Das Herbstlied des Stars

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Autor: Friedrich Emil Rittershaus
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Titel: Das Herbstlied des Stars
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 797
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Das Herbstlied des Stars.

Verstummt im Wald ist Klang und Schall,
Die heit’re Vogelweise;
Die Drossel und die Nachtigall,
Sie sind schon auf der Reise.

Da kommt mein alter Hausgenoß’,
Der lange fern gewesen –
Er hatte sich im Wald ein Schloß
Zum Sommerheim erlesen –

Der mir, als noch die Flocke flog,
Den Frühlingspsalm gesungen –
Vom Garten in die Büsche zog
Der Alte mit den Jungen.

Nach seinem braunen Kästlein sieht
Noch einmal er beim Scheiden
Und singt mir dann ein Abschiedslied
Hoch in den Pappelweiden

Und ruft mir zu: „Komm’ mit hinaus
Jenseit der Alpenrücken,
Da sollst du dir den Blumenstrauß
In Wintersmitten pflücken!

Da lacht ein Grün, das ewig frisch!
Aus dunklen Laubeskronen
Holst du dir flugs für deinen Tisch
Orangen und Citronen!“ – –

Zieh’ weiter, Star, zu Südlands Saum
Bei Palmen und Cypressen
Kann ich den grünen Tannenbaum
Des Nordens nicht vergessen!

Und, wenn dein Blüthensegen kann
Kein Frost den Tod bereiten,
Fühl’ ich mich doch als fremder Mann.
In Treibhausherrlichkeiten!

Ja, wären deine Flügel mein,
Du Starmatz, ließ ich’s gelten,
Für Wochen möcht’ Genosse sein
Ich dir in wärmern Welten –

Für jene Zeit, wo niedermäht
Die Blätter das Verderben –
Der Schöpfung Tod hat Majestät,
Doch traurig ist ihr Sterben!“ – –

Ob Nord, ob Süd – wem ziemt der Preis? “ –
Wie strahlt im Sonnenlichte
Im Funkelkleid von Schnee und Eis
Stolz unsre Nordlandsfichte!

wie jauchzt um sie beim Kerzenlicht
Der Kinder bunt’ Gewimmel –
Und ein „Bambino“ ist noch nicht
Das Christkind mit dem Schimmel!

Mein Herz, einst war es hoch beglückt,
Wenn unter Lorbeerkronen
Im Winter Veilchen ich gepflückt
Und prächt’ge Anemonen.

Doch hat’s im stillen stets gefragt,
Ob wohl im Waldesmoose
Daheim schon aus dem Schnee sich wagt
Hervor die Christusrose?

Ob jetzt beim Eislauf auf dem Teich
Sich Hand in Hand verstricke,
Und ob die Meise in dem Zweig
Sing’ lustig ihr „Spinn’ dicke“? –

Starmatz, zieh’ hin! Ich bleib’ daheim!
Mir weckt’s den Frühlingsglauben,
Seh’ ich am Hyazinthenkeim
Die ersten Knospentrauben!

Ein Käferlein, das übrig blieb
Und klettert an den Ranken,
Ruft wach in mir den Maientrieb
Lichtseliger Gedanken!

Mein junges Vöglein hat studiert
Schon gut das Lied der Alten
Und will mir, wenn es schneit und friert,
Die Lenzespredigt halten.

Und, was mir über alles werth,
Wie man für Südland schwärme,
Es ist mein Haus, mein eigner Herd,
An dem ich mich erwärme,

Und Weib und Kind, mir zugesellt,
Wie auch der Winter dräue,
Mein Allerbestes auf der Welt,
Die Liebe und die Treue!

Mir summt durchs Herz ein leiser Ton.
Was will das wohl bedeuten? –
In meinen Träumen hör’ ich schon
Die Weihnachtsglocken läuten!
 Emil Rittershaus.