David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 7.22

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7.21 Die Einheitswurzeln mit Primzahlexponent l und der durch sie bestimmte Kreiskörper. David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
7.22 Die Einheitswurzeln für einen zusammengesetzten Wurzelexponenten und der durch sie bestimmte Kreiskörper.
7.23 Der Kreiskörper in seiner Eigenschaft als Abelscher Körper.
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22. Die Einheitswurzeln für einen zusammengesetzten Wurzelexponenten und der durch sie bestimmte Kreiskörper.
§ 94. Der Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln.

Es bedeute eine beliebige positive ganze rationale Zahl, und es werde

gesetzt. Die Gleichung -ten Grades

besitzt die Wurzeln

Diese Zahlen heißen die -ten Einheitswurzeln; der durch sie bestimmte Körper werde mit bezeichnet und der Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln genannt. Setzt man, falls durch mehr als eine Primzahl teilbar ist:

,

wo , , … verschiedene rationale Primzahlen seien, so kann man eine Partialbruchzerlegung vornehmen

,

wo , , … ganze rationale positive oder negative Zahlen bedeuten, und dann , zu , zu , … prim ist. Die Benutzung dieser Zerlegung liefert

,

wenn , … gesetzt wird; es entsteht also durch Zusammensetzung der Körper der -ten Einheitswurzeln, der -ten Einheitswurzeln‚ … genau der Rationalitätsbereich. Wir behandeln dementsprechend zunächst den einfacheren Fall , wo in nur eine Primzahl aufgeht.

§ 95. Der Grad des Kreiskörpers der -ten Einheitswurzeln und die Zerlegung der Primzahl in diesem Körper.

Für den Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln gelten folgende Tatsachen:

Satz 120. Bedeutet die Primzahl oder eine ungerade Primzahl, so besitzt der durch bestimmte Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln den Grad . Die Primzahl gestattet in die Zerlegung , wo ein Primideal ersten Grades in ist.

Beweis. genügt der Gleichung vom -ten Grade:

.

Bedeutet eine nicht durch teilbare ganze rationale Zahl und dann eine ganze rationale Zahl von der Art, daß nach ausfällt, so folgt ähnlich wie auf S. 195, daß sowohl

,

als auch der reziproke Wert davon, nämlich:

ganze Zahlen sind; es ist daher eine Einheit. Auf Grund dieses Umstandes können in der nämlichen Weise wie in § 91 die Gleichungen:

geschlossen werden, wo , gesetzt ist und in den Produkten alle zu primen Zahlen und zu durchlaufen hat.

Durch dieselbe Überlegung wie in § 91 folgt hieraus, daß der Grad des Körpers mindestens ist, und damit zugleich, daß er genau diesen Wert hat.

§ 96. Die Basis und die Diskriminante des Kreiskörpers der -ten Einheitswurzeln.

Satz 121. In dem durch bestimmten Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln bilden die Zahlen

, , , …,

eine Basis; die Diskriminante dieses Körpers ist

,

wo für oder nach das Vorzeichen — und sonst das Vorzeichen gilt.

Satz 122. Ist eine von verschiedene rationale Primzahl und der kleinste positive Exponent, für welchen nach ausfällt, und wird gesetzt, so findet in die Zerlegung

statt, wo , …, voneinander verschiedene Primideale -ten Grades in sind.

Die beiden Sätze 121 und 122 werden genau in der entsprechenden Weise bewiesen, wie die für den Körper aufgestellten Sätze 118 und 119.

§ 97. Der Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln. Der Grad, die Diskriminante und die Primideale dieses Körpers.

Jetzt sei ein Produkt aus Potenzen verschiedener Primzahlen, etwa …. Der nach § 94 definierte Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln entsteht dann, wie dort ausgeführt worden ist, durch Zusammensetzung der Kreiskörper , , … der -ten, der -ten‚ … Einheitswurzeln. Da die Diskriminanten der letzteren Kreiskörper zueinander prim sind, so folgt aus Satz 87 (§ 52) unmittelbar die Tatsache:

Satz 123. Der Grad des Körpers der …-ten Einheitswurzeln ist:

.

Wenden wir die zweite Aussage in Satz 88 auf die Kreiskörper , … an und beachten den Satz 121, so folgt das weitere Resultat:

Satz 124. Der Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln besitzt die Basis:

, , , …, .
Die Diskriminante des Körpers der -ten Einheitswurzeln ergibt sich durch die erste Aussage in Satz 88.

Endlich kann auf Grund des Satzes 88 unter Zuhilfenahme der Eigenschaften der Zerlegungs- und der Trägheitskörper die Zerlegung einer rationalen Primzahl im Körper ausgeführt werden. Man erhält so den Satz:

Satz 125. Ist eine in nicht aufgehende rationale Primzahl und der kleinste positive Exponent, für welchen nach ausfällt, und wird dann gesetzt, so findet im Kreiskörper der -ten Einheitswurzeln die Zerlegung

statt, wo , …, voneinander verschiedene Primideale -ten Grades in sind.

Ist ferner eine Potenz von , und wird gesetzt, so findet im Körper der -ten Einheitswurzeln die Zerlegung

statt, , …, voneinander verschiedene Primideale -ten Grades in sind [Kummer (15)‚ Dedekind (5), Weber (4)].

Zum Beweise des Satzes 125 nehmen wir der Kürze wegen an und bezeichnen dann die Kreiskörper der -ten, -ten Einheitswurzeln mit bez. . Ferner sei eine von , verschiedene rationale Primzahl und , seien je ein idealer Primfaktor von bez. in den Körpern , ; wir bezeichnen in , die Zerlegungskörper der Primideale , bez. mit , . Es seien , die kleinsten Exponenten, für welche nach bzw. nach ausfällt, und es möge

gesetzt werden: dann sind , bez. die Grade der Körper , und , der Relativgrad von in bezug auf bez. der Relativgrad von in bezug auf . Nach Satz 88 zerfällt die rationale Primzahl in dem aus , zusammengesetzten Körper in Ideale; diese sind daher sämtlich Primideale ersten Grades in . Wir betrachten unter diesen insbesondere das Primideal und bezeichnen mit einen Primfaktor von in dem aus , zusammengesetzten Körper ; es sei , der Zerlegungskörper des Primideals in . Es folgt zunächst aus der Definition der Zerlegungskörper, daß entweder mit , übereinstimmen oder in als Unterkörper enthalten sein muß. Die Relativgruppe des aus , zusammengesetzten Körpers in bezug auf ist zyklisch vom Grade ; die Relativgruppe des aus , zusammengesetzten Körpers in bezug auf ist zyklisch vom Grade . Wir entnehmen hieraus, daß, wenn das kleinste gemeinsame Vielfache der Zahlen , bedeutet, die Relativgruppe von in bezug auf keine zyklische Untergruppe von höherem als -ten Grade enthalten kann. Da als Trägheitskörper des Primideals eine zyklische Relativgruppe in bezug auf besitzen muß und der Körper den Körper enthält, so folgt, daß jene zyklische Relativgruppe von in bezug auf höchstens den Grad hat.

Andrerseits stellen wir folgende Betrachtungen an. Die beiden Körper und haben den Körper , aber keinen Körper höheren Grades als gemeinsamen Unterkörper, da sonst in noch weiter zerlegbar sein müßte. Desgleichen haben die beiden Körper und den Körper zum größten gemeinsamen Unterkörper. Wir legen nun als Rationalitätsbereich zugrunde; es ist dann ein solcher Relativkörper in bezug auf , der weder mit , noch mit einen Relativkörper in bezug auf gemein hat. Hieraus schließen wir ohne Mühe, daß , höchstens vom Relativgrade in bezug auf sein kann. Der Körper , ist daher höchstens vom Grade , d. h. die Relativgruppe von in bezug auf hat mindestens den Grad . Dies zusammen mit der oben bewiesenen Tatsache zeigt, daß der Grad der Relativgruppe von in bezug auf gleich sein muß, womit sich für den gegenwärtig betrachteten besonderen Fall die Aussage des Satzes 125 deckt.

Nach Satz 123 genügt einer irreduziblen Gleichung vom -ten Grade mit ganzen rationalen Koeffizienten, und nach dem Beweise zu Satz 87 bleibt diese Gleichung auch noch irreduzibel, wenn man als Rationalitätsbereich irgendeinen Körper zugrunde legt, dessen Diskriminante zu prim ist [Kronecker (3[1], 21[2])].

Die Bildung der linken Seite dieser Gleichung geschieht in folgender Weise. Wird für den Augenblick zur Abkürzung allgemein

und

gesetzt, so ist:

.

[Dedekind (1[3]), Bachmann (2[4])].

Ist eine ganze rationale Zahl und eine in aufgehende zu prime Primzahl, so hat mit Rücksicht auf Satz 125 stets die Kongruenzeigenschaft nach . Es gibt danach offenbar unendlich viele Primzahlen mit dieser Kongruenzeigenschaft.

§ 98. Die Einheiten des Kreiskörpers . Die Definition der Kreiseinheiten.

Es gelten folgende Tatsachen:

Satz 126. Wenn eine Potenz einer Primzahl ist und eine nicht durch teilbare Zahl bedeutet, so stellt in dem durch bestimmten Kreiskörper der Ausdruck

stets eine Einheit dar.

Wenn die Zahl verschiedene Primfaktoren enthält und eine zu prime Zahl bedeutet, so stellt in dem durch bestimmten Kreiskörper der Ausdruck

stets eine Einheit dar.

Beweis. Der erste Teil dieses Satzes 126 ist bereits in den Beweisen der Sätze 117 und 120 festgestellt worden. Um den zweiten Teil zu beweisen, setzen wir und

,

wo eine zu und eine zu prime ganze rationale Zahl bezeichnet; dabei wird

.

Nun ist:

,

wo das Produkt über zu erstrecken ist, oder:

,

wo das Produkt über zu erstrecken ist.

Wir unterscheiden jetzt zwei Fälle, je nachdem die Anzahl der Primzahlen ‚ die in enthalten sind, zwei oder mehr als zwei beträgt. Im ersteren Falle ist die rechte Seite der Formel (37) nach dem bereits feststehenden ersten Teile des Satzes 126 eine Einheit. Im zweiten Falle können wir annehmen, der zu beweisende Satz 126 sei bereits für diejenigen Kreiskörper als richtig erkannt, bei welchen die Zahl durch weniger Primzahlen als teilbar ist; es trifft dann dieser Satz für den Kreiskörper zu, der durch die -ten Einheitswurzeln bestimmt ist. Danach sind dann Zähler und Nenner des auf der rechten Seite von (37) stehenden Bruches für sich Einheiten. Der Ausdruck (36) ist ein Faktor des Produktes auf der linken Seite von (37) und daher gleichfalls in jedem Falle eine Einheit. Damit ist der Satz 126 vollständig bewiesen.

Von einer jeden beliebigen Einheit eines Kreiskörpers gilt die Tatsache, daß sie gleich dem Produkte aus einer Einheitswurzel und einer reellen Einheit ist. Die Einheitswurzel liegt dabei nicht notwendig immer in dem Körper selbst, sondern kann, wenn verschiedene Primzahlen enthält, bei geradem eine -te‚ bei ungeradem eine -te Einheitswurzel sein [Kronecker (7)]. Wir sprechen insbesondere die folgende, schon von Kummer erkannte Tatsache aus:

Satz 127. Bezeichnet eine ungerade Primzahl, und betrachten wir in dem durch bestimmten Kreiskörper den durch bestimmten reellen Unterkörper vom Grade , so ist ein beliebiges System von Grundeinheiten dieses reellen Körpers stets auch für den Körper ein System von Grundeinheiten.

Beweis. Ist eine beliebige Einheit in so ist eine solche Einheit in die selbst und deren Konjugierte sämtlich den absoluten Betrag besitzen, und sie stellt daher nach Satz 48 eine Einheitswurzel dar; wir setzen wo eine ganze Zahl sei. Die Einheit besitzt dann die Eigenschaft:

(38)

In dieser Formel (38) kann rechter Hand nur das positive Vorzeichen gelten. Anderenfalls nämlich wäre eine rein imaginäre Einheit; dann setzen wir so daß eine Einheit des reellen Unterkörpers wird. Die Relativdifferente der Zahl in bezug auf den reellen Unterkörper ist und mithin prim zu . Demnach müßte auch die Relativdifferente des Körpers in bezug auf den Körper prim zu sein. Bedeutet nun ein beliebiges in aufgehendes Primideal des reellen Körpers so würde daher nach Satz 93 dieses Ideal nicht gleich dem Quadrate eines Primideals des Körpers sein. Da aber in höchstens zur -ten Potenz vorkommt, so fände sich diese letzte Folgerung in Widerspruch mit dem Satze 117 über die Zerlegung der Zahl im Körper also gilt in der Tat auf der rechten Seite der Formel (38) das obere Vorzeichen. Aus folgt, daß die Zahl reell ist. Damit ist der Beweis des Satzes 127 erbracht.

Die in Satz 126 angegebenen Einheiten sind imaginär. Um reelle Einheiten zu erhalten, bilden wir‚ je nachdem eine Potenz einer Primzahl ist oder verschiedene Primzahlen enthält, die Ausdrücke:

bez.

wo eine zu prime Zahl bedeute und der positive Wert der Quadratwurzel genommen werde. Diese Einheiten sollen kurz Kreiseinheiten genannt werden. Mit Rücksicht auf [5] erkennt man, daß in dem ersteren Falle diese Einheiten im Körper selbst liegen, während sie im zweiten Falle als Produkte aus Einheiten des Körpers in -te bez. -te Einheitswurzeln erscheinen, je nachdem gerade oder ungerade ist.

  1. [358] Mémoire sur les facteurs irréductibles de l’expression . Werke 1, 75 (1854).
  2. [359] Ein Satz über Diskriminanten-Formen. J. Math. 100 (1886).[WS 1]
  3. [356] Vorlesungen über Zahlentheorie von P. G. Lejeune Dirichlet, 2. bis 4. Aufl. Braunschweig 1871–1894.[WS 2]
  4. [356] Die Lehre von der Kreisteilung und ihre Beziehungen zur Zahlentheorie. Leipzig 1872.
  5. Vorlage:

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Kronecker, Leopold: Ein Satz über Discriminanten-Formen, in: Journal für die reine und angewandte Mathematik, Band 100 (1886), S. 79–82 GDZ Göttingen
  2. Dedekind, Richard: Vorlesungen über Zahlentheorie von P. G. Lejeune Dirichlet, 4. Auflage, Braunschweig, 1894, Internet Archive


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