbogen zum andern gesprengte frei schwebende Brücken, die bis 10 Zoll lang, 1/2 Zoll breit und 1/4 Zoll dick sind. Diese Kammern steigen bis 2/3 oder 3/4 des ganzen Gebäudes in die Höhe, so daß darüber ein leeres Gewölbe wie die Kuppel einer Kirche bleibt und auch ebenso durch Schwibbogen gestützt wird.

Weder Arbeiter noch Soldaten kommen je an die freie Luft, sondern arbeiten immer unter der Erde oder unter den Baumstämmen, welche sie zerstören, fort. Sie scheinen zu wissen, daß ihnen außen Gefahr droht und ihnen kleinere Vögel, Hühner, Eidechsen etc. auflauern, und wagen sich deshalb auch nur im äußersten Nothfalle heraus. Sie ziehen, um dies zu vermeiden, ihre Gänge mehrere Hundert Schritte weit unter der Erde fort und stoßen sie dabei auf einen Felsen, unter den sie nicht durchkommen, so bauen sie einen verdeckten Gang darüber hinweg. Zerstört man ihnen einen solchen Gang 5 bis 6 Schritte lang, so ist er dennoch am andern Morgen wieder hergestellt und mit Hin- und Hergehenden angefüllt.

Weil bei den andern Insekten kein eigener Soldatenstand vorkommt, so verdient derselbe bei den Termiten besondere Aufmerksamkeit. Selbst zu arbeiten halten sie unter ihrer Würde, sie überlassen dies den geringern Arbeitern, über die sie die Aufsicht zu führen und den Platz zu vertheidigen haben. Schlägt man mit einer Hacke oder einem Beil ein Loch in ihren Hügel, so erscheint nach wenigen Secunden ein Soldat, um zu sehen, was vorgeht, dem aber sofort mehrere und bald soviel, als nur die Bresche durchlassen will, folgen. In der Hitze und Wuth stürzen sie, ihres schweren Kopfes wegen, oft an der Seite des Hügels herunter, klimmen aber bald wieder hinauf und beißen, weil sie blind sind, in jedes Ding, an das sie rennen, wodurch ein lautes Geräusch, wie das Picken einer Taschenuhr entsteht. Sie beißen sich so arg in die Beine des Menschen hinein, daß zollgroße Blutflecken entstehen und schlagen dabei ihre gekerbten Kiefern so tief ein, daß sie nicht loslassen, selbst wenn man sie entzwei reißt. Zieht man sich aber zurück und weicht ihnen aus, so ziehen auch sie sich nach ungefähr einer halben Stunde wieder in ihre Festung zurück und nun kommen die Arbeiter zu Tausenden mit einem Klumpen Mörtel im Maule hervor, um den Schaden wieder auszubessern und ungeachtet der anscheinenden Verwirrung sieht man in sehr kurzer Zeit einen Wall emporsteigen, der die Bresche ausfüllt. Unter 1000 Arbeitern sieht man dabei hier und da einen Soldaten herumschlendern, der sich aber nie um den Mörtel bekümmert. Er stellt sich dicht an den Wall, dreht sich gemächlich nach allen Seiten um, als wenn er die Aufsicht führen müßte und beißt alle zwei Minuten auf das Gebäude, wodurch ein Schall entsteht, der von den Arbeitern durch ein lautes Gezisch erwiedert wird. Sie verdoppeln dann ihre Schritte und arbeiten schneller als vorher. Sie müssen also eine Zeitrechnung in sich haben und wohl dürfte ihnen dabei, nach der Kürze ihres Lebens, die Minute eine Stunde sein.

Man hat mit großer Mühe und Kraftanstrengung schon mehrere Tausend Zimmer und Gänge blosgelegt, aber man muß dabei sehr rasch sein, weil sonst während man untersucht, die Arbeiter so schnell alle Gänge verstopfen, daß man nur einen unförmlichen Lehmklumpen findet. Das königliche Gemach erkennt man theils aus seiner Lage in der Mitte, theils aus der Menge von Arbeitern und Soldaten, welche es umgeben und bis auf den Tod vertheidigen. Nimmt man das königliche Gemach ganz heraus und thut es in eine Glaskugel, so kann man [52] die außerordentliche Anhänglichkeit, Aufmerksamkeit und Verehrung, die sie besonders der Königin Mutter beweisen, sehr genau beobachten. Der König kommt dabei selten zum Vorschein und wird wegen seiner Kleinheit fast immer von der Königin bedeckt. Zerstört man bei solchen Untersuchungen auch das ganze Gebäude bis auf die königlichen Gemächer und läßt in diesen das Königspaar darin, so wird sofort jeder Raum zwischen den Gängen, wo der Regen eindringen könnte, wieder bedeckt, und in Jahr und Tag erreicht das Gebäude seine vorige Größe wieder.


  1. Eine Kenntniß des Naturgeschichtlichen der Ameisen setzen wir bei unsern Lesern voraus. Es ist bekannt, daß die Männchen kleiner als die Weibchen sind, daß beide nur zur Zeit der Begattung Flügel erhalten. Die Geschlechtslosen (Weibchen mit verkümmerten Eierstöcken) erhalten nie Flügel und verrichten alle auf Pflege der Jungen bezüglichen Arbeiten.