Das Pfennig-Magazin/Heft 2

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Titel: Heft 2 vom 11. Mai 1833
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aus: Das Pfennig-Magazin
Herausgeber: Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse
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Erscheinungsdatum: 1833
Verlag: Bossange Vater
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Erscheinungsort: Leipzig
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Das Pfennig-Magazin
der
Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse.



2.] Erscheint jeden Sonnabend. [Mai 11, 1833


Das Palais Royal und die Galerie d’Orleans zu Paris.

Galerie d’Orleans im Palais Royal.

Das Palais Royal zu Paris ist ein ganz neues Gebäude: als der Kardinal Herzog von Richelieu die Stelle kaufte, welche es einnimmt, sah man daselbst bloß die beiden alten Hotels Mercoeur und Rambouillet. Damals waren die Straßen Richelieu, Montpensier, Beaujolais noch nicht offen und die Mauern des alten ehemaligen Paris liefen noch schräg durch die Gärten. Auf das Geheiß des Kardinals bekam dieser ganze Theil von Paris ein ganz anderes Ansehen; die Hotels wurden abgetragen, die alten Mauern zerstört, die Gräben ausgefüllt, der Boden ward gleich gemacht und die Straße Richelieu durchbrochen. Im Jahre 1629 erhielt der Baumeister Lemercier den Auftrag zu den Bauten.

Damals lief an der Stelle, wo jetzt die Galerie (der Säulengang) d’ Orleans steht, eine Terrasse hin, welche von sieben durchbrochenen Bogenhallen getragen ward, bis ans erste Stockwerk reichte und beinahe dieselbe Wirkung machte, die man jetzt bemerkt. Die Würdezeichen des Oberaufsehers der Marine, welches Amt der Kardinal bekleidete, wiederholten sich zwischen jeder Bogenhalle; sie waren in erhabener Arbeit eingegraben und bestanden in einem Vordertheile des Schiffs und in zwei Ankern nach unten hin. Diese Verzierung wird man jetzt noch bloß am rechten Flügel des Ehrenhofs (cour d’honneur) gewahr.

Wer jeden Abend seine Zeit in der Galerie d’Orleans zubringt, der darf nur einige Schritte thun, um den Anblick dieser Verzierungen zu genießen, welche noch allein bei diesem Denkmale an den Kardinal Richelieu erinnern, der es erbauet hat.

Der ungeheuere Reichthum in seinen Zimmern, und die Verschwendung, welche sich der Kardinal zu Schulden kommen ließ, hätten ihm beinahe die Gunst des Königs entzogen, wenn er nicht der Ursache dieser Ungnade dadurch vorgebeugt hätte, daß er sein Hotel seinem Gebieter durch eine Schenkung unter Lebenden nebst mehrern Geräthschaften und Kostbarkeiten abtrat. Der König nahm dieß Geschenk an, und so kam das jetzige Palais Royal in seinen Besitz.

Im Jahre 1692 erhielt der Bruder Ludwig’s XIV., der Herzog von Orleans, unter dem Namen einer Apanage dieß Gebäude, welches bis zum Jahre 1763 keine wichtige Veränderung erlitt, wo eine Feuersbrunst, welche die Façade des Hauptgebäudes verzehrte, die Loosung zu einer wichtigen Erneuerung gab.

[10] Im Jahre 1781 fing für das Palais Royal ein neuer Zeitpunkt an, wo es der thätigste Mittelpunkt von Paris für den Gewerbfleiß ward. Der Herzog von Chartres (späterhin Herzog von Orleans) ließ den geschickten Baumeister Louis zu sich kommen, und nach seinen Entwürfen beschloß man, einen breiten Streifen von dem Umkreise des Gartens wegzunehmen, um daselbst die drei Hauptgebäude aufzuführen, welche man jetzt sieht. Die Pariser waren darüber sehr aufgebracht, weil ihr Spaziergang verkleinert ward; allein ungeachtet dieses Geschreies bauete man fort, und im J. 1787 waren drei Façaden (Vorderseiten) fertig; allein es entstanden Unruhen, als man die Grundlagen zu der vierten legte, welche sich von den drei andern bloß durch eine kleine Kuppel, ähnlich dem Pavillon de l’ Horloge der Tuilerien, und durch eine untere durchbrochene Säulenreihe unterscheiden sollte. Da die französische Revolution im Jahre 1789 die Arbeiten unterbrach, so bauete man breterne Schoppen, in denen man zwei Spaziergänge und zwei Reihen Baraken anbrachte. Anfänglich führten sie den Namen Tartarenlager (camps de Tartares), welcher aber bald durch jenen der hölzernen Galerie (Galerie de Bois) ersetzt ward, deren Ruf sich in allen Erdgegenden verbreitete.

Wer diese hölzerne Galerie (Galerie de Bois) mit dem schönen im Jahre 1829 vollendeten Spaziergange zu vergleichen vermag, der wird sich freuen, daß der Kloak in eine prächtige Wohnung verwandelt worden ist, allein er wird auch bedauern, daß man dem neuen Gebäude nicht den malerischen Anstrich des alten gegeben vermocht hat.

Ein Marmorpflaster, das immer von Reinlichkeit glänzt, ist an die Stelle des gewöhnlichen und kothigen Bodens getreten, auf dem man herum ging; eine Kuppel von Krystall vervielfältigt die Sonnenstrahlen da, wo kleine Fenster sie durch ihren Schmutz hindurch ließen; geräumige Vorplätze und große Öffnungen gestatten den freien Umlauf der Luft, die sonst in den Winkeln verdarb; durchsichtige Magazine, die von polirtem Metalle glänzen, durch große Fenster erleuchtet werden, und die mannichfaltigsten Waaren enthalten, sind an die Stelle der elenden, ganz offenen Baraken gekommen, in welche der Staub eindrang. An jedem Pfeiler sind von oben bis unten Spiegel angebracht. Verzierungen und Schnitzwerk sind in Menge vorhanden, ein durchbrochenes Geländer läuft im ganzen Umfange unter dem gläsernen Dache hin; außen geht eine Säulenreihe um die Galerie; sie ist mit einer Terrasse bekränzt, auf welcher sich gleichmäßig eine Reihe von Cylindern, oben mit vergoldeten Kugeln darauf, erhebt. Eine doppelte Reihe Vasen mit Blumen vollendet die Verzierung des obern Spazierganges, während sich im Innern eine lange Reihe von Krystallkugeln alle Abende mit Licht füllt.

Allein ungeachtet aller dieser Schönheiten hat das Palais Royal doch einen Theil seines ursprünglichen Charakters verloren. Es hat keinen örtlichen Anstrich mehr, es ist ein prächtiger und reicher Bazar geworden, dergleichen Paris alle Tage mehrere erhält.


Die Entstehung des Regens.

So gewöhnlich diese Erscheinung ist, so herrscht doch noch manche Dunkelheit über die Art, wie der Regen entsteht, und warum einige Wolken regnen, andere wieder nicht. Gewöhnlich nimmt man an, daß dieselben Ursachen, die den Nebel erzeugen, auch den Regen hervorbringen, sobald sie in einem höhern Grade vorhanden sind; denn zuerst entsteht eine Wolke, welche nichts anders als ein Nebel ist; nach und nach vergrößert sie sich, wird immer dunkler und grauer, d. h. der Nebel wird immer dichter, und zuletzt fallen wirkliche Wassertropfen herab. Etwas Ähnliches sehen wir öfters bei dem Nebel auf der Erde: wenn dieser sich verdichtet, so nimmt die Feuchtigkeit in ihm zu, und man wird bald gewahr, daß hier und da kleine Wassertropfen herabfallen, deren Menge allmälig zunimmt. In einem solchen Nebel kann man bis auf die Haut naß werden, wenn man lange genug in ihm verweilt. Hier hat man einen Regen, der sich von dem gewöhnlichen nur dadurch unterscheidet, daß er ganz nahe an der Erde entsteht, und wir uns mitten in den Wolken befinden. Auch macht es die Beschaffenheit des Nebels begreiflich, daß, wenn die Bläschen, aus welchen er besteht, zerplatzen, das Wasser in Tropfen herabfallen muß. So wie also der Nebel aus einer Zersetzung des Wasserdampfes in der Luft entsteht, so entsteht auch der Regen, und wenn jener gleichsam als die erste Stufe, als das erste Erzeugniß der Zersetzung, anzusehen ist, so macht dieser die zweite aus. Die Zersetzung des Wasserdampfes beginnt, wenn derselbe über einen gewissen Grad, der nach seiner verschiedenen Temperatur verschieden seyn kann, verdichtet wird, und dieß geschieht theils durch Anhäufung einer immer größern Menge von Dämpfen, theils durch Erkältung derselben. Die Ursachen also, welche die Entstehung des Regens zur Folge haben, können sich auf mancherlei Weise vereinigen. Wenn sich zwei Luftmassen von verschiedener Temperatur (Wärmebeschaffenheit) vermischen, so wird die eine durch die andere erkältet, und der in ihr enthaltene Wasserdampf kann dadurch zerstört und niedergeschlagen werden. Von der größern oder geringern Menge von Wasserdampf, welche sie enthalten, von dem größern oder geringern Unterschiede ihrer Temperatur hängt es ab, ob ein heftiger oder schwacher, ein anhaltender oder vorübergehender Regen erfolgen soll. Die verschiedenen Abstufungen desselben in Absicht auf Stärke und Dauer lassen sich aus der verschiedenen Beschaffenheit dieser Ursachen wohl begreifen.

Es ist auch nicht nöthig, daß wir jedes Mal eine Mischung zweier Luftmassen annehmen. Die Veränderungen, welche beständig in der Luft vorgehen, und theils auf ihre Temperatur, theils auf ihre Dichtigkeit, ihre Elasticität, ihren elektrischen und magnetischen Zustand, Einfluß haben, können auch unmittelbar Ursache werden, daß der Wasserdampf sich in ihr verdichtet und zersetzt, und in tropfbarer Gestalt zum Vorscheine kommt. Alsdann wird ebenfalls die Menge des vorhandenen Wasserdampfs und der Grad, in welchem jene Ursachen auf die Zersetzung desselben wirken, die Stärke und Dauer des Regens bestimmen. Jedoch dürfte es schwer seyn, in einem einzelnen Falle die Ursachen nachzuweisen, welche hier den Regen bewirkt haben, und man muß sich mit einer allgemeinen Angabe derselben begnügen; allein es geht uns bei Erklärung der meisten andern atmosphärischen Erscheinungen nicht besser.

Je mehr sich aber Wasserdampf zersetzt, desto mehr strömt er von allen Seiten wieder herbei; dadurch erhält die Wolke einen neuen Stoff zur Unterhaltung des Regens; überdieß wird sie durch den Wind von einer Stelle zur andern geführt, und trifft dadurch immer auf neue Dunstmassen, welche an die Stelle der zerstörten Dünste treten, und nach kurzer Zeit ebenfalls zerstört werden. Daher kann es kommen, daß aus einer Wolke von mäßigem Umfange nach und nach eine große Menge [11] von Regen herabströmt, wie man es im Sommer oft bei sogenannten Strichregen oder Platzregen bemerkt. In diesem Falle bleibt die Wolke nicht immer dieselbe, wie sie es, von der Erde aus gesehen, zu seyn scheint, sondern erneuert sich beständig; sie bewirkt da, wo sie hinkommt, eine Zerstörung der vorhandenen Wasserdämpfe, und je größer die Menge, und je schneller die Zerstörung derselben ist, desto heftiger wird der Regen. Die Wolke wird dadurch durchaus nicht erschöpft, sie kann vielmehr einen Zuwachs gewinnen, wenn die Menge der Dünste, die sich mit ihr vereinigt, größer wird, als die Menge, die sich in ihrem Innern zersetzt. Der Regen hört auf, nicht, weil es an Wasserdämpfen in der Atmosphäre gebricht, sondern weil entweder die Wolke, welche die Zerstörung derselben bewirkte, vorüber ist, oder weil in der Wolke selbst und der sie umgebenden Luft Veränderungen vorgehen, welche die Zerstörung des Wasserdampfes in ihr hemmen, und nach und nach die Dünste der Wolke selbst zerstreuen und auflösen.

Mäßigkeitsvereine in den nordamerikanischen Freistaaten.

So sehr wir auch die Monarchien unter Monarchen und Ministern verehren, welche sich in der wichtigen Frage, wie ein gegebenes Volk aufs Gemeinnützigste und am wohlfeilsten regiert werden kann, vor fixen Ideen und vor dem Einflusse des persönlichen oder Familieneigennutzes zu bewahren wissen, und an manchen Republiken neuester Stiftung das Streben der Partheiungen hassen, welche sich lieber von Anarchie als von einer vielleicht nicht fehlerlosen Verfassung beherrschen lassen; so möchten wir darum doch nicht gerade den Behauptungen einiger Zeitungen folgen, welche aus den leidenschaftlichen Kämpfen einiger jener Freistaaten mit der Centralregierung in Washington die nahe Auflösung des großen republikanischen Staatenverbandes der jenseitigen Halbkugel folgern; denn die dortigen Mäßigkeitsvereine, um der daselbst überhand nehmenden Trunkliebe und deren traurigen Folgen durch Entsagung aller destillirten hitzigen Getränke vorzubeugen, die keine einzelne Staatenregierung oder die Centralmacht zu verordnen wagte, haben auffallend das Laster der Trunkenheit vermindert, bloß weil der helle Verstand der Staatsbürger die Nothwendigkeit dieser freiwilligen Entsagung einsieht.

Allerdings herrschte die leidige Trunkliebe ungesunder hitziger Getränke unter den Nordamerikanern bis 1828 weit ärger, als im Norden Europa’s und in den Ländern, wo leider die Wohlfeilheit des Kartoffelbranntweins und die Theurung des Biers uns täglich Scheusale der Trunkenheit zeigt.

Jährlich starben von 13 Millionen Menschen in den nordamerikanischen Freistaaten wenigstens 30,000 an den Folgen der Völlerei, ohne diejenigen zu rechnen, welche unter den 2 Millionen Negersklaven sich diesem Laster ergeben hatten, und von 5000 Verbrechern, welche im Staate New-York mit einer freien Bevölkerung von mehr als 2 Millionen Köpfe jährlich bestraft wurden, waren weit über die Hälfte Personen, welche im trunkenen Muthe Verbrechen und Frevel begangen hatten.

Alle Laster schänden den Menschen, machen ihn jedoch nicht durchaus zum Sklaven eines thierischen Genusses, und weil dieß der Fall ist, so kehrt doch mancher Lasterhafte früher oder später zur sittlichen Regelmäßigkeit und zur Selbstbeherrschung zurück; allein die Trunkenheit raubt dem Säufer den Gebrauch jeder edleren Seelenkraft und läßt die Arbeitsamkeit des thätigsten Mannes lässig werden.

In allen civilisirten Staaten vermag die öffentliche, von der Vernunft unterstützte Meinung gar viel. Wenn daher in solchen verkehrte Gesetze, Sitten und Gewohnheiten die Menschen lange genug geplagt haben, so entsteht aus den Mißbräuchen selbst mit oder ohne Mitwirkung der Regierung ein besserer Zustand. Weil im Staate New-York von der Periode des Freiheitskrieges her die Völlerei besonders in der Hauptstadt gleichen Namens mit 200,000 Einw., also der größten amerikanischen Stadt, überhand genommen hatte, so sammelten sich dort zuerst und hernach überall anfänglich in diesem und hernach in den andern Frei-Staaten freiwillige Vereine, welche dem Branntweine, Rum und Arrak gänzlich entsagten. Es entstanden 21 Hauptmäßigkeitsgesellschaften mit 4000 Filialen. An diesen Gesellschaften nehmen jetzt Theil 11/2 Million Köpfe.

650 Seeschiffe amerikanischer Flagge untersagten sich allen Gebrauch jener Getränke, weil die Rheder keine andern Kapitaine, Steuerleute und Matrosen annahmen, als die sich diesem Vereine anschlossen.

Über die Hälfte der Brennereien gingen ein, die Einfuhr destillirter Getränke fiel monatlich immer mehr. Die klugen Jungfrauen beschlossen, nur Jünglinge zu heirathen, welche sich dem Mäßigkeitsvereine anschlossen; die Väter gaben ihre Töchter nur ganz nüchternen Jünglingen. Dieß wirkt um so mehr, da sich junge Männer nirgends früher verheirathen, als in den Freistaaten, wo es jedem fleißigen Familienvater so leicht ist, eine Gattin und Kinder zu ernähren.

Verhältnißmäßig sind die meisten Mitglieder der tugendhaften Gesellschaft junge Personen, aber selbst viele der dem Trunke sehr ergebenen Greise treibt die Schaam der Verachtung, welche die Jugend wider lasterhafte alte Personen ausspricht, vom Laster allmälig zurück zu treten. Am wenigsten schlossen sich ältere unverehlichte Personen beider Geschlechter dem Mäßigkeitsvereine an. Auch trifft man unter diesen Unverehlichten die meisten Verbrecher und Egoisten.

Als davon die Rede war, ob die Geistlichen auch von der Kanzel die Mäßigkeitsvereine empfehlen sollten, beschlossen sie, nicht durch Lehre, sondern durch ihren allgemeinen Beitritt ihren Pfarr- und Synagogengenossen als Vorbild durch die That zu dienen.

Lebte noch der ehrliche Franklin, der so oft seinen Mitbürgern vergebens die Mäßigkeit empfahl, so würde er der feurigste Lobredner der Jugend, von deren künftigem Tugendsinne er den langen Bestand der von ihm begründeten Republik hoffte, in unsern Tagen geworden seyn. Übrigens beweiset der muthige Entschluß eines freien Volkes, einem anerkannt nachtheiligen Laster zu entsagen, welche Ehrfurcht der Nordamerikaner im Ganzen den weisen Gesetzen und den guten Sitten seines Vaterlandes zollt!

Als Einer der unmäßigen Greise, früher ein beliebter Volksschriftsteller, eine alberne Schrift herausgab, worin er beweisen wollte, daß die Tendenz der Mäßigkeitsvereine in seinem Vaterlande freiheitstörend und antirepublikanisch sey, lachte mit Recht die klügere Jugend über den kindisch gewordenen Greis.

Ich rühme bei dieser Gelegenheit Eines der weisesten Polizeigesetze Norwegens, daß nur Wittwen und Männer von höherem, wenigstens 50jährigem Alter und bekannter Nüchternheit Schenkwirthschaften in den Städten und auf dem Lande treiben dürfen. Der Grund des Gesetzes ist, daß das gemächlichste aller Gewerbe dem Alter ausschließungsweise gebühre. Irre ich nicht, so dürfen auch in einem Schenkhause in Norwegen keine ledigen Frauenzimmer auf ihre eigene Hand wohnen. [12] Der Norwegische Storthing (Ständeversammlung) zeichnet sich durch feste Haltung an seine, als nützlich sich bewährende Verfassung, und seine Deputirten durch kurze Debatten über unbedeutende Staatsverfügungen aus. Er sucht sehr rühmlich die einfachen Sitten seiner Mitürger zu erhalten.

Die Baumwolle.

Die Baumwolle ist der Flaum, womit die Früchte der Baumwollenstaude zur Zeit der Reife angefüllt sind. Die verschiedenen Arten dieser Pflanze machen Eine der Arten der Familie der Malvaceen aus, weil ihre Befruchtung jener der Malven ähnlich ist. Die Kennzeichen dieses Geschlechts von der Befruchtung entlehnt, sind folgende: Same in gerundeten oder eiförmigen Kapseln, oben spitzig, inwendig in drei bis vier Fächer abgetheilt, worin sich der Flaum (die Wolle) befindet, die Fächer öffnen sich, wenn sie reif sind, durch den bloßen elastischen Druck der Baumwolle. Jedes Fach enthält drei bis sieben Körner, welche von dem Flaum umgeben sind. Die Baumwollenarten, von denen wir nunmehr einige Nachrichten mittheilen wollen, sind wegen des Gebrauchs, den man von ihrem Erzeugnisse macht, die interessantesten.


Die gemeine Baumwollenpflanze - gossypium herbaceum.


Obgleich diese Pflanze unter die Kräuter gerechnet wird, so ist ihr Stengel doch hart und holzartig. Man bauet sie jährlich an, ob sie gleich einige Jahre ausdauern würde, wenn man sie der Natur überließe. Der Stengel ist cylinderförmig, unten röthlich oder braun, am obern Theile haarig und mit schwarzen Spitzchen übersäet, wie die Stiele, welche Blätter mit fünf rundlichen Lappen haben, die sich in einem Spitzchen endigen.

Die Blättchen des Kelchs sind breit, kurz und stark gezackt. Die Blüte ist groß und gelb; die Körner sind weiß. Die jährliche Baumwollenart ist am weitesten verbreitet, und wird von den Manufakturisten am meisten verarbeitet. Man hält sie in Persien für einheimisch, von wo aus sie nach Syrien, Kleinasien und in mehrere südliche Gegenden Europa’s gekommen seyn soll. Amerika hat sie sich auch angeeignet, ob es ihm schon nicht an einheimischen Arten fehlte. Unter den Letztern führt man eine Art an, deren Frucht viel größer, als die des asiatischen Baumwollenbaumes ist, so daß ihr Anbau einträglicher seyn würde; allein die Baumwollenstaude mit großen Kapseln stammt aus den heißesten Gegenden Südamerika’s her, während sich die asiatische sehr gut mit der Wärme von Malta, Sizilien und Andalusien verträgt. Aus diesem Grunde haben ihr die Bewohner der vereinigten Staaten von Nordamerika den Vorzug gegeben und der glückliche Erfolg ihres Anbaues rechtfertigt ihre Wahl vollkommen.

Die baumartige Baumwollenpflanze - gossypium arboreum.

Streng genommen, ist diese Art kein Baum, sondern ein Gesträuch. Die Blätter sind handförmig, in fünf längliche Läppchen abgetheilt; die Blüten sind von einem röthlichen Braun und ziemlich groß. Man findet diese Art auf dem festen Lande der alten und neuen Welt, ohne daß man weiß, ob sie aus der einen in die andere gekommen ist. So viel ist gewiß, daß die höchste Art der Baumwollenpflanze vor der Ankunft der Europäer in Amerika vorhanden war, und daß man sie mit Recht als einheimisch daselbst anführen kann. Allein ihre der Art nach verschiedenen Kennzeichen unterscheiden sich so wenig von jenen der krautartigen Baumwollenpflanze Ostindiens, daß die Kräuterkundigen beide zu Einer Art rechnen.

Der Baumwollenstrauch (gossypium religiosum) ist ursprünglich in Ostindien oder in China einheimisch. Man weiß nicht, ob diese Art in irgend einem Verhältnisse mit der Religion ihres Vaterlandes steht, wodurch sich die Benennung erklären ließe, welche ihr Linné gegeben hat. Sie ist nicht ganz so hoch als die vorige, und führt einen andern Namen in den Sprachen aller der Länder, in welchen sich beide Pflanzen zu gleicher Zeit befinden. Man unterscheidet zwei Spielarten, die Eine, deren Baumwolle weiß ist, und die Andere, welche die gelbbraune Baumwolle liefert, woraus man den Nanking verfertigt. Diese köstliche Spielart ist besonders in China in Menge vorhanden, von wo sie nach den Inseln Frankreich und Bourbon gekommen ist. Auch hat man in Amerika eine sehr kleine Art von Baumwollenstaude gefunden, welche einen gelbbräunlichen Flaum von einer außerordentlichen Feinheit und von einem merkwürdigen Glanze hervorbringt; man macht Strümpfe davon, die man den seidenen vorziehen würde, wenn ihr Preis nicht so hoch wäre.

[13]

Der Baumwollenstrauch - gossypium religiosum.

Bis jetzt hat die Baumwollenstaude, die man alle Jahre säet, die größte Menge von Baumwolle in den Handel geliefert. Diejenige, welche die Engländer am meisten schätzen, kommt aus Georgien, Einem der Staaten der nordamerikanischen Union (Verbindung); die Manufakturisten bezahlen gern den doppelten Preis dafür als für jede andere Baumwollenart; allein man muß wissen, daß die baumartigen Arten einer größern Wärme bedürfen, und daß sie mit keinem glücklichen Erfolge in den gemäßigten Gegenden, z. B. auf dem Gebiete der vereinigten Staaten, angebauet werden könnten; jedoch ist, nach Humboldt, der mittlere Wärmegrad der Örter, welche für die großen Baumwollengewächse passen, etwas unter 14° Réaumur, und die Wärme, welche die gemeine Baumwolle erfordert, über 11°, so daß der Unterschied zwischen den beiden Wärmegraden nicht über 21/2 betrüge.

Alle Arten von dieser Pflanze, die jährlichen und die ausdauernden, werden durch Erziehung aus Samen fortgepflanzt. Was die jährlichen Arten anbelangt, so verfließen, wenn die Witterung günstig ist, sieben bis acht Monate zwischen der Aussaat und der Ernte. Sobald sich die Kapseln zu öffnen beginnen, eilt man zur Ernte. Die Baumwollenfelder gewähren alsdann einen sehr angenehmen Anblick. Mit Vergnügen verweilt das Auge auf den Blättern von einem dunkeln und glänzenden Grün und der Menge weißer und in Kügelchen bestehender Früchte, womit es übersäet ist. Man rechnet, daß in guten Jahren ein Morgen bis 200 Pfund gereinigte Baumwolle liefern kann. Einige Baumwollenpflanzer nehmen auf dem Stamme den Flaum nebst den darin enthaltenen Körnern heraus und lassen die Hülle der Kapseln an den Stengeln; Andere schneiden alle Früchte ab, um sie insgesammt zusammen fortzuschaffen, und warten, bis sie sich von selbst öffnen, um ihr Ausmachen und Reinigen zu beginnen. Dieß Geschäft wird alsdann beschwerlicher, weil die ausgetrocknete Hülle in sehr kleine Stücke zerbricht, welche sich mit der Baumwolle vermischen. Auf welche Art man aber auch verfahren mag, so darf das Einsammeln doch nicht länger, als die Morgenröthe, dauern, und man muß vor Sonnenaufgang alle Kapseln, welche sich geöffnet, weggenommen haben, weil die Wirkung eines starken Lichtes schnell die Farbe der Baumwolle verändert.

Die Baumwollensträuche tragen bloß fünf bis sechs Jahre. Beginnt sich der Ertrag zu vermindern, so veranstaltet man eine neue Erziehung aus Samen, um die Pflanzung zu erneuern.

Nach der Ernte reinigt man die Baumwolle, um die Körner davon abzusondern. Diese Arbeit ist langsam und umständlich, wenn man sie mit der Hand verrichtet, weil der Flaum fest an den darin enthaltenen Samenkörnern hängt. Man nimmt daher zu Maschinen seine Zuflucht. Der Ostindier, der noch auf seine beiden Arme beschränkt ist, braucht zum Reinigen eines Pfundes Baumwolle einen ganzen Tag. Mit der Maschine reinigt eine einzige Person an einem Tage 60 bis 65 Pfund Baumwolle; aber in Nordamerika begnügt man sich noch nicht mit diesem Erfolge; man hat da große Reinigungsmaschinen erfunden, welche von Pferden, vom Wasser oder vom Dampfe getrieben werden. Eine solche Maschine, welche von einem Pferde in Bewegung gesetzt und von drei Arbeitern geleitet wird, liefert täglich bis 9 Centner gereinigte Baumwolle.

Blätter, Blüten und Früchte der Baumwollenstaude.

Diese erste Reinigung ist jedoch noch nicht hinreichend; es bleiben noch immer einige Samenkörner und Stückchen von der Hülle des Flaums zurück. Durch ein anderes Verfahren säubert man die Baumwolle von allen diesen Unreinigkeiten. Hierauf schickt man die Baumwolle in die Magazine, wo man sie in Ballen verpackt, wovon ungefähr jeder 3 Centner wiegt.

In Ägypten bauet man seit zehn Jahren die Mako- oder Jumelbaumwolle, wovon man im Jahre 1823 nur 5 Ballen, im Jahre 1824 aber schon 134,416 Ballen ausführte, die einen Ertrag von 4,798,891 spanischen Thalern abwarfen. Diese Baumwolle entdeckte im Jahre 1822 der Franzose Jumel in einem Garten Mako-Bey’s, und ihr Anbau hat seit der Zeit stets zugenommen. Die Ausfuhr der Baumwolle aus Ägypten, die in England und Frankreich vielen Beifall gefunden hat, ist sich jedoch nicht gleich geblieben; bald war sie größer, bald kleiner, und ihr Ertrag hing oft von der politischen Lage des Landes ab, dessen Bevölkerung durch die Kriege des Pascha’s sehr leidet.

Im Jahre 1828 führte Großbritannien 2,266,260 Centner Baumwolle ein: als 1,517,520 [14] Centner aus den vereinigten Staaten Nordamerika’s, 291,430 Centner aus Brasilien, 321,870 Centner aus Ostindien, 64,540 Ctr. aus Ägypten u. s. w. Die Einfuhre Frankreichs betrug damals ungefähr 450,000 Centner.


Die Gewöhnung des Menschen an Arbeitsamkeit.

Die Arbeit ist fruchtbringend, gewährt Glück den Einzelnen, und vermehrt den Reichthum der Staaten. Sie ist die Grundlage alles Wohlstandes. Ihre Erzeugnisse liefern vielfache Tauschmittel und befördern den wohlthätigen Verkehr zwischen den Nationen. Man kann daher nicht genug dahin streben, die Menschen arbeitsam zu machen, aber diese schaffende Thätigkeit muß verständig seyn; Alles muß zur rechten Zeit und in gehöriger Ordnung geschehen. So vortheilhaft jedoch eine zweckmäßige Arbeitsamkeit für Alle ist, so hat doch der Mensch nicht viel Lust dazu, weil er von Natur zur Trägheit geneigt ist, die Ruhe liebt und sich im Nichtsthun glücklich preiset. Jener Bettler, dem man seine Faulheit vorwarf, erwiederte: „ach, mein Herr! wüßten Sie, wie glücklich man ist, wenn man nicht arbeitet, so würden Sie Ihre Vorwürfe sparen, und mir eine reichliche Gabe spenden.“

Da nun der Mensch von Natur einen Hang zur Faulheit hat, so muß man diesen auszurotten suchen und ihn vertilgen, weil er der Bestimmung des Menschen widerspricht, die in der Selbstthätigkeit nach vernünftigen Zwecken besteht. Von früher Jugend muß man den Menschen an Arbeitsamkeit gewöhnen; denn der Fleiß ist eine Gewohnheit, die man sich durch lange Übung zu eigen macht, durch die man viel gewinnt, weil sie ehrt und nährt. Man gewöhne daher von den frühesten Jahren an die Kinder an zweckmäßige Thätigkeit, bilde ihren Verstand aus, und lehre sie etwas erwerben; der Vortheil, selbst wenn er gering ist, ist ein großes Reizmittel zum Arbeiten. Der Gewinn, den man selbst macht, spornt die Thätigkeit, und der Knabe und das Mädchen freuen sich, wenn sie etwas verdienen können. Aber diese Thätigkeit sey mit Verstand verbunden; sie habe einen Zweck, der löblich und gut ist. Wer Kenntnisse sich erwirbt, der erweitert seine An- und Aussichten und seine Macht, verschafft sich Mittel zu seinem Glücke und überwindet leicht Schwierigkeiten und Gefahren, die sich ihm in den Weg werfen. Frühzeitiger Fleiß giebt eben so viel Muth als Stärke, und erwirbt nicht bloß Liebe, sondern gewährt auch Ansehen. Man befördere die Thätigkeit des Geistes und Körpers in dem Knaben und Mädchen auf die naturgemäße Art. Man fange mit dem Leichten an, gehe zum Schwereren fort, und endlich löset man jede noch so schwierige Aufgabe glücklich. Was der Mensch oft wiederholt, das wird ihm leicht. Durch die Gewohnheit führt man das aus, was man kaum für glaublich hält. Aller Anfang ist schwer, alle Kräfte sind zuerst schwach, aber die Übung stärkt sie und die Beharrlichkeit erregt Lust, welche stets zu neuer Thätigkeit anspornt. Man liebt seine Kinder nicht, wenn man sie nicht frühzeitig an Thätigkeit gewöhnt; man verscherzt ihr Glück, wenn man ihren Geist und Körper nicht zeitig ausbildet, beider Kräfte stärkt, und ihnen dadurch Selbstvertrauen und Muth einflößt. Der Mensch ist nicht zum Müßiggange auf dieser Erde; er soll stark, muthig, entschlossen und verständig werden, um den großen Kampf mit den Menschen und dem Schicksale zu beginnen, und endlich glücklich den Sieg über alles Unvernünftige, Unsittliche und Irreligiöse zu erringen.


Wohlfeilere Versorgung der Waisen und Armen.

Bisher war die Bildung und Gesittung, was freilich ihre schwache Seite ist, mehr ein Luxus des reicheren und des Mittelstandes, als ein Segen der ärmeren Klassen, und unsre Staatsökonomen übergehen diesen Fehler ganz, weil diese Wahrheit der alten Schule der Nationalökonomie in Großbritannien und Frankreich nicht einleuchtet.

An zu geringer Vertheilung der Glücksgüter, aber nicht an Übervölkerung leidet besonders England, und schickt als Palliativ (denn an eine Radikalkur denkt man noch nicht) jetzt viele, besonders weibliche Verbrecher und Nothleidende nach van Diemensland, nicht weil sie auf der letzteren Insel sich gerade besser befinden, als in Neu-Süd-Wales, aber das Klima ist in van Diemensland milder für Europäer, und man ist dort über die mäßige Zahl der Wilden noch mehr Herr, als in Neu-Süd-Wales. Am menschenfreundlichsten würde die englische Regierung für die Armenkassen und das Glück der von diesen ernährten oder wenigstens unterstützten Familien handeln, wenn sie alle Armen bis auf alte und gebrechliche Personen, und alle in Waisenhäusern versorgten Kinder nach Australien und nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung schickte. Wie wohlfeil und zugleich wie nützlich könnte man dort die Waisen auf vielen von diesen bearbeiteten Landgütern ernähren, und welche Quellen des reichlichen Erwerbes eröffnen sich dort der zum eigenen Haushalte herangewachsenen und dazu in den letzten Jahren gebildeten Jugend?

Auch der Kontinent Europa’s sollte alle Waisenhäuser und Hospitäler für zu verpflegende Krieger in die unbevölkertsten Provinzen des Staats aufs Land versetzen. Auf solchen Landgütern könnte man den Waisen und den pensionirten Kriegern Gelegenheit verschaffen zu einer für sie mit Gewinn verbundenen Neben-Arbeit, was nichts Unedles umfaßt. Wer möchte übrigens seine Tage im vollen Müßiggange beschließen, und wer sollte nicht durch Arbeit die Gedanken an zerstörte Hoffnungen zu zerstreuen suchen? Gewiß kann man auf großen Landgütern die Hospitalarmen der Städte zugleich mit Nahrung, Pflege und mäßiger Arbeit am wohlfeilsten versorgen, und weil dieß möglich und nützlich ist; so muß man das fernere Erbauen und Erweitern der Armenhäuser in Städten, wo sie nicht einmal Haus- und Gartenarbeit verrichten und gewöhnlich müßig leben, recht sehr tadeln; denn diese übelangewandte Menschenliebe vermehrt die Zahl derjenigen, welche sich oft nur aus Faulheit Versorgung in den Hospitälern wünschen, und vertheuert die Unterhaltung der Armen.

Das verlorne Kameel.

Ein Derwisch (mahomedanischer Mönch) reisete allein durch die Wüste, als ihm unerwartet zwei Kaufleute begegneten. „Ihr habt ein Kameel verloren?“ redete er sie an. „Ja!“ erwiderten sie. – „War es nicht auf dem rechten Auge blind und an dem linken Fuße lahm?“ – „Ja!“ – „Hatte es nicht einen Vorderzahn verloren?“ – „Ja!“ versetzten die Kaufleute. – „Und war es nicht auf der einen Seite mit Honig, und auf der andern mit Weizen beladen?“ fragte sie weiter der Derwisch. – „Ja, wahrhaftig, entgegneten die Kaufleute, und da Ihr es erst vor Kurzem gesehen, und es so genau beobachtet habt, so könnt Ihr uns aller Wahrscheinlichkeit nach zu ihm verhelfen.“ [15] – „Lieben Freunde! gab der Derwisch zur Antwort, ich habe Euer Kameel weder gesehen, noch etwas von ihm gehört, außer was Ihr mir gesagt habt.“ – „Eine schöne Geschichte, in der That! riefen die Kaufleute aus. Aber wo sind die Juwelen, welche einen Theil seiner Ladung ausmachten?“ – „Ich habe weder Euer Kameel, noch Eure Juwelen gesehen,“ versetzte der Derwisch. Jetzt faßten sie ihn bei dem Kragen und schleppten ihn vor den Kadi (Richter); hier durchsuchte man ihn genau, fand aber nichts bei ihm, und konnte auch keinen Aufschluß weiter von ihm erhalten; man konnte ihn weder einer falschen Aussage, noch des Diebstahls überführen. Eben war man im Begriffe, gegen den Derwisch als einen Zauberer zu verfahren, als er ganz ruhig den Gerichtshof folgendermaßen anredete: „Euer Erstaunen hat mir viel Vergnügen gemacht, und ich gestehe selbst, daß einiger Grund zu Eurem Verdachte vorhanden ist; allein ich habe lange gelebt, und mein Leben einsam zugebracht, und ich kann reichliche Veranlassung zu Beobachtungen, selbst in der Wüste, finden. Ich hatte die Spur eines Kameeles bemerkt, das seinem Eigenthümer entlaufen seyn mußte, weil ich keine Spur von einem menschlichen Fußstapfen auf dem Wege gewahr ward; ich sah, daß das Kameel auf einem Auge blind war, weil es die Kräuter bloß auf der einen Seite seines Pfades abgefressen hatte, und ich konnte aus dem schwachen Eindrucke schließen, daß es auf einem Fuße lahm sey, weil dieser fast gar nicht den Sand berührt hatte. Daß das Thier einen Zahn verloren hatte, konnte ich daraus abnehmen, daß beim Abbeißen der Pflanze in deren Mitte ein kleiner Theil unberührt geblieben war. Was nun die Ladung des Kameeles betraf, so belehrten mich die geschäftigen Ameisen, daß es auf der einen Seite Getraide, und die Schwärme von Fliegen, daß es auf der andern Honig geladen gehabt habe.“

Die Nachtigall (motacilla luscinia).

Man findet die Nachtigall in ganz Europa bis Schweden hinauf, jedoch giebt es Gegenden, wo sie nicht anzutreffen ist. In einem Theile von Frankreich, Holland, Schottland und Irland bemerkt man sie nicht; auch sieht man sie nur selten in den nördlichen und westlichen Grafschaften von England.

Die Nachtigall gehört unter die Zugvögel; sie verläßt Deutschland um den 20. August, und kehrt dahin um den 20. April zurück. Sie überwintert in Afrika und Asien, wo sie aber weder singt noch brütet. Einige Theile von Kleinasien und Persien verläßt sie gar nicht. Sie hält sich am liebsten in solchen Gebüschen auf, in deren Nähe sich Wiesen mit Bächen und Gräben und Getraidefeldern befinden. Sie verweilt meistens ihr ganzes Leben an einem Orte, und kehrt bei ihren Wanderungen jedes Mal dahin wieder zurück, wenn sie nicht besondere Störungen erleidet. Sie duldet keine andere Nachtigall in zu großer Nähe um sich, und das darauf folgende Jahr dürfen sich ihre Jungen auch nicht zu nahe bei dem Standorte der Alten niederlassen, sondern müssen in gehöriger Entfernung bleiben.

Die Nachtigallen leben theils von Insekten, theils von Beeren. Die Ersten machen ihre Hauptnahrung aus. Auch fressen sie Regenwürmer. Im Frühjahre und Herbste lassen sie sich leicht fangen; ihre Neugierde gereicht ihnen oft zum Verderben. Ihr Gang ist hüpfend und geschieht gleichsam mit abgemessenen Schritten; nach einer gewissen Anzahl derselben bleibt sie stehen, richtet den Schwanz hoch auf, bückt sich einige Male, hebt den Schwanz wieder auf, und hüpft nun erst weiter.

Durch ihre Stimme zeichnet sich die Nachtigall vor allen Vögeln aus. Kein anderer Vogel hat so viel Töne in seiner Gewalt, und keiner kann so deutlich die verschiedenen Affekte ausdrücken. Sie giebt ihren Zorn und Unwillen, ihre Eifersucht, ihre Furcht, ihre Zuneigung zu ihrem Gatten durch bedeutungsvolle Töne zu erkennen. Das sogenannte Schlagen der Nachtigall ist bloß dem Männchen eigen, und tönt so hell und stark, daß man mit Recht über die Kraft der Kehle eines so kleinen Vogels erstaunt. So viele Mühe man sich auch gegeben hat, die schöne Harmonie der Töne und die anmuthigen Abwechslungen in den Strophen durch Sylben und Wörter auszudrücken, so ist deren Beschreibung doch nicht gelungen. Bald zieht die Nachtigall zehn Minuten lang eine Strophe einzelner melancholischer und flötender Töne hin, welche leise anfangen, allmälig stärker werden, und wieder leise enden; bald schmettert sie eine Reihe gerader, scharf abgebrochener Töne mit Kraft und Schnelligkeit hervor und schließt dann mit einzelnen Tönen im aufsteigenden Akkorde. Kenner des Nachtigallengesanges unterscheiden wenigstens 24 Strophen in demselben, ohne die vielen kleinen Abwechslungen zu rechnen. Im Ganzen haben jedoch alle Nachtigallen dieselbe Melodie, allein man bemerkt doch unzählige Abänderungen, und man wird häufig gewahr, daß die eine Nachtigall die andere im Gesange übertrifft. Viele Nachtigallen schweigen am Tage, und singen vor und nach Mitternacht, oft bis zum Morgen. Man nennt diese Nachtsänger; jedoch machen sie keine besondere Art aus; denn man hört sie zu andern Zeiten auch bei Tage fleißig singen. Alle Nachtigallen stimmen nach ihrer Ankunft in den schönen Frühlingsnächten ihr Lied an, um die vorbeiziehenden, einige Tage später ankommenden Weibchen anzulocken.

Der Gesang der Nachtigallen dauert höchstens 9 bis 10 Wochen; und hört um Johannis auf, obschon die Witterung hierbei einigen Einfluß hat. Sobald die Jungen ausgekrochen sind, hört ihr Gesang fast ganz auf, weil sie für dieselben sehr zärtlich sorgen. Da jetzt der Frühling gekommen ist, so wollen wir hier die Töne des Nachtigallengesanges mittheilen, wie sie der bekannte Naturforscher Bechstein in Sylben und Wörtern ausgedrückt hat:

Ziuu, tiuu, tiuu, tiuu,
Schpe tiu tokua,
Tio, tio, tio, tio,
Kuutio, kuutiu, kuutiu, kuutiu,
Tskuo, tskuo, tskuo, tskuo,
Tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii,
Kuoror tiu. Tskua pipitskuisi
Tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, ssirrhading!
Tsisi si tosi si si si si si si si
Tsorre tsorre tsorre tsorrebi;
Tsatn, tsatn, tsatn, tsatn, tsatn, tsatn, tsatn, tsi.
Dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo
Kuioo trrrrrrrtzt
Lu lu lu ly ly ly li li li li
Kuio didl li lulyli
Ha guur guur kui kuio!
Kuio, kuui kuui kuui kui kui kui kui
Ghi, ghi, ghi,
Gholl gholl gholl gholl ghia hududoi.
Kui tui horr ha dia dia dillhi!
Hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets,
Tuarrho hostehoi
Kuia kuia kuia kuia kuia kuia kuia kuiati;
[16] Kui kui kui io io io io io io io kui
Lu lyle lolo didi io kuia.
Higuai guai guay guai guai guai guai guai kuior tsio tsiopi.


Die Nachtigall

Die Bevölkerung von Rom zu verschiedenen Zeiten.

Wo sich die Menschen wohl befinden, da nimmt auch die Bevölkerung in steigenden Fortschritten zu. Zum Beweise hiervon dienen die Freistaaten von Nordamerika, welche beim Friedensschlusse 1783 3 Millionen Einwohner hatten, und jetzt 13 haben. Weise und gerechte Gesetze befördern die Sicherheit der Personen und des Eigenthums; diese giebt Veranlassung zur Ausbreitung des Ackerbaues, des Handels, der Gewerbe, der Wissenschaften und Künste, und wenn die Rechte Aller unter dem Schutze der Gesetze stehen, und das Volk selbst durch seine Abgeordneten zu den letztern beiträgt, so wird vielen Übeln sogleich im Entstehen abgeholfen; veraltete Mißbräuche hebt man durch zweckmäßige und gerechte Einrichtungen auf, welche der Bevölkerung eben so viel Vorschub thun, als sie das Wohlseyn der Menschen begünstigen. Alle Städte und alle Staaten haben jetzt, trotz den langen blutigen Kriegen, an Einwohnerzahl sehr zugenommen, wozu die Blatterneinimpfung, die verbreitete Aufklärung, die größere Geistes- und Körperthätigkeit und die Geschicklichkeit der Ärzte beigetragen hat.

Die erste Zählung der Einwohner Roms, welche man seit der Zeit des Umsturzes des westlichen römischen Reiches hat, ist vom Jahre 1198 unter Innocenz III., wo die Bevölkerung dieser Stadt bloß 35,000 betrug. Die Verlegung des päpstlichen Stuhles nach Avignon brachte sie auf 17,000 herab. Nach der Rückkehr des päpstlichen Hofes aus dieser Stadt im Jahre 1377 nahm sie zu, und sie war zur Zeit Leo’s X. 60,000. Allein die Erstürmung und Plünderung Roms durch Bourbons Armee im Jahre 1527 verminderte sie wieder auf 33,000. Nun nahm sie wiederum zu, besonders unter dem Papste Sixtus V., der das Land von den Banditen säuberte, und mit Recht den Namen des Wiederherstellers des Friedens verdiente.

Seit dieser Zeit vermehrte sich die Bevölkerung Roms bis zum Anfange des letzten Jahrhunderts fortdauernd, wo sie 138,000 betrug und sich also innerhalb 150 Jahren vervierfacht hatte. Im Jahre 1730 belief sie sich auf 145,000; im J. 1750 auf 157,000, und im Jahre 1775 auf 165,000; dieß war der höchste Punkt, den sie in neuern Zeiten erreichte. Etwa zwei Jahre vor dem ersten Einfalle der Franzosen betrug sie (im Jahre 1795) 164,586. Von dieser Zeit nahm sie immer mehr ab, und im Jahre 1800 war sie 153,000. Da die Kriegsübel fortwährten, so betrug sie im Jahre 1805 bloß 135,000. Im Jahre 1809 wurde der Papst, sein Hof und die höhere Geistlichkeit von Rom mit Gewalt entfernt und die Bevölkerung war im Jahre 1810 auf 123,000 herabgesunken. Nach der Wiederherstellung der päpstlichen Regierung im J. 1814, wo der Papst Pius VII. nach Rom zurückkehrte, stieg die Bevölkerung bald wieder. Im Jahre 1815 belief sie sich über 128,000; im J. 1820 betrug sie 135,000, und im J. 1830, 147,385. Die Zählung vom J. 1831 giebt wiederum eine Vermehrung; sie betrug 150,666, und im J. 1832 153,300, worunter 1419 Priester, 2038 Mönche und 1384 Nonnen sind.

Man sieht hieraus, daß die Bevölkerung Roms und deren verhältnißmäßiges Wohl immer von dem Aufenthalte des päpstlichen Hofes und der Unabhängigkeit seiner Regierung abhängt; es fehlt Rom an Gewerben, die seine Bevölkerung vermehren und an der geregelten und der Vernunft entsprechenden Regierung, welche das Beste der Unterthanen von ihrem Fleiße, ihrer Einsicht und ihrer Freiheit abhängig macht.

Merkwürdigkeiten, durch Vergrößerungsgläser bemerkt.

Der Kopf einer gemeinen Fliege ist mit Federbüschen und Diamanten geschmückt. Die Flügel einer Wassermücke, die, beim ersten Anschauen, einem schlechten, weißlichen Läppchen gleicht, zeigen sich bei genauerer Untersuchung so glatt wie Spiegelglas, und spielen gleich dem Regenbogen in den angenehmsten Farben.

Woche.

11. Mai 1745. Schlacht bei Fontenoy, wo der Marschal von Sachsen gegen den Herzog von Cumberland und Königsegg kämpft.

12. Mai 1809. Übergabe von Wien durch Kapitulation an die Franzosen.

13. Mai 1777. Don Pedro wird Mitregent von Portugal und Pombal gestürzt. – 1779 (13. Mai) Friede zu Teschen.

14. Mai 1792. General-Konföderationsakte zu Targowize gegen die polnische Konstitution vom 3. Mai 1791.

15. Mai 1776. Der nordamerikanische Kongreß empfiehlt den Provinzialversammlungen, sich Verfassungen zu geben. Die virginische Assembly (Versammlung) zu Williamsburg macht die Rechte der Menschheit bekannt und beschließt einen Antrag zur Unabhängigkeitserklärung.

16. Mai 1811. Schlacht in der Gegend von Badajoz bei Albufera zwischen dem Marschal Soult und dem Herzoge von Wellington.

17. Mai 1756. Großbritannien erklärt Frankreich den Krieg, welcher bis 1763 (Friede, geschlossen zu Paris den 10. Februar) dauerte.


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