Das japanische Papier

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Titel: Das japanische Papier
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 807
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[807] Das japanische Papier. Der heutige Verkehr von Volk zu Volk ruft interessante und eigenthümliche Erscheinungen hervor. In kurzer Zeit werden wir Papiergeld haben, zu dessen Herstellung Japan den Stoff geliefert hat. Die Druckerei von Naumann in Frankfurt am Main ist bereits damit beschäftigt, mittelst japanischen Papieres japanisches Papiergeld herzustellen, dessen Nachahmung hoffentlich allen Künsten der Fälscher spotten wird und das vor unserm Papier zugleich den Vorzug größerer Dauerhaftigkeit besitzt.

Unsere Papiermüller benutzen in der Hauptsache noch immer Lumpen, wenn auch die ungeheure Zunahme des Papierverbrauchs sie gezwungen hat, zu Holz, Stroh, Esparte als Aushülfen zu greifen. In Japan kennt man die Benutzung von Lumpen nicht und arbeitet auch mit den plumpsten mechanischen Vorrichtungen. Trotzdem wird ein Papier hergestellt, mit dem das unsrige sich nicht vergleichen kann. Dem Fremden, der in Jeddo seine Einkäufe macht, muß die große Mannigfaltigkeit der Papiersorten auffallen. Man hat Papier jeder Farbe, Papier für Gesuche an den Hof, und für Regierungsdepeschen, Papier für Einladungsschreiben und Glückwünsche, Papier für Dichter und Maler, Packpapier jeder Art, von welchem eine Sorte blos für Geschenke, eine andere für Weihrauch, eine dritte für Zahnpulver, eine vierte für Kuchen verwendet wird. Zahllos sind die für häusliche oder technische Zwecke bestimmten Papierarten. Da giebt es Papier, welches die Stelle unserer Tapeten vertritt, Papier als Bekleidung für Schränke und Thüren, als Ueberzug für Sonnen und Regenschirme, als Ersatz des Glases bei Laternen und Fenstern, Papier zur Herstellung von Börsen, Fächern, Masken und Tabaksdosen. Der japanische Papiermacher weiß dem Papier die Härte des Holzes zu geben und es in einen Stoff zu verwandeln, welcher fast jede Form anzunehmen im Stande ist. Manschetten und Halskragen von Papier sind bei uns nicht mehr ganz unbekannt, aber zu Hüten und Regenmänteln von Papier haben wir uns noch nicht verstiegen. Die japanischen Soldaten tragen Papierhüte, die sich zusammenschlagen lassen, bei den höheren Classen findet man zwei Kopfbedeckungen von demselben Stoffe. Die eine ist sehr dauerhaft und mit einem Firniß überzogen, die andere ist leicht und sieht wie ein Strohhut aus. Neben dem Regenmantel von Papier ist der vornehme Japaner noch mit einem Taschentuch von Papier ausgestattet, und die Damen tragen Haarbänder, Haarnadeln, Sandalenschnüre und sogar Krepptücher von Papier.

Der Rohstoff wird von vier Bäumen oder Sträuchern gewonnen. In der Regel wird die Rinde des Papier-Maulbeerbaums (Broussonclia Papyrifera) benutzt. Dieser Strauch gedeiht in neuaufgebrochenem Lande am besten und verlangt eine sorgfältige Pflege. Man pflanzt ihn in einem Thale oder am Abhang eines Hügels und düngt ihn nicht zu stark. Im Herbst des ersten Jahres gräbt man die Wurzel aus, schneidet sie in Stücke von drei Zoll Länge und pflanzt sie dann wieder so, daß jede Wurzel einen halben Zoll über den Boden hervorragt. Jedes Jahr wird der Strauch bis zu den Wurzeln abgeschnitten und erreicht im vierten Herbst eine Höhe von sechs bis neun Fuß. Er bildet nun einen großen dichten Busch und liefert im fünften Jahre dem Papiermacher, was dieser braucht.

Der Proceß beginnt damit, daß man die Stengel in zwei Zoll lange Stücke zerschneidet und diese in einem Gefäß von Stroh über einen Kessel mit kochendem Wasser aufhängt. Bemerkt man an den Schnittenden, daß der Wasserdampf die Rinde zu lösen beginnt, so nimmt man das Gefäß ab, streift die Rinde mit der Hand ab, und trocknet sie ohne Zeitverlust. Man legt sie nun zwölf Stunden lang in laufendes Wasser, worauf die äußere Rinde mit einem Messer abgeschabt wird. Die letztere geht übrigens nicht verloren, denn nachdem man sie noch einmal gewaschen, gekocht und tüchtig geklopft hat, benutzt man sie zu einer geringeren Papiergattung. Die innere Rindenschicht (der Bast) wird nun noch einmal im Flusse gewaschen, in Gefäßen eingewässert und schließlich mit schweren Steinen beschwert, damit alle Feuchtigkeit entfernt wird. Man kocht sie darauf mit einem Zusatz von Buchweizenasche und rührt die Mischung fortwährend um, damit ein gleichmäßiges Kochen erfolgt. Sie hat nun ihre ganze Zähigkeit verloren und ist nach einem nochmaligen Waschen, durch das sie von jedem fremdartigen Stoff befreit wird, zum Gebrauch fertig. Die Japaner sind aber so unermüdliche Wäscher, daß sie ihre Faser in der Nacht, die dem Papiermachen vorhergeht, noch einmal einer Reinigung unterwerfen. Sie setzen dabei etwas Hausenblase oder Reisstärke zu und reiben die Mischung auf einem Eichentische.

Die Werkzeuge des Arbeiters sind sehr einfacher Art. Sie bestehen aus einem länglichen Kasten, das Boot genannt, von sechs Fuß Länge, drei Fuß Breite und mit einer aufrechtstehenden Stütze am einen Ende, aus zwei Rahmen von der Größe der Papierbogen, von denen der eine in den andern, welcher letztere mit einem beweglichen Boden von geflochtenem Bambus versehen ist, hineingesetzt wird, aus einem Siebe, einer Bürste, einem Trockenbrett und einem Rührstabe von fünfzehn Zoll Länge. Die Papiermasse wird in das Boot geschüttet und so lange umgerührt, bis der Rührstab beim Hindurchgehen durch dieselbe ein leichtes Geräusch macht. An diesem Zeichen erkennt man, daß der Brei die gehörige Festigkeit gewonnen hat. Nun stellt man den Doppelrahmen in das Boot und läßt so viel Masse hinzu, daß der Bambusboden bedeckt ist. Der innere Rahmen hält die Masse fest, doch kommt natürlich Alles auf die Geschicklichkeit des Arbeiters an. Man lehnt nun die Form an die Stütze, füllt eine zweite und fährt damit fort, bis alles Wasser abgelaufen ist. Jetzt wird die Masse auf das Trockenbrett gebracht und mit der Bürste gleichmäßig vertheilt. Im Sommer hilft die Sonne, im Winter muß man Feuer machen. Nach dem Trocknen werden die Bogen zu Hundert auf einander gelegt, mit Steinen beschwert und beschnitten.

Macht man Banknotenpapier, so setzt man je fünfundzwanzig Pfund Rinde, zwölf Pinten feinen Kies und Wasser, dritthalb Pinten Reisstärke und neun Pinten gepulverter Weizenhülsen hinzu. Dieses Papier wird dreimal gewaschen und beim zweiten Male mit dem Wasserzeichen versehen. Krepppapier, das bei den japanischen Damen sehr in Gunst steht, macht man so, daß man das Papier in feuchtem Zustande zwischen zwei Brettern preßt, auf denen ein Muster eingeschnitten ist. Bei wasserdichtem Papier zu Regenmänteln verwendet man Oel vom Samen der Inpflanze (Celtis Wildenawiana), mit dem die Masse gesättigt wird. Dasselbe Oel benutzt man bei Papier, das wie Leder aussieht.

Außer dem Papiermaulbeerbaum liefert der Kajibaum eine Rinde, aus der sich ein ebenso schönes Papier gewinnen läßt. Der Kaji gleicht unsrer Weide und verlangt einen feuchten Boden und ein mildes Klima. Ein deutscher Winter würde ihn tödten, aber in den englischen, namentlich irischen Gegenden, wo keine Pfirsich reift, aber der Lorbeer im Freien überwintert, ließe sich der nützliche Baum vielleicht einbürgern. In der That denkt man in England lebhaft daran und wünscht, daß im Pflanzengarten von Kew Versuche angestellt werden.