David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 7.36

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7.35 Neue Begründung der Theorie des regulären Kummerschen Körpers. David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
7.36 Die Diophantische Gleichung .
7. Literaturverzeichnis.
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36. Die Diophantische Gleichung .
§ 172. Die Unmöglichkeit der Diophantischen Gleichung für reguläre Primzahlexponenten .

Fermat hat die Behauptung aufgestellt, daß die Gleichung

in ganzen rationalen, von Null verschiedenen Zahlen für keinen ganzzahligen Exponenten lösbar ist. Wenngleich schon aus der Literatur vor Kummer vereinzelte Resultate über diese Gleichung von Fermat bemerkenswert sind [Abel (1[1]), Cauchy (1[2], 2[3]), Dirichlet (1[4], 2[5], 3[6]), Lamé (1[7], 2[8], 3[9]), Lebesgue (1[10], 2[11], 3[12])], so ist es doch erst Kummer auf Grund der Theorie der Ideale des regulären Kreiskörpers gelungen, den Beweis der Fermatschen Behauptung für sehr umfangreiche Klassen von Exponenten vollständig zu führen. Die wichtigste von Kummer bewiesene Tatsache ist die folgende:

Satz 168. Wenn eine reguläre Primzahl bedeutet und irgendwelche ganze Zahlen des Kreiskörpers der -ten Einheitswurzeln sind, von denen keine verschwindet, so besteht niemals die Gleichung

(185)

[Kummer (1[13], 9[14], 11[15])].

Beweis. Es sei Wir nehmen im Gegensatz zu der Behauptung an, die Gleichung (185) besäße eine Lösung in ganzen Zahlen des Körpers , und unterscheiden dann die zwei Fälle, daß keine der drei ganzen Zahlen durch teilbar ist, oder daß mindestens eine unter ihnen durch teilbar ist.

Im ersten Falle sind jedenfalls für den Exponenten die Werte und ausgeschlossen. In der Tat, für wäre jede der drei Zahlen nach und folglich jede der drei Potenzen nach hieraus würde folgen, daß die Summe dieser drei Potenzen oder nach ausfiele, was mit dem Bestehen der Gleichung (185) nicht verträglich ist. Auf einen ähnlichen Widerspruch gelangen wir für wenn wir berücksichtigen, daß in diesem Falle jede der drei Zahlen nach und folglich jede der drei Potenzen nach sein müßte.

Es sei also Gilt die Gleichung (185) für die drei Zahlen so ist offenbar auch wenn bezüglich die Produkte von mit irgendwelchen -ten Einheitswurzeln bedeuten. Wegen dieses Umstandes dürfen wir von vornherein annehmen, daß die drei der Gleichung (185) genügenden Zahlen semiprimär sind. Wir bringen nun die Gleichung (185) in die Gestalt

(186)

Würden hier zwei der Faktoren linker Hand, z. B. und ‚ einen Faktor gemein haben, so müßte dieser auch in und in aufgehen, und da eine Einheit ist und nicht in aufgeht, so müßte dieser gemeinsame Faktor notwendig ein gemeinsamer Faktor der Zahlen und sein. Da jeder Primfaktor, der nur in einem der Faktoren linker Hand von (186) aufgeht, wegen eben dieser Gleichung offenbar zu einem durch teilbaren Exponenten darin vorkommen muß, so folgt, daß die Faktoren der linken Seite von (186) die folgende Zerlegung gestatten:

darin bedeutet den größten gemeinsamen Idealteiler der Zahlen und sind gewisse Ideale in . Da insbesondere zu prim ist, so können wir eine -te Einheitswurzel bestimmen derart, daß semiprimär wird; wir setzen

Es ergibt sich dann

(187)

d. h. es ist

und ferner wird

(188)

Bedeutet die Anzahl der Idealklassen in , so ist andererseits

und da zu prim ist, so folgt hieraus weiter

Die Gleichungen (187) können infolgedessen und mit Rücksicht auf Satz 127 (S. 204) in der Gestalt
(189)

geschrieben werden, wo die gewisse ganzzahlige Exponenten, die geeignete reelle Einheiten des Kreiskörpers und die gewisse ganze oder gebrochene Zahlen mit zu primen Zählern und Nennern in bedeuten. Da die -te Potenz der Zahl jedesmal kongruent einer gewissen ganzen rationalen Zahl nach ist, so erhalten wir aus den Gleichungen (189) die Kongruenzen

(190)

Auf diese Kongruenzen wenden wir die Substitution an und bezeichnen die bei dieser Substitution aus und hervorgehenden Zahlen mit und ; dann entsteht

(191)

Aus (190) und (191) folgt

(192)

Setzen wir , nach , wo und ganze rationale Zahlen bedeuten sollen, so folgt aus (192)

(193)

und wegen der allgemeinen Beziehung nach liefert (193) die Kongruenz:

Andererseits folgt aus der Gleichung (188) nach , und daher haben wir

Nehmen wir nun unter Berücksichtigung dieser Beziehung speziell die Kongruenzen (192) für , so folgt aus diesen durch Elimination der Zahlen notwendig

d. i.

(194)

Hier ist auf der linken Seite keiner der Faktoren gleich , denn sonst müßte entweder oder oder nach sein. Wäre nach , so würde nach folgen; wäre nach , so würde nach , d. h. oder nach folgen; beides läuft unserer Annahme über die Zahlen , , zuwider. Wäre nach , so würde nach , d. h. oder nach folgen. Da aber , , in der Gleichung (185) symmetrisch auftreten, so würde die gleiche Schlußweise auch zu der Kongruenz nach führen, und dann wäre , d. h. nach , was wiederum unserer Annahme über , , widerspricht. Jeder Faktor auf der linken Seite der Kongruenz (194) ist demnach durch , aber nicht durch teilbar, daher ist mit Rücksicht auf die Annahme diese Kongruenz (194) unmöglich.

Wir nehmen nunmehr zweitens an, es sei in der Gleichung (185) eine der drei Zahlen , , , etwa , durch teilbar, und zwar gehe in genau die -te Potenz von auf. Wird dann durch ersetzt, so daß eine zu prime ganze Zahl in bedeutet, so ist die aus (185) entstehende Gleichung von der Gestalt

; (195)

hierin ist . Es soll jetzt gezeigt werden, daß überhaupt eine Gleichung von dieser Gestalt (195) nicht möglich ist, wenn in derselben , , zu prime ganze Zahlen und irgendeine Einheit des Kreiskörpers sein sollen. Zu dem Zwecke nehmen wir wiederum die Zahlen , semiprimär an und bedenken dann zunächst, daß , ganzen rationalen Zahlen nach kongruent werden und daher wegen (195) auch einer ganzen rationalen Zahl nach kongruent sein muß; infolgedessen ist notwendig . Ferner erkennen wir durch eine ähnliche Überlegung wie in dem vorher behandelten Falle und in Berücksichtigung des Umstandes, daß semiprimär ist, die Gültigkeit der folgenden Gleichungen:

. (196)

wo , , …, , zu prime Ideale in sind. Ist insbesondere , so fällt die Klassenanzahl des Körpers gleich aus, und es ist daher jedes Ideal in ein Hauptideal. Setzen wir in diesem Falle , wo eine ganze Zahl in bedeute, und dann

, ,

so gehen die Gleichungen (196) über in

(197)
Im Falle bilden wir die Zahlen
, ;

dieselben lassen sich auch in der Gestalt von Brüchen schreiben, deren Zähler und Nenner zu prim sind. Aus den drei ersten und der letzten der Gleichungen (196) entnehmen wir die Gleichungen

(198)

Wie in dem zuerst behandelten Falle schließen wir hieraus wiederum

, , ,

und infolgedessen können wir die Gleichungen (198) in der Gestalt

(199)

schreiben, so daß , , , ganze, zu prime Zahlen und und Einheiten in bedeuten. Wegen (197) besteht ein Gleichungssystem wie (199) auch für . Durch Elimination von , folgt daher für sowie für eine Gleichung von der Gestalt:

, (200)
wo und Einheiten in sind. Da , ganzen rationalen Zahlen nach kongruent sind und, wie vorhin bewiesen, ausfällt, so folgt in Anbetracht dieser Gleichung (200), daß auch einer ganzen rationalen Zahl nach kongruent sein muß, und daher ist nach Satz 156 (S. 287) die -te Potenz einer Einheit in . Schreiben wir nun in der Gleichung (200) an Stelle von , so nimmt diese Gleichung die Gestalt von (195) an, nur daß der Exponent jetzt um kleiner geworden ist. Die wiederholte Anwendung des nämlichen Verfahrens auf die Gleichung (200) würde notwendig zu einer Gleichung von der Form (195) mit und dadurch auf einen Widerspruch führen. Damit ist der Satz 168 vollständig bewiesen.
§ 173. Weitere Untersuchungen über die Unmöglichkeit der Diophantischen Gleichung .

Der Beweis der Unlösbarkeit der Gleichung in ganzen Zahlen , , des Kreiskörpers der -ten Einheitswurzeln ist von Kummer noch in dem Falle erbracht worden, daß eine Primzahl ist, die in der Klassenanzahl des Kreiskörpers zur ersten, aber nicht zu einer höheren Potenz aufgeht, wenn außerdem die Einheiten noch gewisse Bedingungen erfüllen [Kummer (16[16])]. Unter Berücksichtigung der Bemerkung auf S. 285 läßt sich insbesondere zeigen, daß die Fermatsche Behauptung für jeden Exponenten richtig ist. Die Aufgabe, die Fermatsche Behauptung allgemein als richtig zu erweisen, harrt jedoch noch ihrer Lösung.

Es bleibt noch übrig, die Gleichung für den Fall zu behandeln, daß der Exponent eine Potenz von ist. Die Gleichung besitzt bekanntlich unendlich viele Lösungen in ganzen rationalen Zahlen , , . Weiter gilt jedoch der Satz:

Satz 169. Wenn , , ganze Zahlen des durch bestimmten quadratischen Körpers sind, von denen keine verschwindet, so gilt niemals die Gleichung

. (201)

Beweis. Wir nehmen im Gegenteil an, daß es drei solche ganze Zahlen , , gebe, welche diese Gleichung erfüllen. Es werde und gesetzt. Zunächst sehen wir dann leicht ein, daß notwendig eine der beiden Zahlen , durch teilbar sein muß. In der Tat, nehmen wir an, daß und prim zu wären, und berücksichtigen wir, daß eine zu prime ganze Zahl in stets oder nach , ihre zweite Potenz dann nach und ihre vierte notwendig nach sein muß, so folgt nach . Hiernach müßte notwendig durch und durch keine höhere Potenz von teilbar sein. Setzen wir aber dementsprechend , wo wiederum eine ganze Zahl in bedeute, so finden wir nach und daher stets nach , womit unsere Annahme widerlegt ist. Der Fall, daß beide Zahlen und durch teilbar sind, kann offenbar sofort ausgeschlossen werden, da dann durch teilbar und somit das Fortheben der Potenz auf beiden Seiten der Gleichung (201) möglich wäre.

Es bleibt also nur die Annahme übrig, daß die eine der Zahlen , , etwa die Zahl , durch teilbar, die Zahlen und dann aber zu prim sind. Wir setzen demgemäß , wo eine zu prime Zahl bedeute, und legen dann unserer Betrachtung sogleich die allgemeinere Gleichung

(202)

zugrunde, wo eine beliebige Einheit in bedeute. Wir entnehmen aus dieser Gleichung (202), indem wir nötigenfalls mit vertauschen, zwei Gleichungen von der Gestalt:

(203)

wobei , Einheiten und , ganze, zu prime Zahlen in bedeuten. Wenn man die beiden Gleichungen (203) addiert und das Resultat durch dividiert, so entsteht eine Gleichung

, (204)

wo , Einheiten in sind. Im Falle wäre diese Gleichung sicher unmöglich, weil die Zahlen , , , , sämtlich nach ausfallen. Es ist daher notwendig . Dann aber folgt aus dieser Gleichung (204), wenn sie als Kongruenz nach aufgefaßt wird, zunächst nach ; es ist daher . Setzen wir, je nachdem hier das positive oder das ne-negative Vorzeichen gilt, bez. , so nimmt die Gleichung (204) die Gestalt der Gleichung (202) an, nur daß jetzt einen um kleineren Wert hat. Die gehörige Wiederholung des angegebenen Verfahrens führt auf einen Widerspruch.

Aus der Fermatschen Behauptung für den Fall läßt sich sofort die Tatsache ableiten, daß es keine andere kubische Gleichung mit rationalen Koeffizienten gibt, deren Diskriminante gleich ist, außer den zwei folgenden:

und denjenigen, die durch die Transformation , wo eine rationale Zahl ist, aus jenen Gleichungen hervorgehen [Kronecker (8[17])].

Die allgemeine Fermatsche Behauptung läßt sich nach Hurwitz in der Fassung aussprechen, daß der Ausdruck für eine positive, echt gebrochene rationale Zahl und einen ganzen rationalen Exponenten stets eine irrationale Zahl darstellt.

  1. [356] Extraits de quelques lettres à Holmboe. Werke 2, 254.[WS 1]
  2. [356] Mémoire sur la théorie des nombres. Comptes Rendus 1840
  3. [356] Mémoire sur diverses propositions relatives à la théorie des nombres. (Drei Noten.) Comptes Rendus 1847.
  4. [356] Mémoire sur l’impossibilité de quelques équations indéterminées du cinquième degré. Werke 1, 1 (1825). [349]
  5. [356] Mémoire sur l’impossibilité de quelques équations indéterminées du cinquième degré. Werke 1, 21 (1825), (1828). [349]
  6. [356] Démonstration du théorème de Fermat pour le cas des 14ièmes puissances. Werke 1, 189 (1832). [349];
  7. [360] Mémoire d’analyse indéterminée démontrant que l’équation est impossible en nombres entiers. J. de Math. 1840.
  8. [360] Mémoire sur la résolution, en nombres complexes, de l’équation . J. de Math. 1847.
  9. [360] Mémoire sur la résolution, en nombres complexes, de l’équation . J. de Math. 1847.
  10. [360] Démonstration de l’impossibilité de résoudre l’équation en nombres entiers. J. de Math. 1840.
  11. [360] Addition à la note sur l’équation . J. de Math. 1840.
  12. [360] Théorèmes nouveaux sur l’équation indéterminée . J. de Math. 1843.
  13. [359] De aequatione per numeros integros resolvenda. J. Math. 17 (1837).[WS 2]
  14. [359] Allgemeiner Beweis des Fermatschen Satzes, daß die Gleichung durch ganze Zahlen unlösbar ist, für alle diejenigen Potenz-Exponenten , welche ungerade Primzahlen sind und in den Zählern der ersten Bernoullischen Zahlen als Faktoren nicht vorkommen. J. Math. 40 (1850).[WS 3]
  15. [359] Mémoire sur la théorie des nombres complexes composés de racines de l’unité et des nombres entiers. J. de Math. 16 (1851).
  16. [359] Einige Sätze über die aus den Wurzeln der Gleichung gebildeten komplexen Zahlen für den Fall, daß die Klassenanzahl durch teilbar ist, nebst Anwendung derselben auf einen weiteren Beweis des letzten Fermatschen Lehrsatzes. Abh. K. Akad. Wiss. Berlin 1857.[WS 4]
  17. [359] Über kubische Gleichungen mit rationalen Koeffizienten. Werke 1, 119 (1859).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Abel, Niels Henrik: Extraits de quelques lettres à Holmboe. In: Lie, Sophus (Hrsg.); Sylow, Peter Ludwig Mejdel(WP) (Hrsg.): Œuvres complètes – nouvelle édition. Bd. 2. Christiania : Imprimerie de Grøndahl & Søn, 1881, S.254–262 Quellen
  2. Kummer, Ernst Eduard: De aequatione per numeros integros resolvenda, in: Journal für die reine und angewandte Mathematik, Band 17 (1837), S. 203–209 GDZ Göttingen
  3. Kummer, Ernst Eduard: Allgemeiner Beweis des Fermatschen Satzes, daß die Gleichung durch ganze Zahlen unlösbar ist, für alle diejenigen Potenz-Exponenten , welche ungerade Primzahlen sind und in den Zählern der ersten Bernoullischen Zahlen als Faktoren nicht vorkommen, in: Journal für die reine und angewandte Mathematik, Band 40 (1850), S. 130–138 GDZ Göttingen
  4. Kummer, Ernst Eduard: Einige Sätze über die aus den Wurzeln der Gleichung gebildeten complexen Zahlen für den Fall, dass die Klassenanzahl durch teilbar ist, nebst Anwendung derselben auf einen weiteren Beweis des letzten Fermatschen Lehrsatzes, in: Abhandlungen der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Mathematische Abhandlungen, 1857, S. 47–74 Internet Archive; Auszug in: Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, S. 275–282 Berlin-Brandenburgische Akademie
7.35 Neue Begründung der Theorie des regulären Kummerschen Körpers. Nach oben 7. Literaturverzeichnis.
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